Obwohl sich Phraseologie als linguistische Disziplin in den letzten Jahrzehnten etabliert hat (vgl. Burger 2003; Fleischer 1997; Jesenšek 2008; Palm 1997), findet sie schwer ihren Weg in den Fremdsprachenunterricht. In vielen sprachwissenschaftlichen Arbeiten, die sich mit Phraseologie beschäftigen, besteht Konsens darüber, dass Phraseologie als Lerngegenstand einen festen Platz im Fremdspracherwerb haben sollte (vgl. Hessky 1992; Jesenšek 2006a; Jesenšek 2006b; Kühn 1992), wenn man berücksichtigt, dass eine "phraseologische Redeweise ein Normalfall der geschriebenen und gesprochenen Sprachverwendung ist" (Jesenšek 2006a: 3). Diese Tatsache wird aber in der Schulpraxis (zumindest in Slowenien) wenig beachtet. Auch im Curriculum für Slowenisch als Muttersprache werden die phraseologischen Einheiten nur einmal sporadisch erwähnt (Curriculum für Slowenisch als Muttersprache für das Gymnasium 2008). Obwohl Phraseme den Sprachgebrauch konstituieren und einen wichtigen Teil der Lexik darstellen, werden phraseologische Phänomene in der Fremdsprachendidaktik weiterhin stark vernachlässigt. Auch das Vorurteil, dass Phraseologie in die späteren Phasen des Spracherwerbs gehört, wird durch empirische Untersuchungen widerlegt (vgl. Dürring 2000).
Der Umstand, dass Phraseologie im engeren Sinne in den Lehrwerken eher sporadisch als systematisch zum Gegenstand des Spracherwerbs gemacht wird (vgl. Anisimova 2002; Jesenšek 2006a), trägt dazu bei, dass diese auch von den Lehrkräften als etwas Überflüssiges angesehen wird.
Diese einleitend dargestellten Voraussetzungen lagen dem Projekt EPHRAS zugrunde und als Ergebnis entstand das Lernmaterial EPHRAS (als CD-ROM1 und Demoversion im Internet). Am Projekt waren 4 Länder mit folgenden Partner-Institutionen beteiligt: Universität Maribor (Slowenien) als Projekt-Koordinator, Karel-Franzens Universität Graz und Technische Universität Graz (Ă–sterreich), Universität Pécs (Ungarn) und Universität der hlg. Kyrill und Method in Trnava (Slowakei). Etliche wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Projekt EPHRAS (z. B. über die digitale Präsentation einer mehrsprachigen Phrasem-Datenbank und deren Struktur) werden im Nachfolgeprojekt SprichWort2 (mit dem Ziel den heutigen Sprichwort-Gebrauch in den Sprachen Deutsch, Slowakisch, Slowenisch, Tschechisch und Ungarisch mit modernen empirischen Methoden zu untersuchen) als Grundlage bei der Weiterentwicklung der elektronischen Lehr- und Lernmaterialien eingesetzt.
Das Programm wurde in der Schulpraxis anhand empirischer Untersuchungen getestet und bewertet. Die Ergebnisse lassen erahnen, dass mit EPHRAS auf eine interessante und effektvolle Weise Phraseologie gelernt und gelehrt werden kann. EPHRAS kann aber zugleich als Grundlage für den Einsatz weiterer IKT-Möglichkeiten (wie WEB 2.0, Lernplattformen, interaktive Whiteboards u. Ä.) dienen und somit den Phraseologieunterricht zeitgemäß machen.
EPHRAS ist ein phraseodidaktisches Lern- und Lehrkonzept auf CD-ROM zur Vermittlung der Phraseme im Fremdsprachenunterricht, das im Rahmen des EU-Projekts EPHRAS (von Oktober 2004 bis September 2006) entstand und dessen Ziel es war, "die notwendigen theoretischen Grundlagen für die Konzipierung einer mehrsprachigen phraseologischen Datenbank zu schaffen und sie bei der Erstellung einer konkreten Datenbank anzuwenden" (Jesenšek 2008: 113).
Das Programm EPHRAS enthält eine viersprachige Phrasem-Datenbank mit über 4000 Phrasemen. Die Ausgangssprache Deutsch wird mit den slowenischen, slowakischen und ungarischen Phrasemen bzw. äquivalenten Wortschatzeinheiten verglichen. EPHRAS wurde für unterschiedliche Zielgruppen konzipiert: Fremdsprachenlerner (Niveaustufe B1–C1 mit Deutsch als Fremdsprache), Fremdsprachendidaktiker, Lernmaterialienentwickler und für alle, die an Phraseologie interessiert sind (vgl. EPHRAS 2006).
Es ist wichtig zu betonen, dass in die EPHRAS-Datenbank Phraseme aufgenommen worden sind, die anhand der empirischen Untersuchungen von Šajánková (2005) eine hohe Bekanntheit und Gebräuchlichkeit im deutschen Sprachraum aufweisen. Das bedeutet, dass die EPHRAS-Phrasemauswahl zu den grundlegenden Wortschatzbereichen gehört, die beim Fremdsprachenlernen wichtig sind.
Dabei wurden auch die anderen didaktischen und linguistischen Aspekte nicht vergessen:
– | onomasiologische Zuordnung der Phraseme, |
– | kontextbezogene Vermittlung der Phraseme, |
– | effektive Abfolge der didaktischen Schritte, |
– | linguistische Merkmale der Phraseme, |
– | Muttersprache des Lerners, |
– | Lernautonomie und |
– | abwechslungsreiche Übungstypologie (vgl. Hallsteinsdóttir/Šajánková/Quasthoff 2006). |
Die Phraseme werden nach verschiedenen linguistischen Kriterien beschrieben: Angabe des Phrasems, Bedeutung, Grammatik, lexikalisches Umfeld, Stil, Pragmatik, Metalexeme, Äquivalente. Zu jedem Phrasem wird unter dem Beschreibungsparameter Textbeispiele die Verwendung des Phrasems im Kontext angegeben, vgl. Abbildung 1:
Abb. 1: Linguistische Beschreibung der Phraseme im deutschen Teil der EPHRAS-Datenbank (EPHRAS 2006)
Es folgen 600 interaktive Übungen zu den ausgewählten Phrasemen in den vier Sprachen, die je nach Sprachniveau des Europäischen Referenzrahmens für Sprachen differenziert werden: B1 bis B2, B2 bis C1, C1 bis C2.
Die so ausgewählten 95 Phraseme gehören zu 19 semantischen Feldern, d. h., bei jedem Oberbegriff werden fünf Phraseme gelernt, die semantisch zusammenhängen, z. B.: im Stich lassen → Metalexem → Schwierige Lage.
Abb. 2: Onomasiologische Anordnung und Struktur der Übungen in der EPHRAS-Datenbank (EPHRAS 2006)
Die Übungstypologie ist "an die Erfordernisse der Vermittlung der Phraseologie und an die E-Learning-Umgebung angepasst" (EPHRAS 2006: 5). Der phraseodidaktische Dreischritt "entdecken – entschlüsseln – verwenden" (vgl. hierzu Kühn 1992) wurde durch die zusätzliche Phase des Festigens ergänzt. Das didaktische Lernkonzept besteht demzufolge aus vier Lernstufen:
1. | Phraseme erkennen, |
2. | Phraseme entschlüsseln, |
3. | Phraseme festigen, |
4. | Phraseme verwenden. |
5. | In der Testphase wurde zudem eine Evaluierungsphase hinzugefügt (vgl. Abschnitt 2.2) |
Das EPHRAS-Lernmaterial ist als Hypertext organisiert und so verlinkt, dass die Informationen zu Phrasemen auch zwischen den Sprachen leicht zugänglich sind, was das Lernen der Phraseologie erleichtert bzw. EPHRAS als benutzerfreundliches Lernmaterial ausmacht, denn eine der wichtigsten Anforderungen für eine elektronische Datenbank ist der Grad der hypertextuellen Datenverlinkung, um den maximal effizienten Zugang zu allen Daten zu garantieren (Ďurčo 2007: 175).
Immer mehr Lehrkräfte, die in verschiedenen Bildungsanstalten unterrichten, haben mit Schülern zu tun, die sich den Alltag ohne neuere Medien nicht mehr vorstellen können. Es ist daher sinnvoll, ihr Interesse an Informations- und Kommunikationstechnologie im Unterricht auszunutzen.3
Die Fragen, die man sich als Fremdsprachenlehrer vor dem Einsatz von EPHRAS stellen könnte, sind:
– | Wie reagieren die Lerner auf die Möglichkeit Phraseme computergestützt zu erlernen? |
– | Wie erfolgreich werden sie dabei sein? |
– | Was passiert mit leistungsschwächeren Schülern? |
– | Welche Übungstypologie und Lernstufe bevorzugen die Benutzer und warum? |
Um auf diese Fragen Antworten zu bekommen, wurde EPHRAS drei Jahre lang sowohl im Präsenzunterricht als auch im Fernunterricht eingeführt und verwendet. Teilgenommen haben Schüler (zwischen 15 und 19 Jahren) der Mittelschule für Elektrotechnik und Informatik in Maribor.
Die EPHRAS CD-ROM wurde von jeweils 12 bis 15 Lernern im Computerraum getestet. Das E-Lernen dauerte meistens zwei Unterrichtsstunden (90 Minuten). Die Zeit, die zur Verfügung stand, diente auch dazu, sich zuerst mit dem Programm vertraut zu machen. Danach bekamen die Schüler die Anweisung, ein bestimmtes semantisches Feld zu bearbeiten. Um die Sprachreflexion der Schüler zu stimulieren, bearbeiteten sie einen Fragebogen, in dem nach folgenden Informationen gefragt wurde: Zeitaufwand der jeweiligen Lernphase (Erkennen & Entschlüsseln, Festigen, Verwenden), Auswahl der Lieblingsphase, Lernerfolg beim Lösen der einzelnen Übungen, Bewertung der Übungstypologie, die Niederschrift der gelernten deutschen Phraseme und der slowenischen Äquivalente, das "leichteste" Phrasem, die Hilfeleistung der Übungen und der Kommentar zum Programm EPHRAS.
Wenn aber kein Computerraum zur Verfügung stand, wo die Schüler individuell am Computer arbeiten konnten, ergaben sich sinnvolle Alternativen Phraseologie zu lernen:
Die Verwendung eines interaktiven Whiteboards im Frontalunterricht, wo man EPHRAS einsetzen konnte, indem Schüler zur Tafel kamen und die interaktiven Übungen lösten, die fast keine schriftliche Aktivität forderten (Phraseme erkennen, Memory Spiel, Zuordnungsübungen usw.).
Das Programm EPHRAS öffnete aber auch weitere Möglichkeiten der Verwendung sowohl im Präsenz- als auch im Fernunterricht. Die EPHRAS-Datenbank diente als Quelle für die Phrasemauswahl (und Lernschritte), die man als Lehrer in ein curriculares Thema integrieren könnte. Im vorgestellten Beispiel setzten sich die Schüler des 4. Jahrgangs (Deutsch als die zweite Fremdsprache) mit dem Themenbereich Körper und Gesundheit auseinander und lernten fünf Somatismen mit der Unterstützung vom interaktiven Whiteboard. Sie erkannten sie zuerst die Phraseme in den Kontexten (Abb. 3), entschlüsselten die Bedeutung und kontrollierten ihre Lösungsvorschläge (Abb. 4), bildeten Sätze (Satzsalat) und ergänzten die unvollständigen Texte mit den ausgewählten Phrasemen. Die Lösungen jeder Übung konnten die Schüler am Ende interaktiv überprüfen (im Voraus aufgenommene Lösungsvorschläge).
Abb. 3: Phraseme erkennen und entschlüsseln mit Unterstützung von interaktiven Whiteboards
Abb. 4: Wie heißen die slowenischen Äquivalente? Kontrolle
Um das Gelernte zu festigen bzw. zu wiederholen wurden weitere Übungen in der virtuellen Lernplattform Moodle zu Verfügung gestellt. Die Lerner mussten mithilfe der EPHRAS-Datenbank weitere Informationen zu Phrasemen suchen (z. B. slowenische Äquivalente ergänzen, das Bildmaterial mit Phrasemen verbinden, Sätze vervollständigen und die Texte, in denen Phraseme sinnvoll und korrekt verwendet werden, markieren) und anschließend die gelösten Übungen hochladen (Abb. 5):
Abb. 5: Die virtuelle Lernplattform mit dem Arbeitsblatt
Das Vermitteln der fremdsprachigen Phraseologie im Fernunterricht kann in verschiedenen virtuellen Umgebungen verlaufen, der Schwierigkeitsgrad der Übungen bzw. das Lernkonzept sollte aber mit den Fremdsprachenkenntnissen der Zielgruppe korrelieren. So haben sich die Schüler des 4. Jahrgangs des technischen Gymnasiums (diesmal mit Deutsch als die erste Fremdsprache) im Rahmen des Curriculums mit dem Thema Liebe auseinandergesetzt. Als eine gute Ergänzung bot sich die Bearbeitung des semantischen Feldes Beziehungen an, aus dem sie im Präsenzunterricht einige Übungen aus den Lernphasen Erkennen & Entschlüsseln und Festigen selbständig gelöst haben. Zuerst mussten sie fünf Phraseme in fünf Texten erkennen und ihre Bedeutung entschlüsseln. Danach folgte die Festigungsphase, in der man die passenden Teile der Phraseme zusammen ziehen, einen Text ergänzen, fehlenden Buchstaben einsetzen und die phraseologische bzw. wörtliche Bedeutung markieren musste.
Abb. 6: Die Übungen im semantischen Feld Beziehungen
Im Anschluss an die Bearbeitung im Präsenzunterricht erfolgte der Lernschritt das Verwenden der Phraseme im Fernunterricht: die Schüler sollten die fünf phraseologischen Einheiten in einer kurzen Liebesgeschichte in ihrem Klassenblog verwenden.
Abb. 7: Die Aufgabe im Blog4
Das Arbeitsergebnis eines Schülers (unkorrigiert):
Obwohl der Schülerbeitrag viele Sprachfehler (vor allem Rechtschreibfehler) enthält, lässt die Geschichte erahnen, dass der Schüler die Phraseme korrekt und adäquat verwenden kann, er versucht sie sogar zu modifizieren.
Bei den vorgestellten Beispielen aus der Schulpraxis geht es um die Darstellung des Potenzials, was sich über das Programm eröffnet, es geht um die Möglichkeit Phraseologie auch außerhalb der Schulwände in verschiedenen virtuellen Lernräumen oder mit der Demoversion des Programms5 autonom zu lernen.
EPHRAS wurde für verschiedene Zielgruppen mit fortgeschrittenen fremdsprachlichen Kenntnissen erstellt, jedoch vorrangig für die Niveaustufen B1 bis C1. Es hat sich herausgestellt, dass für manche Fremdsprachenlerner, vor allem die Niveaustufen A1 und A2, die einzelnen Lernschritte im EPHRAS zeitaufwendiger und manchmal nur zu einem gewissen Grad lösbar sind. Dies heißt aber nicht, dass die schwächeren Lerner die Flinte ins Korn werfen. Sie ziehen die zusätzlichen Informationen zu Phrasemen aus der EPHRAS-Datenbank heran, d. h. sie nehmen öfters die Hilfe, die eine hypertextuelle Struktur und Datenverlinkung ermöglicht, in Anspruch und versuchen die geübten Phraseme zumindest rezeptiv aufzunehmen. Es ist dabei keineswegs realistisch zu erwarten, dass alle Fremdsprachenlerner alle in den Übungen stehenden Phraseme auch aktiv bzw. produktiv lernen werden, was auch Lüger (1997) in seinen Anregungen zur Phraseodidaktik betont.
Die ersten zwei Lernstufen (Erkennen & Entschlüsseln) verlangen von den Schülern, dass sie in fünf verschiedenen Texten fünf Phraseme erkennen und ihre Bedeutung auf Deutsch schreiben. Dies ist für viele Schüler, vor allem für die Niveaustufen A1 und A2, zu anspruchsvoll. Sie haben Probleme mit dem Textverständnis, mit der Formulierung und Rechtschreibung der deutschen Sätze. Die letzte Phase (Verwenden) ist von den Lernzielen her die anspruchsvollste und stellt vor allem für die Benutzer der Niveaustufen A1 und A2 eine harte Nuss dar, die von den meisten nicht zu knacken ist. Es überrascht nicht, dass 66 % der Schüler (35 von 53) angab, dass die Lernstufe 4 (Verwenden) die meisten Probleme verursachte. Die Übungstypologie dieser Lernstufe mit sehr verschiedenartigen Übungsformen erreicht das Niveau von B2 bis C1 bzw. C1 bis C2 und fördert die aktive Anwendung der gelernten Phraseme im Kontext.
Die Analyse der Schülermeinungen zeigt, dass die beliebteste Lernstufe bei allen Testpersonen die Phase des Festigens ist. Die Testpersonen begründen ihre Entscheidung vor allem mit der abwechslungsreichen und interessanten Übungstypologie (mit dem Memory-Spiel als die beliebteste Übung), die nicht zu viel Schreiben verlangt. Die Schüler waren der Meinung, sie erbrachten die besten Resultate in der Phase des Festigens.
Um zu überprüfen, wie genau die Schüler die deutschen Phraseme und die slowenischen Äquivalente gelernt haben, wurden 53 in Moodle abgegebene Übungen bewertet. Die Schüler bekamen die Aufgabe die Nennform der gelernten deutschen Phraseme und deren slowenische Äquivalente aus dem semantischen Feld Angst-Sorge-Freude-Trauer zu notieren:
– | wie angewurzelt dastehen | – | slow. stati kot pribit, |
– | eine Gänsehaut bekommen | – | slow. dobiti kurjo polt, |
– | ganz aus dem Häuschen sein | – | slow. biti ves iz sebe, |
– | am Boden zerstört sein | – | slow. biti na tleh, |
– | den Kopf hängen lassen | – | slow. povesiti glavo, odnehati z nekim opravilom, se vdati, vreči puško v koruzo. |
Man hätte erwartet, dass hier das Niveau der Deutschkenntnisse eine wesentliche Rolle spielt bzw. dass die Schüler mit fortgeschrittenen Deutschkenntnissen (B1 und B2) eine wesentlich bessere Leistung erbringen, was aber die Auswertung der Übungen nicht bestätigt (Abb. 9).
Abb. 8: Die richtige Angabe der geübten dt. Phraseme und deren slowenischer Äquivalente in Verbindung mit den Niveaustufen der Fremdsprachenkenntnisse (A1 bis B2) der Lernenden
Das ist ein Beweis dafür, dass mit EPHRAS auch Lerner mit schwächeren Fremdsprachenkenntnissen erfolgreich arbeiten können, wenn die Schritte des Wortschatzerwerbs berücksichtigt werden (vgl. Kacjan 2007: 50f.). Fortgeschrittene Lerner überschätzen manchmal ihr tatsächliches Wissen und sind daher der Meinung, dass keine Hilfestellung notwendig bzw. das Nachschlagen in der EPHRAS-Datenbank überflüssig sei.
Die Schüler sind der Meinung, dass durch die verschiedenartige und interessante Übungstypologie die bereits vertrauten Phraseme leichter und schneller einzuprägen sind. Diese Tatsache bestätigt das didaktische Prinzip bei der Vermittlung der Phraseologie, das EPHRAS berücksichtigt: Eine abwechslungsreiche und außergewöhnliche Übungstypologie ist ausschlaggebend für die Einprägsamkeit von Informationen bzw. Phrasemen, die dadurch auf verschiedene Weise im Gedächtnis vernetzt werden und damit besser abrufbar sind (vgl. Šajánková 2007b).
Unter den Übungstypen sind die Übungen mit Bildmaterial besonders beliebt und attraktiv. Obwohl Kühn (1992) vor visuellen Bedeutungserklärungen bzw. vor der Entschlüsselung über das Bild warnt, kann das Vorliegen von Bildhaftigkeit - wo das möglich ist - auch als Behaltenshilfe dienen (vgl. dazu Lüger 1997). Es ist dabei wichtig zu betonen, dass Übungen mit Bildern erst im zweiten Lernschritt, d. h. beim Festigen, eingeführt werden, um eventuellen Fehldeutungen auszuweichen.
Die Übungen, die mehr schriftliche Aktivität verlangen (z. B. fehlende Buchstaben ergänzen, Übersetzung bzw. Äquivalente finden), werden von den Jugendlichen eher kritisch beurteilt.
Das phraseologische Lernmaterial EPHRAS stellt eine Möglichkeit vor, deutsche Phraseme computergestützt zu lernen und lehren mit dem Ziel, bei den Schülern Interesse für die fremdsprachliche Phraseologie zu wecken und eine positive Einstellung gegenüber phraseologischen Phänomenen zu erhalten.
Die Arbeit mit EPHRAS im Fremdsprachenunterricht zeigte, dass die Schüler sehr motiviert und positiv gegenüber dem E-Lernen von Phraseologie eingestellt waren. Sie bezeichneten diese Art und Weise des Lernens als eine Abwechslung und Bereicherung des traditionellen Unterrichts.
Der Mehrwert des Programms erwies sich vor allem in der Möglichkeit, dass Lerner mit unterschiedlichen Fremdsprachenkenntnissen mitmachen konnten, weil EPHRAS sprachniveaudifferenzierte Übungen anbietet. Der hohe Anteil an korrekt gelösten Übungen lässt erahnen, dass in der Lernphase Festigen die leistungsschwächeren Schüler (Niveaustufe A1 und A2) mit den höheren Niveaustufen Schritt halten konnten. Dies lässt sich dadurch erklären, dass sie fehlendes Sprachwissen durch die in der EPHRAS-Datenbank enthaltenen zusätzlichen Informationen zu Phrasemen kompensieren können. Erst der Lernschritt Festigen, der eine aktive phraseologische Kompetenz fordert, zeigte, dass die Lerner mit fortgeschrittenen Deutschkenntnissen imstande waren, die Übungen evident erfolgreicher zu lösen.
Die abwechslungsreiche Übungstypologie und Interaktivität der Übungen mit Feedback bedeutete für die Schüler zusätzliche Motivation, wobei die Analyse der Resultate zeigte, dass die Übungen mit Bildmaterial (z. B. Memory Spiel) besonders beliebt waren, im Gegensatz zu den Aufgaben, die mehr Schreiben verlangen (z. B. Fehlende Buchstaben ergänzen, Die Bedeutung des Phrasems entschlüsseln usw.).
Am Ende soll betont werden, dass EPHRAS vor allem als Ausgangspunkt bzw. Ideenquelle für den weiteren Einsatz der fremdsprachlichen Phraseologie in den Unterricht dienen sollte. Die vorbereiteten E-Materialen können mit Unterstützung von anderen IKT-Möglichkeiten (wie z. B. WEB 2.0, Lernplattformen, interaktive Whiteboards usw.) den verschiedenen Zielgruppen angepasst werden und das autonome Lernen der Phraseologie möglich machen.
Phraseme mit EPHRAS computergestützt zu lehren und lernen ist ein Beispiel dafür, wie man den bisher unterrepräsentierten Status der Phraseologie im Fremdsprachenunterricht überwinden könnte. Dass dies im Einklang mit den Veränderungen geschieht, die die Ära der Medien auch in den Fremdsprachenunterricht mitbringt, ist ein zusätzlicher Gewinn für das Fremdsprachenlernen und -lehren.
1 Neben einer Demo-Version (demo.ephras.org, Stand 6. November 2010) kann die CD-ROM von EPHRAS auch bei den Projekt-Partnern (ephras.org/02-1-Uebersicht.php, Stand 6. November 2010) frei angefordet werden. zurück
2 Alle Informationen zu "SprichWort" finden Sie auf der Projekt-Homepage (www.sprichwort-plattform.org, Stand 6. November 2010). zurück
3 Studien zum Umgang von 10- bis 15-Jährigen mit Medien für Slowenien im Jahr 2007 zeigen (Statistični urad RS, www.stat.si/novica_prikazi.aspx?ID=1185, Stand 6. November 2010), dass 99 Prozent der Jugendlichen täglich den Computer benutzen, die Nutzungsfrequenz fürs Internet liegt bei 90 Prozent. Es überrascht nicht, dass die Haushalte mit Kindern viel besser mit den neuen Medien ausgestattet sind, als Haushalte ohne Kinder. Ähnliche Trends und Entwicklungen auf diesem Gebiet zeigt auch die JIM-Studie 2009 für Deutschland (vgl. http://mpfs-neu.de.server422-han.de-nserver.de/index.php?id=164, Stand 6. November 2010). zurück
4 Das Blog ist erreichbar unter sers-4cg.blogspot.com (Stand 26. 5. 2010). zurück
5 demo.ephras.org/ (Stand 6. November 2010). zurück
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Curriculum für Slowenisch als Muttersprache für das Gymnasium (2008). portal.mss.edus.si/msswww/programi2008/programi/media/pdf/un_gimnazija/un_slovenscina_gimn, Stand 20. Juni 2008.
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