Transdisziplinäre Aspekte der Informationswissenschaften als Kernaufgaben der Informationsberufe[1]

Hans-Christoph Hobohm

An der Fachhochschule Potsdam verfolgen wir seit unserer Gründung vor über 20 Jahren einen ähnlichen Ansatz wie er sich in dem hier zu feiernden Masterabschluss wiederfindet. Anfangs nannte sich unser Fachbereich mit seinen zunächst drei Diplom- dann Bachelor-Studiengängen «Fachbereich ABD» = «Archiv-Bibliothek-Dokumentation». Wobei nie ganz klar war, welche Satzzeichen zwischen den Substantiven stehen sollten: Spatien, Trennstriche, Bindestriche, Gedankenstriche oder Minuszeichen (wie man sie heute nennt). Mittlerweile stehen wir einem Generationenwechsel bevor und die Frage ist immer noch nicht gelöst. Lediglich die übergreifende Fachbereichsbezeichnung wurde in «Informationswissenschaften» – im Plural – geändert, bei teilweise heftigem Widerstand der eigentlichen Informationswissenschaftler - der Dokumentare - des Fachbereichs.

Bei der Einführung von zwei Masterstudiengängen vor wenigen Jahren haben wir das Problem eher pragmatisch gelöst: für das sehr konkrete Berufsfeld des Archivars im sog. höheren Dienst bedienen wir berufsbegleitend die Nachfrage nach einer höherwertigen Nachqualifikation im archivfachlichen Sinn in Konkurrenz zu Marburg, der einzigen weiteren archivarischen Ausbildungsstätte in Deutschland, die allerdings verwaltungsintern ausbildet. Das Konzept unseres informationswissenschaftlichen Masters im Direktstudium zielt in der Tat auf die Informationswissenschaften im Plural und versucht ein integratives Angebot für die drei vorhergehenden Bachelor-Studiengänge. Das Ergebnis ist ein Wissenschafts- und Fachkonglomerat, das für die aktuellen Berufsfelder nicht immer verständlich ist. Unsere Bachelor-Archivare, die recht gerne den «Master dranhängen» sehen sich mit der Frage konfrontiert, ob sie denn noch Archivare seien und werden bei klassischen archivarischen Stellenausschreibungen offensichtlich benachteiligt. Unsere Bibliothekare suchen eher das Weite in der lukrativen Praxis oder in spezifischer bibliothekswissenschaftlichen Masterangeboten und unsere Dokumentare bleiben nur an der Hochschule, weil sie sich mit den anderthalb Jahren weiterem Studium eine bessere Positionierung auf einem Arbeitsmarkt versprechen, den sie wenig einschätzen können. Sie wissen oder spüren zumindest, dass ihnen für die klassische Informationspraxis in Unternehmen z.B. im Vergleich zum Wirtschaftsinformatiker die Komponenten Wirtschaft und Informatik weitgehend fehlen.

Was also anfangen mit den Absolventen einer Disziplin, die sich pluralistisch gibt: «Master of Arts – Informationswissenschaften». «Der lange Weg zum Singular» habe ich diesen Prozess einmal beschrieben[2]. Doch ist der Singular wirklich notwendig? Oder schränkt er nicht vielmehr ein durch die strikte Disziplinierung oder Anbiederung an eine etablierte Disziplin? Allerdings kann man recht schnell feststellen, dass auch diese Disziplin eher Probleme im disziplinären Selbstverständnis hat. Man kann dem Problem einer fachlichen Definition und Abgrenzung dadurch begegnen, dass man deren Studienobjekte und Aktivitäten in der Praxis aufzählt, also induktiv beschreibt: «Informationswissenschaft ist das, was Informationswissenschaftler tun»[3]. So gehen einige Studienangebote in unserem Feld tatsächlich vor. Diese nennen sich dann meist auch nur «Information Studies» und eben nicht «Information Science». Dazu gehören letztlich viele postgraduale Ausbildungsgänge, die ja die Aufgabe haben, in einem meist überschaubaren Zeitraum das immer komplexer werdende Grundlagenfach (wie z.B. Bibliothekswesen) vorwiegend unter praktischen Aspekten aufzuarbeiten. Und man muss wissen: die allermeisten Studiengänge in den Informationswissenschaften weltweit sind postgradual. In Ansätzen erklärt dies - zusammen mit der evtl. fehlenden kritischen Masse - die disziplinäre Unsicherheit der «Information Science». Aber nicht nur.

Die mittlerweile sehr weit verbreiteten «Digital Humanities» scheinen noch größere Probleme zu haben, obwohl sie z.Zt. in Geld schwimmen und allenthalben zu diesen Gebiet Lehrstühle gegründet oder zumindest Professuren ausgeschrieben werden. Ganze Konferenzsessions oder Monographien[4] beschäftigen sich wiederkehrend mit der Frage, «Was ist eigentlich Digital Humanities». Ihre Situation ist in Teilen mit unseren Fächern vergleichbar. Handelt es sich hier bei doch auch um eine oft nur methodologische Infrastrukturleistung für verschiedenste Disziplinen (der Geisteswissenschaften) bzw. um spezifische Studienobjekte - also eher um eine Praxis im eben erwähnten induktiven Sinn. Interessanterweise führen sich die Digital Humanities selber von ihren disziplinären Wurzeln auf die Dokumentation zurück[5]. Ihre Empfehlung zur Selbst-Konsolidierung ist die Etablierung kompletter «study programs» - also als grundlegendes Studienfach. Da sind wir schon im Vorteil. Die Frage ist lediglich, warum diese neue «Disziplin» z.Zt. einen solchen Hype erfährt, obwohl sie mit althergebrachten Methoden und Instrumenten unserer Disziplinen arbeitet (arbeiten sollte). Ich erwähne die Digital Humanities nicht von ungefähr, da ihre vielfältigen Praxisprojekte z.Zt. einen wichtigen Arbeitsmarkt für unsere Absolventen darstellen.

Pierre Bourdieu[6] kennzeichnete wissenschaftliche Disziplinen vorwiegend als Machtfelder. Neben einem akzeptierten Fokus auf ein Studienobjekt oder -gebiet, einem Set an epistemologischen und methodischen Gemeinsamkeiten und paradigmatischen Merkmalen wie anerkannten Citation classics ist die Ausbildung und Konsolidierung von Disziplinen vorwiegend eine Frage von persönlichen und ökonomischen Machtinteressen. Im Sinn von Michel Foucault also eine Frage des sagbaren Diskurses[7]. Dieser ist in unserer Zeit relativ eindeutig bestimmt von Interessen des IT-verliebten Homo Oeconomicus. Somit haben unsere drei Grund-Disziplinen: Archivwissenschaft, Bibliothekswissenschaft und Dokumentationswissenschaft ein deutlich erkennbares disziplinäres Problem, das doppelt gesellschaftlich bestimmt ist: unsere Studienobjekte und -gebiete sind letztlich so attraktiv, dass sie unter technologischer und/oder ökonomischer Prämisse von anderen usurpiert werden. Das Beispiel der Digital Humanities zeigt das relativ deutlich, aber auch andere Fächer nehmen sich zunehmend informationswissenschaftlicher Fragestellungen an, wie z.B. die Medienwissenschaften, die im Moment das Thema Langzeitarchivierung entdecken oder die Informatik selber, die immer mehr den Nutzer ihrer Systeme in den Blick bekommt.

Diese zentrifugale Sogwirkung unseres Arbeitsgebietes hat zur Folge, dass wir schon längst nicht mehr nur von inter-, sondern von transdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Archiv-, Bibliotheks-, und Dokumentationswissenschaft sprechen sollten. Dennoch herrschen hier natürlich weiterhin interne disziplinäre Zwänge nicht zuletzt durch das Berufsfeld, aber auch durch unsere jeweils recht heterogene wissenschaftliche Sozialisation, die dem postgradualen Charakter der jungen Informationswissenschaft geschuldet ist. Die Vision wäre eine weitere Etablierung konsekutiver, d.h. fünfjähriger Studiengänge und aufbauender Promotionen und Professuren.

In der internationalen Information Science ist besonders in letzter Zeit öfter klar Position bezogen worden, dass mit einer Selbstbeschreibung als Interdisziplin mittlerweile die akademischen Pfründe verloren gehen[8]. Obwohl bei Sonntagsreden der Bildungspolitiker immer noch in aller Munde, hat man doch als Wissenschaftler in interdisziplinären Projekten nunmehr die Erfahrung gemacht, was es heißt, interdisziplinär zu arbeiten: man erkennt sich selbst viel deutlicher in der Spezifik seiner eigenen Fachlichkeit und ggf. persönlichen Kompetenzen. Interdisziplinarität fördert vor allem die eigene Disziplin – oder zumindest die disziplinäre Selbsterkenntnis. Wissenschaftspolitisch ist als relativ neues Schlagwort nun Transdisziplinarität als ein wichtiges neues Modell ausgerufen worden[9]. Auch die Information Science versucht sich nun als solche zu etablieren. Und angeregt durch diese Diskussion mit interessanten Konsequenzen für die eigene Disziplin.

Transdisziplinarität wird vor allem dort als notwendig erachtet, wo i.w.S. globale Probleme zu einer Art übergreifender Fachlichkeit führen, bei der verschiedene Ansätze und Disziplinen zur Lösung herangezogen werden müssen. Das prominente Beispiel hierfür ist immer wieder die Klimafolgenforschung, aber auch Nanotechnologie und Kognitionswissenschaft werden dabei genannt. Man kann lange darüber streiten, ob oder vielmehr wann dann transdisziplinäre Arbeitsweise tatsächlich eine neue Disziplin generiert. Im Falle der Informationswissenschaften (im Plural) wage ich zu behaupten, dass wir hierzu gerade dabei sind am eigenen Leib, dieses Phänomen zu beobachten.

Das «globale Problem» dieser «Transdisziplin» ist mit Sicherheit die Frage von «Information und Wissen in der Digitalen Gesellschaft». Unsere drei Subdisziplinen – so nenne ich sie mal – haben seit jeher nebeneinander dieses Thema behandelt. In einer etwas weiten Analogie zur Triade von Pédauque «vu – lu – su»[10] war die Dokumentation immer schon eher auf das Erkennen und Aufspüren wertvoller Informationen ausgerichtet, die Bibliothek sicherte das Lesen des Kanons, und das Archiv das Wissen in den Dokumenten. Aber, was Pédauque uns beigebracht bzw. in Erinnerung gerufen hat: alle drei sind wir mit Dokumenten beschäftigt. Und wenn wir Suzanne Briets Antilope mit hereinnehmen, ist das Museum und der Zoo ebenfalls mit von der transdisziplinären Partie.

Ein Modell, das offensichtlich aufgeht, denn wir hatten z.B. in unserem konsekutiven Masterstudiengang schon Museologen – allerdings noch keine Zoologen oder Botaniker. Um der verschiedenen disziplinären Herkunft und den unterschiedlichen Interessen gerecht zu werden, haben wir in dem Studiengang zwei verschiedene Wahlpflichtrichtungen, sog. «Tracks» eingeführt, die jedoch disziplinübergreifend funktionieren. Das Grundprinzip der Track-Aufteilung orientiert sich an der rohstoffverarbeitenden Industrie – wird doch in unserer Informationsgesellschaft sehr oft vom Rohstoff Information gesprochen. Die Industrie teilt ihre Konzerne auf in Geschäftsbereiche für das Upstream- und für das Downstream-Geschäft. Upstream ist die Förderung des Rohstoffes wie z.B. Erdöl und seine Weiterverarbeitung in Raffinerien. Downstream ist die Vermarktung des raffinierten Produktes (Benzin) zum Kunden und die Verwertung durch diesen. Ein Track beschäftigt sich bei uns vorwiegend mit Records Management und Digitalisierung, also der Erstellung und Organisation von Informationssammlungen, der zweite mit der Verwertung bestehender Informationssammlungen beim Nutzer und studiert dessen Verhalten bzw. unterstützt das Management von Projekten vor allem beim Transfer von Wissen.

Ohne dass dies so intendiert oder gar von den Dozenten unterfüttert wäre, wählen viele unserer Archivare den Track Records Management, während der andere naturgemäß den Bibliothekaren näher liegt. Aber je nach Berufsziel gibt es auch Archivare und Bibliothekare im jeweils anderen Track. Interessanterweise passt dies zu einem Forschungsergebnis eines unserer Projekte, in dem wir nach den grundlegenden Schlüsselqualifikationen unserer Informationsberufe fahndeten. Während sich für alle drei Berufsfelder Kompetenzen wie Analysefähigkeit, abstraktes Denken und schriftliche Ausdrucksfähigkeit konnten wir für die Archivare «Effizienzorientierung» und für die Bibliothekare «Begeisterungsfähigkeit» als besondere Merkmale ausmachen[11].

In der erwähnten Transdisziplinaritätsdiskussion der Information Science zeichnet sich m.E. ein ähnliches bipolares Bild ab. Man ist sich weitgehend einig darüber, dass das Shannonsche Paradigma der nachrichtentechnisch fundierten Informationstheorie noch kaum mehr der Computerwissenschaft hilft und zu lange fälschlicherweise als Ausgangspunkt für die Informationswissenschaft genommen wurde – allein weil das Wort «Theorie» in ihr aufscheint. Teile des durch diesen Verzicht entstandenen Vakuums wurde in den letzten 10 Jahren durch die Wiederentdeckung des Dokuments und der Dokumentation aufgefüllt - mit dem Schlagwort «Re-documentarisation du monde». Der das reine Information Retrieval ablösende «Kognitive Ansatz» der Informationsverhaltensforschung brachte von der Seite der Nutzung und des Nutzers Impulse, die sich erst langsam integrieren in einem neuen Verständnis von Informationswissenschaft.

Stellvertretend für den ersten Pol der Information Science könnten Søren Brier[12] mit seiner (explizit aber als transdisziplinäre) Theorie der Cybersemiotics oder der kooperative Ansatz der Discipline of Organizing von Robert Glushko u.a.[13] stehen. Letzteres ist gerade als Buch des Jahres der ASIS&T ausgezeichnet worden. Beide behandeln recht intensiv grundlegende Fragen der Organisation von Ressourcen und von Metadaten. Brier vor allem versucht mit der Semiotik von Charles Peirce eine dynamische, ja gesellschaftliche Perspektive in die sonst eher starre Zeichentheorie zu bringen (die im Grund auch der Ausgangspunkt von Shannon war - wie häufig übersehen wird). Der historisch-kritische bzw. der Nachhaltigkeitsgedanke fehlt beiden jedoch noch etwas. Dieses liefert die andere informationswissenschaftliche Metatheorie, die ich seit einiger Zeit feststelle: neben der Wiederentdeckung des Dokuments und der Semiotik als Basis von Informationsarbeit, wird die Frage nach dem Wissen in der Gesellschaft von einer Art Renaissance des Subjekts in der Gesellschaft begleitet. So erschien einige Zeit nach dem fulminanten Sammelband zu «Theories of Information Behavior»[14] von Herausgebern aus dem gleichen Kontext ein Sammelband zur «Critical Theory for Library and Information Science. Exploring the Social from across the Disciplines»[15].

Stellvertretend dafür steht m.E. Ron Day, der nicht nur eine erste Übersetzung von Suzanne Briets «Qu'est-ce que la documentation»[16] besorgte und eine Geschichte der Fachinformation[17] schrieb, sondern z.B. in seinem jüngsten Buch «Indexing it all»[18] (2014), den Versuch unternimmt, das Subjekt der Informationsarbeit zu identifizieren, mit psychologischen Ansätzen aus der Activity Theory und der Lacanschen Psychoanalyse. Als Konsequenz aus dieser vertieften Beschäftigung mit Information und Wissen im Kontext von gesellschaftlich bedingtem Handeln steht für ihn vor allem das was Jack Andersen[19] als «information criticism» einforderte.

Es entsteht somit ein Spannungsfeld der Information Science von den eher Hard Facts der Metadaten und Prozesse des Organisierens von Information (dem Upstream) und den eher weichen menschlich-sozialen Faktoren der Wissen generierenden Menschen (dem Downstream: dem eigentlichen Markt der Informationsarbeit: Wirtschaft und Werbung beschäftigen sich ja auch immer mehr mit der Frage, wie der Mensch in diesem Fall als Käufer eigentlich so tickt.).

Es wird vielleicht ein Bild der Information Science klarer, das wirklich dem einer Transdisziplin entspricht, denn es handelt sich nicht mehr nur um Versatzstücke zwischen Disziplinen, sondern um genuine Theorie- und Methodenansätze, die dem globalen Gesamt-Problemfeld von Information und Wissen mehr Rechnung tragen können, als die Einzeldisziplin Informatik oder Kommunikationswissenschaft. Man wird jedoch dennoch erkennen, dass hier stets vom Ansatz klassischer Informationswissenschaftlicher - oder im angloamerikanischen Sinn aus Sicht von LIS – «Library and Information Science» – (ohne Archival Science) argumentiert wird. Noch.

Ich sehe gerade aus den interdisziplinären Erfahrungen des gemeinsamen Studiengangs in Potsdam folgende weitere Aspekte, die eine solche Information Science noch integrieren könnte - was auch in Ansätzen teilweise schon geschieht. Bezeichnenderweise sind die archivwissenschaftlichen Positionen bisher noch eher weniger vertreten, so dass z.B. aus dieser Sicht heraus die Diskussion um Informationsbewertung und Qualitätsmanagement anders betrachtet werden kann. Entsprechende kooperative Seminare mit meiner archivwissenschaftlichen Kollegin Karin Schwarz sind hier jedesmal äusserst spannend: «information criticism» und kritische Theorie tauchen da im Hintergrund immer wieder auf, obwohl man erkennen muss, dass unsere Bachelorstudierenden auf diese komplexen sozialwissenschaftlichen Diskussionen wenig vorbereitet sind.

Ähnlich geht es mir mit Fragen, die ich aus der Literatur- und Geschichtswissenschaft kommend unter dem Aspekt «Geschichte» und «Erzählung» im Zusammenhang mit Geschichtstheorie, Mimesis, Storytelling und Oral History mit meiner Kollegin Susanne Freund im Zusammenhang mit historischer Bildungsarbeit diskutiere.

Langzeitarchivierung und Records Management bringen aus ihren praktischen Fragestellungen heraus auch eine Reihe von Impulsen in die beiden anderen Subdisziplinen, die von diesen ebenfalls passend ergänzt werden mit ihrer Organisations-, Prozess- und Policy-Kompetenz und einer tiefergehenden Analyse von Wirtschaftlichkeit bzw. Nachhaltigkeit.

Der allen drei Subdisziplinen mehr oder weniger inhärente Gedanke der Kundenorientierung als Dienstleister ergibt zusätzlich die Möglichkeit, die Erkenntnisse der neu entstandenen Service Science[20] zu nutzen, die selber die Informationswissenschaft als einen ihrer Kerne betrachtet. Auch die alte Kybernetik[21] könnte in diesem Zusammenhang als Systemtheorie oder Neurosoziologie[22] zumindest über Fragen nach den Nutzern und ihrer Communities von allen drei Subdisziplinen verstärkt ins Blickfeld geraten. Der mit dem archivischen Blick induzierte Nachhaltigkeitsgedanke rückt die kritische Analyse der gesellschaftlichen Gegenwart wieder ins Zentrum der Informationsarbeit, so dass wir mit unseren Antworten auf die drängenden Fragen nach der Zukunft sogar bei dem Hype von Innovationsmanagement und Zukunftsforschung eine Rolle spielen könnten.

Dies zu realisieren ist die Aufgabe der neuen Information Science, die Sie - sehr geehrte Absolventen des Master of Advanced Studies in Archival, Library and Information Science - repräsentieren werden.

 




[1]    Festvortrag zur Diplomfeier des Master of Advanced Studies in Archival, Library and Information Science, Universität Bern, 24. November 2014; für die Textfassung leicht angepasst.

[2]    Hobohm, Hans-Christoph (2009): Informationswissenschaft in Potsdam. Ein langer Weg zum Singular. In: BRaIn - Potsdamer Beiträge und Reportagen aus den Informationswissenschaften (4). Online verfügbar unter http://fabdax.fh-potsdam.de/wpbrain/?p=486.

[3]    So ein Kommentar in unserem Fachbereich bei einer Curriculumsdiskussion kurz bevor der Dekan 2010 vom Amt zurücktrat.

[4]    Vgl. Hobohm, Hans-Christoph (2015): Sammelrezension Digital Humanities. zu: Terras, Melissa; Nyhan, Julianne; Vanhoutte, Edward (Hg.): Defining Digital Humanities. A Reader. London 2013; und: Warwick, Claire; Terras, Melissa; Nyhan, Julianne (Hg.): Digital Humanities in Practice. London 2012. In: H-Soz-Kult (5.1.2015).

[5]    Vgl. Hobohm, Hans-Christoph (2014): Digital Humanities vs Information Science. Der mögliche Beitrag der Informationswissenschaft(ler) zur IT Anwendung in den Geisteswissenschaften. Vortrag auf dem 5. I-Science Day - «Digital Humanities meets Information Science». Fachbereich Informationswissenschaften, FH Potsdam. Potsdam, 19.3.2014. Online verfügbar unter http://www.slideshare.net/Hobohm/digital-humanities-vs-information-science; Vgl. Folie: 20.

[6]    Vgl. Hussey, Lisa (2010): Social Capital, Symbolic Violence, and Fields of Cultural Production: Pierre Bourdieu and Library and Information Science. In: Gloria J. Leckie, Lisa M. Given und John Buschman (Hg.): Critical theory for library and information science. Exploring the social from across the disciplines. Santa Barbara, Calif: Libraries Unlimited, S. 41–52.

[7]    Foucault, Michel (1971): L'ordre du discours. Leçon inaugurale au Collège de France, 2.12.1970. Paris: Gallimard.

[8]    Vgl. Ibekwe-SanJuan, Fidelia (2014): Pluri-, Multi-, Trans-, Meta- and Interdisciplinary nature of LIS. Does it really matter? Panel. ASIS&T Annual Meeting. Seattle, 4.11.2014.

[9]    Mittelstraß, Jürgen (2012): Transdisziplinarität. oder: von der schwachen zur starken Interdisziplinarität. In: Gegenworte. Hefte für den Disput über Wissen (Heft 28), S. 11–13.

[10]    Pédauque, Roger T. (2007): La redocumentarisation du monde. Toulouse: Cépaduès-éditions; sowie: Salaün, Jean-Michel (2012): Vu, lu, su. Les architectes de l'information face à l'oligopole du Web. Paris: la Découverte (Cahiers libres).

[11]    Hobohm, Hans-Christoph; Groeneveld, Imke; Imhof, Andres (2013): Schlüsselkompetenzen in Informationsberufen. Erste Ergebnisse aus dem Projekt AKIB der Fachhochschule Potsdam. In: BuB. Forum Bibliothek und Information 65 (7/8), S. 521–524; sowie: Hobohm, Hans-Christoph; Pfeffing, Judith; Imhof, Andres; Groeneveld, Imke (2015): Reflexion als Metakompetenz. Ein Konzeptbegriff zur Veranschaulichung akademischer Kompetenzen beim Übergang von beruflicher zu hochschulischer Qualifikation. In: Walburga Freitag, Regina Buhr und Danzeglocke, E. Völk, D. (Hg.): Übergänge gestalten. Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung erhöhen. Münster: Waxmann (in Vorbereitung).

[12]    Brier, Søren (2010): Cybersemiotics. Why information is not enough! Toronto: Univ. of Toronto Press (Toronto studies in semiotics and communication).

[13]    Glushko, Robert J. (Hg.) (2014): The Discipline of Organizing. Professional Edition. Sebastopol, CA: O'Reilly.

[14]    Fisher, Karen E.; Erdelez, Sanda; Mckechnie, Lynne (Hg.) (2005): Theories of information behavior. Medford, N.J: Information Today (ASIST monograph series).

[15]    Leckie, Gloria J.; Given, Lisa M.; Buschman, John (Hg.) (2010): Critical theory for library and information science. Exploring the social from across the disciplines. Santa Barbara, Calif: Libraries Unlimited.

[16]    Briet, Suzanne; Day, Ronald E.: What is documentation? English translation of the classic french text. Lanham, Md: Scarecrow Press 2006.

[17]    Day, Ronald E.: The modern invention of Information. Discourse, history, and power. Updated and rev. pbk. ed. Carbondale: Southern Illinois University Press 2006.

[18]    Day, Ronald E.: Indexing it all. The subject in the age of documentation, information, and data. Boston: MIT Press 2014.

[19]    Andersen, Jack: Information Criticism: Where is It? In: Alison M. Lewis (Hg.): Questioning library neutrality. Essays from Progressive Librarian (2008). Duluth Minn.: Library Juice Press, S. 97–108.

[20]    Maglio, Paul P.; Kieliszewski, Cheryl A.; Spohrer, James C. (Hg.): Handbook of service science. New York, NY: Springer (Service Science) 2010.

[21]    Günther, Gotthard: Das Bewußtsein der Maschinen. Eine Metaphysik der Kybernetik. Mit einem Beitrag aus dem Nachlass «Erkennen und Wollen». Baden-Baden 2002.

[22]    Baecker, Dirk: Neurosoziologie. Ein Versuch. Berlin 2014.