Grundsätze der staatlichen Überlieferungsbildung für das Staatsarchiv Graubünden

Georg Friedrich Heinzle

Die Überlieferungsbildung im Bereich der staatlichen Behörden und öffentlich-rechtlichen Anstalten ist für ein kantonales Archiv der Kern seiner Tätigkeit. Der Beitrag untersucht die Funktion «staatliche Überlieferungsbildung» (ÜB) am Beispiel des Staatsarchivs Graubünden (StAGR) und formuliert Vorschläge für aktuelle Handlungsfelder, die die erfolgreiche Arbeit des StAGR in der staatlichen ÜB in den kommenden Jahren unterstützen sollen. Sie werden in sechs Grundsätzen dargestellt und zur aktuellen offiziellen Strategie des StAGR ins Verhältnis gesetzt. Am Anfang steht die Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen, wobei unter anderem das Thema Bewertungshoheit und das Verhältnis von Anbietepflicht und gesetzlichen Löschvorgaben behandelt werden. Weitere Kapitel beschäftigen sich mit Vorschlägen zum pragmatischen Vorgehen bei der Abwicklung von Ablieferungen und der Arbeit im vorarchivischen Bereich. Zwei Abschnitte zur Bewertungstheorie thematisieren das Verhältnis von Informations- und Evidenzwert mit Fokus auf digitale Übernahmen und werben für die Konzentration auf die Information im Gegensatz zu ihrer flüchtigen digitalen äusseren Form. Der abschliessende Grundsatz widmet sich dem Thema Evaluation der eigenen Tätigkeit.

La constitution des archives des autorités étatiques et des établissements de droit public forme le cœur de l'activité des archives cantonales. Cet article examine la fonction de « constitution des archives étatiques » à travers l'exemple des Archives d'État des Grisons (StAGR) et formule des propositions pour les domaines d’intervention d’aujourd’hui afin d’améliorer l’efficacité du StAGR dans la constitution des archives étatiques au cours des prochaines années. Ces propositions sont présentées sous la forme de six principes fondamentaux et mises en relation avec la stratégie officielle du StAGR. L'analyse du cadre juridique constitue le point de départ, et aborde notamment la question de la souveraineté en matière d'évaluation ainsi que le rapport entre l'obligation de mise à disposition et les exigences légales de destruction. D'autres chapitres proposent des approches pragmatiques pour le traitement des versements et le travail dans le domaine du préarchivage. Deux sections consacrées à la théorie de l'évaluation examinent en particulier la relation entre la valeur informative et la valeur probatoire, en mettant l'accent sur les acquisitions numériques et en plaidant pour une focalisation sur l'information plutôt que sur sa forme numérique éphémère. Enfin, le propos conclusif traite de l’évaluation de l’activité propre des archives.

At the core of a cantonal archive’s activities is the formation of the documentary heritage of state authorities and public law institutions. This article examines the function of “state archive formation” using the example of the State Archives of Graubünden (StAGR) and formulates proposals for current areas of action aimed at supporting future work of the StAGR in this respect. The proposals are presented in the form of six principles and are related to the current official strategy of the StAGR. The analysis begins by examining the legal framework, which includes the issue of who has the authority to appraise and define the value of records as well as the relationship between the obligation to transfer records and legal deletion requirements. Other chapters focus on pragmatic approaches to handling transfers and on pre-archival work. Two sections dedicated to appraisal theory explore the relationship between information and evidentiary values with a focus on digital acquisitions, advocating for an emphasis on their information value rather than their ephemeral digital form. Finally, the last principle addresses the evaluation of the archive's own activities.

Einleitung: Schellenberg in der Cloud

1.1 Ausgangslage, Fragestellung und Aufbau der Untersuchung

«Das Staatsarchiv ist das Gedächtnis des Kantons Graubünden und seiner Rechtsvorgänger, allen voran des Freistaats der Drei Bünde.»1 Das Staatsarchiv Graubünden (StAGR) gehört zu den ältesten Teilen der Bündner Verwaltung, ist mithin älter als der heutige kantonale Staat. Seine Tradition geht auf den Freistaat der Drei Bünde zurück, mit dessen Entstehung im späten Mittelalter auch die Bestände des Staatsarchivs einsetzen.2 Heute erfüllt das StAGR als Teil des Amtes für Kultur Graubünden mit einem Team von 15 Festangestellten eine Vielzahl von Aufgaben. Es ist Firmenarchiv der Verwaltung, Fachstelle für Records Management, Gedächtnis und Rechenschaftsgarant des Staates und Hüter der auf historische Erinnerung gegründeten Identität des Landes.

Die staatliche Überlieferungsbildung (ÜB) bildet den Kern seines gesetzlichen Auftrags. Hiervon abzugrenzen ist die nichtstaatliche ÜB, also die Übernahme von Beständen von Privatpersonen, Unternehmen, Vereinen etc. Diese ist nicht Gegenstand dieses Beitrags. Die hier vorgestellten Überlegungen können als staatliches Gegenstück zu dem 2022 als Masterarbeit an der FHGR entstandenen «Überlieferungskonzept für nicht-staatliche Bestände» des StAGR von Milena Caderas verstanden werden.3 Die private ÜB macht am StAGR traditionell einen signifikanten Teil der Übernahmen aus, aktuell ca. 50 % der Akzessionen und ca. 15 bis 20 % der übernommenen Menge.4 Die Fragestellungen sind andere als im staatlichen Bereich, der stärker verrechtlicht, wesentlich digitaler und mehr vom Problem grosser Datenmengen betroffen ist. Caderas hat für die private ÜB ein Dokumentationsprofil entworfen, das sich an die Dokumentationsprofile deutscher Kommunalarchive anlehnt.5 Dieser für den nichtstaatlichen Bereich nützliche Ansatz verbietet sich aus meiner Sicht für die staatliche ÜB, deren gesetzlicher Auftrag nicht in einer selbst gewählten inhaltlichen Schwerpunktsetzung, sondern in der gleichwertigen Abbildung der gesamten behördlichen Tätigkeit liegt.

Die staatliche ÜB in Graubünden kann auf eine positive Entwicklung der letzten Jahre zurückblicken. Die engagierte Arbeit des Teams ÜB übersetzt sich in eine umfassende und methodisch hochstehende Überlieferungsbildung, die innerhalb der Verwaltung und der Schweizer Archivlandschaft positiv wahrgenommen wird. Das Anforderungsprofil der Mitarbeitenden wird dabei zunehmend anspruchsvoller. Die Informationsverwaltung des Kantons befindet sich in einem massiven Umbruch, der vom StAGR durch das Team der staatlichen ÜB begleitet wird. Die Aufgaben reichen also von der Bewertung sehr alter Papierbestände bis hin zur Begleitung der Einführung von cloudbasierter Software in der Verwaltung.

Der vorliegende Beitrag präsentiert sechs Grundsätze für die staatliche ÜB des StAGR, die eine erfolgreiche Arbeit mittelfristig unterstützen sollen. Bei diesen Überlegungen handelt es sich nicht um ein offizielles Dokument des StAGR, sondern um eine persönliche wissenschaftliche Abhandlung des Autors, deren Umsetzung intern zu besprechen sein wird. Sie entspricht zugleich der Strategie des StAGR für die Jahre 2023 – 2026: «Die gegenwärtige Bewertungspraxis soll in der Strategieperiode ausgehend vom aktuellen Stand der Archivwissenschaft kritisch überprüft werden.»6

Die sechs Grundsätze betreffen rechtliche Grundlagen ebenso wie praktische Überlegungen, die Vorfeldarbeit, Bewertungstheorie und die Selbstevaluation. Die Grundsätze wurden im Rahmen eines Brainstormings innerhalb des StAGR-Teams ausgewählt. Vorangestellt sind einige kurze theoretische Überlegungen und eine Beschreibung der aktuellen Ist-Situation in der staatlichen ÜB am StAGR. Der vorliegende Beitrag stellt eine erheblich gekürzte Fassung der 2024 eingereichten MAS ALIS-Abschlussarbeit des Autors dar; die längere Originalfassung kann in der Präsenzbibliothek des StAGR eingesehen werden. Der Beitrag umfasst sechs der dort enthaltenen neun Grundsätze. Entfallen mussten aus Platzgründen die Grundsätze «Abliefern vor Verarbeiten», «Effizient lernen durch Austausch» und «Mutig in die Zukunft». Diese behandelten den Vorrang der stetigen Generierung von Ablieferungen gegenüber deren Bearbeitung im Archiv, die Bedeutung von Austausch und Weiterbildung für die Arbeitsqualität und die Offenheit für das Thema künstliche Intelligenz.7

1.2 Ist-Situation staatliche Überlieferungsbildung in Graubünden

Die staatliche ÜB wird am StAGR hauptsächlich von zwei Personen verantwortet, die für diesen Arbeitsbereich als Co-Leitende zuständig sind; insgesamt stehen 190 Stellenprozente zur Verfügung, wobei die beiden Co-Leitenden zusätzliche Aufgaben ausserhalb der ÜB haben.8 Die geringe Personalkapazität stellt somit die hauptsächliche Herausforderung dar. Ebenso spielen komplexe Abläufe und einige externe Faktoren eine Rolle. Demgegenüber profitiert die ÜB von guten Rechtsgrundlagen, einer starken Präsenz innerhalb der Verwaltung und einem motivierten Team. Die folgende SWOT-Tabelle gibt hierzu stichwortartige Details und bezieht sich auf die ÜB als dienststellenübergreifende Querschnittsaufgabe innerhalb der Bündner Verwaltung.9 Das für die SWOT-Analyse angenommene Ziel besteht in einer so weit wie möglich digitalen, durch Vereinbarungen geregelten, effizienten und flächendeckenden ÜB.

Tab. 1. SWOT-Analyse

Interne Faktoren

Stärken (Strengths):

  • Solide gesetzliche Grundlagen

  • Gute Präsenz des Archivs innerhalb der Verwaltung

  • Vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Dienststellen

  • Engagiertes und kompetentes Team ÜB

  • Bewährte Instrumente der ÜB

  • Kurze Wege innerhalb der Verwaltung

Schwächen (Weaknesses):

  • Wenig verfügbare Ressourcen bei den Dienststellen

  • Kleines Team staatliche ÜB

  • Freigabeprozesse als «Flaschenhälse»

  • Fehlende Compliance anderer Dienststellen («wilde Digitalisierung»)

  • Kurzfristige Priorisierung

Chancen (Opportunities):

  • Stärkung der Präsenz durch GEVER-Projekte

  • Zunehmende Vernetzung der Archivfachleute

  • Weitere Verschmelzung von Überlieferungsbildung und Vorarchiv (Records Management-Beratung)

Gefahren (Threads):

  • Starke Beeinflussung der Prioritäten am StAGR durch externe Akteure (Dienststellen/Softwarelieferanten)

  • Zunehmender Aufwand durch digitale Akzessionen

  • Nicht sinnvoll umsetzbare Standards

Externe Faktoren

Auf eine detailliertere Diskussion der in der Tabelle ersichtlichen Punkte kann an dieser Stelle verzichtet werden, da die sechs Grundsätze des Hauptkapitels sie näher behandeln.

1.3 Grundsätze formulieren: Ein Vergleich

Zahlreiche Archive haben Grundsatzpapiere zur ÜB formuliert. Das Ergebnis sind in der Regel auf Bewertung konzentrierte Dokumente. Diese eignen sich gut als Einstieg in das Verfassen eigener Grundsätze. Werfen wir einen Blick auf zwei Papiere dieser Art: Die Archives cantonales vaudoises (ACV) sind ein kantonales Archiv wie das StAGR; das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen (LAV NRW) ist das Archiv eines Gliedstaates, allerdings eines solchen mit über 18 Millionen Einwohnern. Die Auswahl dieser Institutionen soll eine ausreichende räumliche und kulturelle Vielfalt gewährleisten, zugleich jedoch genügend Nähe für einen sinnvollen Vergleich mit dem StAGR wahren.

Für die ACV ist der prospektiv bewertete Registraturplan (calendrier de conservation) «le coeur de la politique d’archivage des Archives cantonales vaudoises»10. Seit 2019 läuft in der Waadt ein Projekt, bei dem sämtliche Verwaltungsstellen überarbeitete Registraturpläne mit präzisierter Bewertung erhalten, wobei das Dossierprinzip mehr in den Mittelpunkt gestellt wird als bisher. Das so entstehende «référentiel de gouvernance documentaire» ersetzt den bisherigen calendrier de conservation. Gleichwohl gibt es Stand Juni 2024 noch keine offizielle neue Policy, die das programmatische Dokument von Gilbert Coutaz aus dem Jahr 2011 ersetzt; das gegenwärtige Projekt ist eher Aktualisierung des damals Formulierten als ein Strategiewechsel.11 Coutaz macht gleich zu Beginn seines Grundsatzpapiers die Bewertungsfrage als Kernelement guter Informationsverwaltung aus12 und sieht gerade im digitalen Umfeld eine aktive und im ganzen Lebenszyklus von Unterlagen präsente ÜB als erforderlich an.13 Dementsprechend steht die Erarbeitung des calendrier de conservation im Mittelpunkt der Bewertungsarbeit der ACV.14 Das Dokument der ACV ist zugleich praktisches Handbuch, Rechtfertigung der Institution und theoretische Abhandlung zur Bewertung, wobei das Grundlagenwerk Theodore Schellenbergs von 1956 ein Angelpunkt der Theorieentwicklung für Coutaz ist.15 Konkreter auf die Waadtländer Verwaltung bezogen ist der vorletzte Abschnitt des Papiers, der die Rolle des «préposé à la gestion des archives» der einzelnen Dienststellen beschreibt. Er hat diese Rolle neben seinen Hauptaufgaben inne und ist Bindeglied zum Archiv sowie dafür zuständig, innerhalb seiner Dienststelle für eine geordnete Aktenführung zu sorgen.16 Damit entspricht diese Rolle dem bzw. der Bündner «Aktenführungsverantwortlichen».17 Das Fazit schliesslich enthält Festlegungen und Erwartungen, wie etwa das Verschwimmen der Lebensphasen digitaler Informationen18 – heute bekannt als Triagemodell nach eCH-164.19 Das Papier bekennt sich zu Macro und Micro Appraisal, während eine Wiederholung der Bewertung nach einigen Jahrzehnten Aufbewahrung abgelehnt wird.20 Es referenziert auf bewährte Theorien und Methoden und stellt die Anwendung des calendrier de conservation als konkretes Instrument und die Präsenz des Archivs im gesamten Lebenszyklus in den Mittelpunkt.

Einen in ähnlicher Weise auf ein bestimmtes Instrument konzentrierten Ansatz verfolgt das LAV NRW mit seiner «Steuerung der Überlieferungsbildung mit Archivierungsmodellen» von 2011. Das Dokument eröffnet mit der Definition der «Überlieferungsbildung als gesetzliche Kernaufgabe des LAV NRW».21 Weiter betont auch das LAV NRW die Knappheit der ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen; sein Konzept fragt daher nach einem «Ansatzpunkt für die Rationalisierung der Bewertungsarbeit», der in einem «vertikalen und horizontalen Abgleich von Aufgaben und Akten innerhalb eines Verwaltungszweigs» gesehen wird.22 Erkennbar ist diese Formulierung eine Frucht des in Baden-Württemberg entstandenen Konzepts «horizontale und vertikale Bewertung»23, kombiniert mit dem gedanklich eng verwandten «Macro und Micro Appraisal». Das je Verwaltungszweig zu erarbeitende Produkt heisst «Archivierungsmodell».24 Indem die Modelle zahlreiche verwandte Dienststellen erfassen, wird darauf abgezielt, «Informationen an möglichst wenigen Stellen und in größtmöglicher Dichte zu übernehmen.»25 Das LAV NRW macht damit sein Ziel einer möglichst kleinen Übernahmemenge explizit.26

So sehr das Ziel einer reduzierten Überlieferung anerkannt wird, stellt das LAV NRW angesichts entsprechender Beschlüsse der Landesregierung, die Übernahmemenge auf 1 % der anfallenden Akten zu beschränken, fest: «Eine langfristige Steuerung der Überlieferungsbildung mit einer prozentualen Übernahmequote ist für das LAV NRW nicht leistbar.»27 Allerdings stellt sich der Umgang mit der Vorgabe gemäss aktueller Auskunft nicht problematisch dar: Sie gilt nicht für digitale Übernahmen und wird im analogen Bereich praktisch umgesetzt durch eine Obergrenze von 2'200 Laufmetern im Jahr, da die absolut produzierte Menge bei ca. 1'300 anbietungspflichtigen Stellen nicht exakt ermittelt werden kann. Das Maximum von 2'200 Laufmetern wurde aber bisher nie erreicht, vielmehr bewegen sich die Zahlen stabil um 900 Laufmeter pro Jahr.28 Zehn Jahre nach der Veröffentlichung des Konzepts zu den Archivierungsmodellen legte das LAV NRW 2021 eine Richtlinie zu deren Pflege nach; sie sieht Überarbeitungszyklen von drei bis fünf Jahren vor.29

Fassen wir die Gemeinsamkeiten der beiden vorgestellten Grundsatzpapiere zusammen, ergeben sich folgende Schwerpunkte:

Was folgt hieraus für die Grundsätze für das StAGR? Neben anderen Themen wird das vorliegende Konzept seine theoretischen Grundlagen darlegen müssen (folgender Abschnitt der Einleitung; Grundsätze 2.4 und 2.5) und das Thema Vorfeldarbeit besonders behandeln (Grundsatz 2.3). Zugleich ist die Ähnlichkeit der behandelten Grundsatzpapiere Anlass, für das StAGR auch praktische Aspekte auszuarbeiten und eine thematisch vielfältigere Perspektive zu entwickeln, z.B. indem das Thema Evaluation (Grundsatz 2.6) betrachtet wird. Die Grundsätze für das StAGR sind daher Grundsätze nicht nur der Bewertung, sondern der staatlichen ÜB als Funktion in verschiedenen Facetten.

1.4 Theoretische Grundlagen am StAGR: Schellenberg prospektiv

Auf eine wiederholte Nachzeichnung der Bewertungsdiskussion der letzten 150 Jahre muss an dieser Stelle verzichtet werden, einen ausgezeichneten Überblick bietet Matthias Buchholz in seiner Dissertation.30 Wir können uns hier auf wenige Bemerkungen beschränken und den Schwerpunkt auf eine kurze Erörterung der Grundlagen Schellenbergs aus praktischer Perspektive legen. Denn diese haben sich bewährt und bilden die Grundlage meiner Bewertungspraxis. Die Bewertung hat zu klären, welche Informationen für die Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandelns dauerhaft aufbewahrt werden müssen. Allerdings, und dieser Gedanke führt uns schon in die Nähe Schellenbergs, geht es nicht um eine möglichst umfassende Archivierung. Vielmehr soll die Nachwelt ein zutreffendes Bild unserer Zeit gewinnen können. Dabei gilt es zu unterscheiden zwischen Details, deren Kenntnis für das Verständnis der Zeit unabdingbar ist, und Details, die höchstens als Beispiel für vielfache ähnliche Vorgänge dienen können. Sicherlich kann man digital mehr archivieren als im analogen Bereich, wo schon praktische Erwägungen das StAGR zu bewerterischer Strenge zwingen. Aber auch im Digitalen gilt: Nicht jede Information muss dauerhaft aufbewahrt werden, denn nicht jede Information hat einen Mehrwert für die Nachwelt. Und zu entscheiden, ob sie diesen Mehrwert besitzt, ist Bewertung. Es ist eine Aufgabe, die man nicht an eine äussere Objektivität delegieren kann. Man muss entscheiden und die Entscheidung verantworten. Das gilt besonders dann, wenn man daran interessiert ist, nicht Kassationskandidaten, sondern positive Archivwürdigkeit festzustellen.31

Einen vorgegebenen Massstab für inhaltliche Archivwürdigkeit gibt es nicht. Der inhaltliche Bewertungsentscheid bleibt das Prärogativ der einzelnen Archive, in Graubünden ist dieser Letztentscheid gesetzlich als Recht des Archivs festgeschrieben.32 Für diese Entscheidung sind Mitarbeitende erforderlich, die die langfristigen Folgen eines Informationsverlustes einschätzen können. Daher halte ich, allen Abgesängen zum Trotz33, die ÜB für einen Bereich, in dem die Kompetenzen von Historikern und Historikerinnen unabdingbar sind. Der unerfüllbare Anspruch auf eine objektivierbare Werttheorie lähmt mehr, als er nützt. Umso wichtiger ist es, dass bei der Bewertung nicht unreflektiert gehandelt wird, sondern vielmehr ein intensiver Austausch zwischen Archiven stattfindet und gemeinsame Empfehlungen erarbeitet werden, damit die Arbeit Leitplanken erhält.

Für die praktische Arbeit hat sich die theoretische Grundlegung nach Schellenberg bewährt. Denn die Fragen, die Schellenberg an Informationen richtet, sind inhaltliche Fragen. Sie eignen sich auch für digitale Informationen. Seine wichtigsten Grundsätze sind konzise formuliert: Unterschieden wird zwischen Primär- und Sekundärwert sowie zwischen Informations- und Evidenzwert. Der Primärwert ist der Wert, den eine Information für die Verwaltung hat, bei der sie entsteht; der Sekundärwert ist der Wert dieser Information für die Nachwelt, die sie anders nutzt als die Behörde, von der sie stammt. Informations- und Evidenzwert sind die beiden Aspekte des Sekundärwerts. Sie repräsentieren die beiden Möglichkeiten, warum man eine Information aufbewahrt: Wird ihre inhaltliche Aussage über ein Ereignis, eine Person oder ein Objekt als an sich archivwürdig bewertet, dient die Archivierung dem Informationswert. Zielt die Bewahrung der Information darauf ab, Arbeitsprozesse und das Funktionieren der betreffenden Verwaltungsstelle nachvollziehbar zu machen, dient die Archivierung dem Evidenzwert. Wichtig ist hierbei, dass sich Informations- und Evidenzwert nicht gegenseitig ausschliessen.34 Der entscheidenden Frage, wie man Informations- und Evidenzwert bei der Bewertung gewichtet, gehen wir in den Grundsätzen 2.4 und 2.5 nach.

Schellenberg fährt nach der Festlegung seiner axiomatischen Begriffe fort, die vorangehende Analyse zu beschreiben.35 Heute haben sich vor allem die Begriffspaare Macro und Micro Appraisal bzw. horizontale und vertikale Bewertung durchgesetzt.36 Diese lassen sich auf wenige Stichworte verdichten: Es geht darum, die Struktur und Hierarchie der aktenbildenden Stellen zu kennen und ihre Aufgabenerledigung zu verstehen. Erst wenn diese Analysen erledigt sind, sollen die eigentlichen Unterlagen bzw. Daten betrachtet und der konkrete Entscheid über ihren Verbleib erarbeitet werden. Neben diesen konzeptionell Jahrzehnte alten und bewährten Elementen ist heutzutage der bewertete Registraturplan oder calendrier de conservation grundlegend.

Auf hoher Abstraktionsebene lässt sich das in der Bewertungsarbeit am StAGR bewährte theoretische Gerüst also auf die Formel «Schellenberg plus Registraturplan» oder «Schellenberg prospektiv» bringen. Die zahlreichen im Laufe der letzten 150 Jahre entwickelten Begrifflichkeiten der Bewertungstheorie betrachten wir hierbei als Instrumentarium, aus dem wir uns nach Bedarf bedienen. Abschliessend stellt sich die Frage, ob digitale Aktenführung eine grundsätzlich andere Werttheorie braucht. Ich denke, nein. Allenfalls eröffnet digitale Aktenführung und Archivierung die Chance, in inhaltlich begründeten Fällen weniger streng zu bewerten, weil grosse Datenmengen besser zu bewältigen sind als Papierberge. Zudem stellen sich andere Fragen, die die technische Archivfähigkeit von Informationen bedingen. Geht es bei Papier etwa um den Erhaltungszustand, drehen sich die digitalen Fragen um Dateiformate, Metadaten etc. Letztlich sind diese Aspekte aber sekundär gegenüber der inhaltlichen Bewertung, und für diese bleibt Schellenberg die Referenz.

Die in der Bewertungspraxis am StAGR anzuwendende Werttheorie stammt also von Schellenberg und das Instrument für die nötigen Analysen von Behörden und ihrem Schriftgut ist der Registraturplan. Das gilt sowohl für analoge als auch für digitale Informationen, vom Pergament bis zur Cloud. Im Mittelpunkt der vorliegenden Überlegungen steht also tatsächlich die Bewertungstheorie. Wir haben damit einen Ausgangspunkt gewonnen. Füllen wir jetzt das so eröffnete Feld mit Leben, indem wir Grundsätze für die konkrete Arbeit entwickeln.

Sechs Grundsätze

2.1 Bewertungshoheit leben

Die rechtlichen Grundlagen sind wesentlich für die Arbeit jeder Behörde.37 Das StAGR weiss ein starkes kantonales Archivrecht hinter sich. Der entscheidende Begriff ist hier «Bewertungshoheit»: Art. 7 Abs. 2 des Gesetzes über die Aktenführung und Archivierung (GAA) lautet «Die Beurteilung der Archivwürdigkeit nimmt das Archiv in Zusammenarbeit mit den Behörden vor. Den abschliessenden Entscheid trifft die für das Archiv verantwortliche Person.» Die Formulierung ist allgemein gehalten, da das Gesetz auch für die Regionen und Gemeinden in Graubünden gilt. Im Falle des Kantons ist «die für das Archiv verantwortliche Person» der Staatsarchivar, der den Entscheid selbst trifft oder an seine Mitarbeitenden delegiert. Das Archiv entscheidet, was archiviert wird und kann bei Uneinigkeit auch gegen die Meinung der abliefernden Stelle entscheiden. Diese ausgeprägte Bewertungshoheit ist eine Stärke des Bündner Archivrechts. Die wichtigsten kantonalen Rechtsgrundlagen des StAGR sind dazu das 2015 entstandene GAA und die dazugehörige Verordnung zum Gesetz über die Aktenführung und Archivierung (VAA). Der Titel des Gesetzes verweist auf den ganzen Lebenszyklus von Unterlagen. Vor jeder Archivierung steht die Aktenführung, die Archivierung beginnt schon mit der geordneten Bewirtschaftung von Informationen.

Eine Betrachtung der für die ÜB relevanten Artikel des GAA öffnet das Spektrum der Stärken des Bündner Archivrechts ebenso wie den Blick auf potentielle Weiterentwicklungen der Gesetzgebung.38 Verzichten möchte ich auf eine abstrakte Diskussion im Kontext der Grundrechte39, sondern mich auf die praktischen, die staatliche ÜB betreffenden Aspekte beschränken. Grundsätzlich muss das StAGR diejenige Auslegung der gesetzlichen Grundlagen vertreten, die ihm maximale Handlungs- und Entscheidungsautonomie gibt, allfällige Widerstände gegen Übernahmen und Bewertungsentscheide überwindet und eine fachlich sinnvolle Archivierung ermöglicht, die nicht von Partikularinteressen beeinflusst ist.

Art. 1 definiert Gegenstand und Geltungsbereich des GAA. Bemerkenswert sind hier die Ausnahmen vom Geltungsbereich. Neben der Graubündner Kantonalbank und den Landeskirchen sind auch «die Institutionen des Gesundheitswesens» ausgenommen. Dass Kantonalbanken nicht anbietepflichtig sind, ist bedauerlich, aber typisch und auch in anderen Kantonen der Fall. Die römisch-katholische Kirche verfügt über ein eigenes Archivwesen und Chur ist Standort des Bischöflichen Archivs Chur (BAC), eines der bedeutendsten geistlichen Archive der Schweiz. Die Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden verfügt auch über eigene Archive, hat ihren historischen Bestand aber dem StAGR übergeben; er trägt heute die Signatur StAGR N6. Als ungewöhnliche Bündner Spezialität präsentiert sich die Ausnahme für die «Institutionen des Gesundheitswesens». Diese in anderen Archivgesetzen nicht übliche Ausnahme, die zum Beispiel das Kantonsspital Graubünden vom Geltungsbereich des GAA ausnimmt, wurde in der gesetzgeberischen Debatte vor allem mit bürokratischem Aufwand begründet.40 Aus Sicht des Archivwesens wäre eine neuerliche politische Überlegung in Richtung einer Aufnahme der Gesundheitsinstitutionen in den Geltungsbereich des GAA wünschenswert, zumal sich der Aufwand der Compliance mit dem GAA nach einer initialen Investitionsphase in Grenzen hielte und die betroffenen Institutionen von einer dem kantonalen Verwaltungsstandard entsprechenden, effizienten Informationsverwaltung profitieren könnten. Obwohl dieser Aspekt in der damaligen Bündner Debatte keine entscheidende Rolle gespielt hat, möchte ich in diesem Zusammenhang auch auf ein häufig vorgebrachtes Argument gegen die Archivierung von Gesundheitsdaten eingehen, das Berufsgeheimnis nach Art. 321 StGB.41 Dieses Argument erscheint mir nicht zulässig: Krank sein ist keine Schande, und ebenfalls als datenschutztechnisch heikel einzustufende Bereiche wie Strafvollzug oder Notariatswesen werden selbstverständlich archiviert. Zudem sorgen Schutzfristen im Archiv für die Wahrung der Privatsphäre noch lebender Personen. Auch das Argument, das öffentlich finanzierte Gesundheitswesen sei Leistungsverwaltung im Unterschied etwa zum hoheitlichen Handeln im Justizvollzug, überzeugt nicht: Das Kantonsspital Graubünden ist zu einem erheblichen Teil aus Steuergeldern finanziert42, die Öffentlichkeit hat durchaus ein Recht auf archivierte Informationen aus diesem bedeutenden Feld des staatlichen Mitteleinsatzes.

Von Art. 3, der die Begriffe klärt, sind vor allem die Literae a und d für die ÜB von Belang. Art. 3 Abs. 1 lit. a definiert «Unterlagen» als «geschäftsrelevante Informationen, die bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben anfallen, unabhängig vom Informationsträger, sowie Verzeichnisse und Hilfsmittel, die für das Verständnis und die Nutzung notwendig sind». Damit ist klar, dass jede Information, die bei den anbietepflichtigen Stellen anfällt, unter die Bestimmungen des Gesetzes fällt. Ein Schlupfloch bietet allein das Wort «geschäftsrelevant», allerdings wird selten versucht, auf dieser Basis eine Archivierung zu verhindern. Ich sehe in der Anbietepflicht (Art. 6 Abs. 2) und der Bewertungshoheit des StAGR (Art. 7 Abs. 2) zudem starke Argumente, die Geschäftsrelevanz aus Compliancegründen umfassend auszulegen. Litera d wiederum definiert «archivwürdig» mit: «Unterlagen, die sich eignen, das staatliche Handeln langfristig zu dokumentieren und die Aufarbeitung von Themen der Wissenschaft und Forschung ermöglichen.» Im Grunde sind hier also die Ziele von ÜB benannt, bei den Methoden gibt es keine engere Vorgabe.

Art. 5 Abs. 2 – «Die Hilfsmittel für die Unterlagenverwaltung berücksichtigen die Anforderungen der Archivierung» – begründet zusammen mit Art. 3 der VAA indirekt eine Pflicht der Behörden, bei der Anschaffung neuer Software das StAGR zu konsultieren. Das geschieht jedoch noch nicht im ausreichenden Masse. Daher wäre ein Wunsch an eine künftige Revision des Gesetzes oder der Verordnung, dass die Einführung einer neuen Software nur mit Freigabe des StAGR möglich ist. Eine vergleichbare Regelung kennen etwa die Kantone Bern, Zürich und Luzern.43

Artikel 6 Abs. 1 des GAA verpflichtet die Dienststellen zur Festlegung von Aufbewahrungsfristen. Wo keine Spezialgesetzgebung (z.B. Obligationenrecht, Geschäftsbücherverordnung oder kantonale Personalverordnung) bestimmte Fristen vorschreibt, liegt der Entscheid hierüber bei der Dienststelle, das StAGR muss sich auf Beratung beschränken, um übermässig langen Aufbewahrungsfristen entgegenzuwirken. Gegebenenfalls wäre eine gesetzlich festgeschriebene Maximalfrist, wie sie manche ausländische Archivgesetze kennen, nützlich.44

Art. 6 Abs. 2 lautet: «Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist bieten die Behörden die Unterlagen dem Archiv an.» Diese grundlegende Bestimmung begründet die Anbietepflicht und bedeutet im Umkehrschluss, dass eine Vernichtung von Unterlagen ohne Freigabe des StAGR illegal ist. In seiner Absolutheit begründet Art. 6 Abs. 2 zudem einen Archivierungsvorbehalt (in der deutschen Diskussion meist «Archivprivileg»45 genannt) auch da, wo Spezialgesetzgebung ausdrücklich eine Löschung vorschreibt; die kantonale Personalverordnung etwa expliziert diesen Archivierungsvorbehalt (Art. 60b Abs. 2 lit. a PAV). Darüber hinaus gilt meiner Auffassung nach der Archivierungsvorbehalt auch in rechtsähnlichen Fällen im Sinne einer Analogie, wo ihn keine ausdrückliche Bestimmung ausformuliert.46 Demnach gibt es keine Datengruppe von Verwaltungsinformationen, die von der Anbietepflicht ausgenommen werden kann. Folgerichtig muss die Archivierung als Löschungssurrogat gelten, wo Löschvorschriften herrschen.47 Löschungssurrogat bedeutet, dass durch die Schutzfrist im Archiv der datenschutzrechtliche Zweck einer Löschung, nämlich der Schutz von Betroffenen vor unberechtigter Einsichtnahme, erfüllt wird. Eine explizite Regelung von Archivierungsvorbehalt und Löschungssurrogat wäre ein wünschenswertes Element einer künftigen Revision des GAA; dies allerdings vor allem, um durch die explizite Regelung eines aus meiner Sicht schon gegebenen rechtlichen Zustands die Diskussion in der alltäglichen Arbeit abzukürzen.48 Jedenfalls kann das StAGR Versuche, Unterlagen der Archivierung unter Hinweis auf den Datenschutz vorzuenthalten, nicht gelten lassen und muss vielmehr auf Archivierungsvorbehalt und Löschungssurrogat verweisen. Eine an der Februarsession 2025 des Grossen Rates GR beschlossene Totalrevision des Bündner Datenschutzgesetzes sieht zudem einen ausdrücklichen Archivierungsvorbehalt für Personendaten vor. Art. 16 Abs. 1 wird lauten: «Das öffentliche Organ bietet Personendaten, die es nicht mehr benötigt, nach den dafür geltenden Vorschriften dem zuständigen Archiv an.»49 Hierbei wird nicht zwischen schützenswerten oder nicht schützenswerten Daten unterschieden, die Regelung gilt für sämtliche (Personen-)Daten. Zwar ist dieses rechtliche Gebot durch Art. 6 Abs. 2 GAA bereits gegeben, die Explizierung im Datenschutzgesetz wird aber absehbar Diskussionen erleichtern. Die Regelung wird voraussichtlich Anfang 2026 in Kraft treten.50

Zum Datenschutz gehört auch die Wirkung von Schutzfristen (Art. 10 GAA). Das Recht auf Privatsphäre erlischt grundsätzlich mit dem Tod, allerdings können «Pietätsfristen» über den Tod der Betroffenen hinaus mit Blick auf allfällige Nachkommen eine gute Möglichkeit sein, Konflikte zu vermeiden. Einen Anspruch auf die Löschung endarchivierter Daten unter Hinweis auf Persönlichkeitsrechte, also ein Recht auf Vergessen, das gegenüber dem staatlichen Archiv geltend gemacht werden könnte, gibt es nicht.51 In der Praxis sollte das Archiv aber stets sensibel entscheiden und in bestimmten Fällen auf eine Archivierung verzichten, also das Vergessen erlauben. Aber es ist das Archiv, das entscheidet. Seine Aufgabe bei der Rechtsgüterabwägung ist, Anwalt des Informationsrechts der Nachwelt zu sein. Partikularinteressen, die bestimmte Informationen der Archivierung vorenthalten oder gar Archivgut löschen wollen, muss das Archiv entgegentreten, notfalls einen Rechtsstreit gerichtlich austragen. Vor allem aber muss es als Anwalt der Zukunft für seine Anliegen werben und durch Aufklärung Ängste abbauen. Auch historisch betrachtet wurde das Archivrecht nicht zuletzt deswegen geschaffen, weil man das Verhältnis von Datenschutz und Archivierung regeln wollte – zugunsten der Archivierung.52

Art. 7 Abs. 2 ist, wie zu Beginn erläutert, die Schlüsselbestimmung für die ÜB, denn er garantiert dem StAGR die Bewertungshoheit. Ein noch nicht erwähnter Aspekt wird aktuell verstärkt diskutiert: Der Einbezug Dritter, also von Privatpersonen, in die Bewertung.53 Das Gesetz verpflichtet das StAGR zur «Zusammenarbeit mit den Behörden» bei der Bewertung. Ein Einbezug Dritter ist hingegen nicht vorgesehen. Das StAGR sollte sich in dieser Frage eindeutig positionieren: Dritte werden in die Bewertung von staatlichen Unterlagen nicht einbezogen. Aus meiner Sicht handelt es sich rechtlich um einen verwaltungsinternen Vorgang, dessen Beteiligte vom Gesetz klar benannt sind. Auch der Datenschutz schafft komplexe Fragen: Gilt das Amtsgeheimnis auch für Freiwillige, genügt es, wenn diese eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen? Neben dieser rechtlichen Perspektive hege ich Zweifel daran, dass das Archiv die durch die Beteiligung Dritter zweifellos geweckte Erwartung, mehr als ohnehin schon zu archivieren, erfüllen kann. Denn worin anders als in einer umfangreicheren Archivierung von Einzelfällen sollte ein von der Bewertung des Archivs abweichender Wunsch bestehen? Und wenn das Archiv diesen Empfehlungen oder gar Löschungsvorhaben nicht folgt, ist für dessen Image nichts gewonnen. Die Kompetenz von Historiker:innen, die die Folgen von Informationsverlust einschätzen können, muss das Archiv durch seine Mitarbeitenden gewährleisten. Freilich gibt es auch Institutionen wie das BAR, die Versuche in Richtung der Beteiligung Dritter an der Bewertung gemacht haben und Autor:innen, die die hier dargestellten Argumente anders deuten und zum gegenteiligen Ergebnis kommen.54 Für mich überwiegen aber eindeutig die Argumente gegen den Einbezug Dritter.

Art. 13 GAA beschreibt die Aufgaben der Archive und nennt hierbei auch die Beratung der Behörden bei der Aktenführung, was für mein Verständnis von ÜB grundlegend wichtig ist. Näheres hierzu erörtert Grundsatz 2.3.

Abschliessend lohnt noch ein Hinweis auf die Strafbestimmung. Art. 16. Art. 1 Lit. a des GAA besagt, dass auf Antrag mit Busse bestraft wird, wer vorsätzlich «Unterlagen der Archivierung vorenthält, beseitigt oder vernichtet». Hieraus leitet sich ab, dass die vorsätzliche Vernichtung von Unterlagen illegal ist, aber auch, dass es ein strafbewehrter Gesetzesverstoss ist, der Anbietepflicht nicht nachzukommen. Die milde Formulierung ist dabei durchaus typisch für ein Schweizer Archivgesetz. Angewendet wurde der Strafartikel noch nie, steht aber als ultima ratio durchaus zur Verfügung.

Insgesamt zeigt sich das Bündner Archivrecht als robuste und alltagstaugliche Grundlage für die Arbeit des StAGR. Verbesserungspotential besteht an einzelnen Stellen. Die hier formulierten Überlegungen zu diesem Verbesserungspotential entsprechen dem Grundsatz, die gesetzlichen Grundlagen mit maximalem Anspruch auf Handlungsfreiheit und Entscheidungshoheit des StAGR auszulegen und die Rechtsentwicklung in diese Richtung voranzutreiben. Denn nur ein starkes Archiv kann ein guter Anwalt der Zukunft sein.

2.2 Daten statt Worte

Wirkungsvolle Arbeit im Bereich der staatlichen ÜB braucht Pragmatismus, auf perfektionistische Ansprüche muss verzichtet werden. Immer muss der Option der Vorzug gegeben werden, die es ermöglicht zu handeln – Daten statt Worte. Dies gilt in zweierlei Hinsicht: Erstens für die technischen Ansprüche vor allem an digitale Ablieferungen, zweitens in Bezug auf den intern nach der Ablieferung entstehenden Aufwand. Die Ämter haben selbst kaum ausreichend Personal, um Spezialwünsche umzusetzen. Zugleich besteht bei digitalen Daten im Vergleich zum Papier gesteigerter Zeitdruck. Sieht man von Schimmelbefällen ab, ist Papier weniger pflegebedürftig und volatil als Daten, insbesondere solche in Fachanwendungen. Wir haben oben gesehen, dass Software nicht immer unter Beizug des StAGR eingeführt wird. Aber auch wenn eine Konsultation stattfindet, müssen die Forderungen gegenüber der abliefernden Stelle realistisch bleiben. Sind sie es nicht, droht im schlimmsten Fall der Ausfall von Überlieferung wegen nicht erfüllbarer technischer Ansprüche des Archivs.

Das Archiv muss mit den Dienststellen das Machbare aushandeln und nur dann auf einem über deren Vorstellungen hinausgehenden Aufwand beharren, wenn inhaltliche und technische Mindestanforderungen nicht erfüllt werden. Die Herausforderung besteht vor allem darin, das ideale Gleichgewicht zwischen Pragmatismus und Perfektionismus zu finden. Der Vorteil des StAGR besteht hier in dem grossen fachlichen Spielraum, den ihm das Bündner Archivrecht einräumt.55 Die Notwendigkeit pragmatischen Handelns endet aber nicht mit der Übernahme. Vielmehr betrifft sie auch die weitere Bearbeitung von Ablieferungen. Die Zuständigkeit des Teams ÜB endet, wenn die Akzession eingegangen, geprüft, ggf. nachbewertet und dokumentiert ist. Die dabei entstandene Dokumentation ist die Arbeitsgrundlage für die Erschliessung bzw. zum Teil selbst Bestandteil des künftigen AIP. Eine typische staatliche Akzession am StAGR generiert folgende Dokumente:

  1. Aktenangebot (Formular, entfällt bei bewerteten Registraturplänen)

  2. Ablieferungsvereinbarung (entfällt bei bewerteten Registraturplänen/dauerhafter Archivierungsvereinbarung)

  3. Ablieferungsverzeichnis (Formular)

  4. Schlussbericht

  5. Inhaltliche & technische Dokumentation (für digitale Ablieferungen)

Diese Dokumentation ist arbeitsintensiv, muss sie doch zunächst erstellt und dann gegengelesen werden. Auch hierbei muss die rasche Durchführung gegenüber dem Anspruch auf eine möglichst umfassende Dokumentation Vorrang haben. Denn durch Verzögerung zwischen Übernahme und Bearbeitung werden die Bearbeitungen aufwändiger, da der jeweilige Fall häufig eine erneute Einarbeitung erfordert. Hierbei lassen sich die drei Schritte Prüfung/Nachbewertung, Dokumentation und Gegenlesen unterscheiden. Beim ersten Schritt gibt es wenig Einsparpotential, eine gewissenhafte Prüfung der Ablieferung ist unerlässlich. Auch geplante Nachbewertungen kommen häufig vor.

Effizienter werden kann die Bearbeitung von digitalen Ablieferungen durch das Team ÜB. Neben dem Schlussbericht fällt hier die «Inhaltliche und technische Dokumentation» an. Dieses Dokument wird mit den Daten zusammen ins AIP geschrieben und dient als ergänzende Dokumentation für die Benutzung. Es enthält Angaben zur technischen Beschaffenheit des Datenbestandes, über dessen Ordnung und Struktur, über Dateiformate und über das Herkunftssystem sowie allfällige Anleitungen zur Benutzung komplexer Daten. Diese Dokumentation wertet die Daten auf, ist aber auch für simple Datenbestände aufwändig zu erstellen. Die Komplexität steigt zudem dadurch, dass diese vor dem Ingest fertigzustellende Dokumentation nur den Zustand vor dem Ingest beschreiben kann, bei dem etwa Formatmigrationen beim Ingest nicht berücksichtigt sein können. Auch die Integration eines solchen Dokuments in ein softwaregeneriertes, in sich abgeschlossenes SIP bzw. AIP ist anspruchsvoll.

Eine naheliegende Weiterentwicklung bestünde darin, die zunehmende Datenqualität der Exporte zu nutzen und die Erstellung einer «Inhaltlichen und technischen Dokumentation» auf folgende Fälle zu beschränken:

Inhaltliche Angaben werden zudem ja auch im AIS umfangreich hinterlegt. Auch das Verhältnis der «Inhaltlichen und technischen Dokumentation» zu aktuellen Speicher- und Verzeichnungsformen wie RDF und Records in Contexts sollte zeitnah intern analysiert werden.

2.3 Schwerpunkt Vorfeldarbeit

Das Archiv als Fachstelle für die Informationsverwaltung muss den Lebenszyklus staatlicher Unterlagen von der Planung der Aktenführung bis zur Endarchivierung begleiten. Nur so können eine Überlieferung von hoher Qualität und eine gesetzeskonforme Aktenführung durch die Dienststellen sichergestellt werden. Das StAGR hat in diesem Bereich in den vergangenen Jahren viel erreicht. Aus den hierbei gesammelten Erfahrungen ergeben sich zwei massgebliche Aspekte, die für das StAGR Grundsatzcharakter haben bzw. behalten sollten, um die erfolgreiche Arbeit fortzusetzen: Die Zuständigkeit für ÜB und die Beratung einer Dienststelle muss unbedingt in der Hand derselben Person im Archiv liegen (vereinigte Zuständigkeit). Und das Archiv muss ausreichend Ressourcen in die Vorfeldarbeit investieren und entsprechende Aktivität entwickeln.

Beginnen wir mit dem Prinzip der vereinigten Zuständigkeit. Die Alternative wäre, Mitarbeitende zu haben, die ausschliesslich Records Management-Beratung bei den Dienststellen leisten und daneben Mitarbeitende, die ausschliesslich Bewertung und Übernahme bei den gleichen Dienststellen verantworten.56 Eine Ersparnis an Arbeitsleistung wird so nicht erreicht. Im Gegenteil: Die Prozesse verlieren an Effizienz. Die beiden Mitarbeitenden müssten sich in umständlicher Weise absprechen; jede Erarbeitung von Kenntnissen der Provenienzstelle und ihrer Unterlagen müsste doppelt geleistet werden. Demgegenüber ist die vereinigte Zuständigkeit das überlegene Modell: Jede aktenführende Stelle hat eine feste Ansprechperson am Staatsarchiv, die den gesamten Lebenszyklus ihrer Unterlagen begleitet. Eine Abkehr von diesem Prinzip würde erheblichen Mehraufwand verursachen und über Jahre entstandene Vertrauensverhältnisse und eingespielte Arbeitsabläufe durcheinanderbringen. Es muss beibehalten werden und kann anderen Archiven sehr zur Nachahmung empfohlen werden.57

Für die Tätigkeit im vorarchivischen Bereich gibt es viele Bezeichnungen, z.B. das aktuell populäre niederländische «Archiving by Design». Hierbei geht es um einen frühen Einstieg des Archivs in die Planung von Informationsverwaltung, idealerweise bei der Anschaffung von Systemen, in denen Informationen verwaltet werden, aber auch beim End-of-Life eines Systems.58 Auch für das StAGR ist es entscheidend, sich frühzeitig in die Einführung neuer Systeme einzubringen. Hieraus ergibt sich als weiterer Kernaspekt der Vorfeldarbeit die Etablierung von Präsenz und Erreichbarkeit.

Das StAGR nutzt verschiedene Kanäle, um für seine Anliegen zu werben und Mitarbeitende in der Aktenführung zu qualifizieren. Besonders hervorzuheben sind die Schulungen und Führungen, die das Team staatliche ÜB anbietet. Einmal jährlich findet eine Schulung für Aktenführungsverantwortliche und alle anderen Interessierten statt, an der sowohl Grundlagen als auch aktuelle Entwicklungen der Aktenführung vermittelt werden. Das Personalamt veranstaltet zudem regelmässig Willkommenstage für neu eingetretene Mitarbeitende. Teil davon ist ein Auftritt des StAGR, bei dem Mitarbeitende ein digitales Quiz absolvieren, das durch ein zuvor zu absolvierendes E-Learning vorbereitet wird. Nach dem Quiz bietet das StAGR eine Archivführung als Option beim Willkommenstag an. Zwischen der fachlich ausgerichteten Aktenführungsschulung und den unterhaltsamen Elementen des Willkommenstags liegt die «Vermittlung nach Innen», bei der jährlich thematische Führungen angeboten werden, die für alle Verwaltungsmitarbeitenden offen sind. Hinzu kommen Sonderschulungen nach Bedarf sowie ein umfangreiches Angebot an Merkblättern und Vorlagen im Intranet.

Zudem betreibt das StAGR seine Vorfeldarbeit aktuell vor allem im Rahmen des seit 2019 laufenden Projekts zur Ausrollung einer einheitlichen digitalen Geschäftsverwaltungssoftware in der gesamten Bündner Verwaltung.59 Es ist dabei Teil eines dienststellenübergreifenden Kompetenzzentrums. Neben dem Amt für Informatik, dem die operative Projektleitung obliegt, sowie der Standeskanzlei ist das StAGR für jene Teile des Projekts verantwortlich, die die Aktenführung im engeren Sinn betreffen. Kernstück dieser Arbeiten ist die Erarbeitung oder Modernisierung eines prospektiv bewerteten Registraturplans für jede Dienststelle. Für das StAGR ist das Projekt eine ideale Möglichkeit, Präsenz aufzubauen.60 Hinzu kommt die Vertretung durch den Staatsarchivar in verschiedenen kantonalen Steuerungsgremien, wie etwa der Informatikkommission (ohne Stimmrecht), dem M365-Programmausschuss und dem GEVER-Steuerungsgremium.

Es ist absehbar, dass ÜB und Vorfeldarbeit weiter miteinander verschmelzen. Hierzu trägt bei, dass immer mehr Extrakte aus noch aktiven Datenbanken übernommen werden oder Daten als Kopien an das StAGR abgeliefert werden, während die Aufbewahrungsfrist noch läuft.61 Zwar bevorzugt das StAGR, um den bestmöglichen Überblick behalten können, grundsätzlich das Festhalten am traditionellen Modell, bei dem erst nach Ende der semiaktiven Phase ausgesondert wird.62 Aber vor allem bei Datenbanken, die häufig den technischen «Kern»63 von Fachanwendungen bilden, lässt sich dieser Ansatz oft nicht durchhalten. Ob eine Information sich also in der semiaktiven oder inaktiven Phase befindet, wird zunehmend ambivalent, wenn sie gleichzeitig an zwei Orten vorliegt. Entwicklungen wie cloudbasiertes Arbeiten werden diesen Trend zur Ambivalenz verstärken. Umso entscheidender wird es sein, dass das Archiv sich in allen Phasen der Informationsbewirtschaftung einbringt, nicht zuletzt in technischen Fragen. Passivität kann sich das Archiv nicht leisten. Das StAGR muss auch in Zukunft umfangreiche Ressourcen in den vorarchivischen Bereich investieren. Art. 13 Abs. 1 GAA gibt den Archiven vor: «Sie beraten die Behörden bei der Aktenführung.» Daraus leitet sich ein Anspruch der Dienststellen auf Beratung ab. Diese sollte umfangreich sein, um guten Service zu bieten und viel Wissen über die Aktenführung der Dienststellen zu gewinnen.64

2.4 Primat der Information

Grundsätzlich unterscheiden sich bei der digitalen Archivierung von Verwaltungsinformationen zwei Formen, nämlich GEVER-Dossiers und Fachanwendungen. Fileablagen kommen als Sonderform hinzu.65 Dossiers aus GEVER-Systemen unterscheiden sich nicht besonders von Papierdossiers. Ihre Bewertung ist klassisches Handwerk66; siehe hierzu Grundsatz 2.5. Die durch die Digitalisierung hinzukommenden Themen sind meist technischer und weniger konzeptioneller Natur. Hingegen stellen sich bei den Fachanwendungen67, die in der Regel auf Datenbanken beruhen, andere Fragen.68

Werden Inhalte einer Datenbank als archivwürdig bewertet, werden häufig Datenbestände archiviert, die in dieser Form nie bei der Behörde existiert haben. An diesem Aspekt hängt eine Grundsatzentscheidung, nämlich wie ausgeprägt «schöpferische Eingriffe»69 (Frank M. Bischoff) zulässig sein sollen. Das Bündner Archivrecht spricht hierzu in Art. 3 Abs. 2 VAA von einer «selektiven Entnahme» archivwürdiger Unterlagen, eine «Vereinfachung der Unterlagen ist zulässig». Die Botschaft zum GAA hält wiederum fest: «Die Übernahme kann insbesondere bei digitalen Unterlagen eine Veränderung der Daten erfordern […]. Nicht in jedem Fall kann das «Original» im strengen Sinn archiviert werden.»70 Das StAGR sollte sich wie bis anhin dieser offenen Auslegung der entsprechenden Bestimmungen verpflichtet fühlen. Wegen der Sorge um die Authentizität und den Evidenzwert des Überlieferten hat Frank M. Bischoff schon früh darauf hingewiesen, dass in einem digitalen Umfeld der Archivar vom «Sachwalter der Überreste zum Schöpfer von Traditionen mutiert»71. Mit seinen Reflexionen über «schöpferische Eingriffe» hat Bischoff diese Entwicklung früh erkannt. So schreibt er mit Blick auf Datenbanken: «Im Prinzip können Retrievalsichten auf relationale Datenbanken gesetzt werden, die alle Fälle, aber nicht mehr alle Merkmale auswählen.»72 Um eine Retrievalsicht handelt es sich auch dann, wenn virtuelle Dossiers aus Dokumentenmanagementsystemen erstellt und archiviert werden. Der typische Fall ist der Direktexport eines definierten Datensatzes aus einer datenbankartigen Fachanwendung, bei Bedarf ergänzt durch virtuelle Dossiers. So entsteht aus einer Menge an Informationen eine bestimmte Sicht, die archiviert wird. Diese Sicht ist reduzierend und verwesentlichend: «Der Archivar als Epitomator»73. Wird hierdurch «Geschichte geschaffen»74? Ich meine, nein. Denn die Informationen, aus denen sich der archivierte Datenbestand zusammensetzt, haben der Behörde vorgelegen. Bei den einzelnen Informationen handelt es sich um behördlich dokumentierte Tatbestände, und diese Aussagen über die Welt – wie atomisiert auch immer – sind letztlich der Gegenstand von Bewertung bei Datenbanken. Aus den sozusagen amorphen Datenwolken eine greifbare Form zu bilden, ist zweifellos ein schöpferischer Eingriff. Aber gerade darin darf eine Aufgabe moderner ÜB liegen.

Zudem wird sich die zunehmend abstrakte Speicherung von Informationen, etwa als RDF-Triples, durchsetzen, weil sie bessere Möglichkeiten für die Benutzung bietet. Der aus der Papierwelt stammende Begriff des Originals erscheint angesichts dieser Auflösung von Information in abstrakten Beschreibungen obsolet. Vielmehr ist entscheidend, dass das Archiv als Institution dafür bürgt, dass die bei ihm aufbewahrte Information authentisch ist bzw. bei Übernahme war, also das Archiv vertrauenswürdig ist als trusted institution.75 Wichtig dafür ist eine gute Dokumentation der archivischen Eingriffe.76 Bei all dem steht also die rohe Information im Mittelpunkt. Sie ist das Objekt von Bewertung und sie zu erhalten das Ziel der Archivierung. In der Zukunft muss der Inhalt der Information bekannt sein, um Aussagen über die Vergangenheit machen zu können. Was hingegen nicht im Mittelpunkt steht, ist die äussere Form, in der sich diese Information präsentiert. Es geht z.B. nicht darum, Dateiformate wegen ihrer «Echtheit» möglichst lange zu erhalten oder die relationale Struktur einer Datenbank wiederherstellen zu können, was eines der Ziele von SIARD ist.77 Damit ist nicht gesagt, dass für viele Fälle eine SIARD-Datei nicht die beste Lösung für eine Datenbankarchivierung sein kann. Aber das Archiv sollte nicht unreflektiert den grossen Aufwand hierfür betreiben. Denn letztendlich führt die Idee, den technischen Kontext einer Information zu erhalten, dahin, besonders viel Evidenz zur Untermauerung der Information zu haben. Das erscheint mir aber nicht in jedem Fall nötig, wenn man sich die hoch abstrakten Formen vor Augen führt, in denen Informationen schon jetzt gespeichert werden. Eine allzu evidenzorientierte Archivierung würde vor allem dazu führen, eine dichte Geschichte der Büroinformatik zu dokumentieren, was nur eine unter vielen Facetten historischen Interesses ist.

Ich werbe dafür, sich bei der Archivierung von Fachanwendungen auf die darin enthaltenen Informationen als Aussagen über die Welt zu konzentrieren. Der Ballast ihrer äusseren Form braucht hierbei nicht zu viel Beachtung zu erfahren. Ich bin sicher, dass es «nicht gelingen wird, alle Eigenschaften der elektronischen Unterlagen bei ihrer Übergabe an die Archive und auf ihrer langen Reise von Migrationszyklus zu Migrationszyklus in den elektronischen Langzeitarchiven zu erhalten.»78 Entscheidend ist, die rohen Daten mit so guten Metadaten wie möglich zu übernehmen, um ihren Entstehungskontext und ihre Authentizität nachweisen zu können. Nicht zuletzt geht es hierbei auch um signifikante Eigenschaften; ein geeignetes Set an signifikanten Eigenschaften insbesondere für die Datenbankarchivierung zu definieren ist eine Aufgabe, die das StAGR zeitnah angehen könnte.

2.5 Weniger ist mehr

In dem Gedanken «Primat der Information» ist eine werttheoretische Aussage enthalten. Denn wenn die äussere Form einer Information weniger wichtig ist als ihre inhaltliche Aussage, liegt es nahe, auch den Informations- gegenüber dem Evidenzwert zu betonen. Der Betonung des Informationswertes liegen eine grundsätzliche und eine praktische Überlegung zugrunde. Grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass Fragen nach der Arbeitsweise von Verwaltung nur eines von zahllosen möglichen Interessen sind, die an historische Überlieferung gerichtet werden können. Dementsprechend ist es nicht angemessen, diesen Aspekt quantitativ überzubetonen. Dennoch ist ein gewisses Mass an Überlieferung der Arbeitsweise nötig, um das Handeln der staatlichen Stellen verstehen zu können. Ich plädiere deshalb dafür, evidenzwertorientierte Archivierung auf das notwenige Minimum zu beschränken.

Bereits Schellenberg hatte die Kombination aggregierter Daten mit einem Sample aus besonderen sowie charakteristischen Fällen als optimal beschrieben.79 Für die Diskussion um den Evidenzwert ist vor allem die Frage relevant, wie viele typische Fälle man braucht, um eine gute Vorstellung vom Verwaltungshandeln zu geben und dadurch die aggregierten Daten und Spezialfälle verstehbar zu machen. Ich denke, nicht allzu viele. Buchholz hat gezeigt, wie klein die Samples sein können, ohne dabei an statistischem Wert zu verlieren.80 Schwierig bleibt die Repräsentativität im streng mathematischen Sinn, die nur mit einer echten Zufallsauswahl erreicht werden kann, für die die technischen Voraussetzungen in der Bündner Verwaltung noch nicht gegeben sind.81 Das systematische Sample bleibt das Mittel der Wahl, wenn es um den Evidenzwert bei Massenakten geht. In bestimmten Fällen eignet sich auch eine Klumpenstichprobe nach geographischen Gesichtspunkten gut für Graubünden; auch Musterjahrgänge kommen in Frage.82 Wichtig zu betonen ist in diesem Zusammenhang erneut, dass Informations- und Evidenzwert sich nicht ausschliessen; vielmehr dienen sorgfältig gestaltete Samples auch dem Informationswert, indem sie konkrete Einzelfälle erhalten.

Ausserhalb des Massenakten-Bereichs stellen sich andere Fragen. Wie viel soll archiviert werden, was den inneren Betrieb der Dienststellen dokumentiert, also beispielsweise Inventarlisten von Möbeln oder Dokumentationen zur eingesetzten Software? Viele dieser Unterlagengruppen tauchen regelmässig in Registraturplänen auf und werden, Stand heute, vom StAGR häufig übernommen. Hier könnte über mehr Zurückhaltung nachgedacht werden.83 Ohne die Bewertungsdebatte der 1990er-Jahre an dieser Stelle referieren zu können84, gehe ich davon aus, dass die Betonung des Informationswertes die richtige Schlussfolgerung aus Schellenberg Theoriebildung bleibt. Die Quintessenz ist für mich, dass eine übermässig auf die Verwaltung als solche fixierte Archivierung nicht genügen kann und einseitig Verwaltungsgeschichte als Spezialinteresse bedienen würde.85 All das ist nicht neu, aber für das StAGR ein Ausgangspunkt, um seine Bewertungspraxis strenger zu gestalten. Denn wenn es um Evidenz geht, ist weniger mehr.

Es bleibt die Frage, ob das auch für die digitalen Übernahmen gilt. Tatsache ist, dass die Menge der entstehenden Informationen schneller zunimmt als der Speicher billiger wird. Zudem ist die Pflege digitaler Information aufwändiger als diejenige von Papierbeständen.86 Die Relationen können allerdings andere sein. Geoffrey Yeo etwa hat darauf hingewiesen, dass bei aller heute noch herrschenden Unklarheit über die künftigen Übernahmeanteile eine verhältnismässig grössere Übernahmemenge doch wahrscheinlich ist.87 Bewertung mag durch die Digitalisierung grosszügiger werden, etwa durch grössere Samples, sofern ausreichend gute Metadaten vorliegen. Und es wird mehr «schöpferische Eingriffe»88 geben. Zugleich gehören zur heutigen Realität auch ungeordnete Fileablagen, die sich einer geordneten Bewertung weitgehend entziehen und in ihrer oft chaotischen Struktur keinesfalls vollständig archivwürdig sein können.89 Ihr Beispiel verweist darauf, dass auch digitale Informationen genuin nicht archivwürdig sein können, denn es gibt Informationen, die selbst dann überflüssig sind, wenn man sie kostenlos aufbewahren könnte. Bewertung wird sich also verändern dürfen, sie wird gestaltender werden und sie wird grosszügiger werden können, ohne dabei den Schwerpunkt auf den Informationswert aus den Augen zu verlieren.

2.6 Weiterentwicklung durch Evaluation

Die Evaluation seiner Arbeitsergebnisse und Methoden im Bereich ÜB hat für das StAGR grosses Potential. Ziel sollte die Steigerung von Effizienz und Einheitlichkeit in der Bewertung sein. Zusätzliche Bedeutung gewinnt die Evaluation durch das sprunghafte Ansteigen prospektiver Bewertung von Registraturplänen der Bündner Verwaltung in den letzten Jahren.90

Bisher werden vor allem die Anzahl der Akzessionen und die Menge der übernommenen Laufmeter und Gigabytes erhoben. Erstere gehen in die kantonale Aufgaben- und Finanzplanung ein und sind Teil des Budgets. So wurden etwa in der Jahresrechnung 2023 des Kantons 101 erfolgte gegenüber 80 budgetierten Akzessionen festgehalten.91 Weitere Aspekte zu evaluieren, würde sich anbieten: Wie gross ist der Anteil der übernommenen Unterlagen im Verhältnis zum Angebot? Werden vergleichbare Aktengruppen bei verschiedenen Dienststellen ausreichend ähnlich bewertet? Wollen wir unsere Standarddokumente für den ÜB-Prozess weiterentwickeln? Anregungen hierzu sehe ich neben der veröffentlichten Erfahrung anderer Archive vor allem in der einschlägigen Hochschulforschung.

Eine anspruchsvolle Art der Evaluation wird unter dem Titel «Maturity Assessment for Appraisal in the AI Age» und im Rahmen des Grossprojekts InterPARES Trust AI (2021-2026) gegenwärtig erforscht.92 Ziel des Forschungsprojekts, ist «to identify the archival, technical, technological, cultural, and strategical barriers and facilitators to effectively apply AI tools for appraisal processes.»93 Es geht dabei um künstliche Intelligenz, als Voraussetzung hierfür gilt ein ausreichender Reifegrad der ÜB. Das Bestimmen eines Reifegrades wäre ein strategisches Instrument zu deren Weiterentwicklung. Zunächst bleiben die Ergebnisse des InterPARES-Projekts abzuwarten, aber das in Aussicht gestellte Reifegrad-Modell erscheint vielversprechend. Die Kriterien hierfür werden, soweit schon bekannt, eine Vielzahl von Aspekten abdecken, darunter technische, konzeptionelle, aber auch strategische und politische Dimensionen.94 Wenn das Modell veröffentlicht ist, sollte das StAGR die Möglichkeit eines darauf beruhenden Maturity Assessments für die staatliche ÜB prüfen.

Unabhängig von grösseren Evaluationen stehen für mich zwei Fragen am Anfang: Wie gross ist unser Übernahmeanteil im Verhältnis zum Angebot und wie einheitlich sind unsere Bewertungen? Die zweite dieser Fragen erscheint mit einfachen Mitteln beantwortbar. Besonders die Teile der bereits bewerteten Registraturpläne der Verwaltung, die sich bei vielen Provenienzstellen mehr oder weniger gleichförmig finden, also die interne Administration, bieten sich für einen Vergleich und eine Vereinheitlichung an. Ein vereinheitlichender Vergleich der Bewertung von Administrationsunterlagen erscheint als gute Idee. Ein einheitliches Bewertungsmodell für diesen Bereich wäre ein entsprechendes Produkt. Schwieriger zu bestimmen ist der Übernahmeanteil. Bei Akzessionen, die über individuelle Ablieferungsvereinbarungen geregelt werden, wird in der Regel der Umfang des Aktenangebots festgehalten, sodass eine prozentuale Angabe leicht möglich wäre. Bei den prospektiv bewerteten Registraturplänen gestaltet sich die Berechnung herausfordernder. Systematische Samples lassen sich in Prozenten ausdrücken, aber vollständig als archivwürdig oder nicht archivwürdig bewertete Positionen oder inhaltliche Samples sind kaum exakt zu beziffern. Ich schlage daher eine Berechnung vor, bei der jeder bewerteten Position eine Prozentzahl zugeordnet wird und abschliessend der Durchschnitt aller Positionen für den ganzen Registraturplan gebildet wird. Hierbei sollte gelten:

Auf diese Weise kann immerhin eine Tendenz des Übernahmeanteils bestimmt werden. Die Berechnung sollte, nachdem eine Aufarbeitung der bisherigen Bewertungen erfolgt ist, bei allen Bewertungsvorgängen obligatorisch werden, um die Kontrolle der Arbeitsergebnisse zu verbessern.

Zusammenfassend sollte das StAGR Evaluationsmechanismen im Bereich der staatlichen ÜB zum Grundsatz machen. Konkret schlage ich ein dreistufiges Verfahren vor:

  1. Vollständige Erhebung von bisherigen Übernahmeanteilen und Implementierung eines Mechanismus zur zukünftigen systematischen Erhebung.

  2. Evaluation des Reifegrades der staatlichen ÜB gemäss InterPARES-Modell, sobald dieses vorliegt.

  3. Implementierung regelmässiger Evaluationsmassnahmen entsprechend den personellen Möglichkeiten. Alle drei bis fünf Jahre sollte eine Evaluationsmassnahme erfolgen.

Fazit: Weichenstellungen

Ich verzichte zum Abschluss auf eine wiederholende Zusammenfassung. Vielmehr dient das Fazit der Überlegung, welche der sechs Grundsätze aus Kapitel 2 prioritär umgesetzt werden sollten. Hierzu unterteile ich sie in aktive und passive Grundsätze. Die aktiven Grundsätze erfordern neue oder erweiterte Handlungen, die passiven Grundsätze legen eher ein bestimmtes Vorgehen bei ohnehin erfolgenden Handlungen fest. Jedem Grundsatz wird eine Priorität A (sofortige Umsetzung) oder B (Umsetzung einplanen) gegeben. Passive Grundsätze, die wenig oder keine Arbeitszeit neu belegen, erhalten die Priorität A. Jedem Grundsatz wird entweder der Hauptkostenfaktor «Geld» oder «Zeit» zugeordnet. Schliesslich wird für jeden Grundsatz das Verhältnis zur aktuellen Strategie des StAGR durch die Kategorien «Übereinstimmung» oder «ergänzender Vorschlag» bestimmt. Aus diesen Kriterien ergibt sich die nachfolgende Tabelle:

Tab. 2. Umsetzung der Grundsätze

Nr.

Titel

Aktiv/passiv

Priorität

Haupt-
kostenfaktor

Verhältnis
Strategie

2.1

Bewertungshoheit leben

aktiv/passiv

A

Zeit

ergänzender
Vorschlag

2.2

Daten statt Worte

passiv

A

Zeit

ergänzender
Vorschlag

2.3

Schwerpunkt
Vorfeldarbeit

aktiv

A

Zeit

Übereinstimmung95

2.4

Primat der
Information

passiv

A

Zeit

ergänzender
Vorschlag

2.5

Weniger ist mehr

passiv

A

Zeit

Übereinstimmung96

2.6

Weiterentwicklung durch Evaluation

aktiv

B

Zeit

ergänzender
Vorschlag

Die tabellarische Darstellung zeigt eindeutige Muster. So sind die meisten Grundsätze passiv, d.h. nicht mit einem zeitlichen Mehraufwand verbunden, was die Umsetzung dieser Grundsätze leicht macht. Vier von sechs Grundsätzen stellen Vorschläge zur Ergänzung der aktuellen Strategie des StAGR dar. An zwei Stellen besteht Übereinstimmung zwischen Strategie und Grundsätzen. Für die schnelle Umsetzung der Vorschläge spricht, dass keiner der Grundsätze primär Geld kostet. Die meisten Grundsätze können durch Prioritätensetzung, die im Ermessen des StAGR liegen, umgesetzt werden. Alle Grundsätze sind so formuliert, dass sie von den vorhandenen Ressourcen ausgehen und somit realistisch sind.

Die A-Grundsätze können sofort umgesetzt werden. Der B-Grundsatz 2.6 ist am schwierigsten zu realisieren. Das grosse Potential von Evaluationen ist offensichtlich. Doch ist der Aufwand hoch, und es besteht kein allzu grosser Zeitdruck, daher die Priorität B für Grundsatz 2.6. Überwiegend können die formulierten Grundsätze schnell und mit keinen oder geringen Kosten umgesetzt werden. Die interne Diskussion darüber, ob die Grundsätze vom StAGR zu offiziellen Leitlinien erhoben werden und wie ihre allfällige Umsetzung konkret gestaltet werden kann, kann also sofort beginnen.

Bibliographie

Baumann, Robert, "Bricht Bundesrecht kantonales Recht?", in: Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht 117.12, 2016, S. 643-658.

Bischoff, Frank M., "Bewertung elektronischer Unterlagen und die Auswirkungen archivarischer Eingriffe auf die Typologie zukünftiger Quellen", in: Archivar 67, 2014, S. 40-52.

Boller, Stefan, "Die Bewertungsansätze «Macroappraisal» und «Überlieferungsbildung im Verbund» und ihre Relevanz für die Bewertung in schweizerischen Archiven", in: Informationswissenschaft: Theorie, Methode und Praxis 3.1, 2014, S. 193-218.

Buchholz, Matthias, Archivische Überlieferungsbildung im Spiegel von Bewertungsdiskussion und Repräsentativität, Köln, shVerlag, 20112 (Archivhefte 35).

Bundesgesetz über den Datenschutz vom 25.09.2020 (DSG, SR 235.1), https://www.fedlex.admin.ch/eli/oc/2022/491/de, Stand 10.03.2024.

Caderas, Milena, Überlieferungskonzept für nicht-staatliche Bestände des Staatsarchivs Graubünden, Masterarbeit, FHGR, Chur, 2022.

Camenisch, Flurina; Heinzle, Georg Friedrich, "Einheitliche digitale Geschäftsverwaltung im Kanton Graubünden. Von den Anfängen bis zur ersten Ablieferung an das Staatsarchiv", in: MARCHIVUM (Hg.), Tagungsband der 26. AUdS Tagung im MARCHIVUM in Mannheim vom 21.-22. März 2023, Mannheim 2024, S. 23-31.

Coutaz, Gilbert, "Le calendrier de conservation. Le coeur de la politique d’archivage des Archives cantonales vaudoises", in: Rapport d'activité ACV 2011, 2011, S. 35-78.

Datenschutz-Grundverordnung vom 27.04.2019 (DSGVO, Verordnung 2016/679), https://eur-lex.europa.eu/eli/reg/2016/679/oj?locale=de, Stand 10.03.2024.

Duranti, Luciana, "The Concept of Digital Record according to InterPARES", in: Arbido 4/2021, 2021. Online: https://arbido.ch/de/ausgaben-artikel/2021/das-dokument/concept-of-digital-record-interpares, Stand 20.05.2024.

Gesetz über das Archivwesen (Archivgesetz, SRL Nr. 585), https://srl.lu.ch/app/de/texts_of_law/585, Stand 14.04.2024.

Gesetz über die Aktenführung und Archivierung vom 28.08.2015 (Stand 01.04.2024) (GAA, BR 490.000), https://www.gr-lex.gr.ch/app/de/texts_of_law/490.000, Stand 14.04.2024.

Gillner, Bastian, "Überlieferungsbildung als Fachverfahren – Herausforderungen im Archivischen Vorfeld", in: Archiv. Theorie & Praxis 76.1, 2023, S. 6-14.

Gollino, Erich, "«Wie Feuer und Wasser?» Dossierbildung und Fachanwendungen", in: Informationswissenschaft: Theorie, Methode und Praxis 3.1, 2014, S. 363-385.

Goudarouli, Eirini; Sexton, Anna; Sheridan, John, "The Challenge of the Digital and the Future Archive: Through the Lens of The National Archives UK", in: Philosophy and Technology 32, 2018, S. 173-183.

Grosser Rat des Kantons Graubünden, Wortlautprotokoll 28.08.2015, https://www.gr.ch/DE/institutionen/parlament/protokolle/2015/August/18_WP_28_8_15_Vormittag.pdf und https://www.gr.ch/DE/institutionen/parlament/protokolle/2015/August/19_WP_28_8_15_Nachmittag.pdf, Stand 10.03.2024.

Gujan, Gaby, "Die Einführung von Records Management in der kantonalen Verwaltung Graubünden - Anforderungen und Herausforderungen", in: Arbido 2/2010, 2010. Online: https://arbido.ch/fr/edition-article/2010-1/records-management-administration-economie-privee/die-einf%C3%BChrung-von-records-management-in-der-kantonalen-verwaltung-graub%C3%BCnden-anforderungen-und-herausforderungen, Stand 19.03.2024.

Heinzle, Georg Friedrich, Grundsätze der staatlichen Überlieferungsbildung für das Staatsarchiv Graubünden, Masterarbeit, Universitäten Bern und Lausanne, Chur 2024.

Jehn, Mathias, Dokumentationsprofil oder Samplebildung? Überlieferungsbildung am Beispiel von Prozessverfahrensakten der Staatsanwaltschaft Bochum, Transferarbeit, Archivschule Marburg, Marburg, 2005.

Jenny, Rudolf, Das Staatsarchiv Graubünden in landesgeschichtlicher Schau, Chur, Calven, 19742.

Joergens, Bettina, "Archivprivileg und die vielen Beziehungen des Archivrechts. Die Novellierung des Archivgesetzes NRW im Kontext Archivrechtlicher Diskussionen", in: Archiv. Theorie & Praxis 77.3, 2024, S. 195-198.

Kanton Graubünden, Budget 2023, https://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/dfg/ds/dokumentation/Budget%202015/Botschaft%20zum%20Budget%202023.pdf, Stand: 15.02.2025.

Kanton Graubünden, Jahresrechnung 2023, https://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/dfg/ds/dokumentation/Rechnungen%20ab%202014/jahresrechnung_2023_interaktiv.pdf, Stand: 15.02.2025.

Keitel, Christian, Zwölf Wege ins Archiv. Umrisse einer offenen und praktischen Archivwissenschaft, Stuttgart, Franz Steiner, 2018.

Kellerhals, Andreas, "«Bürger-Archivar» oder polykompetente Informationswissenschafterinnen?", in: Arbido 4/2015, 2015. Online: https://arbido.ch/de/ausgaben-artikel/2015-1/kompetenzen/b%C3%BCrger-archivar-oder-polykompetente-informationswissenschafterinnen, Stand 14.04.2024.

KOST, Website Projekt 20-039 Dateiablage, https://kost-ceco.ch/cms/20-039_de.html, Stand 20.05.2024.

KOST, Website Projekt 23-042 Workflow-Tool, https://kost-ceco.ch/cms/23-042-workflow-tool_de.html, Stand 20.05.2024.

Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Richtlinie für die Pflege der Archivierungsmodelle im Landesarchiv NRW, Version 1.1, 17.05.2021, https://www.archive.nrw.de/sites/default/files/media/files/Richtlinie_Modellpflege-v.1.1Mai2021.pdf, Stand: 18.02.2024.

Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Steuerung der Überlieferungsbildung mit Archivierungsmodellen – Eine Konzeption für das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen. Kurzfassung 07.06.2011, https://www.archive.nrw.de/sites/default/files/media/files/FK_Archivierungsmodelle_Kurzfassung_07_06_11.pdf, Stand: 18.02.2024.

Marty, Sara, "Gedächtnisinstitutionen tragen Verantwortung für Evidenz", in: Arbido 3/2017, 2017. Online: https://arbido.ch/de/ausgaben-artikel/2017/metadaten-datenqualit%C3%A4t/ged%C3%A4chtnisinstitutionen-tragen-verantwortung-f%C3%BCr-evidenz, Stand 11.04.2024.

Nationaal archief (NL), Handreiking archiveren by design, https://www.nationaalarchief.nl/archiveren/kennisbank/handreiking-archiveren-by-design, Stand: 29.03.2024.

Regierung des Kantons Graubünden, Botschaft der Regierung an den Grossen Rat, Heft Nr. 5/2015-2016, S. 247-289: Erlass eines Gesetzes über die Aktenführung und Archivierung (GAA).

Regierung des Kantons Graubünden, Botschaft der Regierung an den Grossen Rat, Heft Nr. 9/2024-2025, S. 495-635: Totalrevision des Kantonalen Datenschutzgesetzes.

Rodenkirch-Brändli, Ursina; Stüssi, Bernhard, "Archivierung aus Fachanwendungen im Staatsarchiv Graubünden: Ein Werkstattbericht", in: Informationswissenschaft: Theorie, Methode und Praxis 5.1, 2018, S. 105-110.

Schäfer, Udo, "Ein Projekt zur vertikalen und horizontalen Bewertung", in: Kretzschmar, Robert (Hg.): Historische Überlieferung aus Verwaltungsunterlagen. Zur Praxis der archivischen Bewertung in Baden-Württemberg, Stuttgart, Kohlhammer, 1997 (Werkhefte der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg A 7), S. 61-71.

Schellenberg, Theodore R., Die Bewertung modernen Verwaltungsschriftguts. Übersetzt und herausgegeben von Angelika Menne-Haritz, Marburg, 1990 (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg 17).

Schilling, Lutz, "Vorfeldarbeit und Bewertung – die archivrechtliche Stellung des Archivars gegenüber Registraturbildnern in Thüringen", in: Archive in Thüringen, Sonderheft 2005, 2005, S. 4-6.

Schneider, Julia, "Die Zivilgesellschaft evaluiert die Überlieferungsbildung!", https://archivwelt.hypotheses.org/3798, Stand 10.03.2024.

Schweizerisches Bundesarchiv, Policy Digitale Archivierung, Version 1.2, Bern 2019.

Seibel, Wolfgang, "Pragmatism in Organizations: Ambivalence and Limits", in: Zilber, Tammar B./Amis, John M./Mair, Johanna (Hg.): The Production of Managerial Knowledge and Organizational Theory: New Approaches to Writing, Producing and Consuming Theory, Bingley, Emerald Publishing, 2019 (Research in the Sociology of Organizations, 59), S. 43-58.

Staatsarchiv Graubünden, Strategie Staatsarchiv Graubünden 2023–2026, internes Dokument, Stand: 17.4.2023.

Treffeisen, Jürgen, "Zum aktuellen Stand der archivischen Bewertungsdiskussion in Deutschland – Entwicklungen, Trends und Perspektiven", in: Scrinium 70, 2016, S. 58-92.

Uhl, Bodo, "Die Geschichte der Bewertungsdiskussion", in: Wettmann, Andrea (Hg.): Bilanz und Perspektiven archivischer Bewertung. Beiträge eines Archivwissenschaftlichen Kolloquiums, Marburg 1994 (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg 21), S. 11-36.

Vasella, Juana, "Archivierung von Patientendaten und Verletzung des Arztgeheimnisses", https://swissblawg.ch/2010/12/archivierung-von-patientendaten-und.html, Stand: 10.02.2024.

Verein eCH, eCH-0164. Lebenszyklusmodell für Geschäfte (Prozesse, Dossiers und Dokumente) v. 1.0 vom 03.09.2014, https://www.ech.ch/sites/default/files/dosvers/hauptdokument/AUXI_d_DEF_2014-09-04_eCH-0164_V1.0_Lebenszyklusmodell_f%C3%BCr_Gesch%C3%A4fte.pdf, Stand 18.02.2024.

Verein eCH, eCH-0165. eCH-0165 SIARD-Formatspezifikation v. 1.0 vom 06.03.2013, https://www.ech.ch/sites/default/files/dosvers/hauptdokument/STAN_d_DEF_2013-03-21_eCH-0165_V1.0_SIARD-Format_0.pdf, Stand 11.04.2024.

Verordnung über die Archivierung (ArchV, BSG 108.111), https://www.belex.sites.be.ch/app/de/texts_of_law/108.111, Stand 10.03.2024.

Verordnung über die Informationsverwaltung und -sicherheit (IVSV, Ordnungsnummer 170.8), https://www.notes.zh.ch/appl/zhlex_r.nsf/WebView/D8064278AF2F6509C12584B800296AB9/$File/170.8_3.9.19_107.pdf, Stand 14.04.2024.

Verordnung zum Gesetz über die Aktenführung und Archivierung vom 22.12.2015 (Stand 01.04.2024) (VAA, BR 490.010), https://www.gr-lex.gr.ch/app/de/texts_of_law/490.010, Stand: 14.04.2024.

Visconti, Simone, "L’évaluation aux Archives cantonales vaudoises Analyse des pratiques et développement d’outils de travail", in: Informationswissenschaft: Theorie, Methode und Praxis 8(1), 2024, S. 61-81.

Website «Research Studies» des InterPARES Trust, https://interparestrustai.org/trust/about_research/studies, Stand: 20.05.2024.

Website StAGR, https://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/ekud/afk/sag/Seiten/start.aspx, Stand: 27.01.2024.

Weiss, Reto, "Die rechtlichen Vorgaben zur Bewertung: eine Analyse", in: Arbido 4/2009, 2009. Online: https://arbido.ch/de/ausgaben-artikel/2009/bewertung-als-kernaufgabe-der-i-d-welt/die-rechtlichen-vorgaben-zur-bewertung-eine-analyse, Stand 14.04.2024.

Yeo, Geoffrey, "Can We Keep Everything? The Future of Appraisal in a World of Digital Profusion", in: Brown, Caroline (Hg.): Archival futures, London, Facet Publishing, 2018, S. 45-63.

Zechel, Artur, "Werttheorie und Kassation", in: Archivar 18, 1965, Sp. 1-16.

Zimmermann, Fritz, "Wesen und Ermittlung des Archivwertes. Zur Theorie einer archivalischen Wertlehre", in: Archivalische Zeitschrift 54, 1958, S. 103-122.

Zwicker, Josef, "Archivrecht 2006 – andante ma non troppo", in: Coutaz, Gilbert et al.: Archivpraxis in der Schweiz – Pratiques archivistiques en Suisse, Baden, Hier und Jetzt, 2007, S. 164-194.

Anmerkungen

1 Website StAGR, <https://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/ekud/afk/sag/Seiten/start.aspx>, Stand: 27.01.2024. ↩︎
2 Zur Geschichte des StAGR und seiner Vorgängerinstitutionen siehe Jenny, Staatsarchiv. ↩︎
3 Vgl. Caderas, Überlieferungskonzept. ↩︎
4 Zahlen gemäss Sandro Decurtins, Stv. Staatsarchivar GR. ↩︎
5 Caderas, Überlieferungskonzept, op.cit., S. 38-43 und S. 54-59. ↩︎
6 StAGR, Strategie 2023-2026, Kapitel 3.1.1, S. 3. ↩︎
7 Heinzle, Grundsätze (2024). Signatur vor Ort: STG QDS A 28. ↩︎
8 Stand April 2025. ↩︎
9 Ich danke Flurina Camenisch für ihren Input zur SWOT-Analyse. ↩︎
10 Coutaz, Calendrier, S. 35. ↩︎
11 Auskunft Delphine Friedmann, ACV, per Mail vom 27.06.2024; vgl. Visconti, Évaluation, S. 67. Gemäss Recherchen vom Februar 2025 ist dies immer noch der Stand der Dinge. ↩︎
12 Coutaz, Calendrier, S. 35. ↩︎
13 Coutaz, Calendrier, op.cit., S. 36. ↩︎
14 Interessant ist, das Coutaz seinen Bericht über die langjährigen Arbeiten mit dem calendrier de conservation mit einer Aufzählung vor allem von Weiterbildungen für Mitarbeitende beginnt, die den Registraturplan zum Gegenstand haben – eine klare Gemeinsamkeit mit Graubünden. Vgl. Coutaz, Calendrier, op.cit., S. 37. ↩︎
15 Coutaz, Calendrier, op.cit., S. 45. ↩︎
16 Coutaz, Calendrier, op.cit., S. 50f. ↩︎
17 Vgl. VAA, Art. 1 Abs. 2. ↩︎
18 Coutaz, Calendrier, op.cit., S. 52. ↩︎
19 eCH-164, Kapitel 6.2, S. 9. ↩︎
20 Coutaz, Calendrier, op.cit., S. 52. ↩︎
21 LAV NRW, Steuerung mit Archivierungsmodellen, S. 1. ↩︎
22 LAV NRW, Steuerung mit Archivierungsmodellen, op.cit. ↩︎
23 Vgl. Schäfer, Projekt. ↩︎
24 LAV NRW, Steuerung mit Archivierungsmodellen, op.cit., S. 1. ↩︎
25 LAV NRW, Steuerung mit Archivierungsmodellen, op.cit., S. 2. ↩︎
26 Mehr als viele andere Archive wurde das LAV NRW von übergeordneten Stellen zu einer besonders strengen Bewertung gezwungen: 2002 wurde ihm eine Obergrenze von lediglich 1 % des entstandenen Schriftgutes auferlegt. Vgl. z.B. Jehn, Dokumentationsprofil, S. 3f. ↩︎
27 LAV NRW, Steuerung mit Archivierungsmodellen, op.cit., S. 6. ↩︎
28 Auskunft Diana Ascher, LAV NRW, per Mail vom 09.01.2025. ↩︎
29 LAV NRW, Richtlinie. ↩︎
30Buchholz, Überlieferungsbildung, S. 19-98; auch Uhl, Bewertungsdiskussion bietet eine sehr gute Zusammenfassung. ↩︎
31Grundlegend Zimmermann, Ermittlung des Archivwertes und Zechel, Werttheorie und Kassation. ↩︎
32Art. 7 Abs. 2 GAA. ↩︎
33Vgl. z.B. Kellerhals, Informationswissenschaftlerinnen. ↩︎
34Schellenberg, Bewertung, S. 27-30. ↩︎
35Schellenberg, Bewertung, op.cit., S. 31-96. ↩︎
36Vgl. Boller, Bewertungsansätze; Schäfer, Projekt. ↩︎
37Grundlegend zum Archivrecht in der Schweiz Zwicker, Archivrecht und spezifisch zur Bewertung im Recht Weiss, Vorgaben zur Bewertung. ↩︎
38Auf die VAA kann hier aus Platzgründen leider nicht eingegangen werde; siehe hierzu die am StAGR vorliegende Originalfassung des vorliegenden Beitrags: Heinzle, Grundsätze (2024), op.cit., S. 20f. ↩︎
39Vgl. Zwicker, Archivrecht, op.cit. ↩︎
40Grosser Rat GR, Protokoll 28.08.2015, S. 163f. ↩︎
41Vgl. z.B. schon 2010 in besonders radikaler Form Vasella, Patientendaten. ↩︎
42So sieht zum Beispiel das kantonale Budget Graubünden für 2023 192.7 Millionen Franken für «Beiträge an Spitäler für medizinische Leistungen» vor: Kanton Graubünden, Budget 2023, S. 218. ↩︎
43BE: Verordnung über die Archivierung (ArchV), Art. 16 Abs. 1; ZH: Verordnung über die Informationsverwaltung und -sicherheit (IVSV), § 10 lit. b; LU: Gesetz über das Archivwesen (Archivgesetz), § 5 Abs. 2. ↩︎
44Vgl. Treffeisen, Bewertungsdiskussion, S. 62f. ↩︎
45Vgl. z.B. aktuell Joergens, Archivprivileg. ↩︎
46Das Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG) formuliert für den Bundesbereich etwa einen expliziten Archivierungsvorbehalt in Art. 38 DSG. ↩︎
47Das sollte auch dann gelten, wenn die Löschvorgabe aus dem Bundesrecht kommt: Archivrecht ist föderales Recht, sein Zugriff auf Daten erfolgt zu einem anderen Zweck als die ursprüngliche Bearbeitung und bewirkt bei der Ablieferung eine Änderung des Rechtsstatus von der Unterlage zum Archivgut, das eigenen Datenschutzbestimmungen unterliegt. Die datenschutzrechtliche Verantwortung geht auf das Archiv über. Im Übrigen stellt sich die Frage der Löschung im Ergebnis nicht, wenn die Archivierung als Löschungssurrogat gilt. ↩︎
48Das Löschungssurrogat ist ein Sachgebiet, das das Bundesrecht für die Kantone nicht regelt und gar nicht regeln kann. Denn «Archivrecht ist föderales Recht» (Zwicker, Archivrecht, op.cit., S. 167). Der Geist der Bundesgesetzgebung ist aber eindeutig auf der Seite des Archivierungsvorbehalts (siehe Anmerkung 47), aus dem logisch das Löschungssurrogat folgt. Das heisst, dass eine explizite Regelung des Löschungssurrogats auf kantonaler Ebene nicht nur eine Rechtslogik explizieren würde, die auf kantonaler Ebene geregelt werden muss, sondern auch dem Geist der entsprechenden Bundesgesetzgebung entspräche. Zum Verhältnis von Bundesrecht und kantonalem Recht siehe z.B. Baumann, Bricht Bundesrecht kantonales Recht? ↩︎
49Regierung GR, Botschaft Totalrevision Datenschutzgesetz, S. 569. ↩︎
50Regierung GR, Botschaft Totalrevision Datenschutzgesetz, op.cit., S. 554. ↩︎
51Auch die DSGVO der EU, der sich das Schweizer Datenschutzrecht zuletzt angenähert hat, und die für Schweizer Unternehmen im Geschäftsverkehr mit EU-Kunden gilt, macht unter Art. 17 Abs. 3 lit. d eine explizite Ausnahme vom «Recht auf Vergessenwerden» «für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gemäß Artikel 89 Absatz 1, soweit das in Absatz 1 genannte Recht voraussichtlich die Verwirklichung der Ziele dieser Verarbeitung unmöglich macht oder ernsthaft beeinträchtigt». ↩︎
52Vgl. Zwicker, Archivrecht, op.cit., S. 168. ↩︎
53Vgl. z.B. Schneider, Zivilgesellschaft. ↩︎
54Vgl. Schneider, Zivilgesellschaft, op.cit., S. 3-8. ↩︎
55Siehe oben, Grundsatz 2.1. Zum Verhältnis von Normativität und Pragmatismus in der öffentlichen Verwaltung siehe Seibel, Pragmatism. ↩︎
56Eine weitere denkbare Option, die Aufteilung der Arbeiten mit den Dienststellen in einen konzeptionellen Teil (Records Management-Beratung und Bewertung) und einen praktischen Teil (praktische/technische Umsetzung der Übernahmen) mit jeweils anderen Personen, würde schon am mangelnden Personal scheitern. Und auch hier gilt: geteilte Zuständigkeiten führen zu Effizienzverlusten. ↩︎
57Vgl. zu den Anfängen der intensiven Vorfeldarbeit am StAGR Gujan, Records Management. ↩︎
58Nationaal archief, Handreiking: «De maatregelen die daarvoor nodig zijn bepaal je het beste op het moment dat de werksystemen gekocht, gebouwd, aangepast of afgeschaft worden.» ↩︎
59Siehe Camenisch; Heinzle, Geschäftsverwaltung. ↩︎
60Zu den spezifischen Learnings aus dem Projekt siehe Camenisch; Heinzle, Geschäftsverwaltung, op.cit., S. 29-31. ↩︎
61Vgl. Triagemodell nach eCH-0164, Kapitel 6.2, S. 9. ↩︎
62Triagemodell nach eCH-0164, Kapitel 6.1, S.9. ↩︎
63Gillner, Herausforderungen, S. 7. ↩︎
64Sehr gut zusammengefasst sind die Herausforderungen dieser Aufgaben bei Schilling, Vorfeldarbeit. ↩︎
65Vgl. BAR, Policy digitale Archivierung, S. 12. ↩︎
66Vgl. Bischoff, Archivarische Eingriffe, S. 4f über die frühen Erfahrungen mit der Bewertung von GEVER-Systemen, bzw., wie es dort als eine wahre Perle bundesrepublikanischen Verwaltungsdeutschs heisst, «Vorgangsbearbeitungssysteme». ↩︎
67Zu den Anfängen der Archivierung aus Fachanwendungen durch das StAGR vgl. Rodenkirch-Brändli; Stüssi, Fachanwendungen. ↩︎
68Auf die Typologie von Fachanwendungen und ihr Verhältnis zum Dossierprinzip kann hier nicht eingegangen werden; siehe dazu etwa Gollino, Feuer und Wasser. ↩︎
69Bischoff, Archivarische Eingriffe, op.cit., S. 48. ↩︎
70Regierung GR, Botschaft zum GAA, S. 262. ↩︎
71Bischoff, Archivarische Eingriffe, op.cit., S. 48. ↩︎
72Bischoff, Archivarische Eingriffe, op.cit., S. 46. ↩︎
73Diese Formulierung stammt von Reto Weiss. Bischoff, Archivarische Eingriffe, op.cit., S. 51, bringt die Frage nach den klassischen Begriffen Tradition und Überrest ins Spiel. Vom Archivar als Epitomator «gemachte» Quellen sind dann eher Tradition als Überrest – was ich für kein Problem halte. ↩︎
74Bischoff, Archivarische Eingriffe, op.cit., S. 47. ↩︎
75Eine zentrale Rolle spielt diese Rolle des Archivs im digitalen Zeitalter bei Goudarouli; Sexton; Sheridan, Challenge of the Digital. ↩︎
76Bischoff, Archivarische Eingriffe, op.cit., S. 49. ↩︎
77Vgl. eCH-0165, SIARD-Formatspezifikation. ↩︎
78Bischoff, Archivarische Eingriffe, op.cit., S. 50. Vgl. auch Duranti, Concept und Marty, Verantwortung für Evidenz. ↩︎
79Schellenberg, Bewertung, op.cit., S. 54f. ↩︎
80Buchholz, Überlieferungsbildung, op.cit., S. 210-285. ↩︎
81Vgl. Buchholz, Überlieferungsbildung, op.cit., S. 278-285. Die technische Umsetzung gestaltet sich vor allem deshalb schwierig, weil weder laufende Dossiernummern je Aktengruppe noch Zufallszahl-Algorithmen bei der Aussonderung Standard bei Fachanwendungen und GEVER-Systemen sind. Für Papiermassen scheint das Verfahren kaum anwendbar. Mittelfristig rechne ich aber im digitalen Bereich mit entsprechenden Verbesserungen. ↩︎
82Von Klumpenstichproben nach Buchstaben ist hingegen Abstand zu nehmen, weil kein Buchstabe oder keine Kombination überzeugend repräsentativ wäre. Buchholz, Überlieferungsbildung, op.cit., S. 266 bemerkt hierzu: «Vornehmlich unterschiedliche Ausländeranteile verurteilen die Hatz nach einem oder mehreren 'repräsentativen Buchstaben' von vorherein zum Scheitern.» In Graubünden würde allein schon die Häufigkeit des Anfangsbuchstaben C bei den romanischen Familiennamen ein unlösbares Dilemma darstellen: Mit C wäre dieser Bevölkerungsanteil stark überrepräsentiert, ohne C würde ein wesentlicher Teil fehlen. ↩︎
83Vgl. z.B. die vorbildlich strenge Bewertung des LAV NRW für diese Aktengruppen, die eine vollständige Kassation vorsieht; vgl. LAV NRW, Steuerung mit Archivierungsmodellen, op.cit., S. 17. ↩︎
84Buchholz, Überlieferungsbildung, op.cit., S. 19-98, bietet die nach wie vor beste Zusammenfassung der Bewertungsdiskussion im 20. Jahrhundert. ↩︎
85Vgl. z.B. auch Treffeisen, Bewertungsdiskussion, op.cit., S. 67. ↩︎
86Vgl. Keitel, Zwölf Wege, S. 101ff. ↩︎
87Yeo, Keep Everything, op.cit., S. 58. ↩︎
88Vgl. oben, Grundsatz 2.4. ↩︎
89Vgl. hierzu auch die aktuellen Projekte der KOST zu diesem Thema (Nr. 20-039 und 23-042). ↩︎
90Vgl. Camenisch; Heinzle, Geschäftsverwaltung, op.cit. ↩︎
91Kanton GR, Jahresrechnung 2023, S. 244. ↩︎
92Vgl. Website «Research Studies» des InterPARES Trust. ↩︎
95StAGR, Strategie 2023-2026, op.cit., Kapitel 3.1.1, S. 3f. ↩︎
96StAGR, Strategie 2023-2026, op.cit., Kapitel 3.1.1 ↩︎