Einleitung Teil 1
Langfristiger Online-Zugang zu Open Access-Konditionen – communiquer et éditer: mehrere sich ergänzende Postulate

Gaby Knoch-Mund

Auf dem Erhalt relevanter Information und dem langfristigen Zugang zu Information basiert die Seinsberechtigung von ABD-Institutionen. Archive, Bibliotheken, Dokumentations- und Informationszentren bewahren das kulturelle Erbe und stellen es einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung. Sie bieten Zugang zu aktuellen wissenschaftlichen Publikationen unabhängig von Format und Medium, als Bücher, Artikel, audiovisuelle Medien oder Datenbanken. Um den Zugang zu Bildung und Wissen in einem breit gefächerten Angebotsspektrum zu gewährleisten, sind sehr unterschiedliche Medien rasch und vielfältig zur Verfügung zu stellen. Um als öffentliche Bibliothek sein Publikum zu erhalten, muss die Information attraktiv vermittelt und möglichst einfach zugänglich sein; diese Dienstleistungsorientierung gegenüber sehr unterschiedlichen Anspruchsgruppen ist unterdessen auch für Archive selbstverständlich.

Die Nutzer*innen von Archiven und wissenschaftlichen Bibliotheken haben grundsätzlich dieselben Bedürfnisse wie Freizeitforschende oder Schüler*innen. Auch sie verlangen nach gesicherter, überprüfter Information, breit gefächert, 7/24 und ubiquitär zugänglich – möglichst kostenfrei und über eine lange Frist permanent erreichbar. Geisteswissenschafter*innen verlangen zudem den Zugang zu alten und neuen Quellen in digitaler und persistenter Form. Wer diese Information offeriert, wird zunehmend sekundär, muss aber im wissenschaftlichen Kontext klar identifizierbar sein, damit gewinnen die Resultate an Kredibilität, werden die Vorgänge transparent und nachvollziehbar.

Vier Absolventen und Absolventinnen des Weiterbildungsprogramms in Archiv-, Bibliotheks- und Informationswissenschaft des Studiengangs 2016-2018 haben sich mit der Erschliessung digitaler Unterlagen und der digitalen Publikation älterer Quellen sowie den Online-Recherchemöglichkeiten zu mittelalterlichen Sammlungen und Open Access-Strategien für wissenschaftliche Bibliotheken auseinandergesetzt. Sie arbeiten heute in Archiven und Bibliotheken mit patrimonialem Charakter und in Spezialsammlungen. Ihre Fragestellung und die daraus entwickelten Lösungsansätze sind für manche Forscher*innen von Interesse.

GABY PFYFFER, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Archivs für Zeitgeschichte der ETH-Zürich, untersucht die Sicherung von «Personennachlässen» im digitalen Zeitalter. Es geht um Privatarchive natürlicher Personen, die vermehrt digital entstanden sind und digital überliefert werden. Privatarchive werden von Archiven und Bibliotheken erworben, in der Regel als Geschenk, in Ausnahmefällen käuflich, teilweise werden die Kosten ihrer Erschliessung dem Deponenten überbunden. Die Erschliessung der heterogenen, teilweise sehr unübersichtlich oder lückenhaft überlieferten Bestände stellt andere Anforderungen an die Detailverzeichnung als Fallakten und Dossierserien.

Die Bestände öffentlicher Institutionen und der Verwaltung gelangen schon seit Jahren in hybrider oder nur noch in digitaler Form in die Archive, diese Entwicklung lässt sich im Privatarchivbereich mit einiger Verzögerung nun nachvollziehen. Die Situation gestaltet sich unübersichtlich und komplex, da Privatarchive natürlicher Personen im Gegensatz zu den Privatarchiven juristischer Personen – z.B. NGO’s, private Sammlungen – meistens nicht professionell betreut werden. Audiovisuelle Unterlagen und elektronische Daten befinden sich auf Datenträgern, die selbst oder deren Abspielgeräte obsolet und museal geworden sind. Wie ist ein solcher Mischbestand zu erschliessen, wenn alle Unterlagen – unabhängig vom Informationsträger – einbezogen werden sollen? Denn auf die Sicherung digitaler Daten von Privatarchiven zu verzichten, würde heissen, unwiederbringliche Lücken schon bei der Übernahme zu provozieren, Überlieferungsbildung nur unvollständig anzugehen und zu einem Verlust an Gedächtnis beizutragen. Gaby Pfyffer untersucht darum, wie in der vorarchivischen Phase einzugreifen ist, welche Strategien das Archiv für Zeitgeschichte der ETH-Zürich entwickeln soll im Dienst einer ganzheitlichen privaten Überlieferung. Betreuung der Deponenten und frühzeitige Bewertung ihrer Privatarchive bilden den Ansatzpunkt, von dem sie entsprechende Massnahmen ableitet. Die Archive haben oft sehr persönlichen und privaten Charakter, darum soll auch während ihrer Entstehung bei ihren Besitzern interveniert werden. Dazu braucht es eine klare und ausformulierte Akquisitionsstrategie oder Sammlungspolitik, die potentielle Deponenten frühzeitig identifiziert. Die Umfrage der Autorin bei anderen nachlassverwahrenden Institutionen (Schweizerisches Bundesarchiv, Deutsches Bundesarchiv, Staatsarchive Zürich und Basel Stadt, Landesarchiv Baden-Württemberg, Schweizerisches Wirtschaftsarchiv, Universitätsarchiv Zürich) zeigt, dass das Problem zwar erkannt ist, aber nur wenig Lösungsansätze bestehen. Pfyffer postuliert einen neuen Workflow und formuliert Empfehlungen an ihre Home-Institution, die auch für andere grössere und kleinere Archive und Bibliotheken mit Privatarchiven von Interesse sind: Privatarchive sind in der «vorarchivischen Phase», der Phase der «Überlieferungsbildung und Akzession» zu «bewerten» und zu «strukturieren», mit geeigneten «Strategien und Instrumenten» für Archivmitarbeitende und Deponent*innen. Sie orientiert sich an der Library of Congress, Washington, und ihrem Projekt «Personal Archiving – Preserving Your Digital Memories» und empfiehlt Massnahmen zur Bewertung digitaler Unterlagen – wegen der Unübersichtlichkeit der privaten Überlieferung manchmal aber ersetzt durch die integrale Übernahme des Privatarchivs. Ihre persönliche Erfahrung wird sich mit derjenigen mancher Archivar*innen decken, umso wertvoller sind die abschliessenden Empfehlungen, die zu testen sind und die sich weiterentwickeln lassen. Sie führen zu qualitativ verbesserten Übernahmen «im zunehmend digitalen und damit auch zunehmend technisierten Arbeitsumfeld», wenn die Archive «in die Ebene der Beziehung zwischen Bestandsbildner und Archiv [..] investieren».

CHRISTA ACKERMANN, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Schweizerischen Bundesarchiv, sah sich nach dem Abschluss ihrer selbstverständlich elektronisch verfassten Dissertation und der damit verbundenen Edition eines Briefcorpus und weiterer Quellen aus dem 15. Jahrhundert mit dem scheinbaren Ende dieser Edition konfrontiert. Denn wer nicht im Rahmen eines grossen universitären oder entsprechend breit finanzierten Projekts arbeitet, weiss heute noch nicht, wohin mit den Daten nach Projektschluss. Ausserdem kann das gedruckte Buch nur teilweise die Optionen einer Online-Edition abbilden. Autor*innen von digitalen Editionen ohne institutionelle Anbindung stehen am Ende eines längeren Forschungsvorhabens vor der Frage, wo und wie ihre Forschungsdaten langfristig und FAIR gesichert und erhalten bleiben, ohne dauerhaft persönlich – mit Arbeitsaufwand und finanziell – dafür verantwortlich zu bleiben. Der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung macht seit 2017 entsprechende Vorgaben für von ihm geförderte Vorhaben. Horizon 2020 fordert im europäischen Kontext ebenfalls den offenen Zugang zu offenen Forschungsdaten – Open Access im Dienste von Open Science.

Ackermann musste feststellen, dass «eine Onlineedition im Moment [..] zur Veröffentlichung von Forschungsdaten nicht taugt». Sie unterzieht sich darum einem – in anderen Fächern durchaus üblichen – Selbstversuch. Als erstes präsentiert sie entsprechende Standards digitaler Archivierung wie Unicode, TEI, Linked Data und IIIF, die den Datenaustausch ermöglichen. Virtuelle Forschungsumgebungen und Editionsplattformen wie FuD, Corpus Corporum, NIE-INE und Juxta Editions werden geprüft. Jede hat ihre Vorteile und Unzulänglichkeiten, insbesondere angesichts eines Kleinprojekts, sei es eine FuD-Lösung, die Kollaboration ermöglicht, oder TextGrid, das sich mehr an Linked Open Data orientiert. Die Autorin hat dank ihres interdisziplinären Studiums ein breiteres Informatikwissen als bei Geisteswissenschafter*innen vorausgesetzt werden kann. Darum evaluiert sie nicht nur die Kosten, sondern analysiert auch die für die Umsetzung notwendigen Spezialkenntnisse. Das schweizerische Projekt NIE-INE und die Softwareplattform FREIZO werden besprochen, immer stehen die wachsenden Bedürfnisse der Forscher*innen und der von ihnen erstellten Editionen im Fokus. Dazu gehören offene Lösungen, die dynamische, weiterzuentwickelnde Editionen sichern und der Bedarf nach verlässlichen langfristigen Strukturen. Ackermann formuliert einen Anforderungskatalog: Technische Lösungen und Kosten müssen sich an Benutzerfreundlichkeit und Interoperabilität orientieren, wünschenswert wäre auch Entwicklungsfähigkeit mit Bezug auf maschinelles Lernen. Klassische Funktionen einer digitalen Edition wie Kollationierung und Stemmatisierung verstehen sich von selbst. Verlinkung macht aus der Edition des «kleinen Mannes» ein sichtbares und vielseitig, auch kollaborativ nutzbares Projekt. Welche Rolle dabei cloud-basierte Lösungen, Angebote von wissenschaftlichen Bibliotheken oder nationalen Forschungsinfrastrukturen spielen bzw. inwieweit sie adaptierbar sind, bleibt teilweise genau von diesen Anbietern und Informationsverwaltern abhängig. Der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) und die Universitäten tragen aber hier die Verantwortung, dass wissenschaftliche und finanzielle Förderung in den Erhalt der erforschten Inhalte mündet, zugunsten weiterer Forschung. Der Selbstversuch Langzeiterhalt einer kleineren digitalen Edition zeigt die Komplexität des rechtlichen Umfelds, das Bedürfnis, auch ohne Netzwerk vernetzt zu arbeiten, und den Bedarf, an der technischen Entwicklung mit einfachen Mitteln und kostengünstig teilhaben zu können. Die ideale Lösung für Einzelprojekte gibt es noch nicht – eine Marktnische würde sie alleweil bilden – doch die Analyse von Christa Ackermann bildet eine gute und wichtige Grundlage sowohl für Informationsverwalter und -anbieter als auch für Forscher*innen.

ARMAN WEIDENMANN, im Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde St. Gallen tätig, widmet sich in seinem Artikel Portallösungen. Auffallend ist die Zunahme von Themenportalen. Es stellt sich die Frage, wie diese fokussiert, untereinander vernetzt und langfristig attraktiv, damit notwendig und ausbaubar sind. Die Mediävistik der verschiedensten Fächer gehört zu den innovativsten Bereichen der Geisteswissenschaft. Sie musste sich schon früh im Universitätsbetrieb neu positionieren und war darum massgeblich an der Entwicklung der Digital Humanities beteiligt. Was Christa Ackermann an einem Einzelbeispiel anhand von Quellen aus dem Spätmittelalter minutiös erläutert, führt Arman Weidenmann fächerübergreifend aus. Er zeigt die Entwicklung vom Handschriftenlesesaal zum virtuellen Lesesaal auf mit dem Zugang zu einer digitalen Bibliothek, die die Erforschung der digitalisierten Handschriftenbestände mit Facettierung, Visualisierung, Kommentar- und Kollaborationsmöglichkeiten und den für «Hybridbibliotheken» gültigen Standards erleichtert. Seine Fallstudie beschreibt international herausragende Handschriftensammlungen der Parker Library (Corpus Christi College, Cambridge), der Universitätsbibliothek Hei­delberg, der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB), München, und der Bibliothèque nationale de France, Paris. Unterschiedlich ist die Qualität von Zugang und Vermittlung, die Verbindung von Recherche- und Präsentationstools. Weidenmann untersucht dies gemäss Kriterien, die der Verein Schweizerischer Archivarinnen und Archivare (VSA) in seinem «Whitepaper Archivportale» betreffend Informationstiefe, Datenmanagement und Datenlieferungskonzepten publiziert hat, und am Beispiel von schweizerischen, deutschen und französischen Portalprojekten. Sehr unterschiedlich ist die Erschliessung und Präsentation von Handschriften bei den beiden schweizerischen Projekten, dem Portal E-codices (Universität Fribourg) oder dem dezentralem HAN-Verbund (Handschriften – Archive – Nachlässe, Universitätsbibliothek Basel). Das Projekt «Handschriftencensus» (Universität Marburg) umfasst die deutschsprachige Textüberlieferung bis ca. 1520 und soll zusammen mit «Manuscripta Mediaevalia» zu einem «deutschen Handschriftenportal (HSP)» weiterentwickelt werden. Dort ging man bisher von einem sogenannten «Kulturobjektdokument» aus mit «Minimaldatenset», mit Beschreibungen und Bilddokumenten, ergänzt durch mit der gemeinsamen Normdatei GND verlinkten Personen, Körperschaften, Werken und Orten. Das französische Pendant ist das Projekt «Biblissima (Bibliotheca bibliothecarum novissima)», das mittelalterliche und frühneuzeitliche Handschriften sowie Inkunabeln anzeigt, daneben auch Trainingstools und neue Visualisierungsmöglichkeiten bietet.

Mittelalterliche Bestände haben eine «digitale Renaissance» erlebt und werden gerne als Zimelien von Universitätsbibliotheken und Archiven genutzt zur (Re-) Präsentation, auch wenn die Personaldotierung und der Stellenwert in Budgetetat und Gesamtbestand marginal erscheinen. Die digitale Präsentation komplettiert den «identitätsstiftenden» Charakter. Die Portallösungen bieten weit mehr: Um die Austauschbarkeit der Daten zu gewährleisten, sind Formalisierung und Standardisierung wichtig, die Chancen des kollaborativen Arbeitens mit Kommentaren und Annotationsfunktionen kann zu rascheren und überraschenden Forschungsresultaten führen. Die Erschliessung der «Digitalfaksimile» gleicht einer Gratwanderung, so fordert Weidenmann «einerseits mittels Strukturdaten einen Volltextindex zu erstellen, andererseits aber auch den Text so aufzube­reiten, dass strukturelle Differenzierungen möglich sind». Weidenmann beschreibt Portale, die zur Hauptsache aus dem Bibliotheksbereich stammen, auch wenn in den Schweizer Projekten e-Codices und HAN zusätzlich digitalisierte Bestände aus Archiven und Privatsammlungen zugänglich gemacht und vernetzt werden. Archive schaffen per definitionem Zugang zu unikalen Beständen, die nie integral digital zur Verfügung stehen werden. Schweizerische und europäische Archivportale sind mit den Handschriftenportalen zu verlinken. Diese Option ist auszubauen, damit nicht Google der Single-Point-Access bleibt, sondern ein Zugang, der direkt zur Welt der Archive und Bibliotheken und ihren unerschöpflichen Schätzen führt. Ob Themenportale, nationale und supranationale «Kulturportale» (wie Gallica oder Europeana) auf längere Zeit hin Bestand haben, sie «transitorisch» sind oder ob die Vollintegration in die klassischen und immer besser vernetzten Archiv- und Bibliothekskataloge eine höhere Nutzbarkeit erreicht, wird weniger das Fachpublikum als Managementaspekte von Katalogsystemen und Portalen wie Visibilität der Bestände, Austauschbarkeit der Daten und Nutzerfreundlichkeit zeigen. Klassische Vermittlung und «Wissensrepräsentation» verbindet sich schon heute in der «Editing Library».

CHIARA GIZZI, in der Handschriftenabteilung der Bibliothèque cantonale et universitaire, Lausanne und als Dozentin an der Universität Bern tätig, beschäftigt sich ebenfalls grundsätzlich mit digitalisierten und «born digital», patrimonialen Beständen aus Archiven und Spezialsammlungen von Bibliotheken und untersucht diese im Hinblick auf Open Licensing. Ob eine Demokratisierung des Zugangs zu einer Demokratisierung des Wissens führt, bleibt offen. Gizzis Ausgangsfragen sind die Herausforderungen, rechtlichen Bedingungen und Möglichkeiten des digitalen Zugangs. Konzis analysiert sie die Geschichte der Open Access-Bewegung und erläutert die Entwicklung der Creative Commons. Sie prüft die Beispiele am geltenden Recht, insbesondere an Darstellungen zur Entwicklung des Urheberrechts seit seinen Anfängen bis heute und stellt dieses international weit gefasst dar. Das neue schweizerische Urheberrecht wird mit Bezug auf die Bestimmung des Werkcharakters, auf Fotografien und verwaiste Werke hin untersucht, ebenso im Hinblick auf die Nutzung nicht veröffentlichter Werke, denn auch hier besteht Regelungsbedarf für Privatarchive. Die theoretischen Erkenntnisse sollen in eine neu reflektierte Praxis münden, darum bleiben die Bedürfnisse von Archiven und Bibliotheken im Fokus mit Verweisen auf das Portal Europeana oder das «Rights Statement» der Digital Public Library of America.

Die Analyse soll in eine Strategie für digitale Inhalte aus Spezialsammlungen und ihre Nutzung münden. Öffnung bringe mehr Vor- als Nachteile, «availability» mit Simplizität, geringen Vermittlungskosten und guter Vermarktung überwiegen die Risiken, die die Autorin nicht ausblendet, sondern an aktuellen Beispielen aus dem Rijksmuseum Amsterdam und der Newberry Library Chicago beschreibt. Die Autorin bemängelt, dass viele Strategien zweideutig blieben, da sie der Sichtbarkeit der Institution und der Benutzung vor den Entscheiden für eine Neu-, Um- oder Wiedernutzung der Bestände den Vorrang geben. Ein Exkurs ist an dieser Stelle der Umfrage von ENUMERATE gewidmet. In einem Praxisteil wird die Strategie dreier schweizerischer Institutionen dargestellt, die die Öffnung ihrer Bestände unterschiedlich angegangen sind: Universitätsbibliothek Basel, Zentralbibliothek Zürich und Archives cantonales vaudoises. Ganz anders agierte bisher die BCU Lausanne, die schon sehr früh in die Digitalisierung eingestiegen ist mit einer Kooperation mit Google, google books, dem Projekt Scriptorium und dem Einsatz der public domain mark. Dies alles führte zu einem raschen Anstieg der Nutzung digitaler Inhalte. Anders sieht dies für die Handschriftenabteilung und die anderen Spezialsammlungen aus, wo Handlungs- und Entwicklungsbedarf besteht, insbesondere bei der Harmonisierung von digitalem Zugang und Reproduktionsbedingungen. Chiara Gizzi formuliert Hypothesen, schlägt ein Audit zur Risikoabschätzung vor, nennt den Bedarf von neuen vertraglichen Regelungen mit Deponent*innen und Autor*innen, und weist auf die notwendige Bereinigung von Metadaten und den Bedarf nach Verlinkung bis zur Einbettung der Daten in ein neues Bibliothekssystem hin.

Open Access bietet einen grossen Mehrwert für die Nutzer und Nutzerinnen patrimonialer Institutionen und Bestände, doch klaffen Nutzerwünsche und Ressourcen da auseinander, wo eine Sensibilisierung der Kunden oder Geldgeber für die Kosten der Digitalisierung und die langfristige Zugänglichkeit der Daten und Metadaten fehlen. Chiara Gizzi schliesst ihre intellektuell höchst anspruchsvolle Analyse in einem Bereich, der sich in den nächsten Jahren rasch weiterentwickeln wird, darum mit einem Plädoyer für die longue durée im Kontext von massenhafter Digitalisierung, für Nachhaltigkeit beim Erhalt von digital entstandenen Dokumenten und nicht zuletzt für eine adäquate Politik für Projekte digitaler Vermittlung.

Die vier präsentierten Artikel zeigen wichtige Etappen im Umgang mit Quellen. Heterogene Bestände sind zu sichern, unabhängig von der Materialität der Information und ihrem Datenträger. Die Information und die damit verbundenen Metadaten werden am besten in einer öffentlichen, staatlichen, universitären oder mit privaten Mitteln gut ausstaffierten Institution nach aktuellen internationalen Standards langfristig gesichert. Anders sieht dies für Einzelprojekte aus, die nur am Rand unter Vorgaben und Strategie des SNF fallen. Hier braucht es inhaltliche und finanzielle Unterstützung mit einfach verfügbaren Tools und Anleitungen. Der Zugang zu den intellektuellen und materiellen Inhalten läuft über eine Vielfalt von Portalen. Es stellt sich die Frage, ob es für jeden Themencluster ein eigenes, oft nationales Portal braucht, wie diese Portale aufgebaut, langfristig gepflegt und vernetzt sind. Auch hier gibt es eine Konjunktur von Themen und Zugängen. Der letzte der präsentierten Artikel widmete sich ganz allgemein der Frage von Open Access und Open Science. Dies ist heute die zentrale Frage, die sich dem Laien, dem sporadischen oder geübten Suchenden in Sachen Information (von Information Retrieval zum Information Broker und zur Wissensvermittler*in) und auch jedem Forschenden und jeder Forschenden stellt. Wie ist zu publizieren und wie greife ich auf die Publikationen anderer zu, wer stellt die Information zur Verfügung, in welcher Qualität und wie langfristig ist sie zugänglich. Genauso wie die Labels und Etiketten der Creative Commons sich verändern, wird sich die Publikationstätigkeit und Zugänglichkeit zu Forschungsquellen und -Resultaten verändern. Als Archiv-, Bibliotheks- und Informationswissenschafter, die Theorie und Praxis miteinander verbinden, sind die Absolventen und Absolventinnen des CAS/MAS ALIS der Universitäten Bern und Lausanne aktiver Teil der ABD-Community und zukünftiger Entwicklungen.