Digitale Archivierung im Schweizerischen Bundesarchiv –
Ein Blick hinter die Kulissen

Krystyna W. Ohnesorge

Entwicklung von Lösungen für die digitale Archivierung

Die sich ständig ändernden IKT-Werkzeuge haben den Effekt, dass eine Interoperabilität der Daten während einer langen Zeitperiode von 30 oder 50 Jahren selten erreicht wird. Die Archivierung von digitalen Informationsobjekten stellt daher eine herausfordernde Aufgabe dar. Für die Erschliessung, Sicherung und Vermittlung von digitalem Archivgut sind spezielle Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen. Zudem bedarf die langfristige Erhaltung der Informationsobjekte über den technologischen Wandel hinweg aufwändige Migrationen auf neue Formate und Systemplattformen. Angesichts der Komplexität, Heterogenität und der erforderlichen Sicherheit der Daten sind diese Aufgaben keineswegs trivial. Sie beanspruchen hohe Investitionen und setzen eine Kontinuität beim Aufbau von Methoden und Lösungen sowie beim archivisch-technischen Wissen voraus. Um die Archivierung von digitalem Archivgut erfolgreich anzugehen, müssen wir uns aber nicht nur mit den technischen Möglichkeiten auseinandersetzen, sondern auch mit den organisatorischen Rahmenbedingungen. Dazu gehört beispielsweise die Entwicklung von organisatorischen Szenarien zur Übernahme, Sicherung und Wiederverwendung von digitalem Archivgut.

Digitale Archivierung im Betrieb

Das Schweizerische Bundesarchiv (BAR) hat sich in den vergangenen achtzehn Jahren umfassend mit der digitalen Archivierung im nationalen wie internationalen Kontext auseinandergesetzt. Das BAR hat Strategien, Konzepte und Prozesse für die digitale Archivierung erarbeitet und diese mit Hilfe von umfangreichen Informatiklösungen im Betrieb umgesetzt. Die Archivierungsstrategie des BAR beruht auf dem Migrationsprinzip.[1] Die Archivierung von digitalen Unterlagen erfolgt in einer begrenzten Anzahl von genau spezifizierten, standardisierten und vom BAR publizierten Dateiformaten.[2] Diese Formate sind für die Archivierung von digitalen Unterlagen besonders geeignet und wurden vom BAR ausgewählt und ausdrücklich gutgeheissen. Das BAR bestimmt jährlich die archivtauglichen Formate im Rahmen eines festgelegten Prozesses und publiziert diese als verbindliche Vorgabe für die Ablieferung von digitalen Unterlagen für die Bundesverwaltung (BV).

Die Lösung Digital Information Repository (DIR), welche die Kernprozesse Ablieferung, Sicherung, Erhaltung und Vermittlung von digitalen Daten aus Fachapplikationen (Datenbanken) sowie digitalen Geschäftsunterlagen aus GEVER-Systemen und aus Fileablagen über standardisierte Schnittstellen unterstützt, wurde im Einklang mit internationalen Standards entwickelt und bereits 2009 eingeführt. Heutzutage findet man im digitalen Magazin des BAR 18 TB an digitalen Unterlagen, wobei es sich hier ausschliesslich um die sogenannten «digitally born data» aus der Bundesverwaltung handelt.

 


 

Abbildung 1: Die Applikationslandschaft des BAR für die digitale Archivierung

 

Ausbau: Weiterentwickeln und verbessern

Das BAR hat seine Lösungen nicht nur auf der funktionalen Applikationsebene weiterentwickelt und verbessert, sondern in dieser Zeit auch die Hardware regelmässig erneuert und den neuesten IKT- sowie Sicherheitsstandards der Bundesverwaltung angepasst. Wir haben beispielsweise die Anwendung SIARD Suite und das SIARD-Format für die Archivierung von relationalen Datenbanken entwickelt sowie den Package Handler, mit dem man SIP (Submission Information Packages) gemäss dem Standard eCH-160 erstellen und validieren kann. Beide Anwendungen stellt das BAR der archivischen Gemeinschaft gratis zur Verfügung. Der Betrieb der Infrastruktur für die digitale Archivierung (Soft- und Hardware) wird in Zusammenarbeit mit dem zentralen IT-Leistungsanbieter der Bundesverwaltung, dem Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT), sichergestellt. Entsprechend den Sicherheitsanforderungen des BAR wird das digitale Archivgut an drei geografisch getrennten Standorten gespeichert; davon ist einer über 30 km von den beiden anderen entfernt. Die Sicherheitskopien von SIPs werden zudem zweimal täglich mithilfe eines Backups gesichert, das das BAR bis auf ein Jahr zurückverfolgen kann. Die Infrastruktur läuft in einem dedizierten Perimeter-Netzwerk innerhalb der sicheren BV-Netz-Zone, welches extra für das BAR abgetrennt und abgesichert ist.

2014 hat das BAR eine weitere Anwendung mit dem Namen Transferplattform in Betrieb genommen, die eine automatische und sichere Übernahme von SIP von der abliefernden Stelle ins BAR garantiert und die Identifikation sowie Authentifikation der Benutzer mittels einer sogenannten Zwei-Faktoren-Technologie ermöglicht. Die Transferplattform gestattet es dem BAR auch, die digitale Archivierung als Dienstleistung für Dritte anzubieten.[3]

In der neuen Strategie 2016–2020[4] setzt das BAR die 2006 begonnene Transformation zu einem digitalen Archiv konsequent fort, um allen Interessierten den Zugriff auf Informationen aus dem Archiv und deren Verarbeitung orts- und zeitunabhängig zu ermöglichen. Das BAR baut dafür beispielsweise seine öffentliche digitale Informationsinfrastruktur aus, die den Kunden erlauben wird, selbstständig zu recherchieren und direkt auf die gefundenen Informationen beziehungsweise Unterlagen zuzugreifen, um sie auszuwerten und weiterzuverarbeiten. Zudem entwickelt das BAR Hilfsmittel zur digitalen Auswertung von Quellen und erforscht wichtige Themen, insbesondere im Bereich der Verwaltungswissenschaften. Dadurch erweitert es die Kenntnisse sowohl über die Verwaltungsgeschichte als auch über die im BAR archivierten Bestände. Diese neue Ausrichtung wird dem BAR zukünftig erlauben, seine Dienstleistungspalette im digitalen Bereich gezielt zu erweitern.

Angebot «Digitale Archivierung für Dritte»

Die Ausgaben für den Betrieb und den Ausbau von digitalen Archivierung nehmen aber immer weiter zu. Im Alleingang werden die Bereitstellung und der Unterhalt der benötigten Infrastrukturen und Dienstleistungen immer schwieriger. Das BAR stellt deshalb seine digitale Archivierungsinfrastruktur und die dazu gehörenden Softwarelösungen auch bundesverwaltungsexternen Kunden zur Nutzung zur Verfügung. Kantone, Gemeinden und Institutionen mit einem öffentlich-rechtlichen Auftrag können ihre Daten beim Bundesarchiv digital sichern und sich bei der langfristigen Archivierung beraten lassen. Durch die mehrfache Nutzung können die Kosten auf mehrere Partner verteilt werden, was einen wirtschaftlichen Betrieb der digitalen Archive garantiert.

Die Kernprozesse wie die Beratung der abliefernden Stellen in der eigenen Verwaltung, die Bewertung, welche Unterlagen archiviert werden sollen, das Führen eines Metadatenkatalogs und somit die Erschliessung sowie die Vermittlung des Archivguts bleiben weiterhin in der Kompetenz des Drittkunden des BAR. Somit verbleibt die gesamte Kommunikation mit den eigenen internen und externen Kunden in der Kompetenz des jeweiligen Archivs. Das BAR kommuniziert ausschliesslich mit den Archivaren des Kunden und übernimmt die Archivierung von digitalen Unterlagen als sogenannter «Full Service Provider».

 


 


Abbildung 2: Kostenmodell des BAR

Die Dienstleistung des BAR «digitale Archivierung für Dritte» wird zu Selbstkosten angeboten, d. h. sie basiert auf einer Vollkosten-Rechnung. Die Kosten setzen sich dabei aus Investitions- und Betriebskosten zusammen. Die einmaligen Investitionskosten umfassen dabei die sogenannten Systemkosten und die Investitionskosten für den Speicher. Zu Systemkosten zählen beispielsweise die Lizenzkosten für DIR, die Anbindung durch die Transferplattform beim Kunden und die Projektkosten (etwa 21 Tage). Die Betriebskosten umfassen die direkten und indirekten Kosten. In den direkten Betriebskosten sind der Support für das DIR und der Betrieb der Transferplattform sowie der Support durch BAR-Mitarbeitende (etwa 12-13 Tage pro Jahr) berechnet. In den indirekten Betriebskosten, d. h. den Kosten, die nicht nach direktem Verursacherprinzip, sondern mithilfe von Schlüsselgrössen berechnet werden, sind der Anteil an der Abschreibung der Infrastrukturen und der Zuschlag für die Betriebskosten enthalten.

Das Beispiel in Abbildung 2 zeigt auf, wie die Rechnung mit der Initialmenge von 1 TB berechnet wird. Die einmaligen Investitionskosten bei 1 TB betragen dabei rund CHF 51’000. Die jährlichen Betriebskosten bei 1 TB betragen ca. CHF 80’500. Die Speicherkosten sind mengenabhängig. Die Mindestgrösse einer verfügbaren Speicherplatzeinheit beträgt im BAR-Angebot 0,5 TB.

Kosten teilen – Synergien nutzen

Als institutioneller Betrieb des Bundes garantiert das BAR höchste Standards an Verfügbarkeit, Datensicherheit und Beständigkeit. Die Dienstleistung des Bundesarchivs «digitale Archivierung für Dritte» bietet einen Lösungsansatz für die Optimierung der Ausgaben für die digitale Archivierung durch die Nutzung von Synergien zwischen Archiven. Mit dem transparenten Kostenmodell ist für die Kunden klar ersichtlich, welche Kosten initial und für den Betrieb anfallen. Der Nutzen dieses Betriebsmodells liegt darin, dass alle Kosten in Zusammenhang mit dem Aufbau, dem Betrieb und der Weiterentwicklung der IT-Infrastruktur für ein eigenes digitales Magazin entfallen. Auch alle Massnahmen für die Erhaltung des Archivguts werden durch das BAR durchgeführt.

Die Vorteile der Nutzung der Dienstleistungen des BAR durch die Archive der öffentlichen Verwaltung liegen bei der Einsparung der teilweise erheblichen Investitionen für den Aufbau eines digitalen Archivs und der Mitnutzung von innovativen Infrastrukturen für digitale Archivierung. Zudem profitieren die Kunden vom technischen und spezialisierten Knowhow des BAR und müssen, was vor allem für kleinere Archive interessant ist, dieses nicht mit eigenem Personal sicherstellen. Das BAR garantiert zudem die kontinuierliche Weiterentwicklung der Lösungen für die digitale Archivierung.




[1]    Policy digitale Archivierung, 2009, https://www.bar.admin.ch/dam/bar/de/dokumente/konzepte_
und_weisungen/policy_digitale_archivierung.pdf.download.pdf/policy_digitale_archivierung.pdf
. (Sämtliche Weblinks wurden am 19.2.2018 zuletzt aufgerufen.)

[2]    Archivtaugliche Dateiformate, 2014, https://www.bar.admin.ch/dam/bar/de/dokumente/konzepte_
und_weisungen/archivtaugliche_dateiformate.1.pdf.download.pdf/archivtaugliche_dateiformate.pdf
.

[3]    Digitale Archivierung im BAR, 2017, https://www.bar.admin.ch/dam/bar/de/dokumente/kundeninformation/dokumentation_produktdigitalearchivierung.pdf.download.pdf/dokumentation_produktdigitalearchivierung.pdf.

[4]    Strategie Bundesarchiv 2016-2020, 2015, https://www.bar.admin.ch/dam/bar/de/dokumente/konzepte_und_weisungen/Strategie%20Bundesarchiv%202016-2020.pdf.download.pdf/Strategie_Bundesarchiv_2016-2020.pdf.