Einleitung Teil 1
Überblicken, bewerten, zugänglich machen und als bedeutendes Kulturgut erhalten. Audio, Foto und Film, Karten

Gaby Knoch-Mund


Konservierung ist ein Teilbereich der Sicherung. Um audiovisuelle Unterlagen und seltene Karten zu erhalten und zugänglich zu machen, braucht es Spezialkenntnisse, die von historischen und archivischen Kenntnissen wie Quellenkritik, Überlieferungsbildung und Bewertung zu Grundwissen über Materialien im analogen und digitalen Bereich reichen. Musikarchive, Tondokumente, Foto und Film sowie Kartensammlungen werden im Weiterbildungsprogramm CAS/MAS ALIS unter verschiedenen Blickwinkeln – und jeweils in Bezug zu einem Überblicksthema - eher knapp behandelt. Umso erfreulicher ist es, wenn sich Absolventen und Absolventinnen des Studiengangs 2018-2020 mit ihrem je spezifischen Hintergrund, den sie in ihrem Erststudium und in ihrer beruflichen Praxis erworben haben, dieser komplexen Materie zuwenden. Im Fokus steht zuerst Bildmaterial, das gesichert, konserviert und bewertet werden muss – genauso wie auch schriftliche Unterlagen. Lea Fuhrer, Isabelle Haffter und Daniela Wegmann untersuchen Foto und Film. Flüchtig ist der Ton, ist die Musik, die von der Aufführung lebt. Musikarchive der Konservatorien, von Orchestern oder Aufführungsstätten sind wenig bekannt. Musik lebt vom Moment, sie verklingt. Als authentische Tonspur soll sie nutzbar und zugänglich bleiben sowie weiterverbreitet werden können. Diesen beiden Themen widmen sich die Artikel von Lehel Donáth und Anna Vögeli. Topographische Karten bilden die Landschaft ab, in Annäherung und unvollkommen, oft in unterschiedlichen Versionen. So betrifft die Frage von Original und Kopie, der Philippe Frei nachgegangen ist, nicht nur seinen Untersuchungsgegenstand der historischen Karten, sondern alle Unterlagen unabhängig von ihrer Materialität, die langfristig erhalten und zumeist in digitaler Form über Portale und andere Einstiegslösungen zugänglich gemacht werden, in Archiven, Bibliotheken und Informationszentren.

LEA FUHRER stellt in ihrem Artikel den Prozess zur «Erarbeitung eines Erschliessungs-, Konservierungs- und Digitalisierungskonzepts für das Negativarchiv von Marcel Bolomey» vor. Der Nachlass von Bolomey (1905-2003), der international tätig war, befindet sich in der Fotostiftung Winterthur, wo die Autorin arbeitet. Der Negativbestand mit 18 000 Schwarzweissnegativen ist akut gefährdet, muss digitalisiert und zuvor erschlossen und bewertet werden. Aus dem Einzelbeispiel des Bestands, dessen Urheberrechte nach dem Ankauf an die Schweizer Eidgenossenschaft übergingen, soll ein neuer Kriterienkatalog abgeleitet werden, wobei schon bestehende Bewertungskataloge für Fotografien von William H. Leary, Normand Charbonneau und Nora Mathys geprüft und ausgewertet werden.

Es ist geplant, 1500 bis 2000 Negative auf Dokumentstufe zu erschliessen und zu digitalisieren, nur «von ca. 500 Digitalisaten [sollen] zusätzlich bearbeitete, «druckfähige» Nutzungskopien erstellt» werden (S. 4). Der überwiegende Teil der Negative wird auf Stufe Dossier verzeichnet, aber pro Bild mit einer Signatur verknüpft. Reicht dies nun, um der «artifactual value» und dem Objektcharakter von Fotografie Genüge zu tun? Ist Bewertung sinnvoll, wenn keine Kassationen vorgesehen sind? Der Gewichtung von Bewertungskriterien kommt eine besondere Bedeutung zu, «Einmaligkeit des Objekts, Bedeutung für Aktenbildner und Fotograf» (S. 9) stehen im Vordergrund, wobei die von Bolomey getroffene Auswahl der besten Bilder berücksichtigt wird.

Konservatorische Aspekte, die Neulagerung und Gefährdung der degradierenden Materialien mit entsprechendem Monitoring bilden die Grundlage für die «Ersatzdigitalisierung» (S. 12). Das untersuchte Beispiel zeigt, dass sich die Fotostiftung Schweiz «mit der Übernahme des fotografischen Nachlasses von Marcel Bolomey dem Ziel verpflichtet [hat], den Bestand zugänglich zu machen und für die Zukunft zu erhalten.» (S. 15). Dies erfolgt reflektiert und gemäss wissenschaftlichen Kriterien, die nach Projektabschluss evaluiert werden und als Grundlage für die Fotonachlässe der Fotostiftung und anderer Institutionen dienen mag. Damit stösst die Autorin einen Lernprozess an, der Schule machen wird.

ISABELLE HAFFTER, Postdoc-Assistentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Theaterwissenschaft der Universität Bern, nähert sich der «Bewertung fotografischer Bestände» am Beispiel des Walter Heim-Nachlasses im Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich. Ihre Praktikumserfahrungen von 2020 nutzt sie für einen substantiellen Beitrag zur archivwissenschaftlichen Diskussion von Bewertungsstrategien. Anders als bei Lea Fuhrer geht es nicht um die Erarbeitung eines Konzepts, sondern um die Prüfung einer Bewertungsmatrix, die wiederum mit den in der Schweiz bekannten Vorschlägen von Nora Mathys und von Memoriav verglichen werden soll. Auch hier geht es darum, aus der Reflexion Handlungsmaximen für Digitalisierungsprojekte – insbesondere im Kontext der Digital Humanities – abzuleiten. Der Zugang erfolgt darum interdisziplinär, mit einem Fokus auf «fotohistorische und kulturwissenschaftliche» Aspekte.

Eine Teilkassation ist beim Nachlass von Walter Heim (1915-2006) mit knapp 20 000 Farb-Diapositiven und weiteren Dokumenttypen wie einem Tagebuch nicht ausgeschlossen, wie beim Bestand der Fotostiftung soll ein Teil für die Digitalisierung – als Abschluss des Bewertungsprozesses - ausgewählt werden (S. 3). Es geht primär um Fragen von «künstlerischem Anspruch und Informationswert» (S. 4), später auch um den Sekundärwert als Grundlage für die Bewertung, welche «Bestandstyp» und die «Sammlungspolitik» einer Institution einbezieht. Die Überlieferungswürdigkeit wird auch mit Bezug auf rechtliche Rahmenbedingungen, dem urheberrechtlich geschützten Werk, festgelegt.

Das Schweizerische Sozialarchiv und das Archiv für Zeitgeschichte arbeiten nach ihrer 2010 entwickelten «Bewertungsmatrix für audiovisuelle Quellen» (S. 5) mit Übersicht und Sicherung, Systematik und Ordnung, Analyse und Bewertung, Selektion und Kassation, welche die Autorin durch eine neue Stufe «Überlieferungsbildung: Erfassung, Dokumentation, Digitalisierung» (S. 8) ergänzt und damit zu einer Matrix mit neun Kriterien ausbaut. Empfehlungen werden schon während der Analyse vergeben. Abschliessend kann Isabelle Haffter den Prozess positiv evaluieren, denn die Bewertungsempfehlung ist transparent begründet, die digitale Archivierung vorbereitet und Redundanzen wurden eliminiert. Trotzdem bringt sie einen Vorbehalt an und fordert, mittels eines «quellenkritischen» Vergleichs «audiovisuelle und schriftliche Archivmaterialien» in einem «interdisziplinären Vorgehen» zu prüfen. Archivar und Archivarin sollen multidisziplinär vorgehen und nicht darauf verzichten, den grösseren Kontext zu berücksichtigen. Der Vergleich der verschiedenen wissenschaftlichen und praktischen Ansätze zeigt, dass mit der Wahl der verwahrenden Institution eine Kostenprüfung und ein Vorentscheid über zukünftige Vermittlungsstrategien für fotografisches Kulturgut einhergeht.

Die Filmwissenschafterin DANIELA WEGMANN ist Mitarbeiterin der Zürcher Niederlassung der Cinémathèque suisse und untersucht unter dem Titel «Streaming Wars and Memory Institution Battles. Zum Zugang und Erhalt audiovisueller Medien in Schweizer Archiven und Bibliotheken» filmische Unterlagen, deren «langfristige Überlieferung» in Gedächtnisinstitutionen bei zunehmender Dematerialisierung des Zugangs infrage gestellt ist (S.1). Der Artikel hat eine Bestandsaufnahme zum Ziel in einem Land, das keine nationalen Institutionen zur Sicherung des audiovisuellen Kulturguts kennt. Die Autorin präsentiert die Situation in öffentlichen Bibliotheken, die vorerst Filme auf physischen Datenträgern zur Verfügung stellten und nun den Wandel zur digitalen «Informationsdistributorin» durchmachen (S. 3) – wobei rechtliche Fragen und solche des Erhalts der Inhalte oft noch nicht geklärt sind. Mit einer klug konzipierten Umfrage bei exemplarisch ausgewählten Institutionen – Zentralbibliothek Zürich, Zürcher Hochschule der Künste und Seminar für Filmwissenschaft der Universität Zürich, Schweizerisches Sozialarchiv, Schweizer Radio und Fernsehen, Cinémathèque suisse – kann der Ist-Zustand dargestellt und ausgewertet werden. Hier zeigen sich Unterschiede zwischen Archiv, dem Originale und Einzelstücke bewahrenden Ort, und der Bibliothek, der Forschungs- und kundenorientierten Publikumsinstitution mit Mehrfachexemplaren. Neu ist v.a. für Archive der Online-Zugang via on demand-Angebote oder Plattformen wie memobase.ch direkt zu den AV-Medien, was teilweise mit einem hohen Digitalisierungsaufwand verbunden ist. Einzig die Cinémathèque «setzt auf das Publikumserlebnis» im Kinosaal (S. 11), das sie als Teilaspekt des zu erhaltenden filmischen Kulturerbes wertet.

Die Autorin plädiert dafür, die «Digitalisierung als Chance für den Zugang zu AV-Medien» (S. 13), unabhängig vom Typus der verwahrenden Institution, zu nutzen, so u.a. durch eine Beteiligung des Schweizerischen Sozialarchivs am Projekt corona-memory.ch oder durch einen vermehrten fachlichen Austausch und Kooperationen. Der vereinfachte Zugang führe zu einer «breiteren gesellschaftlichen Wahrnehmung audiovisueller Inhalte» (S. 14) sowie einer «Garantie der inhaltlichen Unversehrtheit» originaler Dokumente. Indem sich Archive und Bibliotheken auch als «Erlebnisraum für das sozio-kulturelle Gedächtnis der Gesellschaft» (S. 15) positionierten, erhalten sie durch den sicheren und vereinfachten Zugang zum filmischen Kulturerbe eine zusätzliche Daseinsberechtigung.

LEHEL DONATH, Cellist und Orchestermanager der Zürcher Hochschule der Künste, setzt sich in seinem Beitrag mit dem Gedächtnis der Schweizer Musikhochschulen auseinander. Er erstellt eine gesamtschweizerische Bestandsaufnahme mit historischem Überblick und geht auf aktuelle Entwicklungen ein mit dem Ziel, ein Bewusstsein für die Bedeutung dieser Archive als Ergänzung der performativen Künste zu schaffen und das mehrheitlich schriftliche Material der sehr unterschiedlich gut betreuten Archive für Mitarbeitende der Musikhochschulen und die Forschung in ihrem Potenzial besser nutzbar machen zu können. Fachhochschulbibliotheken werden von den Studierenden gut genutzt, vergleichsweise wenig ist bekannt über die Archive von Fachhochschulen, zu denen die früheren Musikschulen und Konservatorien seit der Bildungsreform von 1999 gehören. Die Geschichte dieser Ausbildungsinstitutionen präsentiert sich damit als eine Geschichte von «Umbrüchen», umso wichtiger ist diese Gesamtdarstellung, welche die heutigen Lehreinrichtungen und ihre Vorgängerinstitutionen auflistet und überblicksartig Informationen zu Archiv, Beständen, Digitalisierung, Aufarbeitung und Reorganisationen bietet.

Der Autor lenkt den Blick ins Ausland und präsentiert exemplarisch Musikarchive der Hochschulen in Österreich mit Wien, Graz und Salzburg, aus Deutschland mit Berlin, Leipzig und Weimar sowie das Conservatoire national supérieur de musique et de danse de Paris und das New England Conservatory, Boston. Der Vergleich zeigt, wie weit fortgeschritten an einzelnen Standorten die Inventarisierung und Digitalisierung der Bestände ist, so dass diese online zur Verfügung gestellt werden können, beispielsweise durch die Integration in eine Bundesland spezifische Digitalisierungsstrategie wie «Sachsen digital» (S. 15), während vor allem die Pariser Musikarchive über detaillierte Verzeichnisse erschlossen sind, in Boston eine digitale Plattform existiert und das dortige Archiv auch aktiv über sein Records Management Einfluss nimmt.

«Digitalisierungsprojekte an Schweizer Musikhochschulen» (S. 17) sind im Kommen, insbesondere mit Bezug auf sogenannte ‘music performance ephemera’. Präsentiert werden sie über die Datenbanken «onstage», das vorwiegend in der Westschweiz aktiv ist, und das «Medienarchiv der Künste» an der Zürcher Hochschule der Künste; Donáth analysiert sie im Vergleich. Damit weist sein Beitrag über die eigentlichen Archivierungsbemühungen analoger Musikarchive und der verwahrenden Institutionen hinaus und endet mit einem Ausblick auf zukünftige Erschliessungs-, Digitalisierungs- und Entwicklungsprojekte für analoge und digitale Musikquellen.

ANNA VÖGELI, Spezialistin für Langzeitarchivierung bei Bibliothek und Archiv Aargau, reflektiert in ihrem innovativen Beitrag die Überlieferungsbildung von Tondokumenten. Informationen zu Audio-Objekten befinden sich auf unterschiedlichen Datenträgern, darum muss die Autorin den Bewertungsbegriff kritisch analysieren und auf die Überlieferungsbildung komplexer, mehrschichtiger (Audio-) Informationsobjekte ausdehnen. Sie tut dies im Hinblick auf die digitale Langzeitarchivierung – und im Vergleich mit «genuin digitalen, dateibasierten Medien» – und nutzt dazu den Begriff der Signifikanten Eigenschaften. Es geht darum festzustellen, welche «Informationsschichten (..) in welcher Form» (S. 1) erhalten bleiben sollen von Medien, die einem hohen Obsoleszenzrisiko unterworfen sind.

Einführend präsentiert sie den Stand der Bewertungsdiskussion zu Tondokumenten zusammen mit Fragen, die sich für den gesamten AV-Bereich stellen: Bewertung von Gruppen oder Einzelstücken, Gewichtung von Informations- und Evidenzwert. Die Artikel ihrer Kolleginnen in diesem Band zeigen, dass die Diskussion in Bezug auf Fotomaterial weiter fortgeschritten ist. Ausführlich fragt Vögeli nach der «Grenzziehung zwischen Dokument und Kontext» (S. 4), muss die zu erhaltenden Informationen definieren und überlegen, in welcher Form diese zu erhalten sind und was mit dem physischen Tonträger geschehen soll. Die auf der Hand liegende Definition von Tonträgern als Informationsobjekte erlaubt es, sich auf die Standards und Konzepte der digitalen Archivierung wie das OAIS-Referenzmodell zu stützen und Definitionen aus dem PREMIS Data Dictionary einzubeziehen, um unterschiedliche Repräsentationsformen zu beschreiben. Ergänzt wird dies durch den Begriff der Signifikanten Eigenschaften, die als «Instrument der Authentizitätssicherung (..) und die Integrität digitaler Archivalien» (S. 11) und für die Bewertung genutzt werden sollen. Die Autorin skizziert im Folgenden in mehreren Schritten die praxisnahe Umsetzung und bewertet diese kritisch. Ihr Fazit zeigt, dass das Konzept der Signifikanten Eigenschaften unter zusätzlichem Einbezug der Nutzerperspektive einen guten «methodologischen Rahmen» bilden für die «Erhaltungsplanung» und Bewertung von Tondokumenten in ihren verschiedenen analogen und digitalen Erscheinungsformen.

PHILIPPE FREI stellt die Frage nach Authentizität, die auch bei den anderen hier besprochenen Artikeln präsent war, unter einem neuen Fokus. Der Leiter der Kartensammlung bei swisstopo untersucht ausgehend vom 175 Jahr-Jubiläum der Dufourkarte «Original und Kopie» in der Vermittlung von Kartensammlungen im internationalen Kontext und als Sammlungsschwerpunkt von Archiven und Bibliotheken. Da es bei Karten oft Unterschiede zwischen den verschiedenen Auflagen gibt, die auch neuere politische Entwicklungen und andere wissenschaftlichen Erkenntnisse abbilden können, komme dem Original im «Zeitalter der digitalen Reproduzierbarkeit» eine besondere Bedeutung zu (S. 2). Der Zugang erfolgt heute oft über mikroverfilmte und digitalisierte Karten online. Frei misst dem Original einen Mehrwert bei, einen intrinsischen Wert. Alte Karten sind Zeugnisse der Technisierung und kulturgeschichtliche Objekte, die verwahrenden Institutionen – Archive und Bibliotheken – haben eine öffentliche Funktion und spielen damit eine «gesellschaftliche Rolle» (S. 3). Bei der Umschreibung von Original und Kopie referierte der Autor auf Walter Benjamin und seine Ausführungen über «Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit» von 1936. Um die Institutionen zu charakterisieren, wird ein Aufsatz von Jürgen Osterhammel hinzugezogen und weiter mit Konzepten der Teaching Library kontrastiert. Diesen werden die demokratiesichernde Funktion der Archive und moderne, nachfrageorientierte Vermittlung entgegengesetzt.

Der Bezug auf Angebot und Nachfrage, die Nutzungsorientierung, kann auch bei neuen Strategien für die Vermittlung von Kartensammlungen genutzt werden. Exemplarisch untersucht Frei dazu die Archives nationales de France, die National Library of Scotland in Edinburgh und die Library of Congress in Washington. Die angelsächsischen Beispiele offerieren einen besseren Zugang und die Integration aktueller kartographiehistorischer Erkenntnisse als das französische Nationalarchiv, das auch gegenüber dem Bibliotheksportal Gallica zurückfällt. Doch gelingt es allen Institutionen, sich als «Autorität einer Authentisierungsstelle» zu positionieren (S. 7).

Swisstopo nahm das Jubiläum der sogenannten Topographischen Karte der Schweiz zum Anlass, die Präsentation der Kartensammlung über verschiedene Kanäle zu modernisieren. Die breite nachfrageorientierte Vermittlung mit Geodaten, kartenportal.ch, Online-Edition und Recherche über den Bibliothekszugang ermöglicht schliesslich eine Zeitreise und die individuelle Bestellung und Nutzung von Scans; diese können aber das Original und dessen «Aura» – wie Walter Benjamin es nennt – nicht ersetzen. Die angebotsorientierte Vermittlung richtete sich mit Fachartikeln und einer Buchpublikation sowie einem Rahmenprogramm an ein breites Fach- und Laienpublikum. Karten werden so neu interpretierbar und die Bestände sichtbar «als Gedächtnis des gesellschaftlich-kulturellen Wandels und Teil des demokratischen Prozesses».

Die sechs vorgestellten Artikel zeigen, wie wichtig nicht nur die Unterlagen von Verwaltung und Behörden sind, sondern dass Privatarchive und Sammlungen die Unterlagen der öffentlichen Aktenproduzenten durch wesentliche Aspekte bereichern und ergänzen können. Als Teil des gesellschaftlichen und historischen Gedächtnisses sind sie in ihren verschiedenen Ausprägungen als Kulturerbe zu betrachten.

Der methodische Zugang zu den Sammlungen und Unterlagen privater Provenienz folgt denselben Prinzipien wie bei Behördenschriftgut, auch wenn es sich in den besprochenen Beiträgen jeweils um hybride Bestände mit AV-Schwerpunkt oder besondere Objekte wie Karten geht. Überlieferungsbildung und Bewertung, damit die Option der Auswahl und Kassation, gewinnen auch bei Foto, Film und Ton an Bedeutung. Die Obsoleszenz der Datenträger und die Mehrschichtigkeit der Informationsobjekte stellt besondere Anforderungen an die Langzeiterhaltung beziehungsweise digitale Archivierung. Bei allen Informationen aus dem AV-Kontext und der historischen Kartensammlung geht es schliesslich um Vermittlung, wo der Online-Zugang vielfältige Möglichkeiten der Nutzung bietet, aber komplexe Fragen an die Form der zur Verfügung gestellten Daten aufwirft. Wie können Integrität und Authentizität gesichert werden, welchen Mehrwert bietet die Konsultation des Originals, das wegen seiner Fragilität oder Obsoleszenz nicht mehr nutzbar ist? Als Mitarbeitende von öffentlichen Archiven und Bibliotheken, der Verwaltung, von Spezial- und Forschungsinstitutionen widmen sich die Absolventen und Absolventinnen des MAS ALIS 2018-2020 der Universitäten Bern und Lausanne, die sich ein fundiertes theoretisches Wissen erworben haben und es mit ihrer praktischen Erfahrung verknüpfen können, der Vermittlung und Erforschung kulturhistorisch einmaliger Bestände. Sie sind bereit, neue Erhaltungs- und Zugangsszenarien zu entwickeln und einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.