Einleitung Teil III

Ulrich Reimer

Mehrwerte durch Informationstechnologien

Die beiden im Folgenden vorgestellten Beiträge zeigen eindrücklich, welche Möglichkeiten Informationstechnologien im ABD-Bereich eröffnen, aber auch, dass diese kein Allheilmittel“ sind, sondern mit Bedacht und der nötigen Expertise im jeweiligen Anwendungsgebiet einzusetzen sind. Peter Keller-Marxer untersucht das Potenzial der Blockchain-Technologie im Records Management, während Daniel Burkhard widersprüchliche Anforderungen einer Zentralbibliothek und der daran anzugliedernden Institutsbibliotheken aufzeigt, die sich befriedigend nur mit Hilfe digitaler Kataloge und einer entsprechenden Erschliessung auflösen lassen. Beide Artikel werden im Folgenden näher eingeführt.

Das Potenzial von Blockchains im Records Management

Der Begriff einer Blockchain ist historisch eng mit dem Begriff der Kryptowährung – am prominentesten der Bitcoin – verbunden. Die Blockchain-Technologie ist jedoch sehr viel universeller einsetzbar, im Prinzip überall dort, wo Parteien in Handelsbeziehungen [...] untereinander Werte, Besitz oder Rechte auf vertrauenswürdige und verbindliche Weise über das Internet übertragen [...], ohne sich dabei auf vertrauenswürdige Dritte verlassen zu müssen“, wie Peter Keller-Marxer in der Einleitung seines Beitrags schreibt. Records Management ist ein solcher, potenzieller Anwendungsbereich für die Blockchain-Technologie. Dies hat den Autor motiviert, in seinem Beitrag zu untersuchen, ob und wie sich Blockchains in diesem Anwendungsgebiet einsetzen lassen.

Im Rahmen des Records Managements ist sicherzustellen, dass ein Record über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg die folgenden Eigenschaften aufweist: Authentizität, Integrität, Zuverlässigkeit, Benutzbarkeit und statische Dokumentationsform. Vor allem für die Sicherstellung der ersten drei Eigenschaften erscheint es im Falle von digitalen Dokumenten naheliegend, Blockchain-Technologie einzusetzen. Um dies genauer zu untersuchen, führt der Beitrag von Herrn Keller-Marxer verschiedene Betriebsmodelle für Blockchains ein, die anschliessend auf ihre Tauglichkeit zur Sicherstellung der obigen Eigenschaften untersucht werden. Klassisch wird eine Blockchain durch ein hochgradig verteiltes, autonomes technisches System, welches nicht kompromittierbar ist, realisiert. Soll jedoch eine juristische Person die rechtliche Verantwortung übernehmen, reicht diese rein technische Realisierungsform nicht aus. So ergeben sich verschiedene organisatorische Betriebsmodelle, welche sich durch den Kreis der beteiligten Rechensysteme und ihrer Betreiber unterscheiden. Die einzelnen Betriebsmodelle eignen sich unterschiedlich gut, die geforderten Eigenschaften eines Records sicherzustellen.

Der Beitrag von Peter-Keller-Marxer führt verständlich und fundiert in diese äusserst komplexe Problematik ein und zeigt die Möglichkeiten und die Grenzen der Blockchain-Technologie für das Records Management auf.

Stabilität versus Dynamik von Ordnungssystemen

Zum Wesen wissenschaftlicher Tätigkeit gehört nicht nur das Erarbeiten neuer Erkenntnisse und Methoden, sondern auch die ständige Reflektion über das Fachgebiet sowie die daraus resultierende Neubewertung und Neuordnung des Gebiets. Während die Ordnungssysteme eines Wissenschaftsgebiets somit dynamisch sind, stehen Bibliotheken vor der Aufgabe, ihre Bestände nach etablierten und damit für die Benutzer leicht nachvollziehbaren, möglichst stabilen Ordnungsprinzipien zu erschliessen. Dynamische Neuordnungen, die sich auch in der Aufstellungslogik widerspiegeln, sind nicht praktikabel.

Vor dem Hintergrund dieses Spannungsfeldes befasst sich der Beitrag von Daniel Burkhard damit, wie sich Stabilität und Dynamik in Aufstellungssystemen von Bibliotheken miteinander verbinden lassen. Der Autor diskutiert dies anhand der unterschiedlichen Bedürfnisse einer Zentralbibliothek und der Institutsbibliotheken in der Geschichtswissenschaft. Im Gegensatz zu einer Zentralbibliothek, die eine allgemein etablierte Ordnung verwendet, haben Institutsbibliotheken sehr unterschiedliche, dem jeweiligen Forschungsgebiet angepasste Systematiken. Im Zuge der zunehmenden Integration solcher Institutsbibliotheken ergibt sich bzgl. der zugrundeliegenden Ordnungssysteme somit ein Konflikt. Eine mögliche Lösung besteht darin, dass die typischerweise als Freihandbibliotheken organisierten Institutsbibliotheken ihre eigene Aufstellungssystematik beibehalten, die dort aufgestellten Werke jedoch durch die Einbindung in die zentrale Erschliessung und digitalen Kataloge leicht auffindbar werden.

Der Beitrag zeigt anhand der betrachteten Beispiele, dass verschiedene Interessenslagen unterschiedliche Sichtweisen auf ein Fachgebiet verlangen und dass es wichtig ist, diese zu berücksichtigen. Eine etablierte zentrale Ordnung lässt sich mittels digitaler Erschliessungs- und Recherchemittel mit einer gleichzeitig bestehenden Vielfalt unterschiedlicher Ordnungssysteme verbinden.

Vorgehensmodelle für Prozesse

Bestimmte Prozesse sind über Institutionen hinweg ähnlich und weisen Gemeinsamkeiten auf. Es ist deshalb hilfreich, die wesentlichen Aspekte eines solchen Prozesses in einem Vorgehensmodell oder einer Best Practice Beschreibung zusammenzufassen. Diese dienen als Anleitung, um Institutionen zu ermöglichen, auch bei wenig oder gar keiner Erfahrung der Mitarbeitenden mit dem betreffenden Prozess, diesen zügig und qualitativ hochwertig durchzuführen. Die beiden im Folgenden vorgestellten Beiträge liefern solche Anleitungen: Daniela Rölli stellt ein Vorgehenskonzept für die Veröffentlichung digitalisierter Fotobestände vor, Elisabeth Peyer gibt mit ihren Ko-Autoren eine Best Practice Beschreibung zur Evaluation einer (Hochschul-) Bibliothek. In beide Artikel wird im Folgenden kurz eingeführt.

Vorgehenskonzept für die Online-Publikation von Fotosammlungen

Der Trend zur Digitalisierung hat auch Fotosammlungen und Bildarchive erfasst. Anschliessend an eine durchgeführte Digitalisierung stellt sich oft die Frage, ob und wie die Sammlungen online im Rahmen von Open Data zur Verfügung gestellt werden sollen. Auf Basis des bestehenden OpenGLAM-Vorgehensmodells stellt Daniela Rölli in ihrem Beitrag ein adaptiertes Vorgehensmodell für die Veröffentlichung eines Fotoarchivs vor, das aus mehreren Schritten besteht. Als Fallstudie dient die Fotosammlung der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu), welche einen hohen kulturellen Wert aufweist.

Einige Aspekte im Veröffentlichungsprozess sind besonders kritisch und werden im Beitrag detailliert behandelt. So erfordert – wie im Falle des bfu – die Klärung der Nutzungsrechte besonderes Augenmerk, da die Fotos einerseits von verschiedenen Fotografen stammen, die zum Teil noch leben oder erst kürzlich verstorben sind, andererseits ist nicht immer bekannt, wer eine bestimmte Aufnahme erstellt hat. Darüber hinaus gilt es zu klären, ob die Fotografien einzelner Fotografen als Werk gelten und damit urheberrechtlich geschützt sind. Die Online-Stellung von Fotos bringt ferner eine Reihe potenzieller Risiken mit sich, die es abzuklären gilt, wie z.B. ein möglicher Missbrauch von aus dem Kontext gerissenen Fotos. Schliesslich sind Lizenzierung und Nutzungsgebühren zu klären sowie dem Datenschutz geeignet Rechnung zu tragen, falls die zu veröffentlichenden Aufnahmen Personen abbilden.

OpenGLAM adressiert nicht nur den Publikationsprozess, sondern auch nachgelagerte Prozesse zur Unterstützung offener Kollaboration, z.B. was den Austausch von Metadaten oder die Integration mit anderen Datensammlungen und Terminologien im Sinne von Linked Data angeht. Für die meisten Institutionen ist jedoch der Schritt der Online-Stellung die zu allererst anstehende Hürde. Hier liefert der Beitrag von Frau Rölli wertvolle und praxisnahe Einsichten.

Evaluation einer Hochschulbibliothek

Die Evaluation einer Hochschulbibliothek ist Gegenstand des nächsten Beitrags, der von einem Autorenkollektiv geschrieben wurde und auf der Masterarbeit von Elisabeth Peyer basiert. Die Autoren beschreiben die Planung und Durchführung einer Evaluation der Campusbibliothek Brugg-Windisch und stellen die Evaluationsergebnisse vor.

Nach einem Überblick über in Frage kommende Evaluierungsinstrumente und -methoden beschreibt der Beitrag zunächst detailliert die einzelnen Schritte des Vorgehens, insbesondere die Festlegung des Evaluationszwecks und der daraus abgeleiteten, zu untersuchenden Fragestellungen. Es folgen die Methodenwahl und das methodische Vorgehen, welches die Erstellung eines Online-Fragebogens mit Vortest und Einsatz von Fokusgruppen umfasst. Dieser Teil der Arbeit zeigt an einem konkreten Beispiel, wie sich eine Evaluation durchführen lässt, und kann somit anderen Evaluationen als Blueprint dienen.

Im zweiten Teil des Beitrags werden die Ergebnisse der Evaluation der Campusbibliothek Brugg-Windisch vorgestellt und visualisiert. Die Resultate betreffen nicht nur die klassischen Angebote einer Bibliothek, sondern beziehen sich auch auf Benutzerbedürfnisse und -verhalten bzgl. neuerer Dienstleistungen, wie z.B. den Online-Zugriff auf Zeitschriften und Fachdatenbanken. Da es sich bei der evaluierten Bibliothek um eine Hochschulbibliothek handelt, werden auch Nutzung, Bedarf und Eignung der Bibliothek als Lernort erfragt. Der Beitrag schliesst mit der Ableitung von Handlungsfeldern aus den erhobenen Resultaten und einer Diskussion des weiteren Vorgehens. Die gewonnenen Einsichten dürften nicht nur für die betrachtete Bibliothek relevant sein, sondern zeichnen auch ein generelles Bild der Erwartungen und des Benutzungsverhaltens von Hochschulbibliotheken.