Ein PDF, und fertig?
Überlegungen zur digitalen Archivierung von CAD-Plänen

Janett Seewer


1. Einführung

Die Entwicklung von Computer-Aided Design (CAD) in den 1960er Jahren hat die Arbeit von Ingenieuren und Architekten revolutioniert. Die Software bedient sich dreidimensionaler relationaler Gebäudemodelle, aus denen heute nicht mehr nur Zeichnungen, sondern auch Visualisierungen und Baukostenkalkulationen gewonnen werden können. Die Planung von Bauprojekten wurde auf diese Weise einfacher, effizienter und vielseitiger. Aber auch aus archivischer Sicht eröffnet die Aufbewahrung von digitalen Plänen im architektonischen Bereich reizvolle Möglichkeiten. Im Papierzeitalter fanden die Konstruktionszeichnungen nach dem Abschluss der Baumassnahmen nur noch als unhandliche Ansichtsobjekte Verwendung. Um die architektonischen Strukturen später weiterzuentwickeln, musste man die Pläne entweder neu zeichnen oder aufwändig abpausen. Mit der Kopie einer archivierten CAD-Datei dagegen ist es möglich, die nicht mehr benötigten Informationen auszublenden und das geometrische Modell des Gebäudes einfach weiter- bzw. umzuzeichnen. Sollte an einem mit CAD geplanten Gebäude ein Um-, An- oder Rückbau notwendig werden, können Architekten und Ingenieure also nun auf die Daten früherer Bauaufnahmen zurückgreifen und sie als Grundlage weiterer Planungen nutzen. Die hohe Informationsdichte in CAD-Modellen ermöglicht es ausserdem, mit einer einzigen Planmappe vielschichtige und detaillierte Angaben zu bewahren, deren Archivierung früher an den Platzreserven der Magazine scheiterte. Schliesslich ist das Konzipieren von Gebäuden mithilfe digitaler Modelle ein für unsere Zeit typisches Phänomen, das es unter dem Gesichtspunkt der Wissens- und Technikgeschichte zu dokumentieren gilt. Vor diesem Hintergrund soll im Verlauf der Arbeit kritisch hinterfragt werden, ob die öffentlichen Archive ihrem Auftrag mit einer Reduktion der historischen Überlieferung auf ein Portable Document Format (PDF) bzw. ein Tagged Image File Format (TIFF) hinreichend nachkommen.

Die Langzeitarchivierung von CAD-Plänen ist mit einer besonderen Herausforderung verbunden, insofern sich (trotz zahlreicher Bemühungen) bis heute kein offener Datei-Standard etablieren konnte. Der Grund dafür liegt in der starken Konkurrenz zwischen den Software-Anbietern, die aus wirtschaftlichen Gründen einerseits darauf verzichten, die Spezifikationen ihrer proprietären Dateiformate offenzulegen, und die andererseits kein Interesse daran haben, die Interoperabilität verschiedener CAD-Systeme zu erhöhen. Ball hat daher in seinem massgeblichen Report «Preserving Computer-Aided Design (CAD)» nur grundlegende Empfehlungen zur Archivierung der Pläne ausgesprochen: Zum einen sollte das originäre Dateiformat so lange wie möglich erhalten werden, da der Datenverlust im Fall einer Migration relativ hoch ist. Zum anderen sollte das Archiv von den Modellen Derivate in mindestens einem – besser in zwei oder drei – Anbieter-unabhängigen Standardformaten erzeugen.1 Die schweizerische Koordinationsstelle für die dauerhafte Archivierung elektronischer Unterlagen (KOST) hingegen erkennt an, dass sich das proprietäre Austauschformat Drawing (DWG) des Marktführers Autodesk zum de-facto-Standard auf diesem Gebiet entwickelt hat. Sie favorisiert neben der Aufbewahrung von DWG-Dateien die Verwendung von PDF/A-Dateien mit eingebundenen Vektorgrafiken.2 Das Schweizerische Bundesarchiv hat bisher keine archivwürdigen Dateiformate im CAD-Bereich definiert.3 Sowohl Ball als auch Noback betonen schliesslich in ihren Studien, dass der Entscheidung über das geeignete Speicherformat eine Analyse der Benutzerbedürfnisse und der Auswahlkriterien vorausgehen muss.4

Der Hintergrund der hier angestellten Überlegungen ist ein geplantes Kooperationsprojekt zwischen dem Staatsarchiv Thurgau und dem kantonalen Hochbauamt. Die Dienststelle, die für den Bau und Unterhalt der öffentlichen Gebäude des Kantons (Schulhäuser, Museen, Bibliotheken, Spitäler, Polizeiposten, Gefängnisse, Verwaltungs- und Regierungsgebäude, Sportanlagen, Werkhöfe usw.) zuständig ist, bereitet derzeit den Übergang zur vollelektronischen Aktenführung vor. Damit stellt sich für das Staatsarchiv erstmals die Frage nach einer verbindlichen Strategie zum Umgang mit CAD-Zeichnungen.

Zunächst soll die Praxis in anderen öffentlichen Archiven, die bereits Konzepte zur Langzeitarchivierung von CAD-Dateien entwickelt haben, kurz beleuchtet werden (Abschnitt 2). Ausgehend vom thurgauischen Projekt, das hier als exemplarischer Untersuchungsgegenstand dient, wird anschliessend der Versuch unternommen, die Bedürfnisse der potenziellen Zielgruppen für die archivierten Bauakten (designated community) in Verwaltung und Öffentlichkeit zu definieren (Abschnitt 3). Aus diesen Überlegungen werden dann die signifikanten Eigenschaften (significant properties) der zu erhaltenden Plandateien (Abschnitt 4) abgeleitet. Schliesslich sollen in einem letzten Abschnitt die zur Verfügung stehenden Dateiformate (DWG, DXF, IFC, PDF) bezüglich ihrer Eignung zur langfristigen Bewahrung der zuvor formulierten Eigenschaften verglichen (Abschnitt 5) werden. Zusammenfassend werden schliesslich einige Empfehlungen formuliert, die sowohl dem Staatsarchiv Thurgau als auch anderen Kulturgüterschutzinstitutionen als Arbeitsgrundlage dienen können (Abschnitt 6).

2. Die aktuelle Praxis in anderen Archiven

Das Staatsarchiv Graubünden verfügt als eines der ersten in der Schweiz über ein Konzept zur Übernahme von elektronischen Daten im Bereich des Hochbaus. Nach Auskunft des zuständigen vorarchivischen Beraters liefert das Hochbauamt Graubünden regelmässig abgeschlossene Dossiers ans Archiv ab. Von den darin enthaltenen CAD-Modellen werden lediglich PDF-Plots aufbewahrt, die bereits in den Dossiers enthalten sind.5 Der Prozess wird gewissermassen als ein «Umkopieren» verstanden, insofern die archivwürdigen Informationen übertragen werden, um ihre Erhaltung und Wiederverwendbarkeit zu gewährleisten.

Bei der Entwicklung dieser Sicherungsstrategie waren die Aktenführungsprozesse der abliefernden Stelle ausschlaggebend. Das Bündner Hochbauamt dokumentiert seine Bauprojekte nach den Richtlinien der Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschafts-organe der öffentlichen Bauherren (KBOB). Diesen Weisungen entsprechend führt die Amtsstelle neben den (temporären) Projektdossiers auch permanente Objektdossiers.6 Diese Dokumentationen enthalten gewissermassen die Stammdaten und -pläne der einzelnen Gebäude. Sie werden erst am Lebensende des Bauobjekts (d.h. in der Regel bei Abriss oder Verkauf) an das zuständige Endarchiv abgeliefert. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die Mitarbeiter des Hochbauamtes kontinuierlich auf die für den Gebäudeunterhalt notwendigen CAD-Dateien zurückgreifen können. Dass die Dateien in den Objektdossiers von Fachleuten gepflegt werden, die über die für allfällige Migrationen notwendige Software-Palette verfügen, kann ein grosser Vorteil sein und eine Entlastung des zuständigen Archivs bedeuten.

Andere Staatsarchive in der Schweiz befinden sich derzeit noch in der Ausarbeitungsphase ihrer Konzepte zur Archivierung von CAD-Modellen. Das Staatsarchiv Bern verbindet das Abschliessen von Vereinbarungen über die Ablieferung digitaler Daten mit der Einführung des GEVER-Systems CMI Axioma. Nach jetzigem Stand der Planung werden in den entsprechenden Projektdossiers des Amts für Grundstücke und Gebäude (AGG) DWG-Dateien enthalten sein, die für die Archivierung genutzt werden. Die Frage, ob darüber hinaus auch PDF-Plots gesichert werden, ist aktuell Gegenstand einer internen Diskussion.7 Das Staatsarchiv Genf hat nach eigener Auskunft in Zusammenhang mit dem Aufbau eines elektronischen Langzeitarchivs zwischen 2011 und 2013 die Übernahme von Gebäudedaten getestet. Dabei war eine Konvertierung der CAD-Dateien in die Formate PDF/A oder TIFF angedacht, allerdings wurden die entsprechenden Überlegungen in der Zwischenzeit wieder verworfen.8

Auch das Landesarchiv Baden-Württemberg, das die Unterlagen der staatlichen Hochbauverwaltung aus dem GEVER-System PlanTeam-Space übernimmt, favorisiert derzeit PDF/A-Ausdrucke der CAD-Pläne für die Archivierung. Meyer konstatiert: «Vorzugsweise sind anstelle der CAD-Dateien Plot-Dateien im PDF-Format zu übernehmen».9 Er spricht den PDF-Plots eine hohe Archivwürdigkeit zu, insofern sie als Druckvorlagen für die tatsächlich genutzten Baupläne verwendet werden. Eine Aufbewahrung der CAD-Datei im Ausgangsformat schliesst er nicht explizit aus, betrachtet sie aber offenbar nicht als zwingend. Meyer gibt selbst zu bedenken, dass es sich bei diesem Vorgehen nur um eine provisorische Erhaltungsstrategie handelt und dass die PDF-Derviate eine wesentlich geringere Funktionalität aufweisen, als die originären CAD-Modelle. Um eine verbindliche Lösung zur Langzeitarchivierung zu erarbeiten, müsse (auch) das Landesarchiv Baden-Württemberg zunächst die signifikanten Eigenschaften der Dokumente analysieren.10

3. Die Benutzergruppen und ihre Bedürfnisse

Bei der Auseinandersetzung mit der Praxis in anderen schweizerischen und deutschen Archiven ist deutlich geworden, dass die Interessen der Produzenten – d.h. der Mitarbeiter des jeweiligen Hochbauamtes – in den Überlegungen zum life cycle und zur Erhaltung der CAD-Dateien eine zentrale Rolle spielen sollten. Sie sind ein Teil der Gruppe von «anzunehmenden Benutzern» (designated community), deren Nutzungsinteressen bei der Ausarbeitung einer Erhaltungsstrategie berücksichtigt werden müssen.11 Dieser Umstand liegt in einer spezifischen Eigenheit von amtlichen Unterlagen im Bausektor begründet. Während die Geschäfte in den meisten anderen Bereichen der Verwaltung zeitlich klar begrenzt sind, beschäftigen sich die Ämter in Baudepartementen mit dem Unterhalt von Gebäuden, Strassen, archäologischen Fundstellen, Naturschutzgebieten und anderen Phänomenen, die oft mehrere Jahrhunderte überdauern. Die von ihnen produzierten Akten und Pläne werden deshalb auch nach langen Zeiträumen häufig wieder für die Erledigung von Verwaltungsaufgaben benötigt.

Im Papierzeitalter manifestierte sich diese Besonderheit in der Art und Weise, dass die entsprechenden Ämter entweder eigene Archive geführt oder nur einen Teil ihres Schriftguts an Endarchive abgeliefert haben. Beide Strategien stossen im Zeitalter der elektronischen Aktenführung an ihre Grenzen. Im Kanton Thurgau, und wahrscheinlich auch in allen anderen Kantonen, steht ausserhalb des Staatsarchivs keine technische Infrastruktur für den Unterhalt eines digitalen Langzeitarchivs zur Verfügung. Und auch die Nutzung von temporären Dateiablagen neben der elektronischen Geschäftsführung ist mit Blick auf die Authentizität und Integrität der Dokumente nicht wünschenswert. Wenn man die Entstehung von Parallelablagen ausserhalb der Staatsarchive verhindern will, muss man die Angehörigen der abliefernden Amtsstellen als zukünftige Benutzer mit in Betracht ziehen und ihre Bedürfnisse ausreichend berücksichtigen.

Für die Erfüllung ihrer Aufgaben sind die Mitarbeiter des Hochbauamtes darauf angewiesen, frühere CAD-Modelle wiederverwenden zu können. Das gleiche gilt für interne und externe Fachpersonen (Architekten, Ingenieure, Denkmalpfleger usw.), die vom Kanton mit Bauprojekten und Unterhaltsarbeiten beauftragt werden. Das Archiv des Architektur-museums der TU München etwa wird nach Aussagen eines Mitarbeiters zunehmend von Architekten konsultiert, die Fragen der Denkmalpflege und bautechnischen Haftungsansprüchen nachgehen.12 Insbesondere bei Umbau-, Ausbau- und Rückbau-massnahmen sind die vollständigen Gebäudemodelle mit den darin hinterlegten Detailausführungen und Massangaben für Fachleute unverzichtbar. Laut dem von Keitel entwickelten Modell zur Beschreibung von Nutzungsinteressen sollten die archivischen Erhaltungsmassnahmen daher auf die Möglichkeit zur «Ausführung» und «Weiterverarbeitung» der digitalen Objekte abzielen.13

Neben den verwaltungsinternen Fachleuten müssen bei den Überlegungen zur designated community natürlich auch diejenigen Archivbesucher miteinbezogen werden, die einer breiteren Öffentlichkeit entstammen. In dem bereits erwähnten Architekturarchiv der TU München sind der Grossteil der Benutzer «Geisteswissenschaftler mit den klassischen Fragestellungen»,14 d.h. wohl Personen mit Interesse an kultur- und kunsthistorischen Aspekten der Baugeschichte. Gerade in öffentlichen Gebäuden kommt aber neben der zeitgenössischen Bauweise auch das Selbstbewusstsein der Gesellschaft als kollektive Gemeinschaft zum Ausdruck. Die Gebäudemodelle des Hochbauamtes können daher auch als Quellenmaterial für weiterreichende Fragen im Bereich der Erinnerungs-, Sozial-, Wirtschafts-, Bildungs-, Technik-, Stadtgeschichte usw. herangezogen werden. Wie Meyer angemerkt hat, sind öffentliche Grossbauprojekte häufig Gegenstand politischer Diskussionen und die entsprechenden Plandateien auch vor diesem Hintergrund für geschichtsinteressierte Bürger relevant.15 Wie bei anderen Bildquellen im Archiv auch, sollte ausserdem eine Verwendung der Baupläne für Ausstellungen und Publikationen in Betracht gezogen werden – weshalb die Zielgruppe um Museen, Journalisten und Verlage zu erweitern ist.

Im Gegensatz zur oben erwähnten Gruppe der Fachpersonen benötigen diese Benutzer keine funktionsfähigen CAD-Modelle, sondern einfache Visualisierungen, die es auch ohne den Einsatz fachspezifischer Programme ermöglichen, sich einen optischen Eindruck von den historischen Bauten bzw. Bauprojekten zu verschaffen. Für diesen Teil der designated community sollte bei den Erhaltungsmassnahmen die Möglichkeit zur «Wahrnehmung des Gesamtobjekts» im Vordergrund stehen.16

4. Signifikante Eigenschaften

Das Konzept der signifikanten Eigenschaften (significant properties) wurde 1999 von englischen und amerikanischen Archivaren im Rahmen des Cedars-Projekts entwickelt und beschreibt einen Bewertungsprozess, der auf die Anforderungen der digitalen Archivierung ausgerichtet ist.17 Ball und Patel bieten eine aussagekräftige Definition: «We consider significant properties to be those aspects of a digital object which any new expression of that object must exhibit in order to fulfil ist intended function while being faithful to the original.»18 Darin wird deutlich, dass die Festlegung von charakteristischen Eigenschaften digitaler Objekte nicht nur auf die Erhaltung von Funktionalitäten, sondern auch auf die Gewährleistung ihrer Authentizität abzielt. Die Mitarbeiter des DURAARK-Projekts (Durable Architectural Knowledge) betonen, dass signifikante Eigenschaften nicht nur technische Metadaten sind, sondern auch die Bedürfnisse der zukünftigen Benutzer in Betracht ziehen und Indikatoren für spätere Verifikationsprozesse im Rahmen der preservation action darstellen.19

Signifikante Eigenschaften von CAD-Modellen wurden bisher nirgendwo verbindlich beschrieben. Dieser Mangel mag einerseits auf die hohe Komplexität der Dateien und andererseits auf die Abhängigkeit von den Rahmenbedingungen der einzelnen Archive zurückzuführen sein. Denn: «Different organizations will have different digital preservation needs, and thus not all institutions will rely on the same file formats20 Der hier unternommene Versuch zur Definition von signifikanten Eigenschaften kann daher nur für die oben ausgeführten Anforderungen des Staatsarchivs Thurgau Geltung beanspruchen. Da die Bedürfnisse der ersten Benutzergruppe (Mitarbeiter des Hochbauamtes, Fachpersonen) wesentlich weitreichender sind als diejenigen der übrigen Archivbesucher, sollen sich die Ausführungen zunächst auf diese Zielgruppe beschränken.

Die Archivare Veenendaal, Lucker und Sijtsma haben bei ihrem aktuellen Versuch, einen grundlegenden Katalog mit den «signifikanten signifikanten Eigenschaften» verschiedener Informationsobjekte auszuarbeiten, vom englischen Projekt InSPECT (Investigating the Significant Properties of Electronic Content over Time) die Unterteilung der Eigenschaften in fünf Kategorien übernommen. Sie unterscheiden zwischen Merkmalen, die den Inhalt (content), die Funktionalität (behavior), die Erscheinung (appearance), die Struktur (structure) und den Kontext (context) betreffen.21 Ausserdem orientiert sich die hier vorgeschlagene Liste an dem Anspruch Keitels, die signifikanten Eigenschaften in einer allgemeinen, nicht softwarespezifischen Form zu definieren.22

Kategorie Eigenschaften
Inhalt Geometrische Volumen- und Flächenmodelle im Vektorformat
Texte (Beschriftungen und Massangaben)
Funktionalität Mehrdimensionalität, Skalierbarkeit

Verknüpfungen zu anderen Dateien mit Bauteildaten,

Kostenangaben, Fotos (interfile references)

Erscheinung Oberflächeneigenschaften, Schraffuren, Farben
Struktur Datenstruktur mit Ebenen, Klassen und Objekten
Kontext Metadaten betreffend die Erzeugung der Originaldatei

Die hier aufgelisteten Eigenschaften bilden ein Minimum an Informationen und Funktionalitäten, das in den mit der Archivierung verbundenen Umwandlungsprozessen erhalten werden muss, um die genannten Benutzerbedürfnisse zu erfüllen. Auf andere Eigenschaften, wie z. B. die Formatierung der Textelemente, eine Versionierung der Vektormodelle u.a. kann verzichtet werden.

5. Archivwürdige Dateiformate

Die oben entwickelte Liste mit signifikanten Eigenschaften macht deutlich, dass die Benutzerbedürfnisse für die Wiederverwendung von CAD-Modellen mit einem PDF-Plot (auch bei Einbindung einer Vektorgrafik) nicht erfüllt werden können. Um die gewünschten Merkmale in den Bereichen «Funktionalität» und «Struktur» dauerhaft zu erhalten, bedarf es eines genuinen CAD-Dateiformats.

Wie bereits angedeutet, gibt es seit den 1970er Jahren Bestrebungen, Standards für die Speicherung und den Austausch von CAD-Modellen zu entwickeln.23 Der bekannteste Ansatz in dieser Richtung dürfte das internationale Projekt LOTAR (Long Term Archiving and Retrieval) sein, das von der Luftfahrt- und Automobilindustrie getragen wird und auf eine OAIS-konforme Weiterentwicklung des STEP-Standards (Standard for the Exchange of Product Model Data) hinarbeitet.24 Trotz internationaler Bemühungen ist es bisher nicht gelungen, im Bereich der CAD-Anwendung ein offenes und standardisiertes Dateiformat zu etablieren, das allen Anforderungen an den Austausch und die Archivierung der Daten gerecht wird. Die Archivare sind daher zum jetzigen Zeitpunkt gezwungen, einige Kompromisse einzugehen.

Die Suche nach einem geeigneten Speicherformat geht natürlich von den Möglichkeiten aus, die den Mitarbeitern des thurgauischen Hochbauamtes bei der Verwendung ihrer Standard-Software ArchiCAD zur Verfügung stehen (Abb. 1). Beim Abwägen zwischen den einzelnen Optionen sollen die von Corrado und Sandy etablierten Kriterien der Offenheit (openness) und der Verbreitung (ubiquity) im Vordergrund stehen.25

Abb. 1: Auswahl der verfügbaren Speicherformate im Programm ArchiCAD (Screenshot)

5.1 Drawing Format (DWG/DXF)

Bei den Überlegungen zur digitalen Langzeitarchivierung im Bereich der Gebäudemodellierung spielen (zwangsweise) die proprietären Formate DWG (Drawing) und DXF (Drawing Exchange Format) des Marktführers Autodesk eine zentrale Rolle. Ein Angestellter des thurgauischen Hochbauamtes hat im Gespräch geschätzt, dass weit über 90% der umlaufenden CAD-Dateien im DWG-Format vorliegen. Unabhängig davon, wie zutreffend diese Kalkulation ist, muss man in Rechnung stellen, dass tatsächlich kein anderes Format von so vielen Herstellern und Programmen unterstützt wird.26 Der Austausch von CAD-Daten mit DWG funktioniert daher in der Regel problemlos und der Hersteller Autodesk garantiert eine rückwärtskompatible Weiterentwicklung.27 Doch so viel das Dateiformat beim Kriterium der «Verbreitung» punkten kann, so sehr fällt es im Bereich der «Offenheit» ab. Autodesk legt die Spezifikationen des Formats nicht offen und geht vehement gegen Versuche der Nutzung durch Dritte (namentlich der Open Design Alliance) vor.28 Aus diesem Grund hat sich das DWG-Format bisher nur zu einem Quasi-Standard für die Archivierung etablieren können. Nicht zuletzt aus Mangel an Alternativen kommt es u.a. im Staatsarchiv Bern als Archivierungsformat zum Einsatz.

Das ebenfalls vom Softwareproduzenten Autodesk vorgegebene Austauschformat DXF wird gelegentlich als Alternative gehandelt und beispielsweise von der Library of Congress bevorzugt.29 Die Spezifikationen des Formats sind frei verfügbar, aber es speichert nicht alle Daten der Gebäudemodelle vollständig und wird deshalb von den Mitarbeitern des Hochbauamtes zurecht als weniger zuverlässig eingestuft.30

5.2 Industry Foundation Classes Format (IFC)

Eine echte Alternative zur Verwendung von DWG-Dateien im Bereich des Hochbaus bietet das Format IFC (Industry Foundation Classes Format), das von der internationalen Organisation buildingSMART entwickelt wurde. Es handelt sich um eine Erweiterung des schon erwähnten STEP-Standards, der eine offene und herstellerunabhängige Lösung zum Austausch von Building Information Models (BIM) bietet.31 In einem BIM-Objekt sind neben dem CAD-Modell zusätzliche Informationen wie z.B. Kostenangaben hinterlegt, die es erlauben, den Lebenszyklus des Gebäudes über die Planung hinaus in der Ausführung, in der Bewirtschaftung und im Unterhalt zu begleiten. Die entsprechenden Funktionen (3D-Modelle, Mengenermittlung und Kostenkalkulation) werden vom Hochbauamt bisher nur vereinzelt genutzt. Es steht jedoch allen Mitarbeitern bereits jetzt ein IFC-Viewer zur Verfügung. Die Amtsstelle plant, ab 2024 für öffentliche Grossbauprojekte von externen Leistungserbringern neben den bisherigen Pflichtformaten (DWG und PDF) auch eine Abgabe der Baupläne im IFC-Format einzufordern. Frühestens zu diesem Zeitpunkt wird das Staatsarchiv die Verwendung des Standards bei der Langzeitarchivierung in Betracht ziehen.

Die KOST gibt jedoch zu bedenken, dass IFC bisher nicht in den Archiven eingesetzt wird und dass noch keine Erfahrungen mit dem Einsatz als Archivformat zur Verfügung stehen.32 Während IFC-Dateien also im Vergleich zu DWG beim Kriterium der «Offenheit» punkten, ist ihre «Verbreitung» bisher nicht ausreichend. Um die oben formulierten signifikanten Eigenschaften zu erhalten, führt zum aktuellen Zeitpunkt also kein Weg am Quasi-Standard DWG vorbei.

5.3 Portable Document Format (PDF)

Nun wäre eine alleinige Archivierung der CAD-Pläne im DWG-Format natürlich auch nicht wünschenswert. Zum Lesen und Benutzen der Gebäudemodelle wird eine fachspezifische und in aller Regel lizenzgebundene Software benötigt, die weder im Lesesaal des Staatsarchivs noch auf dem persönlichen Computer des durchschnittlichen Archivbenutzers zur Verfügung steht. Die Interessen der zweiten Benutzergruppe (Studenten, Geschichtsinteressierte, Journalisten, Verlage usw.) werden tatsächlich am besten mit einem «Ausdruck» der CAD-Pläne in einem PDF/A erfüllt. Beim Rendern der Daten wird die Komplexität des 3D-Modells soweit reduziert, dass der entsprechende Bauplan auch für fachfremde Benutzer verständlich und anschaulich dargestellt werden kann. Darüber hinaus ist für das Auslesen der PDF-Dateien keine fachspezifische Software notwendig, sodass die Benutzung auf nahezu jedem beliebigen Endgerät erfolgen kann. Das Dokumentenaustausch-Format ist nicht nur stark verbreitet, sondern auch offengelegt und lizenzfrei.33 Es verspricht eine lange Lesbarkeit und einen überschaubaren Aufwand bei der Datenhaltung im Langzeitarchiv.

Eine Parallelarchivierung von CAD-Modellen in den Formaten DWG und PDF/A ist daher unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen des thurgauischen Staatsarchivs momentan die beste Erhaltungsstrategie. Auf diese Weise können die Bedürfnisse der Produzenten, der Archivare und der zukünftigen Benutzer am besten bedient werden.

6. Zusammenfassung

Ein PDF, und fertig? Auf den ersten Blick scheint die Archivierung von CAD-Bauplänen durch «Ausdrucke» im PDF bzw. PDF/A-Format eine gute Lösung zu sein. Es handelt sich um ein standardisiertes Dateiformat, das wenig Speicherplatz braucht, ohne Spezial-Software aus-gelesen und daher von einem breiten Benutzerkreis wiederverwendet werden kann. Ausserdem gibt es in öffentlichen Archiven im In- und Ausland Beispiele für die Anwendung dieser Erhaltungsstrategie. Doch es lohnt sich, genauer hinzuschauen.

Die Mitarbeiter des Landesarchivs Baden-Württemberg sind sich bewusst, dass es sich bei der Beschränkung auf PDF-Plots lediglich um ein provisorisches Vorgehen handeln kann, insofern die zweidimensionalen Derivate der Funktionalität ihrer Ursprungsdatei nicht gerecht werden können. Im Staatsarchiv Graubünden hingegen wird man in Zukunft wahrscheinlich nicht mehr von der Archivierung mit PDF/A-Dateien abweichen. Dort findet mithilfe von permanenten Objektdossiers (und den darin enthaltenen CAD-Dateien) gewissermassen eine Parallel- bzw. Teilarchivierung auf dem Hochbauamt statt.

Die entsprechende Amtsstelle im Kanton Thurgau führt jedoch bisher keine Objektdossiers und eine Zersplitterung der digitalen Überlieferung ist auch nicht im Interesse des Staatsarchivs. Die Bedürfnisse der Aktenproduzenten müssen daher als Teil der anzunehmenden Zielgruppe zwingend in die Überlegungen mit einbezogen werden. Damit Fachleute innerhalb und ausserhalb der Verwaltung die dreidimensionalen CAD-Modelle zum Unterhalt sowie zum Neu-, Um- bzw. Rückbau der Gebäude wiederverwenden können, muss das Archiv relativ weitreichende signifikante Eigenschaften definieren.

Die Erhaltung der genannten Eigenschaften von Plandateien ist nur mithilfe eines genuinen CAD-Formats möglich. Da sich in diesem Bereich bisher keine offenen Standards etablieren konnten, die alle Anforderungen an für die Langzeitarchivierung geeignete Dateiformate erfüllen, müssen (zum jetzigen Zeitpunkt) Kompromisslösungen in Kauf genommen werden. Von den in den Geschäftsdossiers des Hochbauamtes vorhandenen CAD-Dateien sind sicherlich diejenigen im DWG-Format am besten für die Archivierung geeignet. Es handelt sich um das weltweit am häufigsten genutzte Austauschformat für Modellierungsdaten, das herstellerunabhängig mit den meisten CAD-Zeichenprogrammen ausgelesen werden kann. Wenn das Hochbauamt in den kommenden Jahren – wie geplant – vermehrt mit dem IFC-Dateistandard arbeiten wird, wäre dies für die Archivare eine willkommene Alternative zum proprietären DWG-Format. Um die Plandaten aber auch einem grösseren, fachfremden Publikum zugänglich machen zu können, sollte ausserdem ein «Ausdruck» im PDF/A-Format mit vorgehalten werden.

Bibliographie

Altenbuchner 2010 = Altenbuchner, Klaus Anton: Das Profil von Architekturüberlieferungen an der Schnittstelle von Forschung, Lehre, Museum und Archiv. In: Archivhefte Bd. 39 (2010), S. 15-24.

Ball 2013 = Ball, Alexander: Preserving Computer-Aided Design (CAD), DPC Technology Watch Report 13-02 April. Bath 2013. Link: http://dx.doi.org/10.7207/twr13-02 (abgerufen am 06.11.2019)

Ball/Patel 2008 = Ball, Alexander; Patel, Manjula: Towards a Curation and Preservation Architecture for CAD Engineering Models. Bath 2008. Link: https://www.researchgate.net/publication/229077447 (abgerufen am 06.11.2019)

Corrado/Sandy 2017 = Corrado, Edward M.; Sandy, Heather Moulaison: Digital Preservation for Libraries, Archives, and Museums. Lanham Maryland2 2017.

Keitel 2018 = Keitel, Christian: Zwölf Wege ins Archiv. Umrisse einer offenen und praktischen Archivwissenschaft. Stuttgart 2018.

Keitel 2010 = Keitel, Christian: Benutzerinteressen annehmen und signifikante Eigenschaften festlegen. Einige neue Aufgaben für Archivare. In: Tagungsdokumentation zum Deutschen Archivtag Bd. 14 (2010), S. 29-42.

KOST 2019 = KOST (Koordinationsstelle für die dauerhafte Archivierung digitaler Unterlagen): Katalog archivischer Dateiformate (KaD). Bern 2019. Link: https://kost-ceco.ch/cms/dateiformate.html (abgerufen am 06.11.2019)

Meyer 2018 = Meyer, Nils: Archivierung digitaler Bauunterlagen. Am Beispiel des Dokumentenmanagementsystems PlanTeam-Space. Marburg 2018. Link: https://www.landesarchiv-bw.de/sixcms/
media.php/120/63605/Transferarbeit2018_Meyer.pdf
(abgerufen am 06.11.2019)

Noback 2010 = Noback, Andreas: Langzeitarchivierung von CAD-Daten. In: Archivhefte Bd. 39 (2010), S. 84-93.


  1. Ball 2013, S. 10-11; 14-18; 29; vgl. Noback 2010, S. 92.↩︎

  2. KOST 2019. Auf eine Unterscheidung von PDF- und PDF/A-Format wird der Einfachheit halber in den folgenden Ausführungen verzichtet.↩︎

  3. Schweizerisches Bundesarchiv: Archivtaugliche Dateiformate (2018)

    https://www.bar.admin.ch/dam/bar/de/dokumente/konzepte_und_weisungen/archivtaugliche_dateiformate.1.pdf.download.
    pdf/archivtaugliche_dateiformate.pdf (abgerufen am 06.11.2019).↩︎

  4. Noback 2010, S. 89; Ball 2013, S. 29; vgl. auch Keitel 2010.↩︎

  5. Das erwähnte Konzept ist unpubliziert. Telefonische Auskunft von Bernhard Stüssi am 15.08.2019.↩︎

  6. KBOB: Empfehlungen zur Bauwerksdokumentation im Hochbau (2016)

    https://www.kbob.admin.ch/kbob/de/home/publikationen/bauweksdokumentation-im-hochbau/downloadbereich.html (abgerufen am 06.11.2019).↩︎

  7. Auskunft von Eva Bachmann per E-Mail am 19.08.2019.↩︎

  8. Auskunft von Emmanuel Ducry per E-Mail am 24.09.2019.↩︎

  9. Meyer 2018, S. 22-23.↩︎

  10. Meyer 2018, S. 22-24.↩︎

  11. Zum Begriff designated communitiy und zur Diskussion vgl. Keitel 2018, S. 227-230.↩︎

  12. Altenbuchner 2010, S. 22.↩︎

  13. Keitel 2018, S. 238-239 unterscheidet vier Kategorien von allgemeinen Nutzungszwecken: 1. Wahrnehmung des Gesamtobjekts, 2. Suche nach bestimmten Informationen, 3. Weiterverarbeitung des Objekts, 4. Ausführung des Objekts.↩︎

  14. Altenbuchner 2010, S. 22.↩︎

  15. Meyer 2018, S. 9.↩︎

  16. Vgl. Fn. 14.↩︎

  17. Keitel S. 2018, S. 145. Vgl. Corrado/Sandy 2017, S. 228-229; Keitel 2010, S. 38-39.↩︎

  18. Ball/Patel 2008, S. 5.↩︎

  19. Lindlar u.a.: Current State of 3D Object Digital Preservation and Gap-Analysis Report (2014), S. 26; 29: https://zenodo.org/record/1115504#.XcMT1GNVTVo (abgerufen am 06.11.2019).↩︎

  20. Corrado/Sandy 2017, S. 194.↩︎

  21. Veenendaal u.a.: Significant Significant Properties (2018), S. 3: https://openpreservation.org/wp-content/uploads/2018/10/Significant-Significant-Properties.pdf (abgerufen am 06.11.2019).↩︎

  22. Keitel 2010, S. 39.↩︎

  23. Ball 2013, S. 14-18.↩︎

  24. Ball 2013, S. 16-17. Vgl. Kost 2019. Der STEP-Standard wurde durch ISO 10303 normiert.↩︎

  25. Corrado/Sandy 2017, S. 194.↩︎

  26. Noback 2010, S. 89.↩︎

  27. KOST 2019.↩︎

  28. Noback 2010, S. 89-90.↩︎

  29. Library of Congress: Recommended Formats Statement (2019), S. 16-17: https://www.loc.gov/preservation/resources/rfs/index.html (abgerufen am 06.11.2019).↩︎

  30. Vgl. KOST 2019; Ball 2013, S. 18.↩︎

  31. Ball 2013, S. 16.↩︎

  32. KOST 2019.↩︎

  33. KOST 2019.↩︎