Die Notfallplanung wurde in den letzten Jahren von immer mehr kulturellen Institutionen als wichtige Aufgabe erkannt. Ein Grossteil von Publikationen und Hilfsmitteln bezieht sich jedoch auf öffentliche Einrichtungen. Für kleine und private Institutionen sind die Voraussetzungen anders. Hier bestehen weniger Regularien und es sind nur begrenzte logistische und finanzielle Ressourcen vorhanden. Der Beitrag beschreibt exemplarisch die Situation in einem privatrechtlich organisierten Archiv und stellt die Schwierigkeiten bei der Aufstellung einer professionellen, systematischen Notfallplanung dar. Thematisiert werden die Terminologie und die wesentlichen Elemente eines Notfallrahmenplans. Zudem werden Notfallverbünde und die neue Strategie des KGS zur Prävention und Notfallplanung im Kontext eines Risikomanagements für Kulturinstitutionen vorgestellt.
Ces dernières années, la planification d'urgence a été reconnue comme une tâche primordiale par un nombre croissant d'institutions culturelles. La plupart des publications sur ce sujet et des outils proposés se rapportent toutefois aux institutions publiques. Pour les institutions privées de dimension restreinte, les conditions sont différentes. Elles sont soumises à moins de réglementations et ne disposent que de ressources logistiques et financières limitées. L'article décrit à titre d'exemple la situation dans un service d'archives de droit privé et présente les difficultés liées à l’élaboration d'un plan d'urgence professionnel et systématique. La terminologie et les principaux éléments d'un plan d'urgence sont abordés. Il présente également les réseaux d'urgence et la nouvelle stratégie de prévention et de planification d'urgence de la PBC dans le contexte de la gestion des risques pour les institutions culturelles.
In recent years, emergency planning has been recognised as a key task by a growing number of cultural institutions. However, most of the publications on this subject and the tools proposed relate to public institutions. Conditions are different for smaller as well as private institutions. They are subject to fewer regulations and have limited logistical and financial resources. By way of example, the article describes the situation in a private institution with archival holdings and outlines the difficulties involved in drawing up a professional and systematic emergency plan. The article discusses the terminology and main elements of an emergency plan. It also presents the emergency networks and the new prevention and emergency planning strategy in the context of risk management for cultural institutions as defined by the KGS, the office responsible for the protection of cultural heritage.
In vielen Bibliotheken und Archiven in öffentlicher Hand sind in den letzten Jahren grossangelegte Projekte gestartet worden, um Pläne für die eigene Institution aufzustellen oder sie wurden als dringendes Desiderat erkannt. Auch auf nationaler Ebene ist die Notfallplanung ein aktuelles Thema. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) hat in seiner neuen Strategie des Kulturgüterschutzes für 2021-2024 den Schwerpunkt auf Prävention und Notfallplanung im Kontext eines Risikomanagements für Kulturinstitutionen gelegt,1 nachdem bereits mit dem neuen KGS-Gesetz 2015 erstmals Gefährdungen durch Notfälle und Katastrophen in den Fokus rückten.2 Die Literatur zum Thema Notfallplanung ist mittlerweile gross, online ist eine Vielzahl an Leitfäden und Plänen verfügbar.3 Trotz der Fortschritte auf diesem Gebiet scheinen viele Einrichtungen immer noch über nur unzureichende Notfallpläne zu verfügen. So stellen Giovannini, Roth-Lochner 2019 fest:
Depuis 25 ans environ, la thématique des plans d’urgence occupe de nombreuses institutions suisses appelées à conserver le patrimoine culturel matériel […]. Après un quart de siècle, on pourrait penser que la situation a trouvé une assise stable et que la plupart des institutions suisses disposent d’un plan d’urgence efficace et actualisé. En réalité, cela n’est pas le cas. De nombreuses institutions, même d’importance nationale, n’ont pas de plan d’urgence établi et actualisé. Quant aux institutions de petite et de moyenne dimension, elles sont nombreuses à n’avoir pas encore abordé le thème.4
Auch bei den Vorbereitungen für den Aufbau des Notfallverbundes Bern 2015 zeigte es sich, «[…] dass bei den meisten Institutionen zwar Sicherheitsverantwortliche sowie eine Notfallplanung für Personen, nicht aber für Kulturgüter, vorhanden waren. Nur bei einzelnen lag eine Notfallplanung vor oder war zumindest in Arbeit».5 Dieser Mangel wurde erstmals 2009 in der gross angelegten Studie von Graham, Smith, Knowles thematisiert.6 23 % der befragten Archive, Bibliotheken und Museen gaben an, über keine schriftlich festgehaltenen Notfallplanungen zu verfügen. Bei weiteren 22 % war eine solche Planung zumindest in Arbeit.7 Von denen, die eine detaillierte Planung verfügten, war sie allerdings bei einem Drittel seit mindestens einem Jahr nicht mehr aktualisiert worden.8
Das Gros der Publikationen bezieht sich auf öffentliche Einrichtungen und/oder die spezifische Situation in anderen Staaten. Für kleine und private Institutionen sind die Voraussetzungen jedoch anders. Hier bestehen weniger Regularien und es sind nur begrenzte logistische und finanzielle Ressourcen vorhanden. Ideal-Pläne müssen entsprechend angepasst und auf ein realistisch umsetzbares Mindestmass reduziert werden. Pascal Chappuis spricht treffend von einer «miniaturisation d’un plan de gestion des sinistres» für kleine Institutionen.9 Die Idee für einen nationalen, modularisierten und damit leicht anpassbaren Notfallplan, der auf einer Plattform online zur Verfügung gestellt wird, wurde bisher nicht umgesetzt.10 Gerade jedoch kleinere Institutionen könnten davon profitieren.
Archiv und Verwaltung des Bistums Basel sind in einem denkmalgeschützten Gebäude untergebracht. Es ist im Inventar des Kulturgüterschutzes als A-Objekt beschrieben.11 2017–2019 wurde das historische Gebäude um einen Anbau ergänzt, der u.a. klimaregulierte, brandgeschützte Archivmagazine, ein Depot für Objekte, Büros, Lesesaal und Akzessionsraum beherbergt.
Das Archiv umfasst das Schriftgut der Verwaltung seit Neuumschreibung des Bistums 1828 (Kantone AG, BE, BS, BL, JU, LU, SH, SO, TG, ZG). Die Bestände des historischen Fürstbistums Basel werden in Porrentruy in der Fondation des Archives de l‘ancien Évêché de Bâle (AAEB) aufbewahrt.12 Auch im BiASo reichen Sondersammlungen bis in das 11. Jhd. zurück.
Die katholische Kirche der Deutschschweiz hat gegenüber den Diözesen anderer Länder grundverschiedene Strukturen: das duale System der Kirchen mit den Pfarreien als kirchenrechtliche Instanzen auf der einen Seite und demokratisch organisierten Kirchgemeinden als kantonale, staatskirchenrechtliche Grössen auf der anderen Seite. Die Bistumsleitung ist keine öffentliche Behörde und daher privatrechtlich organisiert. Das Archiv ist nicht dem Archivgesetz (BGA) unterstellt und hat keinen offiziellen öffentlichen Auftrag.13 Der Unterhalt des Archivs über die privatrechtlichen Bestimmungen hinaus, orientiert sich am Kirchenrecht, CIC/1983 Cann. 486–49114 und erfolgt aus ethischer Verpflichtung. Das Reglement des BiASo übernimmt die Vorschriften für öffentliche Archive, was Schutzfristen und Einsicht in das Archivgut anbelangt.
Das Erstellen einer Notfallplanung steht vor mehreren Herausforderungen, wie z.B. die Heterogenität der Gebäudeteile und Sammlungen, sowie die erst am Anfang stehende Inventarisierung und Erschliessung. Die genannten Gründe spiegeln eine weit verbreitete Situation wieder.15
Notfallpläne werden nach der neuen Strategie des KGS (2020) als Teil einer umfassenden Notfallstrategie behandelt, in der das Risikomanagement im Zentrum steht. Prävention ist dabei die wichtigste Aufgabe: Ziel ist es «alles zu unternehmen, dass der Notfallplan gar nie aktiviert werden muss».16 Die Erstellung einer Notfallplanung ist dabei auf Ebene eines Projekts angesiedelt, das auf der Führungsebene initiiert werden muss; dabei werden Methoden der freien Wirtschaft für Kulturinstitutionen übernommen.17 Für die verschiedenen Elemente des Notfallplans müssen Fachpersonen des jeweiligen Gebiets herangezogen werden.
Nach Giovannini ist der Notfallrahmenplan (plan de gestion de sinistre) Teil der Konservierungspolitik.18 Wichtige Grundlage ist die genaue Definition der Verantwortlichkeiten und Kompetenzen. Zweck eines Notfallplans ist nicht allein die Vorbereitung auf Schadensfälle. Vielmehr sollen schon bei der Erstellung des Plans Risikoquellen aufgedeckt und Massnahmen zur Prävention gesucht werden. Der Plan trägt also wesentlich zur Risikominimierung bei.19 Eine genaue Planung erlaubt es auch, im Ernstfall schneller handeln zu können. Er sollte alle ein bis drei Jahre aktualisiert werden.
Neben dem Begriff Notfallplanung findet man oft auch die Bezeichnung Katastrophenplanung. Sie lassen sich nicht leicht voneinander abgrenzen. Üblich ist eine Unterteilung nach Schwere der Notfälle.20 Ein kleiner Notfall betrifft nur eine geringe Anzahl an Objekten, der normaler Dienstbetrieb läuft weiter («Level 1: Minor incident, unlikely to result in personal injury or major damage to collection»). Ein begrenzter Notfall trifft eine grössere Objektmenge, der Dienstbetrieb ist unterbrochen («Level 2, An emergency that may result in personal injury or damage to collections but can be managed internally, e.g. localized leak»). Schwerwiegende Notfälle treffen eine grosse Objektmenge, jedoch ist nur die eigene Einrichtung involviert. Der Einsatz von internen und externen Rettungsgruppen, Feuerwehr, Polizei ist notwendig («Level 3, An emergency that cannot be managed internally or might generate harm to the collection, buildings, staff or users, or any incident however small that affects high priority items, e.g. a fire, substantial flood, utility failure»). Eine Katastrophe bezeichnet einen Notfall, der nicht nur die eigene Institution betrifft. Hier sind alle regionalen Rettungsorganisationen beteiligt («Level 4: An emergency that cannot be managed internally and threatens all aspects of the institution; coordination with wider emergency response plans necessary, e.g. terrorist incident, major natural disaster, explosion»). «Eine Katastrophe zeichnet sich dadurch aus, dass es durch die Verkettung von mehreren, im Einzelnen teilweise harmlosen Ereignissen und zusätzlich durch die Unvorhergesehenheit ihres gemeinsamen Eintretens zu verheerenden Schäden kommen kann».21 Zusätzlich ist eine Einteilung nach Art des Notfalls üblich: Schäden durch Brand und Wasser oder mechanische Schäden hervorgerufen durch Naturereignisse, Unfälle oder menschliches Fehlverhalten.22
Grundfrage ist im Folgenden, ob es eine Pflicht zur Notfallplanung gibt. Der Leitfaden für die Erstellung eines Notfallplans das BABS von 2012 formuliert sehr unspezifisch:
Ohne alle gesetzliche Grundlagen geprüft zu haben, lässt sich festhalten: Die Aufgabe des Erhalts der Kulturgüter ergibt sich – zumindest implizit – aus dem Auftrag der jeweiligen Kulturinstitution. Darunter fallen nicht nur die im Rahmen des Tagesgeschäfts ausgeführten konservatorischen Massnahmen, sondern auch die Vorbereitungen für den Schutz von Kulturgut im Schadensfall.23
Institutionen ohne einen offiziellen Auftrag als Kulturinstitution wie das BiASo fallen mit dieser Angabe durch das Raster.
Expliziter ist die seit 2021 in Kraft getretene Zivilschutzverordnung (ZSV), die auch das Thema Kulturgüterschutzräume und Notfallplanung behandelt.24 Beim Einrichten eines Schutzraumes für kantonale Archive und Sammlungen von nationaler Bedeutung (A-Objekte im KGS-Inventar) wird nur noch dann finanzielle Unterstützung gewährt, wenn ein effizientes Notfallkonzept vorliegt.25 Zumindest für den Erhalt von Fördergeldern besteht also eine Pflicht zur Notfallplanung.
Das BiASo untersteht zusätzlich der kirchlichen Gesetzgebung, die ihrerseits Vorgaben für Archive macht. Die Vorgaben des CIC sind prima facie sehr vage,26 doch der 1997 erschienene Kommentar der Päpstliche Kommission für die Kulturgüter der Kirche entwickelt daraus verpflichtende Vorgaben für eine Konservierungspolitik.27 Der entsprechende Paragraf des CIC/1983, can. 491 § 2 lautet: «Curet etiam Episcopus dioecesanus ut in dioecesi habeatur archivum historicum atque documenta valorem historicum habentia in eodem diligenter custodiantur et systematice ordinentur.». Der Kommentar interpretiert das «diligenter custodiantur» ausführlich:
Die Erhaltung der Pergamenturkunden, der Schriftstücke auf Papier und des elektronisch erstellten Materials muß […] durch entsprechende Vorschriften über die Nutzung der Archive, durch eine effiziente Inventarisierung, durch eine mögliche Restaurierung zu Erhaltungszwecken, durch die Eignung und Sicherheit der Räumlichkeiten gewährleistet sein.
Weiter heisst es:
Konkrete Gestalt nimmt die Sorge der Verantwortlichen […] in dem Bemühen an, geeignete Räume […] einzurichten. Die Räumlichkeiten müssen den Grundvorschriften im Hinblick auf Hygiene (Beleuchtung, Klimatisierung, Feuchtigkeitsgrad und Temperatur, usw.), Sicherheit (mit Systemen für Brandschutz und Diebstahlsicherung […]) und Überwachung (Überwachungsdienst während der Einsichtnahme, regelmäßige Kontrollen, usw.) entsprechen. Beim Aufbau der Archive müssen Räume für die Aufbewahrung der Bestände und eigene Säle für die Einsichtnahme der Dokumente vorgesehen werden, wobei man für das Aufsuchen und Entziffern der Urkunden nach Möglichkeit das vielfältige technische Rüstzeug und die elektronische Datenverarbeitung heranziehen sollte.
Aus diesen Vorgaben lässt sich indirekt auch eine Verpflichtung zur Aufstellung einer Notfallplanung herleiten.28
Bisher gibt es keinen nationalen Notfallplan, der allgemeine Standards setzt. Ansätze dazu finden sich mit dem Leitfaden des BABS (2012). Dieser ist jedoch allgemein gehalten, um von verschiedenen Arten und Grössen von Gedächtnisinstitution genutzt werden zu können und beinhaltet v.a. Stichpunkte und einen Fragenkatalog, der der rudimentären Vorbereitung dient. Der neue Leitfaden des KGS zum Thema Risikomanagement und Notfallstrategie (2020), ist hingegen bewusst nicht als Handbuch zur Erstellung einer Notfallplanung angelegt. Die Publikation richtet sich an die «Kompetenzträger der Gedächtnisinstitution», also die Direktionsebene, und möchte «sie inspirieren und ihre Reflexion anregen, ohne sie unter Druck zu setzen und die Entwicklung einer Notfallstrategie und deren Umsetzung erleichtern».29
Ohne einen verbindlichen Musternotfallplan hat es auch kein einheitliches Vokabular, so dass in der Literatur oft unterschiedliche Begriffe für identische Konzepte verwendet werden.30
Nach dem Leitfaden des KGS von 2020 sind drei Phasen zu unterscheiden: vor (Präventionsplan/Vorsorge), während (Einsatzplan) und nach (Nachsorgeplan) Eintritt des Schadenereignisses.31 Nach dem älteren, aber praktisch ausgerichteten Leitfaden von 2012 gehören zu einem Notfallplan: 1. Risikoanalyse, 2. Massnahmen gegen Schadensereignisse, 3. Ausgewählte organisatorische Massnahmen für die Bewältigung einer Notfallsituation, 4. Anhang mit Raumplänen, Kontaktlisten etc. Für genauere Informationen verweist der Leitfaden jedoch auf Giovanninis De Tutela Librorum, (2010), Kap. 6, Teil VII: Präventiv- und Hilfsmassnahmen im Not- und Katastrophenfall, womit die Publikation implizit eine Rolle als Standardwerk erhält. Gute Ergänzungen und praktische Hinweise bietet das bereits erwähnte Handbuch von Emma Dodson, Emergency Planning and Response for Libraries, Archives and Museums (2012).
Giovannini verwendet den Terminus Notfallrahmenplan (plan de gestion de sinistre) als Oberbegriff, der die Risikoanalyse mit den Vorsorgemassnahmen sowie den eigentlichen Notfallplan (plan d’intervention) und Einsatzplan (plan d’urgence) umfasst. In einer Einführung zum Plan sollte der Geltungsbereich definiert werden und ein kurzer Überblick gegeben werden. Notwendige Informationen (Adresslisten, Checklisten, Raumpläne etc.) sind im Anhang bereitgestellt.
Risikoanalyse und Prävention
Die Risikoanalyse ist als Teil eines umfassenden Risikomanagements genau definiert und normiert. Seit 2008 hat es einen neuen ISO-Standard für das Risikomanagement.32 Claudia Engler, die Direktorin der Burgerbibliothek, hat auf diesem Gebiet bereits 2010 für eine Übernahme von Methoden aus der Privatwirtschaft, wo ein Risikomanagement gesetzlich verfügt ist, für Archive und Bibliotheken plädiert.33
Engler unterscheidet zwischen strategischem Risikomanagement (Risikofindung) und operativem Risikomanagement (Umsetzung, v.a. Prävention). In der Risikoanalyse sollen alle möglichen Gefährdungen ermittelt und in Korrelation zu Schadensausmass und Eintrittswahrscheinlichkeit gesetzt werden. Daraus ergibt sich die IST-Risikolandschaft.34 Aus dieser leitet sich die SOLL-Risikolandschaft ab, die mittels verschiedener präventiver Massnahmen erreicht werden kann. Dabei ist eine Güterabwägung vonnöten: die Frage nach der Verhältnismässigkeit von Aufwand und dadurch erreichter Risikominderung. Folgende Bereiche sollten auf Risiken untersucht werden: Gebäude, Organisation, Elementarschäden, Personal, Benutzung, Technologie, Konservierung, aber auch die Finanzen, Verwaltung und Versicherung.35 In der Schweiz am häufigsten sind Wasserschäden, einerseits durch Löschwasser in den Magazinen, aber oft auch durch Schäden im Sanitärbereich oder bei der Dachkonstruktion.36 Eine realistische Abschätzung der Wahrscheinlichkeit eines Risikos ist dennoch schwierig. Hier sollten Fachpersonen miteinbezogen werden, da Personen ohne entsprechende Erfahrung die Gefährdung oft falsch einschätzen.37 Giovannini, Roth-Lochner sehen hier Potenzial für private Firmen, die in Zusammenarbeit mit den Institutionen solche Analysen erstellen.38 Auch der KGS plädiert für externe Fachpersonen insbesondere auch bei kleinen Institutionen mit nur ein oder zwei Beschäftigten.39
Das Risikomanagement muss dauerhaft in der Institution integriert sein. Neuerungen und Erfahrungen aus Notfallsituationen sollten zu einer laufenden Verbesserung führen. Modelle bietet hier z.B. das Integrative Risikomanagement des Bundes.40 In der neuen Strategie des KGS wird das Gefahren- und Risikomanagement als der zentrale Kern aller Massnahmen behandelt.41
Voraussetzung eines guten Risikomanagements sind vollständige Inventare. «Inventare sind der Ausgangspunkt aller Schutzmassnahmen, indem sie einen Überblick über den Bestand geben, lokalisieren, kategorisieren und damit eine differenzierte Prävention erlauben».42 Zu den Mitteln der Risikoprävention gehören Bestandspflege und Konservierung, aber auch bauliche, technische und organisatorische Massnahmen und eine gute Schulung der Mitarbeiter.
Beste Prävention bietet ein Bau, der den aktuellen Normen entspricht. Für den öffentlichen Archivbau bestehen ISO 11799 und DIN 6700.43 ISO 11799 enthält Anforderungen an die Aufbewahrung von Archiv- und Bibliotheksgut und wurde 2017 aktualisiert. Wo früher noch ein gleichbleibendes Jahresklima empfohlen wurde, stehen heute nur noch grobe Richtwerte, bspw. als Obergrenze der Temperatur 21 °C, Luftfeuchte zwischen 30 und 55% mit Toleranz für tägliche Schwankungen +/- 3% rel. Luftfeuchte.44 DIN 6700 enthält Anforderungen und Empfehlungen für den Bau von Bibliotheken und Archiven. Sie bietet z.B. Formeln für die Berechnung der benötigten Magazinflächen.
Bereits angesprochen wurde die revidierte ZSV des Bundesrates, die mit Art. 84. Mindestanforderungen an bauliche Massnahmen zum Schutz von Kulturgütern von nationaler Bedeutung sowie die Anforderungen an die Einrichtungen von Kulturgüterschutzräumen aufstellt.45
Häufig sind jedoch Archive, Bibliotheken und Museen in historischen Gebäuden untergebracht, an die nicht die gleichen Anforderungen wie an einen Neubau gestellt werden können. Eine Nachrüstung solcher Gebäude ist aufwendig und kostenintensiv.46
Zur Prävention gehört auch die regelmässige Zusammenarbeit mit externen Institutionen. Für Minimierung des Diebstahlrisikos ist ein Sicherheitscheck des Gebäudes möglich. Dieser wird kostenfrei von der jeweiligen Kantonspolizei angeboten. Turnusmässige Rettungsübungen mit der Feuerwehr sollten ebenfalls stattfinden und können Mängel bei Notausgängen und Zufahrtswegen aufdecken.
Die wichtigste Hilfe bleibt der KGS.47 Dies gilt nicht nur für öffentliche Institutionen sondern auch für private, da allein der Schutzstatus des Objektes, resp. der Sammlung, entscheidet. Der neue Fokus auf Notlagen erlaubt eine Vielzahl neuer Massnahmen auf dem Gebiet der Prävention.48 Der KGS erstellt von besonders schutzwürdigen Kulturgütern Sicherstellungsdokumentationen und fotografische Sicherheitskopien. Er plant Notfallmassnahmen zum Schutz gegen Feuer, Gebäudeeinsturz, Wasser, Erdbeben und weitere spezifische Gefahren.49 Beim kantonalen KGS sollten eine Kopie des schützenswerten Inventars und aktuelle Gebäudepläne hinterlegt sein, da er für die Sicherung und das Schadensfallmanagement von Kulturgütern mit zuständig ist. Im Fall von Solothurn berät er auch private Institutionen über Präventivmassnahmen.50 In Zusammenarbeit mit Zivilschutz und Feuerwehr übernimmt der KGS Einsätze zur Bergung der anerkannten Kulturgüter im akuten Katastrophenfall.
Notfallplan
Der Notfallplan enthält alle kurz- und langfristigen Massnahmen: 1. die Vorgänge bei Alarmauslösung, 2. Massnahmen während des Schadensereignisses und 3. Stabilisierung nach dem Notfall bis zur Wiederaufnahme des Normalbetriebs. Die jeweiligen Zuständigkeiten der involvierten Personen sind definiert, Stellvertretungen organisiert. Bei Alarmauslösung muss klar sein, wer wen zu verständigen hat. Ein Vorfall während offizieller Betriebszeiten erfordert andere «Alarmketten» als einer während der Nacht und am Wochenende. Die Rettung von Personen und Eindämmung von Umweltschäden ist dabei alleinige Kompetenz der externen Rettungskräfte und hat Vorrang vor allen internen Massnahmen zur Rettung der Bestände.
Die Koordination aller Massnahmen soll durch eine Notfallgruppe (l’équipe responsable) geschehen.51 Sie besteht idealerweise aus einem Mitglied der Direktion, einer Fachkraft auf dem Gebiet der Konservierung/Restaurierung und einer Person, die Bestände und Gebäude gut kennt. Die Gruppe macht die erste Lagebeurteilung und nimmt bei Bedarf Kontakt mit Rettungskräften und KGS auf. Wichtig ist, dass je nach Notfallart (z.B. Feuer, Wasserschaden, Gebäudeschaden, Einbruch) verschiedene Ablaufpläne vorliegen.
Je nach Schadensausmass stellt die Notfallgruppe kleinere Einsatzgruppen zusammen und zieht weitere Spezialisten zu Rate.52 Die Einsatzgruppen (équipes d’intervention) führen die Anweisungen der Notfallgruppe gemäss den vorher definierten Ablaufplänen aus.53 Beschrieben werden Sofortmassnahmen zur Rettung der Bestände. Dabei ist eine Triage nötig. Entschieden wird nach Schadensbild und Fragilität der betroffenen Bestände. Geregelt werden muss auch, was mit nicht direkt betroffenen Beständen geschehen muss. Können Bestände vor Ort belassen werden oder müssen sie ebenfalls evakuiert werden? Wenn die primäre Schadensgefahr gebannt ist, drohen sekundäre Schäden. Z.B. besteht bei nassen Archivalien nur ein begrenztes Zeitfenster für eine Intervention, meist 24 bis 72 Stunden bevor es zur Schimmelbildung kommt.54
Einsatzplan
«Der Einsatzplan ist eine Art Zusammenfassung: Die Informationen müssen hier einfach und zweckmässig aufgeführt sein».55 Er hält für jede mögliche Situation die genauen Abläufe, Mittel und Personal fest. Dodson empfiehlt eine Orientierung an vier Rollen. Die Hauptverantwortung liegt bei einem Emergency Management Team, was der Notfallgruppe entspricht, für die Arbeitsabläufe definiert sie eine/n: Emergency Response Manager, Collections Salvage manager, Building Recovery Manager und Service Continuity Manager.56 Für jeden Bereich sind die Zuständigkeiten genau umschrieben und eigene Checklisten bereitgestellt. Die Informationen sollten übersichtlich und leicht zugänglich zusammengestellt sein: Stichpunkte, Tabellen, Schaubilder, einfache Sprache, konkrete Arbeitsanweisungen, evtl. durchnummerierte Arbeitsschritte. Bei Bedarf wird auf entsprechendes Material im Anhang verwiesen. Eine von der Leitung mit einer bestimmten Aufgabe betraute Person muss im Notfall idealerweise dann nur den eigenen Einsatzplan konsultieren – nicht das gesamte Notfalldokument – und findet dort alle nötigen Informationen.
Anhang
Folgendes Zusatzmaterial und Zusatzinformationen sind notwendig: Listen mit Kontaktdaten (Personen der eigenen Institutionen und externe ExpertInnen/Notfallfirmen), Ablaufpläne für verschiedene Arten von Ereignissen, Ausrüstung für den Notfallort, Boxen mit Notfallmaterial, massstabsgetreue Magazin- und Gebäudepläne und Listen von Notfalldepots.
Dodson empfiehlt, in den Kontaktlisten in einer Spalte die durchschnittlichen Anfahrtszeiten der Personen zu erfassen. Neben der Kompetenz ist entscheidend, wer am schnellsten Hilfe leisten kann.57
Ein zentrales Dokument ist die Liste mit den Bergungsprioritäten. Die Bestände mit Priorität sollten direkt auf den Raumplänen markiert werden: «the more prescriptive the priority list, the less efficient the logistics of removing collections can be».58.Giovannini empfiehlt vier Stufen zu vergeben, farblich markiert von orange (höchste Priorität) bis grau (keine Priorität). Die Verzeichnung sollte bis auf die Ebene der Regalböden erfolgen.59 Dodson rät zusätzlich zu einer Markierung der Bestände mit höchster Priorität im Magazin unter Verwendung von fluoreszierenden Etiketten. Sie denkt hier v.a. an die Sichtbeeinträchtigung bei Rauchentwicklung oder unter Notbeleuchtung.
Die Formulierung von Prioritäten ist ein eigenes Thema. In der Vorbereitung ist es sehr zeitintensiv. Letztlich dient die Priorisierung der Bestände nicht nur der Arbeitsorganisation im Notfall, sondern auch zur Rechenschaft der Institution über ihre Arbeit. Eine vollständige Inventarisierung ist Voraussetzung. Für die Bewertung können keine Musterpläne übernommen werden; jede Institution muss sie selbst definieren. Welcher Wertebegriff liegt den Überlegungen dabei zu Grunde: kultureller, finanzieller oder historischer Wert? Der Seltenheitswert? Wichtig sind auch praktische Überlegungen zur Materialbeschaffenheit (welche Objekte sind am fragilsten?) und zu den Besitzverhältnissen (Deposita?). In Archiven sei eine Priorisierung dem kulturellen Wert nach laut Dodson mit der Schwierigkeit verbunden, dass die ArchivarInnen am Ende fast alles als sehr wichtig einstufen. Dann sei es hilfreich, auch verstärkt das Material zu berücksichtigen.60
Für die Bestimmung von Prioritäten hat es verschiedene, unterschiedlich aufwendige Methoden. Zu den genauesten Methoden gehört im Museumsbereich die Bewertungsmatrix: Erfasst wird die Bedeutung des Objekts im geografischem Sinn, seine Ersetzbarkeit, der finanzielle Schaden bei Verlust, die wissenschaftliche Bedeutung, die Bedeutung im musealen Kontext.61 Dabei werden jeweils drei Stufen vergeben und am Ende die Quersumme aller Werte zur Formulierung der Prioritäten genutzt. Für kleinere Institutionen ist diese Methode sicherlich zu aufwendig. Listen allein mit Spalten für die historische Bewertung, Angaben zur Materialität und Restaurierungsbedarf sind realistischer.
Weiterhin sollten Formulare zur Schadensbeurteilung und Dokumentation des Vorgehens im Notfall vorhanden sein und Informationen zur Versicherung, auch Vorgaben für die Öffentlichkeitsarbeit (wer darf informieren?) sollten bestehen.62 Von grösster Bedeutung sind die technischen Merkblätter für die Erstintervention je nach Objektart. Die Merkblätter beschreiben die Sofortmassnahmen zur Beständerettung.
Nach Giovannini empfiehlt sich auch die Aufstellung eines Wartungskalenders.63
Umsetzung
Mit der Aufstellung des Notfallplanes ist es noch nicht getan. Wichtige Schritte sind nun 1. die benutzerfreundliche Gestaltung, 2. die Verbreitung des Plans unter den Mitarbeitenden und 3. praktische Übungen. Auch laufenden Aktualisierungen müssen fest in der Ablauforganisation der Institution implementiert sein.64 Die Inhalte müssen leicht zugänglich sein. Wichtig sind Stichpunkte, Tabellen und Schaubilder, eine einfache, direkte Sprache und durchnummerierte Arbeitsanweisungen.
Der Plan muss getestet werden, am besten durch jährliche Probealarme. Es sollten auch Notfallsituationen simuliert werden, in denen jeweils wichtige Verantwortliche, z.B. Leitende des Notfallteams nicht erreichbar sind.65 Erst bei solchen Übungen können Fehler im Plan entdeckt werden. Regelmässige Übungen halten die Wachsamkeit des Personals aufrecht und helfen, auch in Stressituationen noch handeln zu können. Coutaz empfiehlt sogar einen monatlichen Probealarm.
Sobald es im Gebäude zu Änderungen kommt, werden Feuerwehr und Rettungsdienst entsprechend informiert und die Referenzunterlagen aktualisiert. Häufig sind die Notfalldienste auf der Suche nach Übungsorten, um ihr Personal auszubilden. Ein Übungsthema, das sich in einer Institution abspielt, führt zu sehr guten Ergebnissen und schafft ein Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Partnern.66
Der Notfallplan muss in mehreren Exemplaren im Haus ausgestellt sein. Zusätzlich sollte jedes Mitglied des Notfallteams ein Exemplar des Plans daheim haben, andere Personen entsprechend ihrer Rolle einen Ausschnitt davon. Es empfehlen sich hier laminierte «Pocketguides», die die wichtigsten Punkte zusammenfassen und im Einsatz als Gedächtnisstütze dienen.67
Die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen ist auf mehreren Ebenen möglich.
Die Risikoanalyse und die Vorbeugungsmassnahmen eines Notfallrahmenplans können im Prinzip nur von jeder Institution individuell erarbeitet werden. In einem Gebiet, in dem sich mehrere für die Erhaltung von Schrift- und Druckgut verantwortliche Einrichtungen befinden, ist jedoch eine gemeinsame Erarbeitung des ‘Notfallplans’ und des ‘Einsatzplans’ möglich.68
Gemeinsame Beauftragungen von Fachleuten zur Risikoanalyse fallen für die einzelnen Institutionen günstiger aus, ebenso Schulungen. Eine gute Ergänzung ist der Aufbau von Netzwerken zur gegenseitigen Hilfe, v.a. wenn eine Institution nur wenige eigene Mitarbeiter hat.69 Dodson nennt Beispiele solcher Hilfsgruppen in Grossbritannien. Darin sind Fachleute verbunden, die im Notfall bis zu 48 Stunden im Freiwilligendienst helfen. Sie werden von ihren eigenen Arbeitgebern dafür freigestellt. Die Gruppen sind gut durchgeplant (Zuständigkeiten, Hierarchien), um im Ernstfall schnell einsatzbereit zu sein.
Häner beschreibt die Notwendigkeit von Notfallverbünden folgendermassen:
Eine Notlage wird dadurch charakterisiert, dass eine betroffene Institution ein gefährdetes Ereignis nicht mit eigenen Mitteln bewältigen kann. […] In dieser Situation bedarf es einer schnellen und unbürokratischen Bereitstellung von Mitteln, das heisst: Personal mit dem nötigen Fachwissen sowie Materialien für die Sicherung der Kulturgüter. In der Schweiz verfügen Gemeinden und Kantone über die Möglichkeit die Kulturgüterschutz-Spezialisten des Zivilschutzes aufzubieten. Die Mittel und Kompetenzen dieser Milizorganisation sind aber oft begrenzt […]. Entsprechend ihrer Einsatzdoktrin und Prioritätensetzung [müssen sie] als Erstes dafür sorgen, dass weder Menschen- und Tierleben noch die Umwelt in Gefahr sind.70
Die Einsätze des KGS sind meist zeitlich begrenzt und dienen in der akuten Notsituation, nicht immer in der Phase der Sekundärschäden. An einigen Orten bestehen daher feste Notfallverbünde, wie seit 2004 die COSADOCA (Consortium de sauvetage du patrimoine documentaire en cas de catastrophe, im Kanton Waadt). Solche Verbünde haben verschiedene rechtliche Modelle. Die Versicherungsfrage ist wichtig, auch wenn es sich bei der gegenseitigen Hilfe um Freiwilligenarbeit handelt. Aber auch einfache Absprachen zwischen benachbarten Kulturinstitutionen sind möglich. Das gegenseitige Aushelfen mit Notfallmaterial und der Aufbau von gemeinsamen Notfalldepots ist zudem ressourcenschonend.
Einige bedeutende Institutionen der Schweiz haben in den letzten Jahren Neubauten erstellt resp. bestehende Bauten modernisiert und bei dieser Gelegenheit umfassende Notfallpläne erstellt. Zu nennen sind hier die Burgerbibliothek Bern sowie das Staatsarchiv des Wallis.71
Die Berner Burgerbibliothek und Bibliothek an der Münstergasse liegen in einem gemeinsamen Gebäudekomplex.72 Die Burgerbibliothek beherbergt zum grossen Teil das Schriftgut der Verwaltung der Burgergemeinde Bern, Privatarchive und Sondersammlungen. Das Archiv- und Bibliotheksgebäude wurde 2014–2016 umgebaut. Das historische, denkmalgeschützte Gebäude erhielt neue Räume im Dachgeschoss und eine unterirdische Erweiterung. Büros, Depots und Lesesäle wurden modernisiert und restauriert.73 Die Magazine wurden nach den Vorgaben des BABS für Kulturgüterschutzräume errichtet. Sie sind klimatisiert und werden laufend überwacht. Mit dem Umbau wurde auch ein ausführlicher Katastrophenplan zur Rettung der Bestände erstellt, der beide Institutionen miteinbezieht. Die Direktorin der Burgerbibliothek hatte sich bereits 2010 ausführlich mit dem Thema Risikomanagement beschäftigt.74 Die Notfallplanung kann auf einer guten Vernetzung mit anderen Institutionen aufbauen, vor allem der Berner Notfallverbund Kulturgüter. Dieser hat 17 Mitglieder und besteht seit 2018 mit der «Erklärung zur gegenseitigen Unterstützung in Katastrophenfällen». Gemeinsames Ziel ist es, im Notfall eine rasche, uneigennützige und unbürokratische Hilfe zu haben und dies als Ergänzung zu Feuerwehr und KGS/Zivilschutz.75
Die Institution arbeitet mit vorbildlichen technischen Merkblättern, wie z.B. dem Notfallplan der Schweizerischen Nationalbibliothek,76 die Hilfe zur Triage aus dem Notfallplan St. Gallen77 und die Anleitung zur Erstversorgung für Bücher aus dem Notfallplan des Archivamts für Westfalen in Deutschland.78
Das Staatsarchiv des Wallis in Sion hat 2020 neue Magazine im Gebäudekomplex «Les Arsenaux» bezogen.79 Das ehemalige Zeughaus wird als Kulturzentrum von mehreren Institutionen genutzt. Mit dem Bezug der neuen Räumlichkeiten ging auch eine Neuaufstellung der Notfallplanung einher. Das Projekt zur Erstellung eines Notfall- und Einsatzplans wurde unter Mitarbeit von Andrea Giovannini 2020 begonnen. Ein Fokus liegt auf der Vernetzung mit anderen Institutionen, v.a. die Bündelung von Kompetenzen innerhalb der Dienstelle für Kultur. Auch die Organisation von Notfallmaterial in Zusammenarbeit mit dem Zivilschutz wird berücksichtigt.80 Das Staatsarchiv folgt den Empfehlung von Giovannini, Roth-Lochner (2019) für einen modularisierten Plan. Alle Unterlagen sind auf den praktischen Einsatz im Schadensfall ausgerichtet (kurze, bündige Informationen, Definition von Zuständigkeitsbereichen, Schilderung von Arbeitsschritten) wie es v.a. Dodson empfiehlt. Ziel ist, dass jede Person im Notfall nur ein Blatt mit konkreten Handlungsanweisungen in der Hand hält und nicht den ganzen Plan konsultieren muss. Auch auf eine Dokumentation der Entscheidungen der Verantwortungsträger in der Notfallsituation wird grossen Wert gelegt. ist.
Für das BiASo ist das Ziel die Aufstellung eines Plans nach Kapitel 2.3. Das Projekt kann nicht vollständig an Externe ausgelagert werden kann. Es hat keine Standardlösungen, die eins zu eins kopiert werden können. Für einzelne Bereiche sollen jedoch SpezialistInnen hinzugezogen werden. Die Planung wird in Schritten umgesetzt.
Viel Potenzial besteht bei der Vernetzung mit anderen Institutionen. In der Fachliteratur und in den untersuchten Archiven resp. Bibliotheken in Bern und Sion wird hierauf grosses Gewicht gelegt. Gerade für eine kleine Institution ist dies die beste Möglichkeit, die Notfallplanung in einem grösseren Rahmen zu bewerkstelligen.
Die Koordination könnte über den kantonalen KGS geschehen. Eine zusätzliche Möglichkeit eröffnet sich mit städtischen Museumsverbänden. Eine gemeinsame Koordination von Rettungsmassnahmen, Notfalllagern sowie Kontaktadressen von Fachpersonen und Notfallmaterial wäre möglich. Auch die gemeinsame Bewertung, Auswahl und Übernahme von technischen Merkblättern, die so zumindest für eine Region bzw. Stadt einheitlich wären, ist wünschenswert. Mit der bereits mehrfach erwähnten neuen Strategie des KGS, liegt in der kantonalen Stelle des KGS die effizienteste Hilfe für die Umsetzung einer Notfallplanung.
Albisetti, Laura; Büchel, Rino: Wertvolle Stützpfeiler für den Kulturgüterschutz, in BABS Forum 2020, S. 8-16.
Archives de l’Etat du Valais: Rapport annuel. Année 2020, Sion, 31.3.2021.
Brühwiler, Bruno: ISO/DIS 3100 und ONR 49000:2008. Neue Standards im Risikomanagement, in: Management und Qualität. Das Magazin für integrierte Managementsysteme 5 (2008), S. 26-27.
Chappuis, Pascal: Procédure d’évacuation de fonds précieux en cas de sinistres pour une petite structure ou La miniaturisation d’un plan de gestion des sinistres, Travail final de Certificat en Gestion de Documentation et de Bibliothèque, Université de Fribourg, 2012-2013.
Dodson, Emma: Emergency planning and response for libraries, archives and museums, London 2012.
Engler, Claudia: Umbauen im historischen Kontext – Die Burgerbibliothek und die Universitätsbibliothek in Bern, in: Arbido 4.2018.
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Dieser Beitrag basiert auf einer CAS-Arbeit, die vor dem Hintergrund der Erarbeitung eines Notfallkonzepts für eine konkrete Institution entstand. Aus Datenschutzgründen wurden für die Veröffentlichung einige Passagen, auch Angaben zu anderen Institutionen, herausgenommen respektive überarbeitet.