Analyse der formalen Eigenschaften der Argumentation in deutschen und chinesischen wissenschaftlichen Texten

Hung-Cheng Liu (Chang-Hua)

http://dx.doi.org/10.13092/lo.76.2816


 

1 Einleitung

Die Argumentation als Forschungsgegenstand ist in unterschiedlichen Disziplinen untersucht worden, wie z. B. in der Logik, der Politik und der Linguistik. Diese betrachten die Sprechhandlung Argumentation unterschiedlich und kommen deswegen zu sehr verschiedenen Ergebnissen (vgl. Wohlrapp 2008; Bayer 2007; Johnson 2006; Woods 2000; Willard 1996). Auf deren Ergebnisse soll in dieser Arbeit lediglich dahingehend verwiesen werden, dass sich der Autor ihrer bewusst ist, jedoch nicht auf diese rekurriert, da ihnen die kontrastive Perspektive, welche der vorliegenden Arbeit zugrunde liegt, fehlt.

In der Sprachwissenschaft gibt es zahlreiche Untersuchungen, welche die Argumentation unter einer kontrastiven Perspektive zum Gegenstand machen (vgl. Birial/Yakhabi 2013; Liu 2005; Hinkel 1999; Kim 1996; Bouchard 1996; Ferris 1994; Lux 1991; Choi 1988). Diese kontrastiven Forschungen haben rhetorische und inhaltliche Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufgedeckt. Zum Beispiel finden Ferris (1994) und Hinkel (1999), dass englische Muttersprachler und ESL-Studenten sich bei der Verwendung von Gegenargumenten unterscheiden. Lux (1991) findet heraus, dass englischsprachige Studenten im Vergleich mit muttersprachlich Spanisch sprechenden Studenten vor allem in der schriftlichen Argumentation einen elaborierten Stil bevorzugen. Nach Liu (2005) einigen sich amerikanische und chinesische Gruppen auf den Zweck, eine dreigliedrige Struktur1 der Argumentationskette und die Verwendung formaler Logik, aber sie unterscheiden sich in der Diskussion über einige Grundlagen für argumentative Texte. Die chinesische Gruppe zeigt die Verwendung der epistemologischen und dialektischen Logik und unterstreicht die Notwendigkeit, Analogien zu verwenden. Dahingegen hält die amerikanische Gruppe die Vorwegnahme der Opposition für ein Muss. Obwohl die bisherigen Untersuchungen zahlreiche Ergebnisse über rhetorische und inhaltliche Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Sprachen aufgedeckt haben, liegt ein Vergleich zwischen deutschsprachigen und chinesischsprachigen Fachtexten in Bezug auf formale Eigenschaften der Argumentation in der Wissenschaftssprache noch nicht vor.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Unterschiede zwischen deutsch- und chinesischsprachigen Fachtexten hinsichtlich der formalen Eigenschaften der Argumentation herauszuarbeiten. Dabei soll aufgezeigt werden, wie die Argumentation jeweils formal unterschiedlich realisiert ist. Um diese Unterschiede herauszuarbeiten, werden Relationen der Argumentation auf der Satzebene und Konsequenzen der Argumentation auf der Textebene analysiert. Hierdurch soll ein Eindruck davon gewonnen werden, wie die formalen Eigenschaften der Argumentationen in der Wissenschaftssprache tatsächlich vorkommen. Da die vorliegende Arbeit als Voruntersuchung für eine weitere qualitative Analyse dient, wird auf Repräsentativität zunächst kein Schwerpunkt gelegt. Das Datenkorpus beschränkt sich daher im Deutschen und Chinesischen jeweils auf fünf Aufsätze. Die Ergebnisse wurden dann kontrastiv gegenübergestellt und verglichen.


2 Theoretische Grundlagen

Auf formaler Ebene bedeutet Argumentation die Verknüpfung mehrerer Argumente (vgl. Bayer 2007: 16). In wissenschaftlichen Texten gehört das Argumentieren zum Alltag. Jeder muss seine Position bzw. Perspektive mit Argumenten belegen. Wie man die Argumentation umsetzt, ist kultur- und sprachspezifisch bedingt. In diesem Kapitel werden einige Begriffe, die für die Analyse relevant sind, erläutert. Bei der Darstellung geht es auch darum, Analyseperspektive und Analysekategorien der vorliegenden Untersuchung herauszuarbeiten.


2.1 Analyseperspektive

In wissenschaftlichen Texten dient ein Argument vorwiegend zur Begründung von Behauptungen. Argument bedeutet hier Beweisgrund oder Beweismittel. Eine Argumentation zielt in der Wissenschaft hauptsächlich auf die Wahrheit der Ereignisse, in der Rhetorik aber auf die Überzeugung der Leser (vgl. Lumer 2007: 10). Durch diese Unterscheidung fanden rhetorische Analyseperspektiven in der vorliegenden Untersuchung keine Berücksichtigung. Der Aufbau der Argumentation, also die Perspektive der formalen Analyse, steht im Mittelpunkt dieser Arbeit, da die Argumentation in dieser Hinsicht kaum erforscht ist.

Die Forschungsgeschichte zum Gegenstand der Argumentation ist seit den Arbeiten von Toulmin (1958) und Perelman (1979) zu theoretischen Grundlagenüberlegungen dokumentiert. Seit Beginn der 90er Jahre wurde die Argumentation zunehmend zum Untersuchungsgegenstand empirisch arbeitender Sprachwissenschaftler. In der linguistischen Argumentationsforschung entwickelte sich das Verhältnis von Theorie und Empirie zu einem grundlegenden Problem, da sich abstrakte Argumentationstheorien insbesondere aus der Philosophie nur schwer und höchstens indirekt für die Analyse der linguistisch relevanten Aspekte von Argumentation nutzen lassen (Bücker 2004: 1). Als Beispiel dient Toulmins Modell (1958: 87–89) wie folgt:

Abbildung 1: Toulmins Modell der Argumentation

Der britische Philosoph Stephen Toulmin bemerkt, dass gute realistische Argumente in der Regel aus sechs Teilen bestehen. Er verwendet diese Begriffe, um die Elemente zu beschreiben:

Data (Grounds): The facts or evidence used to prove the argument
Claim: The statement being argued (a thesis)
Warrants: The general, hypothetical (and often implicit) logical statements that serve as bridges between the claim and the data
Qualifiers: Statements that limit the strength of the argument or statements that propose the conditions under which the argument is true
Backing: Statements that serve to support the warrants (i.e., arguments that don't necessarily prove the main point being argued, but which do prove the warrants are true.)
Rebuttals: Counter-arguments or statements indicating circumstances when the general argument does not hold true.

(Toulmin 1958: 89)

Zahlreiche Forschungen basieren auf diesem Modell, allerdings lassen sich mit ihm die Forschungsergebnisse oft nur unzureichend beschreiben, da “Claim” normalerweise vor den Prämissen (“Data“) bzw. allein erscheint und eine Einschränkung („Qualifiers”) selten vorkommt. Das Modell von Toulmin ist schließlich ungenau hinsichtlich der Frage, welcher Typ von argumentativer Handlung in diesem Modell repräsentiert werden soll (Kindt 2008: 151). Weiterhin versucht Walton (2008, 2012), anstatt des Toulmin-Modells die Schemata der Argumentation zu analysieren. Er hat insgesamt achtundneunzig Muster zusammengestellt. Der Nachteil dieser Sammlung von Argumentationsmustern liegt darin, dass sie zu trivial und aufwendig sind, als dass sie als universelles Argumentationsmuster Anwendung finden könnten. Vereinfacht hat die automatische Argumentationsanalyse der Arbeit von Kluge gezeigt, dass man die zehn häufigsten Argumentationsmuster kontroverser Bildungsthemen entsprechend ihrem Vorkommen in Webdokumenten wie folgt formulieren kann (Kluge 2014: 44).

Rangfolge

Formel

Häufigkeit

Prozentualer Anteil

1.

C→S-Po

56

31.3%

2.

S-Pr→C

42

23.5%

3.

C                                                       

39

21.8%

4.

A-Pr→C                                

9

5.0%

5.

C→S-Po→A-Po                               

6

3.4%

6.

A-Pr→C→S-Po                                

5

2.8%

7.

S→Pr→C→S-Po                              

5

2.8%

8.

C→A-Po→S-Po                               

4

2.2%

9.

A-Pr→S-Pr→C                                 

3

1.7%

10.

S-Pr→C→A-Po                                

3

1.7%

(Zeichenerklärung: C – claim, C-Re – restatement, A/S-Pr/Po – attack/support- pre/post-claim)

Wenn man die automatische Erkennung genau ansieht, bekommt man den Eindruck, dass man durch eine solche Analyse nur die Reihenfolge von einzelnen Elementen der Argumentation festlegt. Durch eine solche Vorgehensweise kann man keinen Einblick in die sprachliche Verwendung der formalen Eigenschaften der Argumentation erhalten.

Wie bereits am Anfang dieses Kapitels erwähnt, bezeichnet Argumentation auf der formalen Ebene die Verknüpfung mehrerer Argumente (vgl. Bayer 2007: 16). Diese formale Bedeutung der Argumentation kann auf der Satzebene als argumentative Relation und auf der Textebene als argumentative Konsequenz bezeichnet werden. Im nächsten Abschnitt wird darauf eingegangen, welche formalen Eigenschafen der Argumentation in Bezug auf argumentative Relationen und Konsequenzen zum Ausdruck kommen können. Hier muss darauf hingewiesen werden, dass die folgenden zwei Analysekategorien: argumentative Relation und argumentative Konsequenz einschließlich ihrer jeweiligen Subkategorien vom Autor als Konzept für die vorliegende Untersuchung entwickelt wurden.


2.2 Analysekategorien

Argumentative Relation: Die argumentative Relation, die wir hier als Analysekategorien verwenden, bezieht sich auf die Verknüpfung zwischen Claim und Prämisse auf der Satzebene. Dabei kann man diese Relation unter verschiedenen Konstellationen erschließen. Zu nennen sind: begründende, inferentielle, bedingungsbezeichnende sowie einschränkende Relationen. Diese Relationen können durch Diskursmarker2 erschlossen werden. Gruber, Rheindorf und Wetschanow et al. (2006: 183) haben eine Reihe von Wörtern klassifiziert, welche verschiedene Relationen der Argumentation signalisieren. Nach deren Klassifikation werden mit der folgenden Tabelle Diskursmarker dahingehend modifiziert dargestellt, dass sie argumentative Relationen signalisieren.

Relationen auf der Satzebene

Signalisierende Mittel

Begründende Relation

weil

因為

denn

由於

deswegen

正因如此

nämlich

就是

aus diesem Grund

基於這個原因

Inferentielle Relation

so dass

所以

folglich

因而

infolgedessen

之所以

deshalb

因此

Bedingungsbezeichnete Relation

wenn

falls

如果

andernfalls

不然

sonst

否則

Einschränkende Relation

obwohl

雖然

allerdings

不過

trotzdem

儘管如此

jedoch

然而

lediglich

只/只是

Tabelle 1: Signalisierende Mittel für Relationen auf der Satzebene

Die oben dargestellten deutschen Diskursmarker beanspruchen keine Vollständigkeit in der jeweiligen Analysekategorie. Auf sie sollen Texte probeweise dahingehend durchsucht werden, ob die unterschiedlichen Analysekategorien unabhängig von ihrem jeweiligen Inhalt in wissenschaftlichen Texten tatsächlich vorkommen. Um eine Vergleichsbasis zu schaffen, sind die oben präsentierten chinesischen Diskursmarker in Übersetzung und unter Berücksichtigung ihrer Funktions- und Bedeutungsäquivalenz parallel gelistet. Die Stelle, an der die Diskursmarker gefunden werden, wird mit einer Markierung für die jeweilige argumentative Relation gekennzeichnet. Auf diese Weise kann die Anzahl der einzelnen argumentativen Relationen in beiden Sprachen empirisch erfasst werden.

Des Weiteren können argumentative Konsequenzen auf der Textebene je nach ihrer Struktur in Subkategorien gefasst werden. Zu nennen sind lineare und erhaltende Strukturen. Die folgende Abbildung stellt dar, wie verschiedene Argumente strukturiert werden können (Liu 2000: 79).

Abbildung 23: Argumentative Konsequenzen auf der Textebene

Eine lineare Struktur bezeichnet eine Kettenstruktur, in der Argumente nach einander folgen. Diese Struktur wird als anreihende oder ergänzende Konsequenz bezeichnet. Die beiden Konsequenzen folgen dem Prinzip der horizontalen Progression. Die Frage, ob sie untereinander austauschbar bzw. durcheinander ersetzbar sind, lässt sich anhand der folgenden Beispiele aufzeigen.

Der zentrale Kritikpunkt der Online-Befragung berührt in erster Linie die inferenzstatistische Auswertung der Daten (vgl. Tabelle 2). Damit von einer Stichprobe auf die Grundgesamtheit geschlossen werden kann, muss erstens die Grundgesamtheit definiert sein und zweitens eine repräsentative, d. h. entweder zufällig ausgewählte oder systematisch gezogene Stichprobe vorliegen.

(Juska-Bacher 2013: 11)

Als Funktionsverben gelten hier nach Heine (2004: 74): bringen, finden, gehen, halten, kommen, nehmen, setzen, stehen, stellen, treten und ziehen. Aus technischen Gründen musste außerdem das Verb machen von der Analyse ausgeschlossen werden, da hierfür keine Daten in der Kollokationsdatenbank des DWDS vorliegen.

(Möhring 2011: 35)

Eine Unterscheidung kann dahingehende unternommen werden, dass die „anreihende Konsequenz“ eine punktuelle Verortung, die „ergänzende Konsequenz“ hingegen, eine aspektuelle Verortung auf der Textebene bedingt. Beide ähneln sich zwar in ihrer horizontalen Progression, unterscheiden sich aber in ihrer jeweiligen sprachlichen Orientierung.

Ferner kommt eine erhaltende Struktur vor, wenn die Kettenstruktur unterbrochen ist. Dabei werden zusätzliche Informationen geliefert, um etwas zu verstärken bzw. zu verweisen. Diese Struktur wird in der vorliegenden Arbeit als verstärkende oder verweisende Konsequenz bezeichnet. Die beiden Konsequenzen folgen dem Prinzip der vertikalen Progression. Im Gegensatz zur horizontalen Progression bedeutet die vertikale Progression, dass die Perspektive der horizontalen Progression abgelöst und durch einen anderen Blickwinkel ersetzt wird. Dies kann anhand der folgenden Beispiele veranschaulicht werden:

Die Systematik schließt auch verschiedene für gesprochene Sprache typische Formen wie Topikalisierungen und elliptische Frageformulierungen ein und wird im Folgenden noch einmal exemplifiziert:

(Rost-Roth 2011: 103)

Daraus entstehen dann Resultats- und Vergangenheitslesarten. In (1) und (3) macht der Sprecher eine Aussage über den Nachzustand, der in der Gegenwart (jetzt) bzw. in der Zukunft (gleich) liegt. Die resultative Gegenwartslesart lässt sich beispielsweise wie folgt veranschaulichen:

(Schumacher 2011: 66)

Der Unterschied zwischen den beiden besteht darin, dass die erste Ausdrucksweise eine verstärkende Perspektive und die zweite eine verweisende Perspektive einnimmt, daraus ergeben sich eine verstärkende und eine verweisende Konsequenz.

Mit der folgenden Tabelle wird verdeutlicht, welche Diskursmarker argumentative Konsequenzen signalisieren.

Konsequenzen auf der Textebene

Signalisierende Mittel

Lineare Struktur:

Die anreihende Konsequenz

erstens, zweitens, drittens

第一,第二,第三

zuerst

首先

abschließend

總之

schließlich

最後

Lineare Struktur:

Die ergänzende Konsequenz

des Weiteren/ weiter

進一步

außerdem

此外

ferner

另外

zusätzlich

附加

darüber hinaus

另一方面

Erhaltende Struktur:

Die verstärkende Konsequenz

besonders

特別的是

zu betonen

強調

noch einmal

再者

vor allem

特別是

insbesondere

尤其是

Erhaltende Struktur:

Die verweisende Konsequenz

zum Beispiel/ wie z. B.

例如

das heißt

就是說

auf diese Weise

依照

beispielsweise

比如

so wie

Tabelle 2: Signalisierende Mittel für Konsequenzen auf der Textebene

Ähnlich wie argumentative Relationen beanspruchen die oben dargestellten deutschen Diskursmarker keine Vollständigkeit in der jeweiligen Subkategorie. Auf sie sollen Texte probeweise durchsucht werden. Um eine Vergleichsbasis zu schaffen, sind die oben präsentierten chinesischen Diskursmarker in Übersetzung und unter Berücksichtigung ihrer Funktions- und Bedeutungsäquivalenz parallel gelistet. Die Stelle, an der die Diskursmarker gefunden werden, wird mit einer Markierung für die jeweilige argumentative Konsequenz gekennzeichnet. Auf diese Weise kann die Anzahl der einzelnen argumentativen Konsequenzen in beiden Sprachen empirisch erfasst werden.


3 Methodische Vorgehensweise

Hier muss darauf hingewiesen werden, dass die vorliegende Arbeit sich als quantitative Untersuchung versteht und als Voruntersuchung für eine weitere qualitative Analyse dienen soll. Von daher wird kein Kontextbezug in die Interpretation miteinbezogen und kein Schwerpunkt auf Repräsentationsfähigkeit gelegt.


3.1 Korpus

Das deutsche Korpus wurde Linguistik Online entnommen. Von den in der Quelle vorhandenen insgesamt dreißig Texten wurden lediglich die fünf von Muttersprachlern geschriebenen Texte ausgewählt. Parallel gab es dreißig chinesische Texte, die von der linguistischen Zeitschrift Science Sinica Taiwans ausgewählt wurden. Um eine Vergleichsbasis zu schaffen, wurden von den chinesisch-sprachigen Texten ebenfalls nur fünf zur Analyse gestellt. Die Texte wurden wie folgt zusammengestellt:

Deutsche Texte

Chinesische Texte

Möhring, Jupp: „Kollokationen im Lernerwörterbuch – Anspruch und Wirklichkeit“. Linguistik online 47: 3/11.

鄭秋豫 (2010): 語篇的基頻構組與語流韻律體現(“An Analysis of Discourse Construction and Global Information in Realized Narrative Prosody”). Language and linguistics 11/2: 183–218.

Rost-Roth, Martina: „Formen und Funktionen von Interrogationen“. Linguistik online 49: 5/11.

魏培泉(2010):「是否-V(N)P」句式的由來 (“The History of the Interrogative Structure shi fou-V(N)P”). Language and linguistics 11/2: 335–392.

Schumacher, Nicole: „Nachzustand, Distanz und Aspektualität“. Linguistik online 49: 5/11.

張麗麗(2010): 返回義趨向詞作狀語--從語義框架看虛化 (“Directionals Expressing the Notion of “Return” as Adjuncts – A Study of Grammaticalization from the Perspective of Semantic Frame”). Language and linguistics 11/4: 803–851.

Hartung, Thomas: „Die Paronomasie als werbestilistisches Element“. Linguistik online 55, 5/12.

蕭惠貞/林倩如 (2012): 論現代漢語補語可能構式 (“On Mandarin Potential Complement Constructions”). Language and linguistics 13/5: 963–998.

Juska-Bacher, Britta: „Webbasierte linguistische Forschung“. Linguistik online 61: 4/13.

洪惟仁 (2013): 台灣的語種分布與分區 (“The Distribution and Regionalization of Varieties in Taiwan”). Language and linguistics 14/2: 315–369.                                    

Tabelle 3: Quellenangaben für Textkorpus im Deutschen und Chinesischen


3.2 Quantitative Datenanalyse

Die quantitative Datenanalyse führt dazu, dass man zuerst einen Überblick über die gesamte Analyse erhält. Das hier verwendete Tool heißt AntConc4, welches es erlaubt eine Wortgruppe in den Texten zu suchen. Ein Beispiel aus der Analysekategorie „begründende Relation“ soll das Arbeitsfenster und den Suchvorgang sowie das Suchergebnis in AntConc veranschaulichen. Zuerst wurden die Diskursmarker – weil, denn, deswegen, nämlich und aus diesem Grund – eingegeben (Abbildung 3) und dann wurden die Texte auf sie hin durchsucht. Dies ergab folgendes Suchergebnis (Abbildung 4).

Abbildung 3: Angaben von Wortgruppe

Abbildung 4: Das Suchergebnis

Die in der Tabelle 1 und 2 in Übersetzung dargestellten chinesischen Wörter wurden ebenfalls zuerst durch dieses Tool getestet. Dabei wurde zunächst einmal festgestellt, dass sie in den zu untersuchenden Texten vorkamen. Damit war die Funktionsäquivalenz mit der Übersetzung als Vergleichsbasis gesichert. So kann z. B. die deutsche Ausdrucksform der bedingungsbezeichneten Relation falls ins Chinesische mit 假如 (‚Giaru‘) oder 如果(‚Ruguo‘) übersetzt werden. Basierend auf dem Test wurde lediglich der Diskursmarker 如果 (‚Ruguo‘) ausgewählt, da er in den zu untersuchenden Texten auch tatsächlich vorkam.


4 Ergebnisse

4.1 Argumentative Relationen auf der Satzebene

Durch die im letzten Kapitel dargestellte Vorgehensweise sind die Suchergebnisse in den beiden Sprachen nun wie folgt zusammengestellt:

Relationen auf der Satzebene

Deutsche Texte

Chinesische Texte

Anzahl

Häufigkeit

Anzahl

Häufigkeit

Begründende Relation

32

1.24%

22

0.80%

Resultatslesarten weisen oft telische Ausdrücke auf, weil sich in der Verbsemantik verankerte inhärente Endpunkte und ihre Nachzustände besonders gut dafür eignen, ins Zentrum der Aussage gerückt zu werden.

此一限制也正好能夠說明為何「反」和「回」沒有發展出此一用法,因為「反」和「回」的及物用法較不發達,不具備此項虛化條件。

[Diese Unterteilung geschieht auch gerade deshalb, um zu klären, warum die Ausdrücke Fan (‚gegen‘) und Hue (‚zurück‘) keine solche Verwendung finden. Weil der transitive Gebrauch von Fan (‚gegen‘) und Hue (‚zurück‘) weniger ausgeprägt ist, hat er auch nicht dieselbe imaginäre Konnotation.]

Inferentielle Relation

13

0.51%

44

1.60%

In (5) wird die Gesamtsituation des Sich-Entlarvens mit ihren beiden Zeitintervallen inkl. Endpunkt und Nachzustand ins Zentrum der Äußerung gerückt, so dass eine perfektive Vergangenheitslesart entsteht.

我們知道,上古漢語的「否」就相當「不-V(P)」,而「V(P)-否」就等如

「V(P)-不V(P)」,因此「V(P)-否」也是可以用作謂語的。

[Wir wissen, dass im klassischen Chinesisch Fou (‚Negation‘) analog zu Bu (‚nicht‘) V (P) verwendet wird, und V (P) –Fou (‚Negation‘) auf der anderen Seite mit V (P) – Bu (‚nicht‘) V (P) gleichzusetzen ist, deshalb kann V (P) – Fou (‚Negation‘) auch als Prädikat verwendet werden.]

Bedingungsbezeichnete Relation

47

1.83%

18

0.66%

Dieser Wert zeigt zum einen, dass die durch die aufwendige Kollokationsidentifikation gefundenen Mehrwortverbindungen von den Wörterbuchautoren ebenfalls als relevant erachtet werden, wenn auch auf nicht nachvollziehbar unterschiedliche Art und Weise.

如果「嗎」原是疑問助詞,那麼說它是從句末移來就很可疑。

[Wenn der Fragepartikel Ma ursprünglich als solcher angelegt war, dann ist es sehr zweifelhaft, dass er am Satzende Verwendung gefunden hat.]

Einschränkende Relation

61

2.37%

23

0.84%

In allen LWB fehlen einige der 56 Kollokation (Abbildung 3), wobei lediglich vier der

hochfrequenten Kollokationen (Entwicklung sehen, Geld stecken, Grund sehen, Verhältnis liegen) in keinem der LWB verzeichnet sind, alle anderen sind in mindestens einem der LWB eingetragen.

由上可見,雖然「還」和「回」兼具狀語和補語功能,但卻走向不同方向,
其語義結構中不同的部分受到保留和強化。

[Obwohl Hai (‚noch‘) und Hue (‚zurück‘) wie bereits oben dargestellt, sowohl adverbiale als auch ergänzende Funktion haben, haben sie verschiedene Gewichtung, deren semantische Struktur von verschiedenen Teilen Erhalt bzw. Verstärkung findet.]

Tabelle 4: Argumentative Relationen im Deutschen und Chinesischen5

Deutsche Texte: Die obige Tabelle legt den Eindruck nahe, dass die formale Eigenschaft der Argumentation im Deutschen eher dem Ausdruck von Konditionen – bedingungsbezeichnenden und einschränkenden Relation – dient. Hierin lässt sich ein gravierender Unterschied im Vergleich zur Argumentation im Chinesischen aufzeigen.

Chinesische Texte: Aus der Tabelle lässt sich ablesen, dass die formale Eigenschaft der Argumentation im Chinesischen besonders häufig der inferentiellen Relation zu dienen scheint. Bemerkenswert ist hierbei, dass im Deutschen hingegen der Kategorie inferentielle Relation die niedrigste Häufigkeit zukommt.

Vergleich: Aus der Tabelle lassen sich zwei Ergebnisse ableiten. Das erste Ergebnis ist, dass im Deutschen mehr Wert auf konditionelle Relationen gelegt wird, während das Chinesische zu inferentiellen Relationen neigt. Das zweite Ergebnis ist, dass im Deutschen mehr bedingungsbezeichnende und einschränkende Relationen zum Ausdruck gebracht werden. Dagegen spielen diese Relationen im Chinesischen keine bedeutende Rolle.

Aus diesen beiden Ergebnissen lässt sich annehmen, dass die formale Eigenschaft der Argumentation im Chinesischen eine vorwärtsblickende Perspektive (inferentiell) und im Deutschen eine zurückblickende Perspektive (konditionell) bevorzugt.


4.2 Argumentative Konsequenzen auf der Textebene

Entsprechend dem letzten Abschnitt, sind die Untersuchungsergebnisse der beiden Sprachen nun wie folgt zusammengestellt:

Konsequenz auf der Textebene

Deutsch

Chinesisch

Anzahl

Häufigkeit

Anzahl

Häufigkeit

anreihende Konsequenz

9

0.35%

21

0.76%

In (9) schließlich haben wir ein typisches Beispiel für die Verwendung des Präteritums in

literarischen Texten. Es handelt sich um den Beginn von Alessandro Bariccos Questa Storia

in seiner deutschen Übersetzung.

方式副詞「反」可表達兩種概念。首先,「反」可以表示反向執行該動作,
例如先秦一些「反走」乃基於禮節表現出退避的行止,是退走的意思。

[Das Modaladverb Fan (‚gegen‘) kann zwei Konzepte auszudrücken. Erstens kann mit Fan (‚gegen‘) die Umkehrung einer Aktion ausgedrückt werden, so sind beispielsweise in der frühen Qin Dynastie einige „Rückzüge“ der damaligen Etikette geschuldet.]

ergänzende Konsequenz

24

0.93%

30

1.09%

Es dürfte deutlich geworden sein, dass primäre Paronomasien nicht nur multilingual und multidimensional alle bis dato erarbeiteten un- oder spezifischen werbestilistischen Funktionen bedienen, sondern darüber hinaus linguistische Horizonte eröffnen, die auch und vor allem hinter den Landschaften der „klassischen“ Werbung Sehnsuchtsorte aufschließen.

V(N)P」的南方方言至少包括閩語、客語、粵語、吳語、湘語等。此外,與客語
關係密切的粵北土話、畬語也使用這種句式。

[Unter den südlichen Dialekten wie Min, Hakka, Kantonesisch, Wu und Xiang ist das Satzmuster „V (N) P“ gebräuchlich. Darüber hinaus verwendet der mit dem Hakka eng verwandte nördliche Guangdong-Dialekt ebenfalls ein solches Satzmuster.]

verstärkende Konsequenz

57

2.22%

5

0.18%

Unterschiede zeigen sich jedoch in den Frequenzen. Auffallend sind vor allem höhere Anteile von elliptischen Strukturen und V2-Strukturen bei Nachfragen.

只是作者難以同意這個看法。一者,近代漢語助詞「也」的用法難以和上古漢語相提並論;再者,此例按文義是向皇帝請示應否禁止所指錢幣的通行,也不應該是表達否定的陳述句。

[Der Verfasser kann nur schwer mit dieser Sichtweise einverstanden sein. Da die Verwendung des Partikel Ye (‚auch‘) im modernen Chinesisch nicht mit der Verwendung im klassischen Chinesisch gleich zu setzen ist; insbesondere ist der Kontext entscheidend für die Interpretation, ob der Kaiser den Gebrauch von Münzen verbieten lassen sollte. Es handelt sich dabei nicht um eine negative Aussage.]

verweisende Konsequenz

22

0.86%

113

4.11%

Um die Bedeutungs- und Gebrauchskomponenten Nachzustand, Distanz und Aspektualität in

einer formfokussierten Steuerung von Perfekt und Präteritum zu vermitteln, bieten sich – was die Sprachrezeption betrifft – beispielsweise die Verfahren der Inputflut und des input enhancement an.

我們採人工方式判別詩歌的工整性,依據準則為:(1) 標點
符號。採用較大的段落標點符號,如:句號,將文本分成包含多短語的段落區塊;
(2) 短語長度。

[Ob die Poesie ordentlich und sauber ist, wird nach den folgenden Richtlinien entschieden: (1) Die Interpunktion. Die Zeichensetzung wird für größere Passagen eingesetzt, wie zum Beispiel: ein Punkt, der den Text in absatzweise mehrere Sätze unterteilt;
(2) die Länge des Satzes.]

Tabelle 5: Argumentative Konsequenzen im Deutschen und Chinesischen

Deutsche Texte: Erstaunlicherweise kommen beide Sprachen in der Kategorie ergänzende Konsequenz auf eine nahezu identische Anzahl an Diskursmarkern. Allerdings kommt die anreihende Konsequenz im Deutschen wenig vor. Daher kann man annehmen, dass die formale Eigenschaft der Argumentation im Deutschen auf der Textebene mehr der aspektuellen Verortung (ergänzende Konsequenz) dient.

Chinesischen Texte: Im Vergleich mit deutschen Texten neigen chinesische Texte mehr zu einer punktuellen Verortung (anreihende Konsequenz). Eine überdurchschnittliche Anzahl an Diskursmarkern lässt sich der Kategorie verweisende Konsequenz zuordnen. Dieser gravierende Unterschied bezeichnet die Eigenschaft der Argumentation im Chinesischen als vertikale Progression mit einer verweisenden Perspektive auf der Textebene.

Vergleich: Genau wie die Relationen auf der Satzebene, sind alle argumentativen Konsequenzen auf der Textebene für beide Sprachen relevant und vorhanden. Allerdings finden Sie unterschiedliche Gewichtung. Es lassen sich zwei Ergebnisse feststellen. Erstens orientiert sich das Chinesische mehr an der anreihenden Konsequenz, die eine Eigenschaft der punktuellen Orientierung besitzt, während dies im Deutschen nicht der Fall ist. Zweitens findet im Deutschen die verstärkende Konsequenz mehr Anwendung, während im Chinesischen die verweisende Konsequenz am häufigsten verwendet wird.


5 Fazit

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, liegt trotz zahlreicher kontrastiver Untersuchungen ein Vergleich der formalen Eigenschaften der Argumentation im Deutschen im Vergleich zum Chinesischen Sprachgebrauch bisher nicht vor. Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, anhand der konzeptuellen Kategorien – argumentative Relation und argumentative Konsequenz – die formalen Eigenschaften der Argumentation in den beiden Sprachen quantitativ zu erforschen. Die Ergebnisse werden nun im Folgenden zusammengestellt.

  1. Im Deutschen wird mehr Wert auf konditionelle Relationen gelegt, während im Chinesischen inferentielle Relationen häufiger Ausdruck finden.
  2. Im Deutschen finden in der Argumentation eher bedingungsbezeichnende und einschränkende Relationen Anwendung. Dagegen spielen diese Relationen im Chinesischen keine bedeutende Rolle.
  3. Das Chinesische orientiert sich mehr an der anreihenden Konsequenz, während dies im Deutschen nicht der Fall ist.
  4. Im Chinesischen findet die verweisende Konsequenz mehr Anwendung als im Deutschen. Dahingegen folgt das Deutsche der verstärkenden Konsequenz mehr als das Chinesische.

Durch die oben dargestellten Ergebnisse lassen sich einige Annahmen über die formalen Eigenschaften der Argumentation in den beiden Sprachen ableiten. Erstens, das Chinesische bevorzugt auf der Satzebene eine formale Eigenschaft mit einer vorwärtsblickenden Perspektive (inferentiell); das Deutsche hingegen eine zurückblickenden Perspektive (konditionell). Zweitens orientiert sich das Deutsche auf der Textebene mehr an einer aspektuellen Perspektive (ergänzende Konsequenz), das Chinesische hingegen eher an einer punktuellen Perspektive (anreihende Konsequenz). Drittens findet sich im Chinesischen auf der Textebene häufiger eine verweisende Perspektive (verweisende Konsequenz) und im Deutschen eher eine verstärkende Perspektive (verstärkende Konsequenz).

Die oben genannten Annahmen sollen in der Zukunft mit einer qualitativen Datenanalyse weiter überprüft werden. Es soll festgestellt werden, ob alle gekennzeichneten Stellen für die jeweiligen Kategorien zutreffend sind. Außerdem sollen mehr Texte in die Analyse miteinbezogen werden, um eine quantitativ legitimierte Analyse zu ermöglichen. Ob die Ergebnisse auch in der Forschung von Genreaspekten bzw. Fremdsprachendidaktik Anwendung finden können, wird Untersuchungsgegenstand zukünftiger Forschung sein.


Literaturverzeichnis

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Anmerkungen

1 Toulmin (1958: 88) spricht von einer dreigliedrige Struktur in der folgenden Argumentationskette:
Harry hat die britische Staatsangehörigkeit (claim).
Harry wurde auf den Bermudas geboren (data).
Wer auf den Bermudas geboren wurde, bekommt die britische Staatsangehörigkeit (warrant). zurück

2 Swan (2005: 18) definiert einen „Diskursmarker“ als ein Wort oder einen Ausdruck, der die Verbindung zwischen dem, was gesagt wird, und dem größeren Zusammenhang zeigt. Demnach ist ein Diskursmarker etwas, das entweder ein Satz mit Vorangegangenem oder Nachkommendem verbindet, oder aber die Haltung des Autors zum Gesagten aufzeigt. zurück

3 Zeichenerklärung: Die nacheinander folgenden Pfeile „→→→“ werden hier als lineare Struktur bezeichnet, wobei das Zeichen „•→“ auf eine punktuelle Perspektive und das Zeichen „♦→“ auf eine aspektuelle Perspektive hinweist. Ferner bedeutet der Kreis „ο“ eine erhaltende Struktur, indem das Zeichen „ο↑“ eine hervorhebende Perspektive und das Zeichen „ο↓“ für eine vertiefende Perspektive besitzt. zurück

4 Das Tool wurde von Laurence Anthony entwickelt (vgl. www.laurenceanthony.net/contact.html). zurück

5 Das deutsche Korpus besteht insgesamt aus 2,573 Sätzen, während das chinesische Korpus aus 2,749 Sätzen besteht. In den Tabellen wird immer die absolute Anzahl des Vorkommens und die relative Häufigkeit angegeben. Um die quantitativen Resultate zu illustrieren, werden je ein Beispiel aus dem Deutschen und dem Chinesischen unter der jeweiligen Subkategorie gegeben. zurück