
Harald Lehenbauer | In silva occultus Provinciae Romanae 1 (2024)
In diesem Artikel soll die Entdeckung von zwei römischen Straßenwachtürmen
im Wienerwald an einer wichtigen antiken Straßentrasse thematisiert werden und der
Befund in einen Kontext der topographisch-historischen Umgebung gestellt werden.
Aufgrund der neuen Sachlage sollen des Weiteren noch Überlegungen zu weiteren
möglichen Standorten von römischen Straßenwachtürmen in der Provinz Noricum
angestellt werden. Unter zur Hilfenahme von modernen GIS-Methoden wird der
angrenzende Raum systematisch von den neu entdeckten Positionen aus prospektiert
und so die Grundlage geschaffen, um den Kordon bekannter römischer
Militärpositionen zu verdichten. Damit wird der ICOMOS und UNESCO Empfehlung
Rechnung getragen, wo es ausdrücklich heißt: “Continuing on-going research and
documentation on the Roman course(s) of the River Danube, encouraging where
possible connections between relevant component parts and the original river course
to which they were related, and make the outcomes of this research work accessible”
.
Wenngleich anzumerken ist, dass in der derzeitigen Fassung der Definition
des
Welterbes, “[…] Vorposten- als auch Kastelle im Hinterland […]”
ausgeschlossen sind.
In einem Exkurs werden an einer wichtigen römischen Straßenverbindung zwischen
Augsburg und Kempten bereits lokalisierte Straßenwachtürme einer näheren GIS-
gestützten Untersuchung unterzogen, um so mögliche weitere Standorte ermitteln zu
können, bzw. das angewandte Signalsystem näher in den Blick nehmen zu können.
Eine konkrete Forschungsfrage, die in dieser Arbeit beantwortet werden soll, lautet:
Wurden auch die Straßenwachtürme in den römischen Provinzen Noricum und Rätien
so platziert, dass die Sichtverbindung zu den benachbarten Türmen ausschlaggebend
war?
1. Einleitung
Der norische Limesabschnitt zählte bereits in der Antike zu den neuralgischen
Abschnitten der römischen Grenze, da hier u. a. wesentliche Handelsrouten aus dem
norddanubischen Raum an die Donau führten und daher mit feindlichen Einfällen zu
rechnen war. Auch in der Forschungslandschaft zeichnet sich diese Stellung ab und
genießt die römische Limesforschung von jeher hohes Ansehen und breite
wissenschaftliche Beteiligung
. Zielte die Forschungslandschaft im 20. Jahrhundert vor
allem darauf ab, große, bekannte Fundstätten zu untersuchen und römische Kastelle
näher unter die Lupe zu nehmen
, zeichnet sich erfreulicherweise in den letzten Jahren
eine zunehmende Verschiebung des Forschungsinteresses auf ländliche
Siedlungsstrukturen
und kleinere römische Befestigungen ab, die bisher nur ein
Nischendasein fristeten in der Forschungslandschaft. Auch die in diesem Beitrag im
Mittelpunkt stehenden römischen Wachtürme
rücken neuerdings zunehmend in den
UNESCO 2021, 44 COM 8B.24 - Frontiers of the Roman Empire – The Danube Limes (Western
Segment), (Austria, Germany, Slovakia), Accessed December 29, https://whc.unesco.org/en/decisions/
7943/
Breeze, Schwarcz, Ployer 2023, 15.
Breeze, Schwarcz, Ployer 2023, 17.
Die Geschichte des Donaulimes zusammenfassend etwa Breeze, Schwarcz, Ployer 2023; Ubl 2006;
Wolfram 2003.
Die Limesforschungen perspektivisch zusammengefasst bei Ubl 1974-1975; Ubl 1980; Pollak 2015;
und zuletzt Ruprechtsberger 2015; Ployer 2018, 15.
Wegweisend hierzu etwa neuerdings die Forschungen von Hagmann 2023, 2019, 2020a, 2020b,
2020c; und zuletzt zu wirtschaftlichen Aspekten rund um ein römisches Legionslager Reisinger 2019.
Grundlegend zu den Wachtürmen Baatz 1976; Ubl 1995; Woolliscroft 2017. Eine griffige Übersicht zu
den Wachtürmen am Limes wurde von Sonja Jilek 2005 im “Führer zu den archäologischen
Denkmälern” publiziert. Jilek 2005.