Verdopplung beim Verb afaa im nord-östlichen Aargau

Marie-Christine Andres (Baden/Wettingen)


 

1 Einleitung und Fragestellung

1.1 Gegenstand der Arbeit

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit einem Teilbereich des Phänomens der Verdoppelung bei den Verben gaa, choo, laa und aafaa1, nämlich mit der Verdoppelung des Verbs aafaa. Die Untersuchung beschränkt sich auf den nordöstlichen Aargau, auf die Region Baden-Wettingen. Zusätzlich scheint die Region aber auch in einer Übergangszone zwischen obligatorischer Verdoppelung und Nicht-Verdoppelung zu liegen.

1.2 Aufbau, Fragestellung und Ziel der Arbeit

Die Arbeit stützt sich auf die vier Fragebogen, die im Rahmen des Nationalfonds-Projekts zur Erstellung des Syntaktischen Atlas der Deutschen Schweiz (SADS) entwickelt wurden.2 Darin befinden sich mehrere Fragen, die sich mit dem Verb aafaa befassen, unter anderem eine Übersetzungsfrage, welche auf die Untersuchung der aafaa-Verdoppelung abzielt. Anhand dieser Fragen werde ich im Umkreis meines Wohnortes Baden (AG) für eine Stichprobengruppe von ca. 40 Personen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren Daten sammeln, auswerten und diskutieren. In einem ersten Schritt einmal geht es um das Phänomen der Verdoppelung von aafaa an und für sich. Dazu untersuche ich folgende Fragen:

1. Kommt die Verdoppelung in meinem Untersuchungsgebiet vor? Lässt sie sich räumlich eingrenzen?
2. Wie häufig wird aafaa verdoppelt?
3. Wovon ist die Realisierung der Verdoppelung eventuell abhängig?

In einem zweiten Schritt geht es um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Erhebung des SADS-Projekts und meiner eigenen. Ergibt sich ein anderes Bild, wenn man eine grössere Datenmenge in einem Gebiet mit mehreren Ortspunkten erhebt? Ziel der Arbeit ist es, die Ergebnisse des Syntaxfragebogens für diese eine Frage im Gebiet des nordöstlichen Aargaus zu ergänzen und eine differenzierte Aussage zu oben erwähnten Fragen machen zu können.

1.3 Besonderheiten von afaa

Wie Schmidt (2000) für das Zürichdeutsche feststellt, ist die Verdoppelung von aafaa nicht obligatorisch. Ebenso schliesst Lötscher (1993: 182) aus den Karten des Sprachatlas der Deutschen Schweiz (SDS), dass die afa-Verdoppelung, entsprechend der Verdoppelung beim Verb laa, in weiten Teilen des Schweizerdeutschen nicht eine voll obligatorische Konstruktion zu sein scheint, obwohl es im SDS keine Darstellung dazu gibt.

Dasselbe scheint grundsätzlich für den von mir untersuchten Dialekt des östlichen Aargaus zu gelten. Die Verdoppelung scheint als Variante neben Konstruktionen ohne Verdoppelung zu existieren, wie das Aargauer Wörterbuch unter dem Stichwort afo notiert (Hunziker 1877: 11):

a-fo (ยด–), anfangen: i fo-n a, de fost a, mer fönd a etx., ag'fange; aber vor einem nachfolgenden Infinitiv afo: er het afo balge etc. Vor einem Infinitiv wird statt a gleichbedeutend afo gesetzt: er fot a ësse oder fot afo ësse.

Die Verdoppelung des Verbs aafaa unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von der Verdoppelung der anderen Verben. Weil aafaa über ein Präfix aa- verfügt, ist schwieriger zu definieren, worin die Verdoppelung besteht, zum Beispiel im Satz (1):

(1) Sie foht afo ässe

Wollen wir Verdoppelung annehmen, müsste das Element afo interpretiert werden als Zusammensetzung aus dem Präfix a und einem Verdoppelungselement -fo. Somit könnte man eine Art partieller Verdoppelung annehmen. Die nicht verdoppelte Variante würde dann heissen:

(2) Sie foht a ässe

Wobei die nicht-partielle, also ganze Verdoppelung folgendermassen lauten müsste:

(3) Sie foht a afa ässe

Diese Konstruktion (3) kommt jedoch äusserst selten und in einem klar begrenzten Gebiet in der Zentralschweiz vor, während die in (1) gezeigte partielle Verdoppelung deutlich häufiger und im ganzen westlichen Teil der Deutschschweiz gebraucht oder zumindest akzeptiert wird.

Auch Lötscher (1993) erkennt die Verdoppelung bei aafaa als besonderen Fall, wobei er das Präfix und das Verdoppelungsmorphem als zwei unabhängige Elemente darstellt, deren syntaktische Gleichsetzung problematisch sein kann:

Im Falle von aafaa wird das getrennte und an sich nachzustellende Präfix aa weggelassen, wenn vor dem Infinitiv afa steht. [...] Ausserdem ist der Fall afa jener, der im ganzen Verdopplungsparadigma wohl die kleinste Rolle spielt und diachron nicht als treibende Kraft gelten kann. Ferner ist die syntaktische Gleichsetzung des Präfixes aa- in Spätstellung und der Verdopplungspartikel afa nicht unproblematisch, denn aa- ist Bestandteil des Prädikats und lehnt sich nicht proklitisch an den folgenden Infinitiv an:

Mer händ # afa scháffe.
"Wir haben anfangen arbeiten."
Mer fönd àà # scháffe.3

Eine weitere Eigenheit von aafaa besteht darin, dass, entsprechend den beiden gleichwertigen Infinitivformen aafaa und afange auch verschiedene Formen des Partizip Perfekts nebeneinander existieren. So kommen in Perfekt-Sätzen sowohl die Form afo, wie auch die Form agfange (als 'echtes' Partizip mit dem g-Infix) sowie das Infinitivpartizip afange nebeneinander vor:

(4) a. Ich ha afo ässe.
b. Ich ha agfange ässe.
c. Ich ha afange ässe.

Auskunft über die Verteilung der beiden Infinitive aafaa und afange gibt die Karte III, 79 im Sprachatlas der Deutschen Schweiz (SDS).

Für folgende Untersuchung gilt die Annahme, dass die Verdoppelung beim Verb aafaa aus der partiellen Verdoppelung -fa/-fo besteht, die an das Präfix aaangehängt wird. Sätze wie: Sie foht afa ässe gelten somit als Verdoppelungskonstruktionen.

 

2 Methoden und Vorgehensweise

2.1 Fragebogen

Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um eine schriftliche Befragung mittels Fragebogen. Der Fragebogen enthält vier Fragen zum Verb anfangen, übernommen aus dem dritten von vier Fragebogen des SADS-Projekts.4 Die Fragen sind so gewählt, dass einerseits die Verdoppelung von aafaa im Präsens und andererseits das Perfekt-Partizip erhoben werden können.

2.2 Untersuchungsgruppe und -gebiet

Befragt wurden 32 Männer und Frauen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren, die alle im untersuchten Gebiet Baden-Wettingen aufgewachsen oder länger wohnhaft sind. Ausnahmslos alle sind im Kanton Aargau aufgewachsen, mit Eltern, die aus Baden oder Wettingen stammen oder, bis auf wenige Ausnahmen, zumindest im Aargau aufgewachsen sind. Die meisten Personen wurden per E-Mail angefragt, sie haben den Fragebogen anhand der Instruktionen selbständig ausgefüllt. Wenigen Personen habe ich den Fragebogen persönlich vorgelegt und zusätzliche Erklärungen abgegeben. Die befragten Personen wussten nicht, welches Phänomen anhand der Fragen untersucht werden sollte. Das Untersuchungsgebiet Baden-Wettingen liegt im Nordosten des Kantons Aargau. Dieser Ortspunkt ist in der Befragung durch das SADS-Projekt nicht vertreten, für den Vergleich mit den Daten des SADS-Projekts kann jedoch der Ortspunkt Brugg AG herangezogen werden.

 

3 Ergebnisse

3.1 Verdoppelung von aafaa im Präsens

Die Antworten auf die Übersetzungsfrage Nr. 1 "Wenn es so warm bleibt, fängt das Eis an zu schmelzen" lassen sich grob in zwei Gruppen unterteilen. Die eine Gruppe realisiert die Verdoppelung (kursiv), die andere setzt das einfache Präfix.

Antworten: Gruppe 1: Wenns so warm bliibt, foht s'Iis afo schmelze.
Gruppe 2: Wenns so warm bliibt, fangt s'Iis aa schmelze.

Die Verteilung der Testpersonen in die zwei Gruppen sieht wie folgt aus:

Gruppe 1 → 14 von 32 Personen (44%)
Gruppe 2 → 18 von 32 Personen (56%)

Nicht ganz die Hälfte aller Befragten wählt also die Verdoppelungskonstruktion. Als Verdoppelungselement erscheinen in den verschiedenen Antworten unterschiedliche Versionen: avo, afah, afo, afoh und afu. Am häufigsten wird die Schreibweise afo verwendet, nämlich von 9 Personen, während afoh zweimal und alle anderen nur einmal auftauchen.

Eine befragte Person nennt spontan zwei Möglichkeiten für diese erste Frage, die Variante mit und die ohne Verdoppelung. Als natürlicher wird in diesem Fall aber die Verdoppelungskonstruktion eingestuft. Die 14 Antworten mit Verdoppelung teilen sich in zwei genau gleich grosse Gruppen: je 7 Befragte verwendeten als finites Verb foht (afo), die anderen 7 antworten fangt (afo). Die Verdoppelung scheint also nicht davon abhängig zu sein, ob jemand foht oder fangt verwendet. Von den 18 Befragten, welche die einfache Konstruktion wählten, verwenden 12 Personen foht a(a) und nur halb so viele, nämlich 6, fangt a(a). Foht scheint also leicht vorherrschend zu sein. Die Übersicht über die verschiedenen Kombinationen zwischen finitem Verb und Verdoppelungselement bzw. Präfix präsentiert sich wie folgt:

Verdoppelung: 1) Foht s'Iis afo schmelze: 7/32 22%
2) Fangt s'Iis afo schmelze: 7/32 22%
Einfache Konstruktion: 3) Foht s'Iis aa schmelze: 12/32 37%
4) Fangt s'Iis aa schmelze: 6/32 19%

Betrachtet man genauer, wo die Personen, welche die Verdoppelung realisieren, aufgewachsen sind und woher ihre Eltern stammen, ergibt sich kein aussagekräftiges Raumbild. Die Verdoppelung ist über das ganze Gebiet ebenso gleichmässig verteilt wie die Nicht-Verdoppelung. Von den 14 Personen, die in Baden oder Wettingen geboren sind und ihre ganze Kindheit und Jugend dort verbracht haben, machen 5 die Verdoppelung, was einem Anteil von 36% entspricht. Von den restlichen 19 Personen, die in anderen Aargauer Ortschaften aufgewachsen und jetzt seit längerer Zeit in Baden oder Wettingen wohnhaft sind, machen 9 die Verdoppelung, was einem leicht höheren Anteil von rund 47% entspricht. Wiederum 8 dieser 19 Befragten stammen aus dem Raum Unteres Aaretal/Zurzach, wovon 4 die Verdoppelung realisieren, also genau 50%. Von den restlichen 11 sind alle in verschiedenen kleineren Gemeinden rund um Baden-Wettingen aufgewachsen, 5 von ihnen machen die Verdoppelung, was einem unwesentlich tieferen Anteil von 45% entspricht.

Zusammenfassend muss hier gesagt werden, dass der Anteil der Verdoppelungskonstruktionen gemessen an der Gesamtheit, nie über 50% beträgt – auch wenn, wie oben ersichtlich, verschiedene Kriterien zur Gruppenbildung herangezogen werden. Die Verdoppelungskonstruktion ist also im Raum Baden-Wettingen vorhanden, ihr Anteil ist mit 44% nicht unwesentlich. Gesagt werden kann auch, dass von denjenigen Personen, die in Baden-Wettingen aufgewachsen sind und von denen mindestens ein Elternteil auch aus Baden oder Wettingen stammt, genau die Hälfte die Verdoppelung realisiert. Alle diese Umstände zeigen, dass für den Ortspunkt Baden-Wettingen weder die Verdoppelung noch die einfache Konstruktion als eindeutig vorherrschend bezeichnet werden kann und angenommen werden muss, dass die Verdoppelung als ungefähr gleichberechtigte Variante neben der nichtverdoppelten Konstruktion steht. Fasst man – über die Region Baden-Wettingen hinaus – den ganzen nordöstlichen Aargau ins Auge, kann auch kein markanter Unterschied zwischen Personen, die in Baden-Wettingen geboren sind, und solchen, die erst seit einigen Jahren dort leben, ausgemacht werden. Wovon es abhängt, ob in der jeweiligen Übersetzungsfrage die Verdoppelung realisiert wurde, könnte eventuell anhand der verwendeten Partizipien genauer untersucht werden.

3.2 Partizip afo, afange und agfange

Die Übersetzungsfrage 2 Ich habe schon angefangen zu kochen (s. Anhang) gibt nähere Auskunft darüber, welches Perfektpartizip die Befragten verwenden. Im untersuchten Dialektgebiet gebräuchlich sind die drei Varianten afo, das Infinitivpartizip afange und das Partizip mit g-Infix agfange. Eine Frage, die sich dazu stellen lässt, ist, ob Personen, welche im Satz 1 eine Verdoppelung machen, auch hier das dem Verdoppelungselement entsprechende Partizip afo benutzen.

Sechs von den 32 Befragten wählten das Partizip afo, was einem relativen Anteil von 19% entspricht. 25 von 32 wählen Partizip a(a)gfange, das sind 78%, während nur gerade eine Person aafange als Partizip wählt. Es kann nicht gesagt werden, dass, wer im Präsens die Verdoppelung macht, im Perfekt ebenfalls das Partizip afo wählt, von 14 Präsens-Verdopplern wählen nämlich nur 6 das Partizip afo, das entspricht 43%. Der Rest wählt als Partizip a(a)gfange, eine Person aafange.

Interessant ist aber die Umkehrung, dass von den 6 Personen, welche im Perfektsatz das Partizip afo wählten, 5 auch im Präsens die Verdoppelung machten, also die grosse Mehrheit. Wer afo als Partizip wählt, scheint grundsätzlich auch die Verdoppelung im Präsens zu realisieren. Das heisst mit anderen Worten, dass von den 18 Befragten, die im Präsens keine Verdoppelung realisieren, nur gerade eine Person das Partizip afo im Perfekt benutzt. Das Benutzen, beziehungsweise Vorhandensein des Partizips afo scheint das Realisieren der Verdoppelung im Präsens zu begünstigen. Wer in diesem Satz (Übersetzungsfrage 2) afo verwendet, macht mit 84%iger Wahrscheinlichkeit auch im Präsens eine Verdoppelung.

Von den 25 Personen, die a(a)gfange als Partizip wählten, weisen 9 im Präsens eine Verdoppelung auf, 16 jedoch nicht. Auch hier gilt tendenziell: wer als Partizip a(a)gfange wählt, macht im Präsens keine Verdoppelung. Allerdings ist diese Tendenz weniger klar als der Zusammenhang "Perfektpartizip afo!Präsensverdopplung". Der Anteil derjenigen, die als Perfekpartizip a(a)gfange wählen und im

Präsens keine Verdoppelung machen, beträgt 64%. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der als Perfekpartizip a(a)gfange wählt, im Präsens keine Verdoppelung macht, beträgt 64%.

Es scheint also tendenziell ein Zusammenhang zwischen der Wahl des Partizips und der Realisierung oder Nichtrealisierung der Verdoppelung beim Verb aafaa zu bestehen. Eine Übersicht über die möglichen Kombinationen (1 bis 4) zwischen Präsensverdopplung oder Nichtverdopplung und verschiedenen Partizipien in den Antworten zeigt folgende Aufstellung:5

  Frage 1 Frage 26
1) [...] foht s'Iis aa schmelze Ich ha scho aagfange choche (52%)
2) [...] foht s'Iis aa schmelze Ich ha scho afo choche (3%)
3) [...] foht s'Iis afo schmelze Ich ha scho aagfange choche (29%)
4) [...] foht s'Iis afo schmelze Ich ha scho afo choche (16%)

Frage 3 auf dem Fragebogen ist ebenfalls eine Übersetzungsfrage (s. S. 16). Sie lautet: Sie findet es nicht gut, dass ich angefangen habe zu rauchen. Hier muss bei der Übersetzung ebenfalls ein Partizip gewählt werden, wobei sich eine zusätzliche Schwierigkeit bei der Konstruktion des abhängigen Nebensatzes stellt. Interessant ist die Frage, ob dieselben Personen, die im Satz 2 afo benutzen, dies auch im Satz 3 tun.

Auch bei dieser Satzkonstruktion dominiert das Partizip a(a)gfange klar. 26 von 31 Personen wählen im dritten Satz das Perfektpartizip a(a)gfange, das sind 84%, noch mehr als bei Satz 2. Lediglich 5 von 31 Befragten wählen das Partizip afo, was einem Anteil von 16% entspricht. Von diesen 5 Personen machen 3 auch die Verdoppelung im Satz 1 und wählen das Partizip afo im Satz 2. Von den anderen zwei Personen macht eine die Verdoppelung in Satz 1, wählt jedoch in Satz 2 das Partizip agfange (siehe oben, Kombination 3), die andere macht in Satz 1 keine Verdoppelung, wählt jedoch in Satz 2 das Partizip afo (siehe oben, Kombination 2).

3.3 Weitere Beobachtungen

3.3.1 Chunnsch z'früüre?

Auf dem Fragebogen habe ich eine vierte Frage gestellt. Die Konstruktion Chunnsch z'früüre? sollten die Probanden danach beurteilen, ob sie diese in ihrem Dialekt sagen können und falls nein, sollten sie eine ihrem Dialekt entsprechende Variante aufschreiben. Mit dieser Frage wollte ich testen, ob die Befragten spontan die Verdoppelungskonstruktion wählen. Der Satz Chunnsch z'früüre? ist im Dialektgebiet Baden-Wettingen nicht üblich. Daher war zu erwarten, dass die Befragten eine andere Variante notieren würden. Eine von mir als möglich erachtete Variante wäre Fohsch a früüre? oder eben, mit Verdoppelung fohsch afo früüre? gewesen. So hätte ich zusätzlich Aufschluss darüber gewinnen können, ob eventuell in diesem Kontext die Verdoppelung häufiger vorkommt als in anderen, sowie darüber, ob die Verdoppelung so präsent ist, dass sie bei dieser Frage spontan genannt wird. Die meisten der Versuchspersonen antworteten jedoch Früürsch? oder Hesch chalt? als ihrem Dialekt entsprechende Variante. Meiner Meinung nach liegt diesem Sachverhalt die Tatsache zu Grunde, dass sich die meisten Personen in den entsprechenden Kontext versetzt haben und die aus Erfahrung naheliegendste Frage formuliert hatten. Dabei ging die Betonung des inchoativen Aspekts, die in Chunnsch z'früüre? zweifellos enthalten ist, verloren. Nur gerade eine Person nannte die Möglichkeit fohsch afo früüre?

3.3.2 Unterschiede zwischen schriftlicher und mündlicher Formulierung

Einigen wenigen Informanten wurde der Fragebogen nicht zugeschickt, sondern persönlich vorgelegt. Aus den Rückmeldungen dieser Personen liess sich entnehmen, dass es ihnen Schwierigkeiten machte, zwischen Verdoppelung und einfacher Konstruktion zu entscheiden, welches für sie die gebräuchlichste Form ist. Eine Versuchsperson hat jeweils zwei Antworten, eine mit Verdoppelung, eine ohne Verdoppelung, eine mit Partizip afo, eine mit agfange zu Papier gebracht. Notabene ohne zu wissen, welchem Sachverhalt die Untersuchung gilt. Eine weitere Beobachtung habe ich im Gespräch mit einzelnen Versuchpersonen gemacht. Befragte, die auf dem Fragebogen keine Verdoppelung gemacht hatten, verwendeten im Interview vorwiegend Verdoppelung. Nochmals mit den Fragen konfrontiert, wählten sie jedoch wieder die Variante ohne Verdoppelung. Entweder scheint also ein Unterschied zwischen dem geschriebenem und dem gesprochenem Dialekt zu bestehen, oder aber die Fragestellung hat eine bestimmte Antwort provoziert. Möglich wäre auch, dass die Verdoppelungskonstruktion in der gesprochenen Sprache in bestimmten Kontexten vorkommt und die gestellte Frage nicht diesem Muster entspricht. Interessant ist, dass ich das ungekehrte Phänomen nicht beobachten konnte: wer auf dem Fragebogen Verdoppelung gewählt hat, macht diese auch in der gesprochenen Sprache. Allgemein muss dieser Befund dahingehend interpretiert werden, dass die Versuchspersonen über verschiedene Partizipien und Verdoppelungselemente verfügen und sie je nach Kontext andere Konstruktionen verwenden.

3.4 Vergleich der Resultate mit den Daten des SADS-Projekts

3.4.1 Die Verdoppelung von aafaa im Präsens

Der Vergleich der oben besprochenen Resultate mit den Daten des SADS-Projekts zeigt im Grossen und Ganzen ein einheitliches Bild. Das untersuchte Gebiet ist sehr heterogen und weist viele verschiedene Varianten in fast gleicher Anzahl auf. Als Referenz-Ort wird der Ortspunkt Brugg AG herangezogen, da in Baden und Wettingen keine Abfrage durchgeführt wurde. Die in meiner Untersuchung festgestellte heterogene Situation bezüglich der Verdoppelung bei aafaa zeigt sich auch in den Syntax-projektdaten. Am Ortspunkt Brugg AG betragen die Anteile der Verdoppelung wie auch der Nichtverdopplung je 50%. Bestätigt wird aber durch diese Daten die in der SDS-Karte zur laa-Verdoppelung (SDS III, 263) sichtbare Tendenz, dass im Südwesten des Aargaus eher verdoppelt wird. Entsprechende Ortspunkte erreichen Verdoppelungswerte bis 70% und mehr. Der in der vorliegenden Untersuchung erhobene Wert von 44% Verdoppelung in Baden-Wettingen lässt sich demnach durchaus in das Bild des SADS-Projekts einordnen.

3.4.2 Die Wahl des Partizips im Perfekt

Ebenso verhält es sich mit der Verwendung der Partizipien. Bei der Übersetzung des Satzes 2 Ich habe schon angefangen zu kochen, verwenden in Brugg 5 von 9 Befragten (55%) das Partizip agfange, andere Ortspunkte in der Umgebung weisen alle höhere Werte, zwischen 55% bis 80% auf. Der in der vorliegenden Befragung erhobene Wert von 78% für die Verbreitung des Partizips afange liegt somit eher im oberen Bereich. Falls eine Erklärung nötig ist, könnte angemerkt werden, dass im Rahmen des SADS-Projekts eher ältere Leute befragt worden sind, in dieser Untersuchung jedoch nur Personen unter 30 Jahren einbezogen wurden. Dieser Umstand könnte eventuell auf eine zunehmende Verbreitung des Partizips afange auf Kosten des afo hinweisen. Das Partizip afo kommt in der Befragung des SADS-Projekts am Ortspunkt Brugg AG nicht vor. In den umliegenden Orten werden Werte zwischen 10% und 33% erreicht, was ungefähr meinen Resultaten in Baden-Wettingen entspricht (19%).

3.4.3 Kombinationen

Betrachtet man die verschiedenen Kombinationen zwischen den Antworten auf Frage 1 und Frage 2, so zeigt sich in den vom SADS-Projekt erhobenen Daten für Brugg die gleiche Tendenz wie in meiner Untersuchung für Baden-Wettingen: die oben als Kombination 1 bezeichnete Variante Wenn's so warm bliibt, foht s'Iis aa schmelze und Ich ha scho aagfange choche, ist mit 33% die am häufigsten gewählte Kombination, während die anderen drei Möglichkeiten nur Werte zwischen 10% und 30% erreichen. Eine kleine Abweichung ergibt sich bei der am wenigsten vertretenen Kombination, die in der Datenbank folgende ist: Wenn's so warm bliibt, foht s'Iis afo schmelze und Ich ha scho afo choche, die nur an zwei Ortspunkten im Aargau überhaupt vorkommt und in Brugg selber nicht nachgewiesen ist. In meiner Untersuchung wird diese Kombination zwar auch nur von 16% aller Befragten genannt, noch schwächer vertreten ist aber die Variante Wenn's so warm bliibt, foht s'Iis aa schmelze und Ich ha scho afo choche, die nur von einer einzigen Person genannt wurde. In der Datenbank kommt diese Kombination für den Ortspunkt Brugg auch nicht vor, erreicht aber in umliegenden Orten bis 33%.

Für die Untersuchung des Partizips im Satz 3 Sie findet es nicht gut, dass ich angefangen habe zu rauchen, weisen die von mir und die vom SADS-Projekt erhobenen Daten Unterschiede auf. Meine Untersuchung zeigt klar, dass im Raum Baden-Wettingen die grosse Mehrheit (84%) das Partizip a(a)gfange wählt. In der Dialektsyntax-Datenbank sind die Unterschiede zwischen den Werten der verschiedenen Partizipien a(a)gfange und afo für den Ortspunkt Brugg nicht so gross. 33% wählen eine Konstruktion mit afo und 44% eine mit dem Partizip a(a)gfange. Auch hier könnte man mutmassen, dass in der eher jüngeren Untersuchungsgruppe in meiner Befragung das Partizip afo eher weniger verwendet wird als in der Untersuchungsgruppe des SADS-Projekts mit höherem Durchschnittsalter. Jedoch lässt sich diese Vermutung mit meinen Daten nicht endgültig belegen, zu zahlreich sind die beeinflussenden Faktoren und zu klein die Anzahl der Befragten.

 

4 Zusammenfassung

Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass im untersuchten Gebiet Baden-Wettingen die Verdoppelung im Präsens beim Verb aafaa vorkommt und eine solche Konstruktion von allen 32 Befragten als in ihrem Dialekt grundsätzlich möglich erachtet wird. Es kann gesagt werden, dass der Anteil der Verdoppelungskonstruktionen an der Gesamtheit gemessen – bei Anwendung verschiedener Kriterien zur Gruppenbildung – nie über 50%beträgt. Die einfache Konstruktion ist also in Baden-Wettingen tendenziell geläufiger als die Verdoppelung. Bei der Übersetzungsfrage auf dem Fragebogen realisieren 44% die Verdoppelung. Die Verdoppelung scheint dabei nicht davon abzuhängen, ob jemand foht oder fangt als finites Verb wählt. Wie mehrere Gespräche mit den befragten Personen zeigten, machen einige von ihnen beim Sprechen Verdoppelung beim Verb aafaa, die diese auf dem Fragebogen nicht spontan wählten. Fragen, die sich daraus ergeben, im Rahmen dieser Arbeit aber nicht untersucht werden, sind: Gibt es Kontexte, welche die Verdoppelung eher hervorbringen als andere? In welchem Masse beeinflusst die Fragestellung bei der Übersetzungsfrage die Probanden?

Die Verdoppelungskonstruktion im Raum Baden-Wettingen räumlich einzugrenzen erweist sich als schwierig. Es ergibt sich kein wesentlicher Unterschied in der Häufigkeit der Verdoppelung zwischen den Personen, die ihr ganzes Leben in Baden oder Wettingen verbracht haben und denen, die ihre Kindheit und frühe Jugend an einem anderen Ort verbracht haben. Das sagt vor allem aus, dass der Raum Baden-Wettingen sich ins Gesamtbild des nordöstlichen Aargaus einfügt und keine Sonderstellung in Bezug auf die Verdoppelung beansprucht.

Der Versuch, herauszufinden, wovon die Wahl der Verdoppelungskonstruktion abhängig sein könnte, hat ergeben, dass eine Verdoppelung im Präsens wahrscheinlicher ist, wenn eine Person im Perfekt das Partizip afo anstelle des in meiner Befragung weiter verbreiteten Partizips a(a)gfange wählt. Dieser Anteil beträgt 84%.

Im Vergleich mit den Daten des SADS-Projekts ergeben sich nur leichte Unterschiede, die sich eventuell auf das unterschiedliche Durchschnittsalter in den beiden Befragungen zurückführen lassen und somit etwas über den Wandel des Dialektes aussagen könnten. Die eher jüngeren Versuchspersonen in der vorliegenden Untersuchung wählen im Satz 2 für das Perfekt häufiger das Partizip agfange als die Gruppe des SADS-Projekts mit höherem Durchschnittsalter. Dasselbe zeigt sich auch bei der Übersetzung von Satz 3. Tendenziell muss man vermuten, dass afo als Partizip also von jüngeren Personen eher weniger verwendet wird als von älteren. Jedoch lässt sich diese Vermutung mit meinen Daten nicht klar beweisen, dazu müsste die Anzahl der Befragten erhöht und andere beeinflussende Faktoren eruiert und ausgeschaltet werden. Die Bestätigung oder das Verwerfen dieser These könnte Gegenstand einer weiterführenden Arbeit sein.

 

Anmerkungen

1 Die Schreibweise der schweizerdeutschen Verben richtet sich in dieser Arbeit nach dem Aufsatz von Lötscher (1993). zurück

2 Zum Projekt "Dialektsyntax des Schweizerdeutschen. Syntaktischer Atlas der Deutschen Schweiz (SADS)" siehe www.ds.uzh.ch/dialektsyntax, eingesehen März 2010. zurück

3 Dieselbe Ansicht scheint auch das Aargauer Wörterbuch von Hunziker zu vertreten, zu erkennen in der Formulierung: "Vor einem Infinitiv wird statt a gleichbedeutend afo gesetzt: er fot a ësse oder fot afo ësse." zurück

4 Fragebogen und Instruktionen im Anhang. zurück

5 In dieser Übersicht wurde als finites Verb im ersten Satz immer foht gewählt, obwohl auch, wie weiter oben gezeigt, andere Versionen genannt wurden. zurück

6 Diese eher komplexe Struktur wurde denn auch von zwei Befragten umgangen mit der Formulierung: Sie findt's ned guet, dass i jetzt rauche. zurück

 

Literatur

Hunziker, Jakob (1877): Aargauer Wörterbuch in der Lautform der Leerauer Mundart. Aarau.

Lötscher, Andreas (1993): "Zur Genese der Verbverdopplung bei gaa, choo, laa, aafaa im Schweizerdeutschen". In: Abraham, Werner/Josef Bayer (eds.): Dialektsyntax. Opladen: 180–200.

Schmidt, Christa (2000): Die Verbverdoppelung im Zürichdeutschen. Magisterarbeit, Universität Freiburg i. Br.

 

Anhang: Befragungsinstrument

Instruktionen per E-Mail an die Untersuchungsgruppe

Hoi zäme!
Für eine Seminararbeit in der Linguistik mache ich eine Untersuchung auf dem Gebiet der Schweizerdeutschen Syntax. Deshalb bin ich auf Datenmaterial angewiesen, das ich auswerten kann. Ich wäre froh, wenn ihr die vier Fragen auf dem Fragebogen im Anhang anschauen und beantworten würdet.
Bitte beantwortet die Fragen möglichst spontan, ohne viel nachzudenken. Es gibt keine richtigen und falschen Antworten – es geht einzig darum, was ihr in eurem Dialekt als richtig empfindet. Für die Auswertung ist vor allem die Information wichtig, wo ihr und eure Eltern aufgewachsen seid, um euren Dialekt richtig lokalisieren zu können. Euer Name wird in der Arbeit nicht erscheinen.
Und Achtung: Nur die fettgedruckten Sätze übersetzen – der Rest ist Erklärung und nähere Beschreibung.
Wenn jemand eine Frage hat, beantworte ich diese natürlich gerne!
Herzlichen Dank!

Fragebogen

Vorname, Name:__________________
Mutter aufgewachsen in:__________________
aufgewachsen in:__________________
Vater aufgewachsen in:__________________
1. Seit Wochen ist der See gefroren und man kann Eislaufen gehen. Allerdings war es in den letzten Tagen nicht mehr besonders kalt. Sie sagen:
→ Bitte übersetze den folgenden Satz in deinen Dialekt und schreibe ihn so auf, wie du ihn sagen würdest:
Wenn es so warm bleibt, fängt das Eis an zu schmelzen!
_____________________________________________________________________
2. Max erwartet Besuch. Als es an der Tür klingelt, erklärt er, warum er die Schürze umgebunden hat:
→ Bitte übersetze den folgenden Satz in deinen Dialekt und schreibe ihn so auf, wie du ihn sagen würdest:
Ich habe schon angefangen zu kochen.
_____________________________________________________________________
3. Thomas hat in der Rekrutenschule angefangen zu rauchen. Seine Mutter ist darüber alles andere als begeistert. Er erzählt davon einem Kollegen:
→ Bitte übersetze den folgenden Satz in deinen Dialekt und schreibe ihn so auf, wie du ihn sagen würdest:
Sie findet es nicht gut, dass ich angefangen habe zu rauchen.
_____________________________________________________________________
4. Hans sitzt mit Maja in der Gartenwirtschaft. Nach dem Eindunkeln zieht Maja ihre Jacke an. Hans fragt:
→ Kannst du den folgenden Satz in deinem Dialekt sagen?
  ja   nein Chunnsch z früüre?
Wenn nein: bitte notiere hier den Satz so, wie du ihn normalerweise sagen würdest:
_____________________________________________________________________