Gewalt der Sprache: Lexikalische Abwertung als (Ab)Bild einer Sprachgemeinschaft

Aneta Stojić und Marija Brala-Vukanović (Rijeka)

http://dx.doi.org/10.13092/lo.82.3715


 

1 Einleitung

Sprache ist ohne Zweifel unser wichtigstes Kommunikationsmittel. Wir beziehen uns mit ihr auf die Welt, tauschen unsere Gedanken aus, äußern Wünsche, vermitteln Informationen, stellen sozialen Kontakt her und reifen kognitiv. Dabei wird unsere Umwelt nicht nur mittels Sprache benannt, wir „erschaffen“ auch unsere Welt mit Sprache. Denn sprachliche Äußerungen aktivieren und konstruieren spezifische und größtenteils subjektive Konzeptualisierungen1 über die Welt, über Menschen und Menschengruppen (Schwarz-Friesel 2013: 145). Somit wird auch die Zugehörigkeit einer Gemeinschaft durch sprachliche Benennungen sozial relevant und auf diese Weise zu interaktiv hergestellter und erlebter Realität. Dies geschieht in einem kontinuierlichen Prozess von Selbst- und Fremdzuschreibung (Hornscheidt 2006: 1). Die oben genannten Kategorisierungen finden sich oft in Formen von Lexemen ausgedrückt. Dabei hat jedes Wort qua Bedeutung das persuasive Potenzial, das Referenzobjekt (belebt oder unbelebt) auf eine bestimmte Art und Weise zu klassifizieren und damit zugleich negativ oder positiv zu bewerten (Schwarz-Friesel 2008: 113). Im Kontext von negativer Bewertung spricht man im Bereich der lexikalischen Semantik von Pejoration. Diese ist nach Stern (1964: 411) viel mehr mit Emotionen verbunden als die positive Bewertung bzw. Melioration, weil die Ursachen, die zur pejorativen Extension führen, in einer Situation entstehen, in der der Sprachbenutzer eine Charakteristik des Referenten als nachteilig, verächtlich oder lächerlich empfindet. Es handelt sich somit um eine qualitative Bewertung durch den Sprecher (Nübling et al. 2008: 116). Diese bezieht sich auf Werte, die außersprachlich begründet sind, sich jedoch in der Semantik der Sprache reflektieren.

Laut Aman (1972: 164) lässt sich aus der Erforschung der negativen Bewertungen Vieles über die menschliche Natur ableiten. In diesem Beitrag sollen dieser Prozess (die Pejoration) sowie das Resultat dieses Prozesses (das Pejorativ) näher beleuchtet werden. Dabei stützen wir uns auf bisherige Untersuchungen sowie auf ein Korpus, das aus einschlägiger Fachliteratur und Handbüchern exzerpiert wurde. Es bezieht sich auf Personenbezeichnungen im Deutschen, die in den analysierten Wörterbüchern als abwertend, derb, vulgär bezeichnet sind.2 Um festzustellen, ob die lexikalische Pejoration ein fest verankertes Konzept ist, wurde das exzerpierte Korpus ebenfalls einem kontrastiven Vergleich mit dem Englischen unterzogen.


2 Lexematische Kodierung von Pejorativen

Pejoration kann durch abwertende Prädikation oder durch lexikalische Spezifizierung ausgedrückt werden. Nach Rehbock (2000: 515) ist ein Pejorativ eine abwertende Bezeichnung allgemein und Gegenstand von Wortschatzuntersuchungen und Wortbildung. Diese ist vor allem auf der lexikalischen Ebene verankert.3 Um den Prozess der lexematischen Kodierung besser verstehen zu können, wird zunächst die morphematische und daraufhin die semantische Ebene der Pejorative betrachtet.

2.1 Morphematische Ebene

Betrachtet man die sprachlichen Mittel, die zur Pejoration führen, so erfolgt diese hauptsächlich durch innersprachliche Motivation, wobei sowohl die morphematische als auch semantische Motivation produktiv ist. Bei der morphematischen Motivation handelt es sich insbesondere um Suffixe und Suffixoide, mittels derer Wörter einen negativen Gehalt bekommen. Im Deutschen dienen zur pejorativen Suffigierung vornehmlich die Suffixe -ler wie in Versöhnler, Abweichler und -ling inFeigling, Mischling, oder Präfix und Suffix wie in Gesinge, Gejammere usw. (Meibauer 2013). Beispiele des Englischen umfassen die Suffixe: -ard4 (coward, drunkard), -tard (conspiratard, retard), -ster (hipster, oldster), -rel (mongrel, wastrel), -er ( stoner, goner, birther). Das Englische gebraucht auch aus Adjektiven oder Verben abgeleitete Substantive zur Pejoration von Personenbezeichnungen, so beispielsweise filth in der Bedeutung von ‚Person, die keinen Respekt verdient‘ oder blister in der Bedeutung von ‚nervige Person‘.

Eine weitere produktive Wortbildungsmethode zur Gewinnung von Pejorativen im Deutschen bietet die Komposition (beispielsweise Zusammensetzungen mit Scheiß-, Mist-, Sau-, Drecks- usw.). Die semantische Analyse von Leuschner und Wante (2009: 59) ergab dabei folgende Kategorien des Basislexems: 1. Titel, Bezeichnungen einer hohen sozialen Stellung im weiteren Sinne, z. B. -baron (Drogenbaron), -papst (Literaturpapst), Eigennamen, z. B. -fritz (Versicherungsfritze), -hans (Schmalhans), -heini (Werbeheini), -liese (Meckerliese), -peter ( Grinsepeter), -suse (Heulsuse), Tierbezeichnungen, z. B. -fink (Schmutzfink), -hai (Immobilienhai), -hase (Angsthase), -hund (Schweinehund, Schmusehund), -schwein (Drecksschwein, Kapitalistenschwein), -vieh (Mistvieh, Stimmvieh), Körperteilbezeichnungen, z. B. -kopf ( Dummkopf), -nase (Rotznase) sowie eine Sonderkategorie, z. B. -bolzen (Intelligenzbolzen), -sack (Drecksack, Geldsack). Die Autoren bemerken, dass es in diachronischer Hinsicht durch das „Nachrücken” freier Lexeme in die Suffixoidfunktion gelegentlich zum Nebeneinander jüngerer Suffixoide mit älteren Suffixen kommt, z. B. mit deonymischem Suffixoid bei Nörgelfritze (mit Suffixoid -fritze) neben Nörgler (mit Suffix -er). In morphematischer Hinsicht ist ebenfalls bemerkenswert, dass einige der oben genannten Suffixoide, insbesondere das deonymische –heini, reihenbildend sind und immer pejorativ konnotiert sind, z. B. Musikheini, Sportheini, Malheini etc. Diese negativen Bedeutungen können laut Nübling et al. (2012: 77 Fußnote) durch ihre Häufigkeit erklärt werden: Sie waren in ihrer Monoreferenz so stark beeinträchtigt, dass sie durch ihren inflationären Gebrauch als Appelative reanalysiert wurden, wobei hier das Sem der Durchschnittlichkeit bzw. Gewöhnlichkeit extrahiert und generalisiert wurde. Oft waren es Namen niedriger Gesellschaftsschichten (Kurzformen). Sánchez Hernández (2009) weist darauf hin, dass Suffixoide, die als Basislexem einen Eigennamen haben, ihre spezifische Suffixoidfunktion bzw. -bedeutung nicht nur im Rahmen von Komposita haben: Sie kommen vielmehr auch als freie, oft pejorativ konnotierte Appellativa vor und haben dann eine Funktion bzw. Bedeutung, die mehr an Suffixoide als an die zu Grunde liegenden Eigennamen erinnert (ein blöder Heini, der Fritze von nebenan). Die Studie von Leuschner und Wante (2009: 67f) zeigt, dass personale Suffixoide vor allem zwei Funktionen haben: sie dienen zur (oft pejorativen) Kennzeichnung des Referenten im Hinblick auf eine typische Eigenschaft oder Tätigkeit (cf. hierzu auch Havryliv 2003) oder um den Referenten im Hinblick auf seine hohe oder führende soziale Stellung im weitesten Sinne zu kennzeichnen (in Bezug auf Beruf, Wirtschaftsbranche, legalen oder illegalen Handel, Sportarten usw.).

Zusammensetzungen im Englischen kommen insbesondere mit dem Suffixoid -head vor: dunderhead, bonehead, thick-head, blockhead, pinhead, meathead, loggerhead. Ebenfalls produktiv sind Zusammensetzungen mit ass als Präfixoid ( ass-kisser, asshole) oder Suffixoid (shitass), sowie Zusammensetzungen mit wit als Suffixoid: dimwit, nitwit, half-wit. Auch Eigennamen kommen als pejoratives Präfixoid vor, insbesondere jack wie in jackass. Die Pejoration des Eigennamen Jack geht etymologisch ebenfalls wie die deutschen pejorativen Eigennamen auf das Hinzufügen des Sems Durchschnittlichkeit (‚any common fellow‘) zurück, was im Mittelenglischen stattgefunden hat. Dies wurde mit der Bedeutung‚ various appliances which do the work of common servants‘ erweitert.

Neben morphematischen Motivationen kommt es zusätzlich zu metaphorischen Verschiebungen, die der Pejoration dienen. So bezeichnet das Basislexem Papst eine ganz bestimmte männliche Autoritätsperson an der Spitze der katholischen Kirche, das Suffixoid -papst (bzw. in weiblicher Form -päpstin) aber irgendeine Person, die eine besondere Autorität auf einem bestimmten Sach- oder Wissensgebiet ausübt; entsprechend nimmt z. B. ein Baron auf Grund eines Adelstitels einen hohen Rang in der Adelshierarchie ein, während ein Drogenbaron jemand ist, der in der Hierarchie des Drogenhandels einen vergleichbaren hohen Rang einnimmt, ohne adlig zu sein (Metapher). Ein Bolzen ist ein Material oder Werkstück mit einer bestimmten Form und Funktion, ein Intelligenzbolzen dagegen eine Person, der (in ironisierender Absicht) ein durchschlagendes Maß an Intelligenz zugeschrieben wird, usw. (Leuschner/Wante 2009: 62). Im Englischen kommt es ebenfalls zu metaphorischen Verschiebungen wie das Beispiel barfly (wörtlich: Person, die von Bar zu Bar fliegt) zeigt. In beiden Sprachen gibt es auch metonymische Verschiebungen, insbesondere mit dem Suffixoid kopf bzw. im Englischen -head, wie z. B. Schafskopf bzw. pinhead.

Auffällig ist, dass die meisten morphematisch motivierten Pejorative dem Substandard angehören. Da der Gebrauch von Pejorativen oftmals auch eine Beleidigung darstellt, ist anzunehmen, dass sie eher im Substandard als auf standardsprachlicher Ebene gebräuchlich sind.

2.2 Semantische Ebene

Betrachtet man die Bedeutungsstruktur von Pejorativen, so weisen diese auf der Ebene der denotativen und konnotativen Bedeutungen Besonderheiten auf. Während sich das Denotat auf das außersprachliche Subjekt, das durch ein Wort bezeichnet wird, bezieht und somit den begrifflichen bzw. sachlichen Kern einer Wortbedeutung konstituiert, besteht die Konnotation in der emotional und affektiv getönten, auch wertenden und beurteilenden Neben- oder Mitbedeutung (Lewandowski 1975: 348). Damit eine Nebenbedeutung zum Denotat assoziiert werden kann, ist ein lexikalisches Wissen Voraussetzung. Aufgrund ihrer negativen Konnotation lässt sich die pejorative Lexik nach Havryliv (2003: 18) in zwei Betrachtungsebenen gliedern: eine syntagmatische und eine paradigmatische. Zur Letzteren gehören die sog. absoluten Pejorative, die in ihrer semantischen Struktur ein negatives Sem enthalten, das im Kontext beibehalten wird (z. B. Dummkopf, Narr, Schuft bzw. fool, jester, wretch ). Dieses negative Sem kann in Bezug zur Bezeichnung von Personen mit negativer Eigenschaft aus der Sicht des Sprechers zusätzlich negativ bewertet werden. Havryliv (ebd. 41) nennt diese einschätzende Pejorative. Das negativ einschätzende Sem ist im signifikativen Aspekt und das negative Sem im konnotativen Aspekt enthalten (z. B. Hure, Säufer, Arschkriecher u. Ä.). Äquivalente Beispiele finden sich auch im Englischen: whore, drunkard, ass-kisser. Daneben gibt es negativ-einschätzende Pejorative als Bezeichnungen für Personen mit negativen Eigenschaften, die nur über ein negativ einschätzendes Sem im signifikativen Aspekt, nicht aber auch über ein emotives Sem verfügen, z. B. Trottel, Verbrecher, Alkoholiker u. Ä. Im Englischen sind alle Übersetzungsäquivalente für Trottel negativ einschätzend und verfügen zusätzlich über ein emotives Sem: von ninny und nana bis zu fool und idiot, die am stärksten emotional gefärbt sind. Bei manchen Pejorativen gibt es beide Möglichkeiten, z. B. Säufer – Alkoholiker,Hure – Prostituierte bzw. drunkard – alcoholic, whore – prostitute. Zur syntagmatischen Ebene gehören die sog. relativen Pejorative, bei denen es sich um Lexeme handelt, die in ihrer semantischen Struktur kein negatives Sem enthalten, im spezifischen Kontext oder Situation jedoch eine abwertende Bedeutung entfalten können (z. B. Schwein, Hexe bzw. pig, witch). Sie sind als solche demnach nicht negativ besetzt und referieren in ihrer Denotation auf das Designat, die konnotative Abwertung kommt erst auf syntagmatischer Ebene durch pejorativen kontextuellen oder situativen Gebrauch zu tragen. Bisherige Untersuchungen zur Beschaffenheit von relativen Pejorativen (cf. Kiener 1983; Scheffler 2000; Havryliv 2003; Stojić/Pavić Pintarić 2014) zeigen, dass diese auf Unterschiedliches referieren können (Scheffler 2000: 107): Dinge (Waschlappen, Schachtel)5, Flora (Gurke, Nuss bzw. pickle, nut), Fauna (Esel, Kuh bzw. donkey, cow), Körperteile (Schwanz bzw. prick) usw. Auch nationale oder ethnische Bezeichnungen sowie Berufsbezeichnungen können kontextuell pejorativ gebraucht werden, z. B. Zigeuner, Bauer bzw. gipsy, peasant6 u. Ä. Die Mehrzahl der kontextuellen Pejorative stammt allerdings aus dem Bereich der Fauna. Sie heben meist Eigenschaften oder Verhaltensweisen von Tieren hervor, die dann als negativ bewertet werden. Zwischen der Bedeutung Esel als Tierbezeichnung und Esel als pejorative Bezeichnung für einen Menschen besteht eine Ähnlichkeit, die auf dem tertium comparationis (der Vergleichsbasis) beruht. Dadurch bekommen die pejorativen Lexeme ein neues Sem, das ihre Bedeutungsstruktur erweitert (Kiener 1983: 143–145). Diese semantische Markierung wirkt sich auf die Lexik auf zweierlei Art aus: nicht markierte Lexeme (z. B. Schachtel, scum) erhalten negative Markierung oder positiv markierte Lexeme erhalten negative Markierung (z. B. Bauer, peasant). Man könnte auch vom pejorativen Potential als Lexem-Marker der pejorativen Lexik sprechen. Nachfolgend wollen wir diesen semantischen Prozess näher beleuchten.


3 Konstruktion von außersprachlicher Wirklichkeit durch Pejoration

Unterschiedliche Betrachtungsweisen der Bedeutung basieren auf der Akzeptanz bzw. Nicht-Akzeptanz zweier grundlegender Kategorien: a) der Referenz oder des Objektes der außersprachlichen Wirklichkeit und b) des Begriffes oder der mentalen Kategorie. Die Gegenüberstellung von Referenz bzw. Referentialismus (bekannt auch als semantischer Realismus oder referentieller Ansatz) und Begriff oder Konzept bzw. Konzeptualismus (Mentalismus) prägte die Geschichte der Untersuchung und Beschreibung der Sprache und des sprachlichen Zeichens bzw. seiner Bedeutung.7 Wie die Geschichte der Semantik uns lehrt, kann die gesamte Dimension der Bedeutung als komplexer sprachlichen Erscheinung nicht erfasst werden, ohne eine dieser beiden Kategorien zu berücksichtigen. Nach dem Referentialismus lässt sich Bedeutung nur durch den Bezug zur außersprachlichen Wirklichkeit erklären. Kritiker dieses Ansatzes weisen jedoch darauf hin, dass es, um auf diese Entitäten referieren zu können, nicht ausreicht, dass diese in der Wirklichkeit tatsächlich existieren, vielmehr müssen diese auf adäquate Weise konzeptualisiert werden. Eine interessante Deutung der Beziehung zwischen Referenz (objektiv und wirklich) und Konzeptualisierung (Aufbau des Begriffes und seiner Bedeutung) bieten die Pejorative. Sie stellen nämlich ein ausgezeichnetes Beispiel für die subjektive Konstruktion objektiv möglicher Elemente durch vorgegebene (kognitive psycho-emotive bestimmte und abgegrenzte) Mechanismen dar. Sagt man im Deutschen beispielsweise Du Kuh! (bzw. im Englischen You cow!) hat das eine beleidigende Kraft. Andererseits besteht die Annahme, dass die gleiche Äußerung in Indien, wo die Kuh als heiliges Tier angesehen wird, nicht die gleiche pejorative Konnotation beinhaltet. Pejorative zeigen nämlich klar, dass wir mit der Sprache Meinungen ausdrücken und diese gleichzeitig kodieren, gesellschaftlich reflektieren und somit auch Vorurteile einer bestimmten Gesellschaft bestätigen (cf. Singer 1990). Die Tatsache, dass Meinungen und Vorurteile subjektive bzw. konstruierte Sichtweisen (Perspektiven) auf die Welt darstellen, deutet klar darauf hin, dass die Pejorative die mentale bzw. inferentielle Dimension (Konstruktion) der Bedeutung getreu abbilden. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass gerade die inferentielle Komponente der Bedeutung am offensichtlichsten die Relativität der Sprache darstellt: um das Pejorativ in seiner Gesamtbedeutung erfassen zu können, ist eine adäquate psycho-emotive Prädisposition dem Lexem gegenüber, das in pejorativer Bedeutung verwendet wird, Voraussetzung. Dieses inferentielle, konzeptuelle oder mentale Segment der Sprache bzw. der Bedeutung ist dabei sehr flexibel (auch ausdrucksstark): es kann sowohl Pejoration als auch Melioration bewirken. Obwohl nämlich die Meinung verbreitet ist, dass die Tierreferenz, die Menschen attribuiert wird, in der Regel pejorativ konnotiert ist (nehmen wir beispielsweise den Satz Er ist kein Mensch, sondern ein Tier in der Bedeutung ‚unzivilisiertes Verhalten‘), gibt es auch zahlreiche Belege dafür, dass das Inferentielle auch einen anderen Weg einschlagen kann, nämlich in Richtung Melioration, wo positiv bewertete Merkmale eines Tieres Menschen zugeschrieben werden. Auch für diesen semantischen Pfad ist es notwendig, dass die Sprachbenutzer bzw. Kommunikationsbeteiligten im Sprechakt über die entsprechende psycho-emotive Veranlagung verfügen, um die semantische Beziehung zwischen dem Lexem (in diesem Fall die Tierbezeichnung) und den Menschen, auf den mit diesem Lexem Bezug genommen wird, auf angemessene Art herzustellen. Nachfolgend einige Beispiele dazu:

·Sie ist wie eine Gazelle (engl. She is gracious as a gazelle)8. - graziös, mit kleinen und eleganten Schritten.
·Mamas Küken. – Die Mutter zu ihrem Kind als Ausdruck von Zärtlichkeit.
·Kleines Ferkelchen!9 – Die Mutter zu ihrem Kind, wenn es sich verschmutzt hat.

An den beiden letztgenannten Beispielen wird deutlich, wie wichtig der Situationskontext ist, weil eine solche Äußerung im Umfeld von Kommunikationspartnern, mit denen man kein enges Verhältnis hat, auch negativ konnotiert aufgefasst werden könnte. Eine der Implikationen der beiden letztgenannten Beispiele könnte sein, dass wir unsere Nächsten so sehr mögen, dass wir auch ihre schlechten Seiten akzeptieren. Auf formaler Ebene zeigt sich das darin, dass es sich beim Gebrauch von Tiernamen in meliorativer Verwendung um Tierjunge (Küken) und Diminutive (i>Ferkelchen) handelt.

Die Verwendung von Tiernamen in pejorativer Bedeutung zeigt, wie Sprache auf die gesellschaftliche Konstruktion (social construction) einwirkt. Burr (1995: 33) beschreibt dieses Phänomen folgendermaßen: „language itself provides us with a way of structuring our experience of ourselves and the world“. Van Dijk (1997: 27) nennt dieses Phänomen social cognition (gesellschaftliche Kognition) „shared among members of a society through participation in and exposure to discourse. In the end, it is this social cognition which will influence which animal products people buy, how the meat industry treats animals, and whether people actively campaign against the oppression of animals“.

Stibbe (2001: 150) zufolge fußt der Gebrauch von pejorativen Tiernamen auf einer Ideologie, nach der Tiere als minderwertig gegenüber Menschen gelten. Tiermetaphern mit abwertendem Charakter finden sich am häufigsten in Verbindung mit Nutztieren, denen vom anthropozentrischen Standpunkt aus Eigenschaften zugeschrieben werden, die oft nicht nachvollziehbar sind. Beispielsweise Dummheit, Ungebildetheit, Starrköpfigkeit, Antipathie, Rohheit, Plumpheit, Vergesslichkeit, Naivität, Schwäche, Feigheit, Ängstlichkeit, Hinterlistigkeit, Unreine, Unmanierlichkeit, Schwachsinnigkeit u. v. a. Nur in seltenen Fällen gibt es eine etymologische Erklärung, wie beispielsweise die Schlange, die seit Adam und Eva als Symbol für Hinterlistigkeit, Boshaftigkeit und Verleumdung steht. Mit anderen Worten, durch die pejorative Verwendung von Tierbezeichnungen etabliert der Mensch auch seine Dominanz über den Tieren (cf. Van Dijk 1997). In der sehr interessanten Diskussion über das Machtverhältnis (Dominanz) der Menschen über Tieren weist Stibbe (2001) darauf hin, dass es darüber in der Sprachwissenschaft, mit Ausnahme von Kheels Analyse (1995), kaum Abhandlungen gibt. Diese Tatsache erstaunt vor allem in Hinblick auf jüngere Sichtweisen, die die mentale Konstruktion der Welt für die Zwecke sprachlicher Kommunikation in den Mittelpunkt ihrer Untersuchungen stellen, wie beispielsweise die kognitive Linguistik. Betrachtet man aber Pejorative und die Frage, inwiefern man mit ihnen soziale Wirklichkeit konstruiert, kann man unseres Erachtens nicht ohne die Sichtweise der kognitiven Linguistik auskommen. Deshalb werden wir uns nachfolgend gerade dieser relativ unerforschten und potentiell interessanten Verbindung der Betrachtung von Pejorativen in Bezug auf das kognitionslinguistische Paradigma widmen.


4 Pejorative unter kognitionslinguistischem Aspekt

Die kognitive Linguistik betrachtet die Sprache als Teil der gesamten menschlichen Aktivität und sieht den Menschen als physisch bedingtes Lebewesen, das eng (und bidirektional) mit der Konzeptualisierung bzw. den kognitiven (wahrnehmenden) Funktionen des Menschen verbunden ist.  Im Mittelpunkt steht die systematische (und bedingte) Beziehung zwischen der Sprachstruktur und der Gehirnstruktur. Deshalb wird die kognitive Linguistik als sprachwissenschaftliche Theorie definiert, die die Sprache in Bezug zu anderen kognitiven Bereichen und menschlichen Fähigkeiten wie physische und mentale Erfahrung, mentale Schemata, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Speicherung, Kategorisierung, abstrakte Gedanken, Emotionen, Verständnis, Schlussfolgerung usw. analysiert (Ungerer und Schmid 1996; Janssen und Redeker 1999). In diesem Sinne betrachtet die kognitive Linguistik die Sprache (und somit auch das sprachliche Zeichen und seine Interpretation) in enger Verbindung zur Welt, die den Menschen umgibt, wobei unser Wissen über die Welt durch die Wahrnehmung bedingt ist, so wie auch die Wahrnehmung und die Sprache von der Gesellschaft bzw. Kultur sowie der Besonderheiten jedes Kommunikationsaktes abhängen. Das Resultat einer solchen Betrachtung der Sprache zeigt sich in der Vielschichtigkeit des sprachlichen Zeichens, das auf mehreren (semantischen) Ebenen betrachtet und beschrieben werden muss, um ein vollständiges Bild von der Bedeutung zu bekommen. Das (Ab)bild der Sprache und die Interpretation von Pejorativen als ein mögliches (Ab)Bild der Welt scheinen in diesem Zusammenhang ihren natürlichen Lebensraum gefunden zu haben. Um die Pejorative und ihre Semantik besser verstehen zu können, muss an dieser Stelle auch erwähnt werden, dass die kognitive Semantik lexikalische Einheiten nicht als feste Bedeutungsträger betrachtet, sondern die semantischen Bestandteile als elastische, kontextabhängige Einheiten versteht, deren konkrete Bedeutung die Sprechaktbeteiligten im jeweiligen Sprechakt konstruieren. Lexikalische Einheiten bieten somit Zugang zu einer unzähligen Menge an Konzepten und Konzeptsystemen (Langacker 1999: 4). Die Sprachbenutzer können dabei eine objektive Konfiguration, die in der kognitiven Domäne (wie Raum und Zeit) angelegt ist, sprachlich unterschiedlich konstruieren. Dabei ist die Wahrnehmung der Weg zur Kategorisierung, einem Prinzip, das in der Tiefe der Kognition (wie die Wahrnehmung der Wirklichkeit) und der Sprache bzw. des sprachlichen Zeichens und seiner Bedeutung verankert ist. Die Kategorisierung stellt aus kognitionslinguistischer Perspektive ebenfalls eine „konstruierte“ Wirklichkeit dar, die nicht nur sprachspezifisch ist, sondern abhängig von spezifischen Charakteristika des Sprechaktes aufgebaut wird. Die Benutzer der Bedeutung konstruieren folglich objektive Konfigurationen semantisch (engl. construal of meaning). Der Begriff der Bedeutungskonstruktion ist mit der menschlichen Fähigkeit verbunden, die es ermöglicht, dass die gleiche außersprachliche Wirklichkeit unterschiedlich gedeutet wird und dass die Sprecher dabei wählen können, aus welcher Perspektive sie diese betrachten werden. Dabei werden unterschiedliche grundlegende kognitive Prozesse wie Metapher, Metonymie, Schematisierung und Konzeptualisierung aktiviert, die sich häufig in Form von Pejorativen widerspiegeln. Gerade von diesem Standpunkt aus erweisen sich Pejorative als reichhaltiges Segment der Sprache, wenn es um die Veranschaulichung und Untersuchung des kognitionslinguistischen Paradigmas geht. Es erstaunt deshalb umso mehr, dass der sprachliche Prozess der Pejoration sowie die semantische Struktur der Pejorative (inklusive Gedankenstruktur, die in die Semantik der Pejorative eingebettet ist) nach Wissen der Autorinnen dieses Beitrages vom kognitionslinguistischen Aspekt relativ unerforscht ist. Davon ausgehend, dass am Beispiel der Verbindung von Pejoration und Metapher und Pejoration und Kategorisierung dieser kognitive Prozess besser verstanden werden kann, soll dies nachfolgend näher dargestellt werden.

4.1 Pejorative und Metaphern

In den frühen kognitionslinguistischen Untersuchungen über Metaphern (Lakoff/Johnson 1980; Lakoff/Turner 1989) wurde der Begriff der konzeptuellen Metapher eingeführt (conceptual metaphor). Diese wird als Denkmechanismus verstanden, von dem vorausgesetzt wird, dass er die Grundlage für metaphorischen Ausdruck in der Sprache darstellt bzw. diesen bewirkt. Die Ausdrucksseite kann sich dabei sowohl auf größere als auch auf kleinere Spracheinheiten beziehen – morphematische und syntaktische Strukturen. Der sprachliche Ausdruck widerspiegelt einige Aspekte des menschlichen konzeptuellen Systems, aufgrund derer die kognitiven Linguisten Schlussfolgerungen über dieses System ableiten. Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, dass sprachliche Ausdrücke eine Kategorie darstellen und das konzeptuelle System ein anderes. Lakoff und Johnson (1980: 15) stellen insbesondere die Orientierung im Raum in den Kontext von Metaphern, die sie Orientierungsmetaphern (oder spatiale Metaphern) nennen. Sie gründen auf den Begriffen oben-unten und basieren auf den Orientierungspunkten im Raum, denen man tagtäglich ausgesetzt ist. Die Autoren gehen dabei davon aus, dass der Gegensatz oben-unten auf andere, nicht spatiale Domänen übertragen wird, die als räumliche erlebt (und in Folge auch beschrieben) werden. Auf diesen Orientierungsmetaphern basieren die primären Metaphern (cf. Grady 1999; Lakoff/Johnson 1999), die auf die Kindheitserfahrungen aufbauen, wie beispielsweise die Verbundenheit (Nähe) des Kindes zu seinen Eltern, sowie auf die Folge dieser Erfahrung (z. B. Gefühl der Wärme). Solche primären Metaphern sind: Glück ist oben, wichtig ist groß, Kontrolle ist oben usw. Primäre Metaphern sind die ersten konzeptuellen metaphorischen Übertragungen, die in der Kindheit erworben werden und das Resultat wiederholter Korrelationen zwischen den sensormotorischen Erfahrungen und der subjektiven Einstellung zu dieser Erfahrung darstellen. Sie sind deshalb primär, weil die späteren Metaphern auf diesen ersten aufbauen und weil sie ermöglichen, dass generell verstanden wird, wie die konzeptuelle Metapher funktioniert.

Nach Lakoff und Johnson (1980: 15) haben primäre Metaphern eine Basis, die auf räumlicher Erfahrung gründet: positive Emotionen und Zustände sind mit der aufrechten Körperhaltung und dem Blick nach oben verbunden. Negative Emotionen und Zustände hingegen sind mit einer veränderten Körperhaltung verbunden: Körperteile sind gesenkt, der Körper befindet sich auf einer niedrigeren Ebene, der Körper an sich ist nicht aufrecht, der Blick ist gesenkt. Zusätzlich lehrt uns die tägliche Erfahrung, dass größere Mengen eine aufrechte Haltung haben. Kleinere Mengen sind niedriger und eher dem Boden zugeneigt. Die Orientierungsmetapher hinsichtlich der Menge ist in diesem Kontext: mehr ist oben, weniger ist unten (more is up, less is down).

Neben dieser physischen Dimension umfassen Metaphern auch kulturelle Dimensionen, weil sie auf unterschiedlichen kulturellen Erfahrungen aufbauen. Lakoff und Johnson (1980) heben hervor, dass Metaphern von Kultur zu Kultur variieren können. Allen ist aber gleich, dass subjektive Einstellungen eine wesentliche Rolle bei der Bildung von Metaphern spielen (Lakoff/Johnson 1999: 51).

Bezogen auf Pejoration handelt es sich bei Metaphern nach Skirl/Schwarz-Friesel (2007: 4) um eine besondere Form des nichtwörtlichen Gebrauchs eines Ausdrucks in einer bestimmten Kommunikationssituation. Während sich die wörtliche Bedeutung der genutzten Bezeichnung normalerweise mit einer großen Menge distinktiver Merkmale beschreiben lässt, gewinnen beim metaphorischen Gebrauch einzelne dieser Merkmale eine zentrale Bedeutung. Das bedeutet, dass es bei der Pejoration zu Merkmalisolierungen kommt, deren Funktion pejorativ ist. Sprach- und Bedeutungsmuster, die sich dabei zeigen, sind Hinweise auf die Konstruktion und Reproduktion von konventionalisierten Vorstellungen und Alltagswissen (Hornscheidt 2003: 58). Über Personen werden Rückschlüsse auf nicht direkt beobachtbare Merkmale geschlossen und die Wahrnehmung der Personen wird durch kulturelle Erfahrungshaltungen beeinflusst, z. B. SCHWEINE SIND DRECKIG (PIGS ARE DIRTY). Somit entstehen Stereotypisierungen. Dabei geht es nicht mehr um die Bezeichnung eines Individuums, sondern um die Abwertung des Individuums durch Klassifizierung. Zu berücksichtigen ist, dass Ähnlichkeits- oder Analogiebeziehungen zwischen den Gegenständen manchmal erst über die Metapher selbst konstruiert werden (Schwarz-Friesel 2007: 4). Es entsteht ein reziproker Effekt: Durch die stetige Verwendung als Metapher laden sich die Bezeichnungen emotional-pejorativ auf. Die negative Konnotation der Metapher wird durch die ständige Rekurrenz der betonten Merkmale auf die ursprünglich bezeichnete Person selbst übertragen (Sties 2013: 217).

4.2 Pejoration und Kategorisierung

Bei der Pejoration kommt es zur Kategorisierung, die ein natürlicher kognitiver Vorgang ist. Dabei wird von einem Idealtyp als Orientierungspunkt ausgegangen, der als Bezugssystem für die Bestimmung von Werten gilt. Es handelt sich um Urteile der prototypischen Skala positiv-negativ bzw. gut-schlecht. Kategorisierung ist somit gleichzeitig auch ein Einordnen in Wertungshierarchien, was wiederum auf die spatiale Dimension der semantischen Bestimmung hinweist. Dabei geht das Subjekt, das kategorisiert, räumlich betrachtet, von sich selbst aus und versetzt sich in die positiv- bzw. gut-Position, während das zu Kategorisierende, im Falle von Pejoration, in die andere, gegenübergesetzte Richtung, also negativ bzw. schlecht, positioniert wird. Pejoration ist in diesem Sinne als negatives Bewerten zu verstehen, das entweder durch unbewusst (im Laufe der Sozialisation) und/oder bewusst (durchs Lernen) erworbener Wertvorstellungen, die eine Vergleichsbasis bieten, erfolgt (Sager 1982: 46). Die Vergleichsbasis setzt sich aus den in einer Gesellschaft gültigen Werten und Normen zusammen, an denen das zu bewertende Objekt gemessen wird (Ripfel 1987: 155). Eine Veränderung der Wert- und Normvorstellungen in der Gesellschaft kann auch eine Änderung in der Bewertung bewirken, d. h. Bewerten ist ein dynamischer Prozess. Ein gutes Beispiel dafür bieten im Deutschen die Frauenbezeichnungen, die, diachron betrachtet, einen pejorativen semantischen Wandel erfahren haben (z. B. Weib, Jungfer, Dirne u. Ä.), indem mindestens ein negativ konnotiertes Sem neu hinzugekommen ist, wodurch die soziale, moralische oder auch stilistische Abwertung dieser Bezeichnung und ihrer Bedeutung stattgefunden hat (cf. Nübling 2011; Keller 1990, 1995).

Kategorisierung ist jedoch nicht nur vertikal dynamisch, sondern auch horizontal, da auf syntagmatischer Ebene die Bewertung verstärkt oder abgeschwächt werden kann. Verstärkung erfolgt durch die Einbettung von pejorativen Personenbezeichnungen in bestimmte kollokationale Verbindungen mit Adjektiven wie blöd, frech bzw. total, complete. Alt bzw. old wird in einer Vielzahl von Verbindungen als zusätzliches und verstärkendes Mittel eingesetzt, während der Begriff jung bzw. young häufig mit Unerfahrenheit, Naivität und Infantilität verbunden ist (z. B. alte Hexe/old witch; junge Dame/young lady). Die Pejoration wird auf syntagmatischer Ebene jedoch besonders deutlich, wenn sie in bestimmte syntagmatische Muster eingebettet ist. Im Deutschen sind das So ein/eine X, Du X! im Englischen You, X/You, one ... / Some ... / You are one/some ... X. Abschwächung erfolgt in beiden Sprachen durch Euphemisierung (Krüppel > Invalide > Behinderter > Mensch mit Behinderung; invalid > disabled), durch Deminutivbildung im Deutschen (Schweinchen) und durch Hinzufügung des Adjektivs little im Englischen (little pig).

Die Betrachtung der Pejoration aus kognitionslinguistischer Perspektive zeigt die Pejoration nicht nur als mehrdimensionales Phänomen, sondern ermöglicht auch einen Einblick in die Art und Weise, wie referiert wird. Die Referenz auf die außersprachliche Bezugsgröße wird im Sprechakt über die Kategorisierungsmerkmale durch metaphorische oder andere sprachliche Mechanismen, beispielsweise aus der Sphäre des negativ (oder im Bestfall neutral) konnotierten Wertesystems, oder aus der Tierlexik, etabliert, was in Bezug auf pejorative Personenbezeichnungen bedeutet, dass man bestimmte saliente Merkmale (features) inferiert und mit der außersprachlichen Bezugsgröße identifiziert. Gebraucht man für die Referenz bzw. Identifikation einer Person ein Element aus der Tierwelt oder unlebendigen Sphäre, kommt es zu einer Kombination der kognitiven Mechanismen wie Metaphorisierung, Profilierung, Foregrounding (Mechanismus, der bestimmte saliente Charakteristiken in den Vordergrund rückt) und dem Aufbau des mentalen Schemas durch die negative Bewertung einer Charakteristik, die durch die kategoriale Verschiebung eine pejorative Dimension annimmt. Diese kategoriale Verschiebung ist folglich möglich, weil das Sprachsystem die dafür notwendigen Mechanismen bietet. Es ist jedoch der Sprachbenutzer, der diese Mechanismen zu Zwecken der Pejoration gebraucht.


5 Fazit

Die nähere Betrachtung der lexikalischen Abwertung im Deutschen und Englischen zeigte, dass es zu Kategorisierungen von Werten kommt, die außersprachlich begründet sind und durch die die Sprecher soziale Wirklichkeit konstruieren. Sie werden mittels sprachlicher Benennungen vollzogen und tradiert, was sich auf die Bedeutungsstruktur der Lexeme auswirkt. Diese nimmt negativ markierte Elemente gewertet auf der Basis des allgemein verbreiteten Normsystems auf. Innersprachlich erfolgt diese Markierung entweder mithilfe morphematischer oder semantischer Prozesse. Besonders produktiv erweist sich die Metapher aufbauend auf Stereotypen. Diese semantische Markierung ist der Auslöser für die Pejoration der ursprünglichen lexikalischen Bedeutung durch emotive, appellative und evaluative Wertung.

Pejoration ist ein Beleg dafür, dass lexikalische Abwertung nicht nur etwas ist, was wir mit Worten tun, sondern etwas, das ein Bild von uns selbst offenbart. Diese Wörter haben eine beleidigende Kraft, über die sich schon vor der Verwendung in einem konkreten Kontext konsensfähige Aussagen treffen lassen.


Literatur

Agnes, Michael E. (2003): Websters New World. London: Simon and Schuster.

Aman, Reinhold (1972): Bayrisch-Österreichisches Schimpfwörterbuch. München: Süddeutscher Verlag.

Burr, Vivien (1995): An Introduction to Social Constructionism. London: Routledge.

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Anmerkungen

1 Konzeptualisierungen sind geistige Vorstellungen, die nicht notwendigerweise auf konkreter Erfahrung basieren und realistisch sein müssen. zurück

2 An dieser Stelle muss aber vermerkt werden, dass die Markierungen in den Wörterbüchern oft willkürlich gegeben werden (cf. Silić 1993–1994). Die Kriterien sind nicht klar, besonders da mehrere Bezeichnungen für pejorative Konnotation verwendet werden, die alle auf negative Konnotation hinweisen. Ebenfalls wird nicht zwischen regionalen und dialektalen Ausdrücken unterschieden. zurück

3 Ausführlicher zu Substantiven mit pejorativer Bedeutung cf. Stojić/Pavić Pintarić (2014). zurück

4 Auch –art aus dem Altfranzösischen -ard, -art , dies wiederum aus dem Althochdeutschen -hard, -hart . Dieses bekommt seine pejorative Konnotation im Mittelhochdeutschen und wird in dieser Bedeutung ins Mittelenglische übertragen, wo es als pejoratives Suffix produktiv wird (beispielsweise in blaffard ‚Stotterer’). zurück

5 Volläquivalente Beispiele gibt es im Englischen nicht, lexikalische Äquivalente sind selten, so etwa scum in der Bedeutung von ‚Person, die keinen Respekt verdient’. zurück

6 Die pejorative Bedeutung von peasant bezieht sich sowohl auf das Körperliche (Verhalten) als auch auf den Intellekt. Der Ausdruck gipsy wurde in der Bedeutung von Roma vor allem im viktorianischen Zeitalter verwendet, wird jedoch heute im Zuge der politischen Korrektheit im öffentlichen Diskurs eher vermieden. Auch der pejorative Gebrauch des Ausdruckes jew in der Bedeutung von ‚berechnende Person’ und ‚in sich geschlossene Person’ ist im öffentlichen Diskurs immer seltener. Das gilt auch für das Lexem nun in der Bedeutung von ‚verschlossene oder langweilige weibliche Person’. zurück

7 Eine vergleichbare Opposition macht auch die Sprachphilosophie durch die Gegenüberstellung von Referentialismus und Inferentialismus (eine interessante Analyse der beiden Ansätze und der inferentiellen Dimension der Pejorative bietet Williamson, in Druck). zurück

8 Im Englischen muss in dieser Verwendung der Tierbezeichnung auch das Adjektiv zur Vergleichsgröße gebraucht werden. zurück

9 Im Englischen werden im äquivalenten Kontext ausschließlich positiv konnotierte Lexeme verwendet, z B. mom’s angel, sunshine, gem, doll u. Ä. zurück