„Wenn der Sprache Grenzen gesetzt werden“ – Eine wahrnehmungsdialektologische Untersuchung im Fränkischen und Thüringischen an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze*

Verena Sauer (Kiel)

http://dx.doi.org/10.13092/lo.85.4087


 

1 Einführendes zum itzgründischen Sprachraum

Der Coburger Raum nimmt eine Sonderstellung innerhalb des Ostfränkischen ein, das das Resultat zahlreicher Advergenzprozesse1 ist, in denen einerseits das Mitteldeutsche und andererseits das Oberdeutsche auf die sprachliche Struktur der Varietät einwirkten: „Im Gegensatz zu den in sich deutlich homogeneren ‚Stammesdialekten’ zeichnet sich das Ofrk. durch eine komplexe Binnengliederung aus. […] Als markantester Binneninterferenzraum ist der Coburger Raum zu nennen […].“ (Klepsch/Weinacht 2003: 2769) Die perzeptionslinguistische Darstellung des Coburger Raumes2 ist Gegenstand des vorliegenden Beitrags (siehe Karte 1).

Karte 1: Untersuchungsgebiet

Karte 2: Die itzgründische Sprachlandschaft innerhalb des Ostfränkischen

Die itzgründische Sprachlandschaft grenzt im Nordosten an den mitteldeutschen thüringischen Sprachraum, im Süden an den oberdeutschen oberostfränksichen Raum und im Nordwesten an den ebenfalls oberdeutschen hennebergischen Sprachraum (siehe Karte 2). Das Itzgründische zählt zu den oberdeutschen Dialektlandschaften und gliedert sich in das Unterostfränkische ein. Steger differenziert innerhalb dessen noch einmal in den sog. „Coburger Raum“ (cf. Steger 1968: 333). Die sprachliche Sonderstellung des itzgründischen Raumes kann u. a. durch die Vielzahl extralinguistischer Faktoren in diesem Gebiet begründet werden, die die Kommunikation der Bewohner prägen und Auswirkungen auf deren Mikro- und Mesosynchronisierungen (cf. Schmidt/Herrgen 2011: 29–32) haben, welche die Herausbildung und Dynamik des Itzgründischen bestimmen:

Karte 3: Sprachgrenzen innerhalb des Untersuchungsgebietes

Der Rennsteig, der die mitteldeutschen Dialektlandschaften von den oberdeutschen trennt, grenzt im Norden an das oberdeutsche itzgründische Gebiet. Im Westen gliedert sich die Südhennebergische Staffelung an das Itzgründische, die es vom ebenfalls oberdeutschen hennebergischen Raum abtrennt. Im Südosten grenzt der itzgründische Raum an die Coburger Schranke, die diesen vom oberostfränkischen Raum trennt (siehe Karte 3).

Das Itzgründische erstreckt sich zu gleichen Teilen über den thüringischen Landkreis Sonneberg im Norden sowie den bayerischen Landkreis Coburg im Süden. Der südöstliche Teil des thüringischen Landkreises Hildburghausen sowie der nordwestliche Teil des bayerischen Landkreises Lichtenfels bilden die territorialen Grenzen des Itzgründischen. Das itzgründische Gebiet wird durch die Bundesländergrenze von Thüringen und Bayern politisch geteilt, sodass die Bewohner des nördlichen Gebietes Thüringer sind, die Bewohner des südlichen Teils hingegen Bayern.

Die politische Teilung des Sprachraumes besteht seit 1920, nachdem sich die Einwohner Coburgs per Volksentscheid für eine Eingliederung ihrer Region zum Land Bayern entschieden und Sonneberg dem Land Thüringen zugesprochen wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörten Sonneberg und Coburg für wenige Wochen im Frühjahr 1945 zur amerikanischen Besatzungszone, allerdings wurde Sonneberg später der sowejtischen Besatzungszone zugeordnet. Ab 1949 gehörte Sonneberg zur Deutschen Demokratischen Republik, das Land Thüringen wurde aufgelöst und der neue Kreis Sonneberg dem Bezirk Suhl unterstellt. Coburg gehörte der Bundesrepublik Deutschland an und wurde Zonenrandgebiet. Durch zahlreiche Subventionen, die die Wirtschaftskraft der Zonenrandgebiete erhalten sollten, florierte der Wirtschaftsraum Coburg ab 1949, da sich mehrere Großunternehmen hier niederließen. Sonneberg wurde innerhalb der DDR, aufgrund seiner Nähe zur deutsch-deutschen Grenze, zum Sperrgebiet erklärt und erlebte einen starken wirtschaftlichen Niedergang von der Weltspielzeugstadt hin zur „grauen Stadt“ (cf. Schwämmlein 1999b: 95). Somit hatte die deutsch-deutsche Grenze, die das itzgründische Gebiet von 1949 bis 1989 teilte und die Kommunikation unter den Bewohnern der Grenz- bzw. Zonenrandgebiete nahezu unmöglich machte, auch nachhaltige Folgen auf die Wirtschaft Coburgs und Sonnebergs.

Karte 4: Konfessionsgrenzen innerhalb des Untersuchungsgebietes

Konfessionell grenzt sich das evangelische itzgründische Gebiet vom vorwiegend katholischen Süden ab. Sowohl Coburg auf bayerischer Seite als auch Sonneberg auf thüringischer Seite sind beide größtenteils evangelisch geprägt. Die angrenzenden bayerischen Landkreise Kronach und Lichtenfels sind hingegen katholische Gebiete (siehe Karte 4).

Die itzgründische Sprachlandschaft ist durch sprachräumliche, geographische, politische, historisch-territoriale, wirtschaftliche und konfessionelle Grenzen geformt worden. Allerdings verbindet die Regionen um Sonneberg und Coburg auch eine gemeinsame Geschichte und Freundschaft, die bereits ab dem Jahre 1074 belegt ist (cf. Schwämmlein 1999a: 21). Beide Regionen sind wirtschaftlich und kulturell eng miteinander verbunden. Darüber hinaus bestehen unter den eingesessenen Coburgern und Sonnebergern zahlreiche verwandtschaftliche Beziehungen, die den Lebensalltag und die Kommunikation der Bewohner beeinflussen.


2 Forschungsliterarischer Überblick

In den Jahren 1990 bis 1994 erhoben Forscher des Thüringischen Wörterbuchs und des Sprachatlas von Nordostbayern in 21 benachbarten Grenzorten in Thüringen und Bayern Sprachdaten. Das Forscherteam um Wolfgang Lösch an der Universität Jena erhob Daten zur Ermittlung der Performanzfähigkeit der Grenzortbewohner, die durch die politischen Umwälzungen und die daraus resultierenden neuen Gesellschaftsstrukturen beeinflusst wurde (cf. Lösch 2000: 156). Die Grundlage der Datenerhebung bildete eine direkte Befragung3 von sog. „Ortsexperten“,4 die die Alltagsvarietät der Einwohnerschaft des Grenzortes bestimmen sollten. Die Performanzfähigkeit wurde von den Ortsexperten mittels Introspektion eingeschätzt und die Sprecher anschließend als „Dialektsprecher“, „Sprecher der Mischsprache“ oder „Hochdeutschsprecher“ eingeordnet (cf. Lösch 2000: 160). Lösch ermittelte einen starken Rückgang des Dialektes zugunsten einer regionalsprachlichen Varietät sowohl im Osten als auch im Westen. Die sprachliche Einheit im itzgründischen Raum blieb aber, seiner Ansicht nach, erhalten (cf. Lösch 2000: 163).

Rüdiger Harnisch und sein Team der Universität Passau werteten diese Sprachdaten, die von 1990 bis 1994 erhoben wurden, im Rahmen des DFG-Projektes Untersuchungen zur Sprachsituation im thüringisch-bayerischen Grenzgebiet (SPRIG) in den Jahren 2006 bis 2009 aus. Ihr Untersuchungsschwerpunkt lag auf der Ermittlung der Dialektkompetenz der Bewohner der ehemaligen Grenzorte, welche in einem diatopisch-diachronen Vergleich ausgewertet wurden. Die bereits vorliegenden Ergebnisse deuten an, dass sich an der ehemaligen politischen Grenze eine neue Sprachgrenze gebildet hat und die ehemals einheitlichen Kommunikationsräume nach der Isolation nicht mehr bestehen (cf. Harnisch 2015: 236). Diesen dialektgeographischen Wandel begründet Harnisch zum einen mit der Umorientierung der Sprecher am jeweiligen dialektalen Hinterland und zum anderen mit dem Abbau basisdialektaler Merkmale zugunsten von standardnäheren Varietäten.

Die Auswirkungen der deutsch-deutschen Grenze auf die dialektgeographische Struktur in den ostfränkischen Grenzgebieten wurden 2001 auch von Monika Fritz-Scheuplein im Rahmen ihres Dissertationsprojektes Geteilter Dialekt? Untersuchungen zur gegenwärtigen Dialektsituation im ehemaligen deutsch-deutschen Grenzgebiet untersucht. Im Fokus ihrer Studie steht ein kontrastiver Vergleich der aktiven Dialektkompetenz der Bewohner der Grenzorte im hennebergischen Raum.5 Dabei verfolgt sie einen diachronen, einen diatopischen und einen diaphasisch-synchronen6 Ansatz. Die Datenerhebung erfolgte 1995 in 14 benachbarten Grenzorten, davon lagen sieben Orte innerhalb Thüringens und sieben Orte innerhalb Bayerns. Insgesamt wurden von ihr 79 Probanden befragt, die sie zwei Altersgruppen zuordnete, einer jungen Probandengruppe (Durchschnittsalter: 30 Jahre) und einer alten Probandengruppe (Durchschnittsalter: 70 Jahre). Die Gewährspersonen wurden mittels eines vollstrukturierten Fragebogens in Gruppeninterviews befragt (cf. Fritz-Scheuplein 2001: 37f.). Fritz-Scheuplein resümiert, dass weder ein diatoper noch ein diaphasischer Kontrast in der Struktur der basisdialektalen Varietät der Probanden beobachtet werden konnte. Erst beim Wechsel in eine regionalsprachliche Varietät wird ein Unterschied zwischen Ost und West deutlich (cf. Fritz-Scheuplein 2001: 195).

Diese Arbeiten zur Dialektstruktur innerhalb der ostfränkischen Grenzorte an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze stellen dialektgeographische Fragestellungen in den Fokus, die zum einen die Sprachkompetenz und zum anderen die Performanzfähigkeit der Grenzortbewohner analysieren sollen. Wahrnehmungsdialektologische Untersuchungen in den ostfränkischen Grenzgebieten wurden bisher noch nicht durchgeführt. Diese Lücke möchte ich im Rahmen meines Dissertationsprojektes schließen: Zum einen werde ich eine Real-Time-Analyse mit Sprachaufnahmen aus den 1960er und 1990er Jahren durchführen, die ich mit meinen selbstständig erhobenen Sprachaufnahmen aus dem Jahr 2014 vergleiche. Zum anderen konnte ich wahrnehmungsdialektologische Daten sammeln, die ich meinen dialektgeographischen Daten gegenüberstelle. In dieser Abhandlung stelle ich die ersten wahrnehmungsdialektologischen Ergebnisse meiner Arbeit dar. Ich zeige, welche dialektalen Marker die Probanden in den Hörproben ermitteln konnten, welche salienten Merkmale folglich in der Perzeption der Laien vorhanden sind und ob eine perzeptionslinguistische Grenze7 an der politischen Grenze entstanden ist.


3 Hörerurteile zum itzgründischen Raum und den angrenzenden Dialekträumen

3.1 Untersuchungsaufbau

Im Frühjahr 2013 habe ich im Rahmen einer Voruntersuchung mehrere Sprecher aus den ehemaligen Grenzgebieten in Sonneberg, Coburg und Kronach aufgenommen. Diesen Sprachaufnahmen liegt eine Bildergeschichte, bestehend aus drei zusammengehörenden Abbildungen, zugrunde, die die Sprecher in ihrer dialektalen Alltagsvarietät nacherzählen sollten. So wurden zwanzig Sprachaufnahmen gesammelt und davon neun ausgewählt, die zunächst einem Expertenkreis vorgespielt wurden.8 Innerhalb dieser Expertenbefragung konnten schließlich vier Hörproben ausgewählt werden, die das Sprachraumkonzept des itzgründischen Raumes sowie des angrenzenden oberostfränkischen Raumes hinlänglich darstellen und für die wahrnehmungsdialektologische Befragung von 67 Probanden aus Sonneberg, Coburg und Kronach genutzt werden konnten.

Die Daten zu den perzipierten Dialektmerkmalen sollen Aufschluss darüber geben, welche sprachlichen Besonderheiten die Probanden in den ostfränkischen Hörproben wahrnehmen. Die dialektalen Marker aus den Hörproben werden im Anschluss klassifiziert und dann die salienten Dialektmarker des itzgründischen bzw. des angrenzenden oberostfränkischen Raumes abgeleitet. So versuche ich nachzuweisen, ob in der Wahrnehmung der Probanden Isoglossenstrukturen innerhalb des Itzgründischen bzw. zwischen dem itzgründischen und dem angrenzenden oberostfränkischen Raum perzipiert werden oder nicht.

Die vier ausgewählten Sprecher sind männlich und in einem Grenzort in Sonneberg (Thüringen), Coburg (Bayern) oder Kronach (Bayern) geboren sowie aufgewachsen und leben seither auch an diesem Ort, meist schon in zweiter oder dritter Generation. Die Sprecher sind zwischen 1950 und 1958 geboren und wurden somit nach der politischen Teilung und vor der Wiedervereinigung sprachlich sozialisiert. Folglich geben diese Aufnahmen die dialektalen Varietäten an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze zuverlässig wieder. Die Hörproben haben eine Aufnahmedauer zwischen 23 und 29 Sekunden und sind untereinander gut vergleichbar.

3.2 Linguistische Besonderheiten

Die im Folgenden dargestellten vier Hörproben entstammen zum einen dem unterostfränkischen9 Coburger Raum (siehe Tabelle 1) und zum anderen dem oberostfränkischen10 Kronacher Raum.

Variable

Beispiellexem

Coburger Raum (uofrk.)

mhd. (germ.) ë

Berg

[a]

mhd. â

nachher

[ɔ͡u]

mhd. a

Mann

[ɑ]

mhd. ei

klein

[ɛ]

mhd. ê

Schnee

[i͡:a]

mhd. œ

trösten

[y͡:ə]

mhd. o

Kopf

[u͡:ə]

mhd. ou/ öu

Baum/ Bäume

[a:]

Tabelle 1: Ausgewählte sprachliche Besonderheiten des Coburger Raumes (cf. Steger 1968: 333f.; cf. Krämer 1995: 21f.)

Der uofrk. Coburger Raum kann vom oofrk Kronacher Raum anhand einiger dialektaler Besonderheiten unterschieden werden (siehe Tabelle 2). Das mhd. (germ.) „ë“ entwickelte sich im Coburger Raum zum ungerundeten offenen Vorderzungenvokal [a], im Kronacher Raum wird der ungerundete halboffene Vorderzungenvokal [ɛ] gebildet. Das Bezugswort „Berg“ erscheint im uofrk. Coburger Raum als [barχ] und im oofrk. Kronacher Raum als [bɛrç]. Die Variable mhd. „a“ zeigt ebenfalls zwei unterschiedliche Varianten auf: Im Coburger Raum wird ein velarisiertes [ɑ] verwendet, im Kronacher Raum wird der offene Vorderzungenvokal [a] gesprochen. Das Belegwort „Kappe“ erscheint im uofrk. Raum folglich als [kɑp] und im oofrk. Raum als [kap]. Die Entwicklung von mhd. „ei“ zum gedehnten Monophthong [ɛ:] im Coburger Raum bzw. zum gedehnten Monophthong [a:] im Kronacher Raum (cf. Koß 1967: 217f.) konnte ebenfalls in den vier Hörproben der Untersuchung ermittelt werden:

Variable

Coburger Raum

(Unterostfränkisch)

Kronacher Raum

(Oberostfränkisch)

mhd. (germ.) ë

Berg, Kerl

[a]

[ɛ]

mhd. a

Schwalbe, Kappe, warm

[ɑ]

[a]

mhd. ê

Schnee

[i͡:a]

[i:]

mhd. ei

klein

[ɛ:]

[a:]

Tabelle 2: Ausgewählte sprachliche Marker zur Unterscheidung des uofrk. Coburger Raumes vom angrenzenden oofrk. Kronacher Raum (cf. Steger 1968: 333f.; cf. Krämer 1995: 21f.)

3.3 Sprecherprofile

Die folgenden Transkripte der vier Sprachaufnahmen umfassen jeweils eine vereinfachte literarische Umschrift sowie eine regionalsprachliche phonetische Umschrift.

Sprecher 1: Oberostfränkisch, Raum Kronach (Stockheim, Geburtsjahr: 1955)

Länge: 29‘ / Anzahl der Worte: 66

Auf dem ersten Bild zerrt ein kleiner Bube seinen Schlitten den Berg rauf, im Hintergrund
ɑ͡ofm̩ ɛ͡ɐʃdn̩ bɪlt t͡sad a glaːnɛ bʊp zɑ͡en̩ ʃlɪdn̩ ɪm bɛrç na͡of/ ɪm hɪndɐgrʊnt
sieht man ein paar Schwalben am Himmel. Die Berge sind ziemlich spitz mit Schnee bedeckt,
siːt mɜ a bɔ͡ɐ ʃvalm̩ ɑm hɪml̩/ diː bɛrç sɪn t͡sɪmlɪç ʃ͡pɪt͡sɪç mɪd ʃni: bədɛg
die Tannen oder Fichten im Vordergrund haben auch ein paar Schneekappen. Das ist
diː dana ɔdɜ fɪçdn̩ ɪm fɔ͡ɐdɜgrʊnt hɑm̩ aː bɔ͡ɐ ʃniːkabm̩/ dɜs ɪs
eigentlich der Eindruck, den ich jetzt vom ersten Bild habe. Der kleine Kerl hat einen Schal
ɑ͡enɪç da ɑ͡en̩drʊk/ deːn ɪç jɛt͡s fɔn ɛ͡ɐs͡dn̩ bɪlt hɑp/ dɛ͡ɐ gla: kɛ͡ɐl hɔt an̩ ʃɑːl
um und eine schöne warme Kappe auf.
ʏm ʊnth a ʃøːna varma kap ʊf/

Variable

Varianten/ orthographische Umschrift

mhd. a

[dana]/ <Tannen>; [varma]/ <warme>; [kap]/ <Kappe>; [ʃvalm̩]/ <Schwalbe>; [ʃniːkabm̩]/ <Schneekappen>

mhd. a (Einsilber)

[hɔt]/ <hat>

mhd. ei

[glaː]/ <klein>; [a]/ <ein>; [glaːnɛ]/ <kleiner>

mhd. ê

[ʃni:]/ <Schnee>; [ʃniːkabm̩]/ <Schneekappen>

mhd. e

[t͡sad]/ <zerrt>

mhd. û

[ʊf]/ <auf>

mhd. u

[ʏm]/ <um>

Zentralisierung

[mɜ]/ <man>; [ɔdɜ]/ <oder>; [fɔ͡ɐdɜgrʊnt]/ <Vordergrund>; [dɜs]/ <das>

Apokope

[bʊp]/ <Bube>; [kap]/ <Kappe>; [hɑp]/ <habe>; [bɛrç]/ <Berge>; [fɪçdn̩]/ <Fichten>; [zɑ͡en̩]/ <seinen>

S-Palatalisierung von st

[ɛ͡ɐʃ͡dn̩]/ <ersten>

Spirantisierung

[bɛrç]/ <Berge>

Alveolare Realisierung von r

[hɪndɐgrʊnt]/ <Hintergrund>; [bɛrç]/ <Berge>; [fɔ͡ɐdɜgrʊnt]/ <Vordergrund>; [ɑ͡en̩drʊk]/ <Eindruck>; [varma]/ <warme>

Tabelle 3: Übersicht über die sprachlichen Besonderheiten in Sprechprobe 1

Sprecher 2: Unterostfränkisch, Raum Coburg (Hassenberg, Geburtsjahr: 1950)

Länge:23‘ / Anzahl der Worte: 47

Da zerrt ein Junge seinen Schlitten den Berg rauf. Dann hockt er sich drauf und fährt wie ein
dɑ t͡sad a jʊŋ sa͡en̩ ʃliːdn̩ ɪm barχ na͡of/ dɑn hɔg͜dɜ sɪç dra͡of ʊm feːɐd viː a
Narr den Berg runter, sodass die Kappe davonfliegt. Und dann hat er es geschafft: der Arm
nɔ͡ɐr ɪm barχ nʊndɜ/ɛs dɪ kɑp dəfɑːfliːçt/ ʊn dɑn hɔ͜dɛʃ g͜͡ʃɑft/dɛ ɑrm
gebrochen, den Kopf aufgeklopft, die Mutter tröstet ihn und der Vater ist grimmig.
gəbrɔχn̩/ n̩ ku͡əp͡f a͡of gɜglɔp͡f/ dɪ mʊdɜ dryːəs na ʊn͜dɜ fɑrɜ ɪs krɪmɪʃ/

Variable

Varianten/ orthographische Umschrift

mhd. a

[nɔ͡ɐr]/ <Narr>; [kɑp]/ <Kappe>

mhd. â

[dəfɑː]/ <davon>

mhd. e

[t͡sad]/ <zerrt>

mhd. (germ.) ë

[barχ]/ <Berg>

mhd. ei

[a]/ <ein>

mhd. i

[ʃliːdn̩]/ <Schlitten>

mhd. o

[ku͡əp͡f ]/ <Kopf>

mhd. œ

[dryː͡əs]/ <tröstet>

Apokope/ Synkope

[jʊŋ]/ <Junge>; [sa͡en̩]/ <seinen>; [kɑp]/ <Kappe>; [g͜ʃɑft]/ <geschafft>

Hebung der Endsilbe -er

[mʊdɜ]/ <Mutter>; [ʊn͜dɜ]/ < und der>; [fɑrɜ]/ <Vater>

Zentralisierung

[dɜs]/ <das>

Spirantisierung

[barχ]/ <Berg>; [dəfɑːfliːçt]/ <davonfliegt>

Alveolare Realisierung von r

[barχ]/ <Berg>; [dra͡of]/ <drauf>; [nɔ͡ɐr]/ <Narr>

Tabelle 4: Übersicht über die sprachlichen Besonderheiten in Sprechprobe 2

Sprecher 3: Unterostfränkisch, Raum Sonneberg (Malmerz, Geburtsjahr: 1958)

Länge:24‘ / Anzahl der Worte: 58

Also man sieht einen kleinen Jungen im Winter wie er seinen Schlitten den Berg rauf zieht,
ɑːlzoː mɑ siːd ɑ͡en̩ gla͡en̩ jʊŋ ɪm vɪndɜ vɪ͜rɛ za͡en̩ ʃlɪdn̩ ɪm bɛ͡ɐç na͡of t͡siːt/
rodelt mit einem Affenzahn runter, sodass ihm die Mütze wegfliegt und das Ergebnis ist
roːdl̩ mɪt ɛn̩ ɑfn̩t͡sɑːn̩ rʊndɜ/ soː dœs͜nɛ͜dɪ mʏt͡sɜ vɛkfliːçdʊnt dɛs ɛ͡ɐgeːbnɪs ɪs
wahrscheinlich, dass er hingefallen ist und hat sich den Arm gebrochen und da heult er und
vɑːʃa͡enlɪç/ dɛs͜ɛː hɪnkfɑln̩ ɪs ʊnt hɑt sɪçn̩ ɑrm gəbrɔχn̩ ʊn dɑ hɔ͡øl͜dɛ ʊnt
wie es halt so ist: die Mama tröstet und der Vater schimpft.
viːs hɑlzoː ɪs/ mɑmɑ drøːsdət ʊnth fɑdɜ ʃɪmp͡ft/

Variable

Varianten/ orthographische Umschrift

mhd. a

[ɑfn̩t͡sɑːn̩]/ <Affenzahn>; [fɑdɜ]/ <Vater>; [hɪnkfɑln̩]/ <hingefallen>; [hɑt]/ <hat>; [dɑ]/ <da>; [mɑmɑ]/ <Mama>

Zentralisierung

[dɛs]/ <dass>; [dɛs͜ɛː]/ <dass er>

Apokope/ Synkope

[ɑ͡en̩]/ <einen>; [gla͡en̩]/ <kleinen>; [jʊŋ]/ <Jungen>; [za͡en̩]/ <seinen>; [hɪnk͡fɑln̩]/ <hingefallen>

Hebung der Endsilbe -er

[vɪndɜ]/ <Winter>; [rʊndɜ]/ <runter>; [fɑdɜ]/ <Vater>; [mʏt͡sɜ]/ <Mütze>

Spirantisierung

[bɛ͡ɐç]/ <Berg>

Alveolare Realisierung von r

[roːdl̩]/ <rodelt>; [rʊndɜ]/ <runter>; [gəbrɔχn̩]/ <gebrochen>

Tabelle 5: Übersicht über die sprachlichen Besonderheiten in Sprechprobe 3

Sprecher 4: Unterostfränkisch, Raum Coburg (Haarbrücken, Geburtsjahr: 1956)

Länge: 25‘ / Anzahl der Worte: 66

Da zieht ein Junge seinen Schlitten den Hügel rauf, der hat eine Zipfelmütze auf, einen Schal
də t͡siːd ɑ͡ɪ jʊŋ sa͡en̩ ʃlɪdn̩ ɪm hyːgl̩ na͡of/ dœ͜hɔd a t͡sɪp͡fl̩mʏt͡s a͡of/ ɑ ʃɔ͡əl͜ ʏm̩
um und wie er oben ist, setzt er sich drauf und fährt nachher runter. Die Zipfelmütze fliegt weg
ʊ viː a oːm̩ ɪs/ sɛt͡s ziː dʁa͡of ʊm fe͡ɐd nɔ͡u ʁʊndɜ/ t͡sɪp͡fl̩mʏt͡s fliːçt vak
und wahrscheinlich fährt er an den Baum ran, nämlich der ist, nachher hat er den Arm in Gips,
ʊm vɔʃa͡enɪç fɛ͡ɐd ɑm ba:m nɑː/ nɛmɪç da ɪs/ nɔuχət hɔ͜dəm̩ a͡:ɐm m̩ gɪbs/
Kopf ist eingebunden und die Mutter muss ihn halt ein bisschen trösten. Das war’s.
kuː͡əp͡f ɪs a͡egəbʊndn̩ ʊn͜͜dɪ mʊdɜ mʏzn̩͜hɑlabla dʁøːst/ dɛs vo͡ɜs

Variable

Varianten/ orthographische Umschrift

mhd. â

[nɔuχət]/ <nachher>; [ʃɔ͡əl]/ <Schal>

mhd. a

[hɔ͜dəm̩]/ <hat er den>; [vɔʃa͡enɪç]/ <wahrscheinlich>; [ɑm]/ <am>; [nɑː]/ <hinan>

mhd. o

[kuː͡əp͡f]/ <Kopf>

mhd. u

[ʏm̩]/ <um>

mhd. ou

[ba:m]/ <Baum>

Apokope/ Synkope

[gla͡en̩]/ <kleinen>; [jʊŋ]/ <Jungen>; [sa͡en̩]/ <seinen>; [t͡sɪp͡fl̩mʏt͡s]/ <Zipfelmütze>; [hɪnkfɑln̩]/ <hingefallen>

Hebung der Endsilbe -er

[mʊdɜ]/ <Mutter>; [ʀʊndɜ]/ <runter>

Spirantisierung

[fliːçt]/ <fliegt>

Uvulare Realisierung von r

[dʁa͡of]/ <drauf>; [ʁʊndɜ]/ <runter>; [dʁøːst]/ <tröstet>

Tabelle 6: Übersicht über die sprachlichen Besonderheiten in Sprechprobe 4

3.4 Klassifikation

An der perzeptionslinguistischen Befragung nahmen 67 Probanden teil, davon 34 Probanden aus den ehemaligen ostdeutschen Grenzgebieten und 33 Probanden aus den ehemaligen westdeutschen Grenzgebieten. Diesen wurden Sprechproben von ca. 30 Sekunden Dauer vorgespielt (siehe Kapitel 3.3), die die Probanden nach dreimaligem Hören sowohl sprachlich11 als auch regional12 zuordnen mussten. Darüber hinaus wurde abgefragt, anhand welcher sprachlichen Merkmale13 die Zuordnung vorgenommen wurde.

Die Probanden meiner Untersuchung konnten verschiedene (sprachliche) Merkmale in den vier Hörproben benennen und aufschreiben. Auf Grundlage der schriftlichen Probandenantworten habe ich ein Klassifikationsschema erstellt, welches an das von Anders (2010: 269) angelehnt ist. Mein Klassifikationsschema umfasst folgende Kategorien: (1) Lautliche Besonderheiten, (2) Wortassoziationen, (3) Aussagen zur regionalen Varietät und (4) Morphologische Besonderheiten.

(1) Lautliche Besonderheiten

In den Probandenantworten wurde häufig auf die Qualität des r verwiesen, das die Sprecher artikulierten, z.B. „rollendes r“; „r hervorgehoben“; „rollendes gutturales r“; „Rachen-r“.14 Diese konsonantische lautliche Besonderheit ist ein dialektaler Marker, der die thüringischen Dialekte, in denen hauptsächlich ein uvulares [ʁ] vorzufinden ist, von den ostfränkischen Dialekten, in denen das alveolare [r] vorherrscht, unterscheidet. In diesem Zusammenhang muss auf die Stadt Neustadt bei Coburg hingewiesen werden, deren Einwohner zum Großteil ein uvulares [ʁ] artikulieren und sich so vom umgebenden unterostfränkischen Sprachraum unterscheiden. Daneben gaben einige Probanden das a als besonderes Merkmal in einzelnen Hörproben an, z. B. indem sie die Vokalqualität näher beschrieben („das a zum o gesprochen“) oder auf die Vokalfrequenz („viel mit a“) eingingen. Diese vokalische Besonderheit, die Velarisierung von mhd. „a“ zu [ɑ] im Unterostfränkischen und offene Artikulation von [a] im Oberostfränkischen bzw. die Senkung von mhd. (germ.) „ë“ zu [a] im Unterostfränkischen kann ebenfalls als dialektaler Marker angenommen werden. Während im Unterostfränkischen das Lexem „Tanne“ als [dɑnə] gesprochen wird und das a zu [ɑ] velarisiert ist, wird im Oberostfränkischen [danə] verwendet, das a wird als offenes [a] artikuliert.

(2) Wortassoziationen

Zum einen schrieben die Probanden einige inhaltsbezogene Wortassoziationen zu den Hörproben auf. Es konnten drei Assoziationspaare ermittelt werden, die häufig angegeben wurden. Erstens das Assoziationspaar Jung(e) und Bub, zweitensMütz(e) und Kapp(e) sowie drittens weinen und greinen. Die Ausdrücke Bub, Kappe und greinen werden vorwiegend im ostfränkischen bzw. ostoberdeutschen Sprachaum gebraucht, die Ausdrücke Junge, Mütze und weinen werden hingegen eher außerhalb des Ostfränkischen bzw. innerhalb der Standardsprache verwendet. Diese drei Assoziationspaare dienen den Probanden als Prototypen, um zwischen dem oberostfränkischen Raum (Kronach/ BY) und dem unterostfränkischen Raum (Sonneberg/ TH und Coburg/ BY) zu unterscheiden.

Zum anderen konnten zahlreiche ausdrucksbezogene Wortassoziationen ermittelt werden. Diese beziehen sich zum Teil auf die bereits beschriebene vokalische Besonderheit des a (siehe „Lautliche Besonderheiten“). So verwiesen die Probanden in ihren Aufzeichnungen auf die Ausdrücke „Norr“, „Schoal“, „woars“ und „dohamm“ beziehungsweise auf „Schnikäppn“ und „Schwälm“. Bei diesen Verweisen kann zum einen die Velarisierung von a nachvollzogen werden und zum anderen wird die offenere Artikulation dieses Vokals in der oberostfränkischen Probe angedeutet. Darüber hinaus konnte aus den Probandenantworten abgeleitet werden, dass diese die Monophthongierung von ei zu [a] in „daham“, „kla“, „aane“ bzw. zu [ɛ] in „klän“ und „Bä“ wahrnahmen. Der offene Vorderzungenvokal [a] wird im oberostfränkischen Raum verwendet, der ungerundete halboffene Vorderzungenvokal [ɛ] hingegen im unterostfränkischen Raum, also in Sonneberg und Coburg. Ein weiteres wichtiges Merkmal, das die Probanden in den Hörporben perzipierten, ist die unterschiedliche Realisation von e in „Berg“. Hier konnten die Befragten zum einen das vermeintlich standardsprachliche [ɛ] in „Bärch“ heraushören, das typisch für den oberostfränkischen Raum ist und zum anderen das zum [a] gesenkte „Barch“, das im Unterostfränkischen gesprochen wird. Auch die Hebung von mhd. ê zu [i:] in „Schnii“ nahmen die Probanden wahr, welche typisch für den Raum Kronach ist (cf. Wiesinger 1970:245).

(3) Aussagen zur regionalen Varietät

Einige Probanden konnten zwar keine salienten sprachlichen Besonderheiten in den Hörproben finden, jedoch Aussagen zur regionalen Varietät treffen. So konnten sie beispielsweise auf spezifische geographische Räume verweisen, z. B. „Richtung Sonneberg aus dem Hinterland“, „Landkreis Coburg in Grub am Forst“, „Heinersdorf, ähnlich wie in Bamberg“. Darüber hinaus konnten Merkmale zur vertikalen Variation („hört sich an wie Hochdeutsch“, „Mischmasch aus Schuldeutsch/ Dialekt“) und zur horizontalen Variation („unser Dialekt“, „strengt sich an, die thüringische Sprache zu vertuschen“) ermittelt werden.

(4) Morphologische Besonderheiten

Nur wenige perzipierte Merkmale wurden in der Kategorie morphologische Besonderheiten gefunden. Hier wurde eine Besonderheit im Bereich der Wortbildung, der Wegfall des Schwa-Lautes („verschlucktes e“, „Verschlucken der Endungen“), erkannt.

3.5 Perzipierte Merkmale in den Hörproben

Hörprobe 1 aus Kronach/ Bayern (Oberostfränkisch)

Die Probanden perzipierten in Hörprobe 1 viele ausdrucksbezogene Wortassoziationen, die sich auf die dialektale Realisierung von mhd. a und mhd. ê sowie mhd. ei beziehen. Die Befragten erkannten das offene [a] in „T anna“, „Schnikäppn“ und „Schwälm“, welches sich vom velariserten [ɑ] in Sonneberg und Coburg deutlich unterscheidet. Ein weiteres perzipiertes Merkmal ist die Realiserung von mhd. ê im Wort „Schnikäppn“. Das mhd. ê in „Schnee“ wird im itzgründischen Raum zu [i͡:a] diphthongiert, im oberostfränkischen Gebiet kann nur eine Hebung zu [i:] beobachtet werden. Ein weiterer salienter Marker des Oberostfränkischen, die Monophthongierung von mhd. ei zu [a], wurde von den Probanden ebenfalls perzipiert, z. B. in den Wörtern „klaa“ und „dohamm“. Neben den ausdrucksbezogenen Wortassoziationen konnten auch einige inhaltsbezogene ermittelt werden, die ebenfalls dialektale Marker des Oberostfränkischen sind: „Bub“, „greint“ und „Kapp“. Im Itzgründischen sind diese Lexeme zwar auch vorhanden, werden jedoch meist durch „Jung“, „weint“/ „heult“ und „Mütz“ ersetzt. Ein weiterer Indikator zur Bestimmung der ostfränkischen Dialektandschaft ist das gesprochene alveolare [r] in Hörprobe 1, das von den Probanden relativ problemlos bestimmt werden konnte („rollendes R“) (siehe Tabelle 7).15

Klassifikation

Varianten

ausdrucksbezogene Wortassoziationen

„klaa“; „dohamm“; „Tanna“; „Schnikäppn“; „Schwalm“

lautliche Besonderheit – konsonantische Assoziation - Konsonantenqualität

„rollendes R“, „r hervorgehoben“,

„R-Aussprache“, „Rachen-R“, „gerolltes R“,

inhaltsbezogene Wortassoziationen –lexikalische Besonderheiten

„Bub“, „greint“, „Kapp“

Tabelle 7: Perzipierte Einzelmerkmale zur Hörprobe 1 aus Stockheim bei Kronach (BY)/ Oberostfränkisch (in Auswahl)

Die Hörprobe 1 des Sprechers aus Stockheim bei Kronach wurde von 43 Prozent der Probanden aus Thüringen sowohl sprachlich als auch regional korrekt zugeordnet. 52 Prozent der Probanden aus Bayern konnten die Hörprobe ebenfalls korrekt zuordnen. Eine Auswertung nach dem Geschlecht der Befragten ergibt, dass die Männer tendenziell besser zugeordnet haben als die Frauen. So haben 52 Prozent der Männer aus Thüringen und 53 Prozent der Männer aus Bayern die Hörprobe korrekt zugeordnet, hingegen konnten nur 35 Prozent der Frauen aus Thüringen sowie 42 Prozent der Frauen aus Bayern die Probe richtig bestimmen.16

Die Probanden verfügen über dialektale Marker (lautliche Besonderheiten/ inhalts- bzw. ausdrucksbezogene Wortassoziationen), auf deren Grundlage sie den oberostfränkischen Dialektraum vom unterostfränkischen itzgründischen Dialektraum unterscheiden können. Sie erkennen Isoglossenstrukturen, die ihnen eine relativ eindeutige Identifikation des oberostfränkischen Kronacher Raumes ermöglichen.

Hörprobe 2 Coburg/ Bayern (Unterostfränkisch)

Die Hörprobe 2 stammt aus dem unterostfränkischen Hassenberg bei Coburg, das an der Grenze zum oberostfränkischen Landkreis Kronach liegt. Es konnten mehrere ausdrucksbezogene Wortassoziationen ermittelt werden, die beispielsweise auf die Senkung von mhd. (germ.) ë zu [a] verweisen. Den Probanden fielen u.a. die Ausdrücke „Barch“ und „zarrt“ auf, die das offene [a] enthalten und ein salientes Merkmal für den unterostfränkischen Raum darstellen. Daneben fiel ihnen der fallende Diphthong [y͡:ə] für mhd. œ auf, welcher ein salienter Marker für das Itzgründische ist. Die inhaltbezogenen Wortassoziationen der Probanden beziehen sich auf die Ausdrücke „Kapp“ und „Jung“, die sich nicht eindeutig zum unter- oder oberostfränkischen Raum zuordnen lassen. So ist „Kappe“ verbreiteter im oberostfränkischen Gebiet, „Junge“ kommt hingegen häufiger im itzgründischen Raum vor. Eine derart eindeutige Zuordnung der sprachlichen Besonderheiten wie in Hörprobe 1 scheint den Probanden hier nicht möglich gewesen zu sein. Dies belegen auch die Auswertungen der Raumparameter, die die Gewährspersonen aufgeschrieben haben. Es zeichnet sich hier die Tendenz ab, dass das Gehörte nicht im Zentrum der itzgründischen Sprachlandschaft verortet wird, sondern eher an den jeweiligen Rändern („Richtung Hinterland aus dem Sonneberger Raum“) (siehe Tabelle 8).

Klassifikation

Varianten

ausdrucksbezogene Wortassoziationen –

„Barch“; „Vadde“; „drüest“; „Schliedn“; „zart“; „dafofliegt“; „Ärm“

Aussagen zur regionalen Varietät – Raumparameter

„Richtung Hinterland“; „aus dem Sonneberger Raum“; „Meng.-Hämm./Schalkau“; „Steinach“; „Landkreis Coburg (Grub am Forst)“; „Richtung Schalkau“

inhaltsbezogene Wortassoziationen – lexikalische Besonderheiten

„Jung“; „Kapp“; „grimmich“

Tabelle 8: Perzipierte Einzelmerkmale zur Hörprobe 2 aus Hassenberg bei Coburg (BY)/ Unterostfränkisch (in Auswahl)

Bei der Hörprobe 2 des Sprechers aus Hassenberg bei Coburg gelang es nur den Probanden aus Bayern, das Gehörte richtig zuzuordnen: 55 Prozent der bayerischen Probanden ordneten die Probe als fränkischen Dialekt aus dem Raum Coburg ein. 71 Prozent der bayerischen Männer konnten die Hörprobe 2 korrekt zuordnen, jedoch gelang dies nur 33 Pozent der bayerischen Frauen. Lediglich vier Prozent der thüringischen Befragten konnten diese Hörprobe richtig zurorden. Der überwiegende Teil der thüringischen Befragten, 57 Prozent der thüringischen Männer und 43 Prozent der thüringischen Frauen, ordnete die Hörprobe 2 stattdessen als fränkischen Dialekt aus dem Raum Sonneberg ein.17

Hörprobe 3 Sonneberg/ Thüringen (Unterostfränkisch)

Bei der Hörprobe 3 zogen viele Probanden inhaltsbezogene sprachliche Vergleiche zur Hörprobe 1. Einige Probanden vermerkten beispielsweise, dass der Sprecher „Mütze statt Kapp“ sagt oder den Begriff „heult“ verwendet. Beide Begriffe kommen eher im unterostfränkischen Raum vor, können aber auch Bestandteil einer standardnäheren Kommunikation sein. Darüber hinaus wurde auf den Ausdruck „Bärch“ verwiesen, der ein salienter Marker für den oberostfränkischen Raum ist, aber in dieser Hörprobe von den Befragten eher als regionalsprachliches Merkmal gewertet wird („städtisch klingt es“). Zudem erkennen die Probanden das alveolare [r] („gerolltes R“), das der Sprecher verwendet. Diese konsonantische Besonderheit ist wiederum ein typisches Merkmal für den ostfränkischen Raum. Tendenziell ordneten die Befragten das Gehörte zwar eher als regionalsprachliche Varietät („kein klarer Dialekt“) ein, erkannten aber dessen Zugehörigkeit zum itzgründischen Raum („unser Dialekt“).

Klassifikation

Varianten

Aussagen zur regionalen Varietät – Raumparameter

„Sonneberg“; „eher Raum Coburg“; „städtisch“; „Stadt Coburg“;

„strengt sich an, die thüringische Sprache zu vertuschen“

Aussagen zur regionalen Varietät – Variation

„hört sich an wie Hochdeutsch“; „Mischmasch aus Schuldeutsch/ Dialekt“; „unser Dialekt“; „fehlerhafter Versuch, Hochdeutsch zu sprechen“; „städtisch klingt es“

ausdrucksbezogene Wortassoziationen – lexikalische Besonderheiten

„klän Jung“; „hingfalln“; „Berg“; „Mütze“; „des“; „Arm gebrochen“; „Vatter schimpft“; „rodeln“; „Affenzahn“; „dröstet“; „Wie's halt su iss“

Tabelle 9: Perzipierte Einzelmerkmale zur Hörprobe 3 aus Malmerz bei Sonneberg (TH)/ Unterostfränkisch (in Auswahl)

Die Hörprobe 3 des Sprechers aus Malmerz bei Sonneberg konnte vom Großteil der Befragten nicht korrekt zugeordnet werden. Lediglich 8 Prozent der thüringischen Befragten ordnete das Gehörte korrekt zu, dies gelang keinem der bayerischen Befragten. 42 Prozent der bayerischen Befragten schätzten die Probe als fränkischen Dialekt aus dem Raum Coburg ein und 31 Prozent der thüringischen Probanden gaben an, einen thüringischen Dialekt aus dem Raum Sonneberg gehört zu haben.18

Hörprobe 4 Coburg/ Bayern (Unterostfränkisch)

In der Hörprobe 4 finden sich inhaltsbezogene Wortassoziationen, die einen direkten Vergleich mit den anderen drei Hörproben ermöglichen. Der Sprecher benutzt die Wörter „Jung“ und „Zipflmütz“, wählt also die im Itzgründischen verbreiteteren Varianten. Allerdings fiel den Probanden auch auf, dass der Sprecher nicht das typische ostfränkische alveolare [r] spricht („r-Laut anders“), was jedoch in der Region um Neustadt bei Coburg stark verbereitet ist. Vereinzelt ordneten Probanden die gehörte regionale Varietät sogar „Richtung Neustadt“ ein, was auf die konsonantische Besonderheit [ʁ] in der Hörprobe zurückgeführt werden könnte.

Klassifikation

Varianten

Wortassoziationen – ausdrucksbezogen – lexikalische Besonderheiten

„fehrt runter“; „Arm“; „Schal“; „Kopf eigebunden“; „des woars“; „nauf“; „fliegt wag“; „ä Jung“; „drauf“; „hat ä Zipfelmütz auf“; „in Berg nunter“; „Baam“

Aussagen zur regionalen Varietät – Raumparameter

„Sonneberg“; „Richtung Neustadt“; „Sonneberg mit Kronacher Einschlag“; „Mengersgereuth“

lautliche Besonderheit – konsonantische Assoziation – Konsonantenqualität

„r-Laut anders“; „Aussprache: rollendes gutturales r“

Tabelle 10: Perzipierte Einzelmerkmale zur Hörprobe 4 aus Neustadt bei Coburg (BY)/ Unterostfränkisch (in Auswahl)

Die Hörprobe 4 des Sprechers aus Neustadt bei Coburg konnten 33 Prozent der bayerischen Befragten korrekt verorten. Auch 22 Prozent der thüringischen Befragten ordneten die Hörprobe korrekt zu, allerdings entschied sich der Großteil der Thüringer, das Gehörte als fränkischen Dialekt aus dem Sonneberger Raum einzuordnen.19

3.6 Interpretation

Die Probanden meiner Untersuchung verfügen sowohl für den Kronacher Raum, der zur oberostfränkischen Sprachlandschaft gehört, als auch für den itzgründischen Raum, der zur unterostfränkischen Sprachlandschaft zählt, über dialektale Marker. Zu den salienten Merkmalen zählen lexikalische Besonderheiten wie „Bub“ (oofrk.) und „Jung“ (uofrk.), „greinen“ (oofrk.) und „heulen“ (uofrk.) sowie „Kapp“ (oofrk.) und „Mütz“ (uofrk.). Die folgenden dialektalen Marker konnten in den Probandenzuordnungen ermittelt werden:

Variable

Beispiellexeme

Coburger Raum (uofrk.)

Kronacher Raum (oofrk.)

„weinen“

-

weinen, heulen

greinen

„Junge“

-

Junge

Bube

„Mütze“

-

Mütze

Kappe

mhd. ei

daheim, klein, ein

[ɛ]

[a]

mhd. (germ.) ë

Berg, zerrt

[a]

[ɛ]

mhd. ê

Schnee

[i͡:a]

[i:]

mhd. a

Tanne, Schwalbe, Kappe

[ɑ]

[a]

Tabelle 11: Vergleich der perzeptionslinguistischen Marker des Coburger und des Kronacher Raumes

Die Hörprobe 1 aus dem Kronacher Raum (oofrk.) konnte von den Probanden, sowohl von den Thüringern als auch von den Bayern, relativ sicher zugeordnet werden. Es konnten saliente sprachliche Merkmale aus den Probandenzuordnungen abgeleitet werden, die die Isoglossenstruktur zwischen dem Oberostfränkischen und dem Unterostfränkischen in der Perzeption der Befragten nachweisen. Demzufolge kann geschlussfolgert werden, dass die Probanden meiner Untersuchung den itzgründischen Raum (uofrk.) vom Kronacher Raum (oofrk.) unterscheiden können und über saliente Dialektmarker verfügen, die ihnen eine korrekte sprachliche und geographische Zuordnung ermöglichen.

Zwischenfazit: Die befragten linguistischen Laien können die dialektale Sprechweise der Kronacher (oberostfränkische Varietät) von der Sprechweise der Sonneberger und Coburger (unterostfränkische Varietät) perzeptionslinguistisch unterscheiden. Es existieren dialektale Marker, die die Isoglosse zwischen beiden Gebieten in der Perzeption der Befragten kennzeichnen.

Die Hörproben 2 bis 4 stammen aus dem itzgründischen Raum, davon die Proben 2 und 4 aus Coburg (Bayern) und die Probe 3 aus Sonneberg (Thüringen). Die Hörproben 2 und 4 konnten von den Coburgern besser verortet werden, die Sonneberger Probanden konnten hingegen die Hörprobe 3 zuverlässiger regional einordnen. Aus diesem Ergebnis könnte der Schluss gezogen werden, dass die Coburger die eigene Varietät in den Proben 2 und 4 richtig identifizieren konnten, weil sie ihre Sprechweise von der der Sonneberger Nachbarn unterscheiden können. Ähnlich könnte das Ergebnis der Sonneberger interpretiert werden, die die Hörprobe 3 aus Sonneberg regional richtig zugeordnet haben und die Sonneberger Varietät scheinbar erkannt haben. Diese Interpretation der Ergebnisse ist jedoch nicht mehr haltbar, wenn man die Zurordnung der Probanden in der Gesamtschau betrachtet:

Hörprobe

Anzahl der Sonneberger Probanden, die die Hörprobe ihrer eigenen Region Sonneberg zugeordnet haben

Anzahl der Coburger Probanden, die die Hörprobe ihrer eigenen Region Coburg zugeordnet haben

Hörprobe 2 (Coburg)

74% (25)

57% (19)

Hörprobe 3 (Sonneberg)

47% (16)

57% (19)

Hörprobe 4 (Coburg)

62% (21)

48% (16)

Tabelle 12: Verteilung der Probandenzuordnungen in den Hörproben 2 - 4

Die Mehrheit der Coburger und Sonneberger Probanden schätzen die Hörprobe 2, die aus einem Grenzort in Coburg stammt, als eigene Varietät ein, d. h., 74 Prozent der Sonneberger verorten die Hörprobe 2 in Sonneberg und 57 Prozent der Coburger verorten die Hörprobe 2 in Coburg. Die Hörprobe 3 aus einem ehemaligen Grenzort in Sonneberg ordnen 57 Prozent der Coburger Probanden Coburg und 47 Prozent der Sonneberger Befragten Sonneberg zu. Bei der Hörprobe 4 entschieden sich 62 Prozent der Sonneberger Probanden für die Verortung des Gehörten in Sonneberg und 48 Prozent der Coburger Befragten für die Zuordnung nach Coburg. Das bedeutet, dass der Großteil der Befragten keine Unterschiede in den Hörproben zu ihrer eigenen dialektalen Varietät ermitteln konnte und sie deshalb regional jeweils ihrem „eigenen“ Raum zuordnete.20 Es konnten keine salienten Dialektmarker ermittelt werden, mithilfe derer die Befragten die drei Sprechproben unterscheiden konnten. Lediglich das uvulare [ʁ] in Probe 4 wurde von drei Probanden als Marker für den Raum Neustadt bei Coburg angegeben und kann als salienter Marker eingeordnet werden. Allerdings wird das uvulare [ʁ] auch in Sonneberg (Thüringen) verwendet und ist dementsprechend kein eindeutiger Marker für den Raum Coburg.

Auffällig ist zudem, dass einige Probanden das Gehörte als thüringische Varietät wahrnahmen, obwohl keine der vier Hörproben aus dem mitteldeutschen Dialektraum stammt. Vor allem in Kombination mit der regionalen Verortung der Hörprobe im Raum Sonneberg konnte die sprachliche Zuordnung „Thüringisch“ häufiger beobachtet werden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die regionale Identität der Befragten auch die Wahrnehmung ihrer sprachlichen Identität beeinflusst. 66 Prozent der thüringischen Befragten gaben an, selbst eine (ost-) fränkische Varietät zu sprechen, 22 Prozent hingegen sprechen nach eigenem Empfinden eine thüringische Varietät. Von den bayerischen Befragten gaben 73 Prozent an, eine (ost-) fränkische Varietät zu nutzen und 24 Prozent ordnen ihre Sprechweise als bairisch ein. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass ca. ein Viertel der Befragten die eigene sprachliche Identität mit der regionalen Identität gleichzusetzen scheint bzw. diese nicht voneinander unterscheiden kann. Diese These stützt sich auch auf die Analyse des erhobenen Sprachmaterials, in dem keiner der befragten Probanden eine bairische oder thüringische Varietät spricht und demzufolge eine sprachliche Einordnung als „bairisch“ oder „thüringisch“ aus dialektologischer Sicht nicht korrekt ist.

Die Hörproben 2 bis 4 aus dem itzgründischen Raum (uofrk.) konnten von den Probanden, sowohl von den Thüringern als auch von den Bayern, nicht eindeutig identifiziert werden. Es konnten keine salienten sprachlichen Merkmale aus den Probandenzuordnungen abgeleitet werden, die auf eine Isoglossenstruktur zwischen der Sonneberger und der Coburger Varietät in der Perzeption der Befragten verweisen. Demzufolge kann geschlussfolgert werden, dass die Probanden meiner Untersuchung den itzgründischen Raum als relativ homogenen Sprachraum wahrnehmen, da sie nicht über dialektale Marker verfügen, die auf eine Isoglossenstruktur innerhalb des Itzgründischen hindeuten.

Zwischenfazit: Die befragten linguistischen Laien können die dialektale Sprechweise der Sonneberger (Thüringen) nicht eindeutig von der Sprechweise der Coburger (Bayern) unterscheiden. Der sog. Coburger Raum ist aus perzeptionslinguistischer Sicht21 homogen.

Karte 5: Wahrnehmungsdialektolgische Struktur des Untersuchungsraumes


4 Ausblick

In der wahrnehmungsdialektologischen Analyse konnte nachgewiesen werden, dass die Probanden eine Isoglossenstruktur zwischen dem Raum Kronach, der zum oberostfränkischen Sprachraum gehört, und dem itzgründischen Raum, der zum Unterostfränkischen zählt, perzipieren. Innerhalb des Itzgründischen konnten die Probanden jedoch keine salienten Marker in den Hörproben ermitteln, die es ihnen ermöglichten, die Varietät aus Coburg in Bayern von der Varietät aus Sonneberg in Thüringen zu unterscheiden. Aus perzeptionslinguistischer Sicht kann der itzgründische Raum folglich als homogen, hinsichtlich der perzipierten Dialektmerkmale, angesehen werden. Die Befragten erkennen in den itzgründischen Hörproben keine salienten Marker und perzipieren keine Isolglossenstrktur(en) innerhalb des itzgründischen Dialektraumes.

Diese perzeptionslinguistischen Ergebnisse werde ich mit den dialektgeographischen Ergebnissen meiner Real-Time-Analyse vergleichen. Die Auswertung des dialektgeographischen Materials ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen.

Der Real-Time Vergleich wird zeigen,

1.ob der itzgründische Raum vor der politischen Isolation tatsächlich „homogen“ war (cf. Harnisch/Reinhold/Schnabel 2008: 203; cf. Lösch 2000: 163).
2.ob eine neue Sprachgrenze an den ehemaligen politischen Grenzen entstanden ist (cf. Harnisch 2015: 236) oder ob die „sprachliche Einheit“ davon nicht beeinflusst wurde (cf. Lösch 2000: 163).
3.ob nach über 25 Jahren Wiedervereinigung sprachliche Divergenz-, Advergenz- oder Konvergenzprozesse innerhalb der ehemaligen Grenzorte zu beobachten sind.
4.ob die subjektiven Daten meiner Erhebung mit den objektiven Sprachdaten übereinstimmen.


Literatur

Anders, Christina Ada (2010): Wahrnehmungsdialektologie. Das Obersächsische im Alltagsverständnis von Laien. Berlin/New York: de Gruyter. (= Linguistik - Impulse & Tendenzen 36).

Fritz-Scheuplein, Monika (2001): Geteilter Dialekt? Untersuchungen zur gegenwärtigen Dialektsituation im ehemaligen deutsch-deutschen Grenzgebiet. Heidelberg: Winter. (= Schriften zum Bayerischen Sprachatlas 3).

Harnisch, Rüdiger (2015): „Untersuchungen zur Sprachsituation im thüringisch-bayerischen Grenzgebiet (SPRiG)“. In: Kehrein, Roland/Lameli, Alfred/Rabanus, Stefan (eds.): Regionale Variation des Deutschen. Projekte und Perspektiven. Berlin/Boston, de Gruyter: 219–240.

Harnisch, Rüdiger/Reinhold, Frank/Schnabel, Michael (2008): „Neue Dialektgrenzen an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze?“ In: Ernst, Peter et al. (eds.): Dialektgeographie der Zukunft. Akten des 2. Kongresses der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen, Wien 2006. Stuttgart, Steiner: 203–218. (= Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik: Beihefte 135).

Klepsch, Alfred; Weinacht, Helmut (2003): „Aspekte einer fränkischen Sprachgeschichte“. In: Besch, Werner et al. (eds.): Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. 3. Teilbd. Berlin/New York, de Gruyter: 2767–2776. (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 2.3).

Kluge, Friedrich (1989): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Berlin/New York: de Gruyter.

Koß, Gerhard (1967): Mundartmischung und Mundartausgleich am westlichen Obermain. Studien zur Dialektgeographie des Coburg-Obermain-Gebietes. Coburg: Coburger Landesstiftung.

Krämer, Sabine (1995): Die Steigerwaldschranke. Zum Aufbau einer ostfränkischen Dialektgrenze . Würzburg: Königshausen & Neumann. (= Würzburger Beiträge zur deutschen Philologie 14).

Lösch, Wolfgang (2000): „Zur Dialektsituation im Grenzsaum zwischen Südthüringen und Nordbayern“. In: Stellmacher, Dieter (ed.): Dialektologie zwischen Tradition und Neuansätzen. Beiträge der internationalen Dialektologentagung, Göttingen, 19.-21.Oktober 1998. Stuttgart, Steiner: 156–165. (= Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik: Beihefte 109).

Mattheier, Klaus J. (1996): „Varietätenkonvergenz. Überlegungen zu einem Baustein einer Theorie der Sprachvariation“. Sociolinguistica 10: 31–52.

Schmidt, Jürgen Erich/Herrgen, Joachim (2011): Sprachdynamik. Eine Einführung in die moderne Regionalsprachenforschung . Berlin: Schmidt.

Schwämmlein, Thomas (1999a): „Territoriale Entwicklung“. In: Stadt Sonneberg (ed.): 650 Jahre Stadt Sonneberg. 1349-1999. Hildburghausen, Frankenschwelle KG: 20–26.

Schwämmlein, Thomas (1999b): „Sonneberg 1945 bis 1990“. In: Stadt Sonneberg (ed.): 650 Jahre Stadt Sonneberg. 1349-1999. Hildburghausen, Frankenschwelle KG: 88–95.

Spangenberg, Karl (1993): Laut- und Formeninventar thüringischer Dialekte. Berlin: Akademie-Verlag.

Steger, Hugo (1968): Sprachraumbildung und Landesgeschichte im östlichen Franken. Das Lautsystem der Mundarten im Ostteil Frankens und seine sprach- und landesgeschichtlichen Grundlagen. Neustadt/Aisch: Degener. (= Schriften des Instituts für Fränkische Landesforschung an der Universität Erlangen-Nürnberg 13).

Wiesinger, Peter (1970): Phonetisch-phonologische Untersuchungen zur Vokalentwicklung in den deutschen Dialekten. Bd. 1: Die Langvokale im Hochdeutschen. Berlin: de Gruyter. (= Studia linguistica Germanica 2.1).


Anmerkungen

* Ich danke der Graduiertenakademie der TU Dresden für die finanzielle Förderung meiner Arbeit durch einen Travel Award. zurück

1 Nach K. J. Mattheier sind die sprachlichen Prozesse innerhalb des Coburger Raumes als Advergenzen zu definieren, im Sinne einer „Annäherung einer Varietät an eine andere dadurch, daß eigene Formen durch andere ersetzt werden […] (Mattheier 1996: 34). zurück

2 Die Bezeichnung „Coburger Raum“ scheint etwas irreführend zu sein, da aus geographischer Sicht auch der Sonneberger Raum hinzuzählt. In diesem Beitrag werden die Bezeichnungen „itzgründischer Raum“ (Fritz-Scheuplein 2001: 60, Harnisch 2015: 225, Spangenberg 1993: 10) und „Coburger Raum“ (Krämer 1995: 18, Steger 1968: 328, Wiesinger 1970: 113) synonym verwendet. zurück

3 Die Einordnung der Erhebungssituation als „direkte Befragung“ (Lösch 2000:158) ist irreführend. Vielmehr handelt es sich um eine indirekte Erhebung, da die Sprecher nicht direkt befragt wurden, sondern lediglich die laienlinguistischen Ortsexperten eine sprachliche Einschätzung über die Performanz der Bewohner abgaben. zurück

4 Lösch gibt als Erklärung für den sog. „Ortsexperten“ an: „[…] Ortskundige mit verläßlichen Kenntnissen über die Ortsverhältnisse und die gesamte Einwohnerschaft.“ (Lösch 2000:158) Bei diesen Ortsexperten bzw. Ortskundigen handelt es sich um linguistische Laien, die keine sprachwissenschaftliche Vorbildung haben. Die Einordnung als Experte ist nur auf deren Ortskenntnisse beschränkt, nicht jedoch auf deren Varietätenkenntnis. zurück

5 Fritz-Scheuplein geht davon aus, „dass diese Ergebnisse auf das gesamte nordbayerisch-südthüringische Grenzgebiet übertragbar sind“ (Fritz-Scheuplein 2001:195). Deshalb nehme ich diese Studie zum Vergleich mit in meine Untersuchung auf. zurück

6 Fritz-Scheuplein versteht unter „diaphasisch-synchron“ einen Vergleich „sowohl alter als auch junger Gewährspersonen, wobei sich in diesem Fall die Sprechergruppen nicht nur hinsichtlich ihres Alters, sondern auch ihrer Lebensumstände und -bedingungen […] voneinander unterscheiden“ (Fritz-Scheuplein 2001:20). Der eigentlich für einen diaphasischen Vergleich konstituierende Faktor der „Sprachsituation“ gerät hier in den Hintergrund. zurück

7 Die perzeptionslinguistische Struktur des Untersuchungsraumes wird anhand von perzipierten Dialektmerkmalen der befragten linguistischen Laien ermittelt, die assoziierten Merkmale werden nicht erhoben. Die Analyse dieser Daten gibt Aufschluss darüber, ob eine sprachliche Isoglosse an der ehemaligen politischen Grenze perzipiert wird oder nicht. zurück

8 Die sogenannten „Experten“ sind ausnahmslos langjährige Mitglieder eines unterostfränkischen Mundartvereins, der sich mit der Pflege und Repräsentation der itzgründischen Mundart beschäftigt. Sie schreiben Gedichte und Erzählungen in ihrer Mundart, die innerhalb der Vereinstreffen kritisch besprochen werden und in regelmäßigen Abständen in den Anthologien des Mundartvereins veröffentlicht werden. Ich konnte die Mitglieder dieses Mundartvereins als Probanden für die Expertenbefragung gewinnen. Die insgesamt zehn Experten des Itzgründischen, die die itzgründische Mundart nicht nur aktiv sprechen, sondern auch in ihr schreiben, konnten die dialektalen Marker des Itzgründischen in den Sprachaufnahmen sehr gut erfassen und sind deshalb zur Ermittlung geeigneter Hörproben für die wahrnehmungsdialektologische Befragung gut geeignet. zurück

9 Im Folgenden wird die Abkürzung uofrk. verwendet. zurück

10 Im Folgenden wird die Abkürzung oofrk. verwendet. zurück

11 Ordnen Sie ein: „Spricht die Person in der Hörprobe einen bairischen, fränkischen oder thüringischen Dialekt?“ zurück

12 Ordnen Sie ein: „Stammt die Person aus dem Landkreis Coburg, Hildburghausen, Kronach oder Sonneberg?“ zurück

13 Erläutern Sie: „Anhand welcher sprachlichen Merkmale haben Sie die Hörprobe zugeordnet?“ zurück

14 Die Probandenantworten zu den salienten Dialektmarkern sind jeweils in Anführungszeichen gesetzt. zurück

15 Eine Besonderheit ergibt sich bei den Aussagen zur regionalen Varietät, die manche Probanden mit dem Gehörten perzipieren („Heinersdorf, ähnlich wie Bamberg“). Heinersdorf ist ein Ort innerhalb des Landkreises Sonneberg, der sich durch seine direkte Nähe zum Kronacher Raum auszeichnet und als oberostfränkische Reliktenklave innerhalb des itzgründischen Raumes existiert. Der Verweis auf die Stadt Bamberg ist ebenfalls bedeutsam, da diese das ursprüngliche sprachliche Zentrum des Oberostfränkischen bildet. zurück

16 Eine signifikante Korrelation der Variablen „Geschlecht des Probanden“ bzw. „Herkunft des Probanden“ und der „korrekten Zuordnung der Hörprobe“ konnte nicht ermittelt werden. zurück

17 Eine signifikante Korrelation der Variablen Geschlecht des Probanden und der „korrekten Zuordnung der Hörprobe“ konnte nicht ermittelt werden. Allerdings korrelieren die Variablen „Herkunft des Probanden und Korrekte Zuordnung“ auf einem hoch signifikanten Niveau (p = 0,01): D. h., wenn die Probanden Coburger sind, dann wurde die Hörprobe 2 häufiger korrekt zugeordnet als von den Sonneberger Befragten. zurück

18 Eine signifikante Korrelation der Variablen „Geschlecht des Probanden“ und der „korrekten Zuordnung der Hörprobe“ konnte nicht ermittelt werden. Allerdings korrelieren die Variablen „Herkunft des Probanden“ und „Korrekte Zuordnung“ auf einem signifikanten Niveau (p = 0,05): D. h., wenn die Probanden Sonneberger sind, dann wurde die Hörprobe 3 häufiger korrekt zugeordnet als von den Coburger Befragten. zurück

19 Eine signifikante Korrelation der Variablen „Geschlecht des Probanden“ und der „korrekten Zuordnung der Hörprobe“ konnte nicht ermittelt werden. Allerdings korrelieren die Variablen „Herkunft des Probanden“ und „Korrekte Zuordnung“ auf einem signifikanten Niveau (p = 0,05): D.h., wenn die Probanden Coburger sind, dann wurde die Hörprobe 4 häufiger korrekt zugeordnet als von den Sonneberger Befragten. zurück

20 Diese Erkenntnis wird gestützt durch die Ergebnisse der Korrelationsanalyse (siehe Auswertung der einzelnen Hörproben). Die Hörproben 2 bis 4 werden von den Probanden aus Sonneberg und Coburg jeweils als „eigener Dialekt“ perzipiert. Dementsprechend wurden die Proben 2 und 4 aus Coburg von den Coburgern deutlich häufiger korrekt zugeordnet als von den Sonnebergern. Die Hörprobe 3 aus Sonneberg wird hingegen von den Sonnebergern häufiger richtig zugeordnet als von den Coburgern. zurück

21 In dieser Untersuchung wurde die perzipierte Struktur des Sprachraumes erhoben. zurück