Die Online-Publikation einer Fotosammlung am Beispiel des Archivs der Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu

Daniela Rölli

Seit 1937 fotografieren die Berater der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu)[1] schweizweit Strassenkreuzungen, Verkehrssituationen und Unfälle und illustrieren damit ihre Gutachten. Dabei entstand eine Fotosammlung von hohem kulturhistorischem Wert, die nicht nur Aufschluss über die Geschichte der Verkehrsprävention gibt, sondern auch über gesellschaftliche und technische Entwicklungen (Architektur, Raumentwicklung, Mode, Werbung etc.). Nach der Digitalisierung der gesamten Sammlung stellte sich für das bfu-Archiv die Frage, ob und wie die rund 55'0 Digitalisate im Internet für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können.

Dazu habe ich in meiner Masterarbeit ein auf dem Konzept OpenGLAM (GLAM = Galleries, Libraries, Archives, Museums) basierendes Vorgehensmodell für die Online-Publikation der Fotosammlung eines halböffentlichen Archivs wie das bfu-Archiv entwickelt und teilweise umgesetzt.[2] OpenGLAM will die Hürden für die Nutzung von Kulturgütern so niedrig wie möglich machen und die Öffnung der Bestände von Gedächtnisorganisationen vorantreiben.[3] GLAM-Institutionen sollen dabei einen offenen Zugang zu ihren digitalen Assets und den dazugehörigen Metadaten ermöglichen, sich aber auch gegenüber ihrem Publikum öffnen und dessen Ideen und Wissen – u.a. durch Methoden wie Crowdsourcing – abholen.[4]

Eine zentrale Fragestellung war, wie die Verantwortlichen einer Institution wie die bfu davon überzeugt werden können, dass eine an den OpenGLAM-Zielen orientierte Publikation eines digitalisierten Fotobestandes sinnvoll sein kann. Ganz allgemein sollte die Arbeit aufzeigen, wo mit dem bfu-Archiv vergleichbare Institutionen 2016 in Sachen Open Data und OpenGLAM stehen.

Um die Fragestellungen zu beantworten, wurde zudem je ein Experteninterview mit David Kunz, Leiter des Fotoarchives von SBB Historic und mit Nicole Graf, Leiterin des ETH-Bildarchives geführt.

Das OpenGLAM-Vorgehensmodell

Das entwickelte Vorgehensmodell basiert auf dem OpenGLAM-Vorgehensmodell[5] von Beat Estermann, das sich seinerseits auf das Open-Government-Vorgehensmodell des KDZ-Zentrums für Verwaltungsforschung in Wien zur Implementierung von Open Data[6] stützt. Das Modell besteht aus vier Phasen: 1. Publikation von Open Data, 2. Offene Partizipation verbessern, 3. Offene Kollaboration ermöglichen, 4. Umfassende Mitwirkung realisieren. Der Offenheitsgrad der Daten und die Möglichkeit zur öffentlichen Beteiligung nehmen dabei von Phase zu Phase zu. Die einzelnen Phasen wiederum sind in Vorgehensschritte unterteilt. Der vorliegende Text beschränkt sich auf die essentiellen Schritte der Phase 1 «Publikation von Open Data».

Publikation von Open Data: Welche Daten sollen wie online publiziert werden?[7]

Vorgehensschritt 2: Datenkatalog erstellen

Laut dem Vorgehensmodell sollen in einem internen Prozess Datenbestände identifiziert werden, die für eine Online-Publikation in Frage kommen. «Es ist in dieser Phase nicht anzuraten, möglichst viele, sondern die wichtigsten Datenbestände zu veröffentlichen. Dabei sollte gemäß dem Pareto-Prinzip danach getrachtet werden, die Top-20%-Datenbestände zu identifizieren, die bei der Öffentlichkeit den größten Nutzen stiften.»[8]

Im Fall der bfu-Fotosammlung sollen als Pilotversuch rund 4000 Bilder aus den Jahren 1937 bis 1968 aus dem Kanton Bern inklusive Metadaten veröffentlicht werden. Der Entscheid für die Bilder aus dem Kanton Bern hat mehrere Gründe: Da die bfu ihren Sitz in Bern hat und dort sehr gut verankert ist, ist eine hohe Resonanz von Berner Medien und der interessierten Öffentlichkeit zu erhoffen. Zudem sind die Findbucheinträge für die Fotografien aus dem Kanton Bern bereits transkribiert.[9]

Vorgehensschritt 3: Datenmonitoring durchführen

Bevor die Daten online publiziert werden, müssen sie anhand einer Checkliste[10] eingehend untersucht werden:

Datenschutz

Auf den Bildern der Fotosammlung sind oftmals Personen abgebildet. Mit einer Veröffentlichung der Bilder wird das Persönlichkeitsrecht (Recht am eigenen Bild) der Abgebildeten tangiert, das mit dem Tod der Person erlischt. Bei Aufnahmen im öffentlichen Raum, wie es die meisten Fotos der Fotosammlung sind, reicht es laut dem eidgenössischen Datenschutzbeauftragen jedoch aus, wenn ein Bild auf Verlangen der fotografierten Personen gelöscht wird.[11] Eine in der Praxis sowieso undurchführbare Information der betroffenen Personen vor der Online-Publikation ist daher nicht nötig.

Nutzungsrechte

Aufgrund des Entstehungszusammenhangs der Fotosammlung muss zunächst geklärt werden, ob die Bilder überhaupt als Werke gelten und damit urheberrechtlich geschützt sind.[12] Die Juristin Gitti Hug kommt zum Schluss, dass Pressefotos und Abbildungen, die ausschliesslich zu Informationszwecken erstellt wurden, nur urheberrechtsschutzfähig sind, «sofern darin ein Gestaltungswille des Fotografen zum Ausdruck kommt. Reine Zufallsbilder (zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort) erfüllen diese Voraussetzung nicht, da es allein schon am Merkmal der geistigen Schöpfung fehlt»[13].

Im Fall der Bilder des Nidwaldner Polizeifotografen Arnold Odermatt, die seit den 1990er Jahren weltweit in Kunstausstellungen gezeigt werden, würde aber niemand bezweifeln, dass es sich um Werke handelt.[14] Dies spricht dafür, auch die unter ähnlichen Bedingungen erstellten bfu-Bilder als Werke zu betrachten. Abschliessend kann die Frage der Schöpfungshöhe im Fall der bfu-Fotosammlung wohl nur mit juristischer Unterstützung eindeutig geklärt werden. Laut Micha Rieser hat sich «für das Bibliotheks- und Archivwesen bewährt, dass man immer von Schöpfungshöhe ausgeht. […] Das verhindert allfällige rechtliche Auseinandersetzungen mit dem Urheber und seinen Erben über die Erreichung dieser Schöpfungshöhe».[15] Basierend auf dieser Überlegung wird hier für die weiteren Erläuterungen davon ausgegangen, dass es sich bei den Bildern der Fotosammlung um Werke handelt, die dem Urheberrecht unterliegen.

Die meisten Fotografen der Fotosammlung leben nicht mehr, keiner der Fotografen ist jedoch seit mehr als 70 Jahren tot. Da in der Schweiz das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tod des Autors erlischt, sind die Fotos noch nicht gemeinfrei. Problematisch ist, dass nicht bei allen Bildern klar ist, welcher Berater sie erstellt hat. Zudem ist unklar, ob die Abtretung der Nutzungs- und Verwendungsrechte an die bfu in den Arbeitsverträgen der Berater explizit geregelt wurde. Auch David Kunz vom Fotoarchiv der SBB Historic kennt die Problematik von ungeklärten Nutzungsrechten bei Werkfotografien. Für die Werkfotografen sei aber klar gewesen, dass die Fotos Eigentum der SBB seien; die SBB hätten schliesslich als Auftraggeber dafür bezahlt und verwahrten die Bilder anschliessend bei sich. Basierend auf diesen Überlegungen argumentiert SBB Historic, dass die Urheberrechte der Werkfotografien bei SBB Historic liegen.

Die Bilder aus der bfu-Fotosammlung wurden bereits mehrfach publiziert. So wird im Ausstellungskatalog «Die Strasse lebt» von 1997 die bfu als Copyright-Inhaberin genannt.[16] Da im Ausstellungskatalog auch ein Interview mit ehemaligen Beratern abgedruckt ist, kann davon ausgegangen werden, dass diese auch mit dem Abdruck der Fotos einverstanden waren. Der Urheberrechtsexperte Willi Egloff gab der Autorin im April 2016 die mündliche Empfehlung, die Berater oder ihre Nachfahren über die Online-Publikation zu informieren. Dieser Aufwand sei vertretbar. Zudem gelte das Prinzip «Wo kein Kläger, da ist kein Richter»; solange sich also ein Berater oder seine Nachfahren nicht gegen die Online-Publikation seiner Bilder wehre, könne diese weitergeführt werden.

Nutzen, Ertrag, Chancen

Die Zielgruppen für die Online-Publikation der Fotosammlung sind:

   Regionale und allenfalls auch nationale Medien, die Fotos veröffentlichen und damit Artikel illustrieren. Durch gezielte Partnerschaften mit regionalen Medien oder einer Onlineplattform könnten Themen der Unfallverhütung historisch beleuchtet und zur Vermittlung aktueller Präventionsbotschaften verwendet werden.[17]

   Forschende und Wissenschaftler

   Architekturbüros, Denkmalpflegen, Bauverwaltungen

   Allgemein interessierte Öffentlichkeit; an Geschichte, Architektur und Technik interessierte Laien

Die Nutzer sollen über ein auf der Webseite bfu.ch eingebettetes Webportal auf die Bilder zugreifen und so für zusätzlichen Verkehr auf der bfu-Webseite sorgen. Diese Schaufensterfunktion ist ein zentrales Argument im schriftlichen Antrag an die Geschäftsleitung der bfu zur Schaffung einer Fotoplattform auf der Webseite bfu.ch. So besteht die Hoffnung, dass die Benutzer beim Besuch des Webportals mit den Präventionsbotschaften der bfu in Kontakt kommen. Zudem sollen über die Plattform Medienschaffende mit ergänzendem, unfallverhütungskonformem Foto- und Grafikmaterial versorgt werden.

Generell könnte durch die auf dem Webportal publizierte historische Fotosammlung und mit der entsprechenden Begleitung durch PR- und Marketingmassnahmen die Wahrnehmung der bfu verstärkt und die Aufmerksamkeit von Medien und Öffentlichkeit auf die bfu gelenkt werden.

Kosten

Um die im Digital Media Asset Management DAM erfassten Assets über einen Port auf dem geplanten Webportal anzuzeigen, muss ein Spezialtool eingekauft werden.

Aufwand

Webaufgelöste Versionen der Fotos sollen auf dem Portal frei heruntergeladen werden können. Hochauflösende Versionen hingegen sollen über die Warenkorbfunktion der Webplattform bestellt werden können, worauf das bfu-Archiv die Anfrage prüft und die Digitalisate ausliefert. Für das bfu-Archiv wird durch die zusätzlichen Archivanfragen und die Auslieferung von hochaufgelösten Digitalisaten der Aufwand vermutlich leicht zunehmen. Sobald das Angebot der breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht worden ist, ist mit rund einer Anfrage/Bestellung pro Woche zu rechnen. Aufwand verursacht zudem die seit einigen Jahren bfu-intern laufende Transkription der rund 20’0 Einträge der Findbücher. Die Vermarktung der Online-Publikation via Medienmitteilung und Social Media kann von der Marketingabteilung der bfu im Rahmen ihrer Aufgaben erledigt werden.

Risiken

Als der Leiterin der Abteilung Logistik und Dokumentation und dem Leiter des Bereichs Zentrale Dienste der bfu die Idee präsentiert wurde, hochaufgelöste Digitalisate der Fotosammlung zum freien Download online zu stellen, äusserten sie folgende Befürchtungen:

   «Ich als Verantwortliche für die Dokumentation möchte wissen, was jemand mit diesen Bildern macht», so die Leiterin der Abteilung Logistik und Dokumentation. Diese Angst vor Kontrollverlust sieht Beat Estermann denn auch als möglichen «Stolperstein für Open Data»[18].

   Durch falsche oder fehlende Quellenangaben wäre nicht mehr ersichtlich, dass die Bilder ursprünglich aus dem bfu-Archiv stammen.

   Bilder der Fotosammlung könnten aus dem Kontext gerissen und in einer politischen Kampagne missbraucht werden, was zu einem Reputationsschaden für die bfu führen könnte. Da die bfu von politischen Entscheiden abhängig ist und umgekehrt via Lobbying auf die Politik Einfluss zu nehmen versucht, scheint diese Angst besonders stark.

   Der bfu könnte vorgeworfen werden, dass die Publikation einer Fotosammlung nicht ihre Kernaufgabe sei und so Präventionsgelder falsch eingesetzt würden.

Nicole Graf, die im ETH-Bildarchiv seit rund zwei Jahren sehr erfolgreich eine Open-Data-Strategie verfolgt, wurde wiederholt mit diesen Ängsten konfrontiert. «Was wäre, wenn die Bilder zum Beispiel von einer politisch radikalen Gruppierung für eine Kampagne aus ihrem Kontext gerissen würden?», werde dann jeweils gefragt. Ihr sei jedoch im Bildarchiv kein solcher Fall von Missbrauch bekannt. Sobald ein Bild online sei, wenn auch nur in Webauflösung, müsse man damit leben, dass man in gewisser Weise die Kontrolle über dieses Bild verliere.[19] Auch Merete Sanderhoff vom Statens Museum for Kunst in Kopenhagen schreibt, die Befürchtungen betr. OpenGLAM seien «based on worries that the integrity of the original artwork could be damaged, e.g. by being reproduced on biscuit tins or in unwanted political contexts.» Sie empfiehlt anstatt über den möglichen Missbrauch von frei verfügbaren Bildern mehr über die innovativen und inspirierenden Nutzungen und Neuschöpfungen im Rahmen von Remixes zu sprechen.[20]

Dennoch wird der bfu aufgrund der oben aufgeführten Bedenken im Antrag an die Geschäftsleitung empfohlen, nur webaufgelöste Vorschaubilder auf dem Webportal zu publizieren. Die Verantwortlichen sollen aber immerhin von einer Publikation der Vorschaubilder ohne Wasserzeichen überzeugt werden, was die freie Verwendung sehr erleichtern würde. Eine freie Lizenzierung wie es die OpenGLAM-Prinzipien verlangen, wird von den Verantwortlichen als zu starke Öffnung betrachtet (siehe dazu auch Vorgehensschritt 4). Der noch grössere Schritt zur Publikation von frei verfügbaren hochaufgelösten Digitalisaten ist unter diesen Umständen nicht wahrscheinlich.

Um dem Vorwurf betr. falsch eingesetzte Präventionsgelder zu entkräften, soll eine Kooperation mit der Fotostiftung Schweiz geprüft werden. Die Fotostiftung Schweiz macht ihre Digitalisate über die Plattform E-pics der ETH-Bibliothek zugänglich. Auch das Verkehrshaus, mit dem die bfu bereits zusammenarbeitet, oder das Museum für Gestaltung in Zürich könnten als Partner hinzugezogen werden.

Vorgehensschritt 4: Datenqualität verbessern

Nach dem Datenmonitoring muss überprüft werden, ob die für die Publikation vorgesehenen Daten den Prinzipien von Open Government Data (Vollständigkeit, Verwendung von Primärquellen, zeitliche Nähe, leichter Zugang, Maschinenlesbarkeit, Diskriminierungsfreiheit, offene Standards, offene Lizenzierung, Dauerhaftigkeit und Verzicht auf Nutzungsgebühren) entsprechen. Diese Prinzipien gelten heute als Grundlage für die Veröffentlichung von Behördendaten.[21] Sie überschneiden sich teilweise mit den OpenGLAM-Prinzipien und können auch für die Öffnung von Daten in einem halböffentlichen Archiv beigezogen werden. Die Frage der Lizenzierung und der Nutzungsgebühren werden im Folgenden kurz erläutert:

Lizenzierung: OpenGLAM/Open Data heisst auch, dass den Benutzern der Online-Publikation die Bedingungen für die Weiterverwendung der Fotos klar erläutert werden. Dazu eignen sich die Creative Commons-Lizenzen, womit ein Urheber sein Werk zugänglich machen kann, ohne dass dem Nutzer Kosten entstehen. Die Bilder der bfu-Fotosammlung sollen daher nach den Abklärungen mit den Fotografen unter einer geeigneten Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht werden (idealerweise unter CC-BY-NC-SA 4.0[22], ansonsten unter CC-BY-NC-ND 4.0[23]). Die so lizenzierten Inhalte könnten jedoch nicht auf Wikimedia Commons hochgeladen werden, da Wikimedia Commons nur Werke mit der Lizenz CC-BY-SA oder weniger restriktiv akzeptiert.

Nutzungsgebühren: Auf die Erhebung von Nutzungsgebühren will das bfu-Archiv verzichten, um die Hürden für den Zugang zur Fotosammlung so niedrig wie möglich zu halten. Da die Bilder mit Präventionsgeldern erstellt und digitalisiert wurden, wäre eine Erhebung von Nutzungsgebühren sowieso fragwürdig. Auch der administrative Aufwand für die Berechnung von Nutzungsgebühren wäre bei geschätzt einem Auftrag pro Woche unverhältnismässig hoch.

Vorgehensschritt 5: Sensibilisierung der Entscheidungsträger und Entscheid

Dieser Punkt wurde ins Vorgehensmodell integriert, da in halböffentlichen Archiven oder Unternehmensarchiven oftmals Personen ohne grosse Archivkenntnisse von einem Vorgehen für OpenGLAM oder Open Data überzeugt werden müssen. Deshalb ist die Sensibilisierung der Entscheidungsträger ein wichtiger Faktor. Falls ein Antrag an die Geschäftsleitung oder Stiftungsrat der Institution oder des Unternehmens nötig ist, muss dieser die unter Vorgehensschritt 3 aufgeführten Chancen und Risiken von OpenGLAM für die Institution aufnehmen.

Im Fall der bfu wurde im Gespräch mit der Verantwortlichen der Abteilung Logistik und Dokumentation, dem Leiter des Bereichs Zentrale Dienste und dem Leiter der Abteilung Publikationen entschieden, einen Antrag an die Geschäftsleitung zu formulieren und so einen GL-Entscheid für die Online-Publikation der Fotosammlung abzuholen. Der Antrag nimmt die im Vorgehensschritt 3 erwähnten Argumentationen betr. Nutzungsrechte sowie die Abwägung von Chancen und Risiken auf. Er konnte bisher der Geschäftsleitung noch nicht vorgelegt werden. Die Online-Publikation der Fotosammlung wird nun für das 80-Jahr-Jubiläum der bfu 2018 ins Auge gefasst.

Vorgehensschritt 8: Portal aufsetzen oder Digitalisate auf bestehendem Portal hochladen

Laut Vorgehensmodell muss ein Portal, in welches die digitalen Überlieferungsobjekte hochgeladen werden können, aufgesetzt werden. Noch mehr geöffnet im Sinne von OpenGLAM werden die Daten jedoch, wenn sie in ein bereits bestehendes Portal integriert werden.

Die Bilder der bfu-Fotosammlung wurden in das DAM der bfu eingespeist und die Metadaten über die Extensible Metadata Platform XMP in die Assets eingeschrieben.[24] Die Fotos sollen anschliessend aus dem DAM heraus in einem auf der bfu-Webseite eingebetteten Webportal publiziert werden. Der Einstieg in dieses Webportal könnte über eine interaktive Karte des Kantons Bern geschehen, wo für jede Gemeinde die Anzahl vorhandene Fotos und eine Bildervorschau angezeigt wird.

Das geplante Webportal auf der bfu-Webseite ist eine Silo-Lösung. Es besteht die Gefahr, dass die Bilder in den Tiefen des Internets verschwinden und nur von Personen, die von der Existenz des Portals wissen, aufgefunden werden. Auf Wikimedia Commons hingegen wären die Fotos über sprachliche und staatliche Grenzen hinaus zugänglich und einfacher auffindbar.

Vorgehensschritt 9: Nutzung fördern

Laut Vorgehensmodell muss das Portal nach der Aufsetzung beworben und die Nutzung der online publizierten Überlieferungsobjekte gefördert werden.

Im Fall der bfu-Fotosammlung soll neben einer Medienmitteilung über die zahlreichen Social-Media-Kanäle der bfu auf die Online-Publikation aufmerksam gemacht werden. Ein eigener Twitter- oder Instagramaccount für das bfu-Archiv wäre sehr wünschenswert, wird aber wohl aufgrund der strikten Kommunikationsguidelines der bfu nicht umsetzbar sein. Im Facebookaccount der bfu haben Mitarbeiter der Abteilung Publikationen bereits seit längerem Meilensteine der Unfallverhütung in der Timeline aufgeführt und diese mit Fotos illustriert. Dort könnten die Bilder aus der Fotosammlung vermehrt eingesetzt werden.

Denkbar wären auch zwei bis drei Minuten lange Kurz-Präsentationen der Fotos zu thematischen Schwerpunkten (z.B. Entwicklung einer bekannten Strasse in Bern, Unfälle, Landwirtschaft oder jugendliche Verkehrsteilnehmer). Diese könnten auf der bfu-Webseite als Videos mit mündlichen oder schriftlichen Erläuterungen aufgeschaltet werden und so die Benutzer auf einige Highlights aufmerksam machen und den Einstieg in die Benutzung des Webportals vereinfachen.

Fazit

In der Masterarbeit wurde aufgezeigt, dass das Konzept OpenGLAM auch für ein halböffentliches Archiv wie jenes der Beratungsstelle für Unfallverhütung wichtige Inputs liefern kann. So wird der Geschäftsleitung der bfu für die Öffnung der Fotosammlung die Online-Publikation von webaufgelösten Vorschaubildern ohne Wasserzeichen mit entsprechender Lizenzierung, sowie der Verzicht auf Nutzungsgebühren für hochaufgelöste Digitalisate auch bei kommerzieller Nutzung vorgeschlagen. Natürlich wäre eine noch weiter gehende Öffnung sehr wünschenswert; dafür ist aber nur mittelfristig Akzeptanz zu erwarten.

Das erarbeitete Vorgehensmodell bietet eine systematische Anleitung, die als Checkliste für die Vorbereitung der Online-Publikation eines Bestandes Punkt für Punkt durchgespielt werden kann. Angesichts der deutlichen Erkenntnis, dass nach wie vor viele Befürchtungen gegenüber OpenGLAM bestehen und diesen nur durch Sensibilisierung der Verantwortlichen begegnet werden kann, erscheint der Punkt des Datenmonitorings und die detaillierte Kosten- und Nutzenabwägung als besonders wichtig. Hier können in einer Art SWOT-Analyse Chancen und Risiken abgehandelt und Fragen oder Einwände einer Geschäftsleitung oder eines Stiftungsrates, die die Online-Publikation genehmigen müssen, vorweggenommen werden. Als Entscheidungsgrundlage sind zudem auch statistische Kennzahlen und Auswertungen (Zahl der Anfragen, Zahl der Aufträge, Aufwand für Benutzerbetreuung, eingenommene Nutzungsgebühren) unabdingbar. Auch der Beizug von Beispielen aus anderen Institutionen und Personen mit OpenGLAM-Erfahrung kann sinnvoll sein.

Anhand von Beispielen aus zahlreichen Institutionen weltweit und in der Schweiz konnte zudem aufgezeigt werden, dass die Erfahrungen mit OpenGLAM bisher durchwegs positiv sind. So hat sich durch die Open Data-Strategie des ETH-Bildarchivs die Zahl der Downloads auf der Bildplattform e-pics.ch massiv erhöht und der Aufwand für die Bildauslieferung reduziert. Zudem ist die Zahl der Anfragen leicht rückläufig, weil die Benutzer die Bilder online finden und nicht mehr den «Umweg» über das Archivpersonal machen müssen. Die Pionierarbeit des ETH-Bildarchives und anderer Gedächtnisinstitutionen wird dazu führen, dass auch andere Archive mit Bildbeständen ihre Praxis in Sachen Nutzungsgebühren und die Art der Online-Publikation überdenken müssen.

Anmerkungen

[1]    Die als privatrechtliche Stiftung organisierte bfu hat einen gesetzlichen Auftrag und ist vor allem aus Beiträgen der Nichtberufsunfallversicherung finanziert.

[2]    Der vorliegende Text ist eine stark gekürzte Fassung meiner Masterarbeit im Rahmen des MAS ALIS der Universitäten Bern und Lausanne, Studiengang 2014-2016.

[3]    OpenGLAM Principles, http://openglam.org/principles (abgerufen am 6.2.2016); vgl. auch: Estermann, Beat: «OpenGLAM» – Der neue Trend unter den Gedächtnisinstitutionen. In: Bibliotheksdienst 50 (2016), 137–140.

[4]    Sanderhoff, Merete: This belongs to you. On openness and sharing at Statens Museum for Kunst. In: Merete Sanderhoff (Hg.): Sharing is caring. Openness and sharing in the cultural heritage sector. Copenhagen 2014, 20–131, 24.

[5]    Estermann, Beat: Praktische Einführung in OpenGLAM. HTW Chur 20.6.2015, http://de.slideshare.net/beatestermann/cas-open-glamteil120150620 (abgerufen am 5.6.2017), Folien 25 bis 30.

[6]    Krabina, Bernhard; Lutz, Brigitte: Open-Government-Vorgehensmodell. Umsetzung von Open Government. Version 3.0, Wien 2016, https://www.kdz.eu/de/open-government-vorgehensmodell (abgerufen am 5.6.2017).

[7]    Die Vorgehensschritte «1 OpenGLAM-Kompetenz aufbauen», «6 Phasenplan erstellen» und «7 Metadaten erfassen» werden aus Platzgründen nicht aufgeführt.

[8]    Krabina, Open-Government-Vorgehensmodell, 19.

[9]    Was die Fotosammlung neben ihrer jahrzehntelangen lückenlosen Fortführung und der schweizweiten Abdeckung einzigartig macht, sind die handschriftlich geführten Findbücher. Darin wurde für jedes einzelne Fotonegativ der Aufnahmeort (Gemeinde plus Strasse), das Aufnahmedatum und die fotografierte Situation aufgeführt.

[10]    Krabina, Open-Government-Vorgehensmodell, 25-26; Estermann, Praktische Einführung, Folie 30. Die Punkte «Geheimhaltung/Schutzfristen», «Qualität der Metadaten und der Digitialisate», «technische Verfügbarkeit» und «Synergien» werden aus Platzgründen nicht aufgeführt.

[11]    Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter: Veröffentlichung von Fotos, http://www.edoeb.admin.ch/datenschutz/627/1167/index.html?lang=de (abgerufen am 29.7.2016).

[12]    Vgl. Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte vom 9. Oktober 1992, SR 231.1, Art. 2, Abs. 1.

[13]    Hug, Gitti: Bob Marley vs Christoph Meili: ein Schnappschuss. In: Sic! Zeitschrift für Immaterialgüter-, Informations-und Wettbewerbsrecht (2005), 57–65, 62, http://www.altenburger.ch/uploads/tx_altenburgerteam/gh_2005_Bob_Marley_vs_Christoph_Meili.pdf (abgerufen am 13.2.2016).

[14]    Arnold Odermatt, http://www.nordwestfilm.ch/arnold_odermatt.html (abgerufen am 29.7.2016).

[15]    Rieser, Micha: Teilen zum Nutzen aller: gemeinfreie Werke, Creative Commons, offene Daten. In: arbido (2015), 32–35, 32.

[16]    Binder, Ulrich: Die Strasse lebt. Fotografien aus dem Archiv der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung von 1938-1970. Katalog der Ausstellung im Museum für Gestaltung, Zürich vom 23. April bis 22. Juni 1997. Zürich 1997.

[17]    Onlineplattformen wie watson.ch, zentralplus.ch oder tagesanzeiger.ch haben erkannt, dass historische Bilder bei Onlinelesern auf grosses Interesse stossen. So stellt zum Beispiel die Newsplattform watson.ch jede Woche eine thematische Bildstrecke mit Fotos aus u.a. dem ETH-Bildarchiv online. Für den Raum Bern wäre der Blog «Der Hauptstädter» der Zeitung Der Bund als Partner ideal. Vgl. dazu auch Kellerhals, Andreas: Zugang, Benutzung, Vermittlung. In: Gilbert Coutaz (Hg.): Archivpraxis in der Schweiz. Pratiques archivistiques en Suisse. Baden 2007, 328–354, 349.

[18]    Estermann, Beat: Schweizer Gedächtnisinstitutionen im Internet-Zeitalter. Ergebnisse einer Pilotbefragung zu den Themenbereichen Open Data und Crowdsourcing. Berner Fachhochschule. E-Government-Institut. Bern 2013, https://www.wirtschaft.bfh.ch/uploads/tx_frppublikationen/Estermann_2013_Schweizer_Gedaechtnisinstitutionen_im_Internet-Zeitalter.pdf (abgerufen am 7.6.2016), 4.

[19]    Auch Lars Lundqvist beschreibt diese Tatsache: «Information managers need to understand how digital information can «act» on the web: The moment you publish information on the web, you lose control of it.» Lundqvist, Lars: Open data at the Swedish National Heritage Board. In: Merete Sanderhoff (Hg.): Sharing is caring. Openness and sharing in the cultural heritage sector. Copenhagen 2014, 169–177, 173.

[20]    Sanderhoff, Sharing, 40.

[21]    Sunlight Foundation: Ten Principles for Opening Up Government Information, http://sunlightfoundation.com/policy/documents/ten-open-data-principles (abgerufen am 30.7.2016). Vgl. dazu auch Krabina, Open-Government-Vorgehensmodell 2016, 27-28.

[22]    Name des Urhebers muss genannt werden (BY), keine kommerzielle Nutzung erlaubt (NC), Weitergabe unter den gleichen Bedingungen (SA); Creative Commons: CC BY-NC-SA, https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/ (abgerufen am 31.7.2016).

[23]    Name des Urhebers muss genannt werden (BY), keine kommerzielle Nutzung erlaubt (NC), keine Derivate (Änderungen) erlaubt (ND); Creative Commons: CC BY-NC-ND, https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ (abgerufen am 31.7.2016).

[24]    Dabei wird der im Feld «Beschreibung» erfasste Text in das Dublin Core-Feld «description» eingeschrieben. Weitere Metadaten wie der Ort oder das Erstellungsdatum wurden bisher nicht in die Assets eingebettet. Als Vergleich: Lädt man im ETH-Bildarchiv ein Bild von der Plattform E-Pics herunter, werden Signatur, Titel und Datierung automatisch in die Exif- und IPCT-Felder eingeschrieben. Vgl. dazu Gregorio, Sergio; Stepanovic, Anja-Elena: Metadaten bei stehenden digitalen Bildern. Guidelines Nr. 3 (KGS Guidelines) 2008.