Sprache und Gewalt

Aneta Stojić (Rijeka)

http://dx.doi.org/10.13092/lo.82.3711


 

Vorwort zum Themenheft

Das vorliegende Themenheft Sprache und Gewalt ist das Resultat der gleichnamigen Tagung, die im November 2015 in Organisation der Österreich-Bibliothek Rijeka und in Kooperation mit der Universität Wien, der Freien Universität Berlin und der Universität Rijeka an der Abteilung für Germanistik der Philosophischen Fakultät Rijeka stattgefunden hat. Es versammelt sieben Beiträge, die aus unterschiedlichen Perspektiven das Verhältnis zwischen Sprache und Gewalt behandeln.

Im ersten Beitrag erörtert Gerald Posselt das Thema in Verbindung mit Hassrede, davon ausgehend, dass nicht nur Sprache und Rede eine grundlegende gewaltsame Dimension beinhalten, sondern dass auch brutale Verbrechen als eine Art von Sprechen rekonstruiert werden müssen, um ihre destruktive und verheerende Kraft verstehen zu können. Der zugrundeliegende Ansatz basiert auf der These, dass es weder möglich ist, ein angemessenes Verständnis von Rede und Sprache zu erlangen, ohne ihre gewalttätige Kraft zu berücksichtigen, noch zwischenmenschliche Gewalt zu verstehen, ohne ihre sprachliche Dimension in Betracht zu ziehen.

Oksana Havryliv beschreibt die interaktionale Seite und unterschiedliche Funktionen verbaler Aggression, wobei der Erforschung von Wahrnehmung und Reaktionen der Kommunizierenden eine vorrangige Rolle zukommt. Die empirische Grundlage dieses Beitrages bilden schriftliche und mündliche Befragungen von Wienerinnen und Wienern, die die Autorin im Rahmen zweier aktueller Forschungsprojekte durchgeführt hat. Anhand dieser Untersuchung möchte die Autorin zeigen, dass für die verbale Aggression nicht die beleidigende Intention, sondern die des Emotionsabbaus ausschlaggebend ist.

Im Mittelpunkt des Beitrages von Nenad Miščević steht die semantische Betrachtung der Pejorative aus sprachphilosophischer Sicht. Pejorative werden als Ausdruck von Unhöflichkeit und Grobheit verstanden und deshalb mit der (Un)Höflichtkeitstheorie in Verbindung gebracht. Es wird argumentiert, dass Aussagen, in denen Pejorative verwendet werden, auf wahr oder falsch überprüft werden müssen, was mögliche Referenzlosigkeit zur Folge haben kann. Auf diese Frage bietet der Autor eine prinzipielle Lösung an: die Hypothese der hybrid negative social kind terms.

Der Beitrag von Aneta Stojić und Marija Brala-Vukanović beschäftigt sich ebenfalls mit Pejorativen und mit der negativen Bewertung, die sie ausdrücken. Davon ausgehend, dass die Untersuchung der negativen Bewertung einen Einblick in die menschliche Natur bietet, wird der Prozess der negativen Bewertung (die Pejorisierung) sowie das Ergebnis dieses Prozesses (Pejorative selbst) vom traditionellen und kognitionslinguistischen Standpunkt aus analysiert. Die Autorinnen stützen dabei auf bisherige Untersuchungen sowie auf ein Korpus, das sich auf Personenbezeichnungen im Deutschen bezieht. Um festzustellen, ob die lexikalische Pejoration ein fest verankertes Konzept ist, wurde das exzerpierte Korpus ebenfalls einem kontrastiven Vergleich mit dem Englischen unterzogen.

Im Fokus des Beitrages von Alexa Mathias stehen Metaphern als sprachliche Repräsentationen symbolischer Gewalt und ihre argumentative Funktion in der gruppenspezifischen gesellschaftlichen Praxis. Unter Einbeziehung einer korpuslinguistischen Studie, die Texte rechtsextremistischer Autoren und Mitglieder einer populistischen Bewegung enthält, wird gezeigt, wie die Sprecher dieser Gruppen Outgroups als nichtmenschliche Entitäten konzeptualisieren und sich als solche sprachlich auf sie beziehen.

Der Beitrag von Nikolina Palašić zeigt, wie Sprache verwendet werden kann, um feindliche Bilder zu konstruieren und wie auf der Grundlage dieser Bilder verbale und körperliche Gewalt entstehen können. Am Beispiel einer Situation in Kroatien (2013), die die Autorin als Anti-Gay-Kampagne beschreibt, wird mithilfe von Aussagen und Bildern, die in den Medien und der breiten Öffentlichkeit verwendet wurden, versucht, den Ursprung solcher verbalen Ausdrücke und Bilder zu erklären und zu zeigen, wie sie hinsichtlich des kroatischen sozialen Kontextes interpretiert werden können.

Anita Pavić Pintarić beschäftigt sich in ihrem Beitrag mit der Übersetzung der pejorativen Personenbezeichnungen, die als Ausdrücke der emotiven Funktion der Sprache in einem literarischen Werk betrachtet werden. Am Beispiel der Novellensammlung Hrvatski bog Mars (Der kroatische Gott Mars) von Miroslav Krleža untersucht die Autorin die emotionale Einbettung von Schimpfwörtern, ihren metaphorischen Charakter und die Strategien der Übersetzung aus dem Kroatischen in die deutsche Sprache.

An dieser Stelle möchte ich allen Beiträgerinnen und Beiträgern herzlich für ihre große Arbeit danken. Außerdem danke ich den Gutachterinnen und Gutachtern für Ihre Hilfe bei der obligatorischen Bewertung der eingereichten Manuskripte.