Mit dem Komparativ [ ] wird ausgedrückt, dass zwei oder mehr Wesen, Dinge u. a. in bezug auf ein Merkmal, eine Eigenschaft u. ä. ungleich sind [ ]. (Dudengrammatik 61998: 298)
Die vage Definition der Dudengrammatik ist eine Folge der vielfältigen Möglichkeiten der Komparation. Die Komparativkonstruktion besteht im Deutschen aus Komparandum, Vergleichsaspekt, Vergleichspartikel und Komparationsbasis (Terminologie mit Ausnahme des Begriffs Vergleichspartikel nach Maria Thurmair 2001: 1):
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Abb. 1: Die Teile der Komparativkonstruktion und ihre Bezeichnung
Diese Teile können jedoch ganz unterschiedlich ausgeprägt sein, wie die folgenden Beispiele (1-8) belegen sollen:
Sowohl das Komparandum als auch die Komparationsbasis können aus verschiedenen Phrasen (NP, PP, InfP...) oder aus einem Satz gebildet sein. Als Vergleichsaspekt dienen fast nur steigerbare Wörter. Folglich tritt mehrheitlich ein Adjektiv auf, da nur wenige Adverbien (wie beispielsweise gern, bald, oft) gesteigert werden können. Die syntaktische Verwendung des Komparativs kann bei einem Adjektiv als Vergleichsaspekt prädikativ, adverbial oder attributiv sein (6-8). In der heutigen Standardsprache ist die Vergleichspartikel als für alle Komparativkonstruktionen zur Norm geworden. In den deutschen Mundarten hingegen ist die Vielfalt der Vergleichspartikeln viel grösser (cf. Weise 1918: 169-178, Lipold 1983: 1237f.). Lipold (1983: 1237) erwähnt dabei, dass der Konstruktionstypus in wenigen Fällen auch formal relevant wird. Die Vielfalt an Vergleichspartikeln lässt sich teilweise auf frühere Sprachstufen zurückführen, denn die Vergleichspartikel hat sich im Laufe der Zeit immer wieder geändert, wie die folgende Zusammenstellung aus Behaghel (1928, Bd. III, passim) zeigt:
Sprachstufe | Komparativ |
Urgermanisch | Dativ des Vergleichs |
Westgermanisch | thanne |
Althochdeutsch | danne |
Spätalthochdeutsch | danne/wan |
Mittelhochdeutsch | danne/wan/weder |
Mitte 16. Jahrhundert | als/weder |
Heute | als/weder/wie |
Abb. 2: Die Vergleichspartikeln in der diachronen Entwicklung
Thurmair (2001: 93ff.) erkennt hinter dem Wechsel der Vergleichspartikeln eine ganze Systemverschiebung. Nehmen wir nämlich die Äquativvergleiche hinzu, wird ihrer Darstellung zufolge ersichtlich, dass die Vergleichspartikel des Äquativvergleichs systematisch diejenige des Komparativs verdrängt hat. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts trat als in Äquativvergleichen auf und wurde dann je nach Konstruktionstyp zu unterschiedlichen Zeiten durch wie verdrängt: Zuerst im Satzvergleich, anschliessend vor Phrasen und auch mit Adjektiven im Positiv.
Schematisch dargestellt sieht die Systemverschiebung der Vergleichspartikeln im Wesentlichen wie folgt aus:
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Abb. 3: Systemverschiebung der Vergleichspartikeln
Die zweite Stufe gilt heute als standardsprachlich korrekt. Vor allem in der gesprochenen Umgangssprache findet sich nach Komparativ häufig wie (Dudengrammatik 61998: 299, Fussnote 1), was den Beginn der dritten Stufe markiert.[1] Dabei handelt es sich laut Thurmair (2001: 97) "um ein allgemein verbreitetes, vorwiegend gesprochensprachliches Phänomen, nicht um ein dialektal begrenztes". Für wie nach Äquativvergleichen ist allerdings kein Ersatz in Sicht. Es ist folglich möglich, dass im Standarddeutschen diese dritte Stufe die Endstufe darstellt und sich mit wie die optimale Vergleichspartikel herausgebildet hat (cf. Thurmair 2001: 97ff.).
In diesem Beitrag geht es darum, die verschiedenen schweizerdeutschen Vergleichspartikeln aufzuspüren. Dazu werden in einem ersten Teil die vorhandenen Mundartgrammatiken und das Idiotikon konsultiert. In einem zweiten Teil sollen Daten des Projekts 'Dialektsyntax des Schweizerdeutschen'[2] kartographiert und kommentiert werden. Das Material des Projekts lässt zudem eine detailliertere Analyse nach den aussersprachlichen Faktoren Alter, Geschlecht und soziale Schicht zu.
In den verschiedenen Mundartgrammatiken finden wir Einträge zum Komparativanschluss. Exemplarisch soll an dieser Stelle Binz' Zur Syntax der baselstädtischen Mundart (1888) genauer besprochen werden. Im Kapitel über das Adjektiv befinden sich Beispielsätze mit Komparativanschluss (Binz 1888: 15f.): i bi gresser als du; er isch gscheiter weder alli andere und dä wäg isch no vil stainiger as der ander. Auffallend ist, dass die drei Sätze dieselbe Konstruktion aufweisen (ein prädikativ verwendeter Komparativ mit einer NP als Komparationsbasis), die Vergleichspartikel aber jedes Mal anders lautet: als, weder und as.
Eine Erklärung für die unterschiedliche Wahl von Vergleichspartikeln finden wir im Kapitel über die Konjunktionen:
1. dass, ass [ ]
e) Wenn zwei Sätze mit einander verglichen werden, so muss nhd. der zweite Satz durch dass eingeleitet werden. Dialektisch geschieht dies auch meistens, es kann aber, besonders bei Gleichheit des Subjects in beiden Sätzen, die einfache Vergleichspartikel auch genügen [ ]. Es isch besser er hän fride mit enander als er händle die ganzi Zit. [ ]
2. als, as ist heute neben dem echt dialektischen weder die häufigere Vergleichungspartikel nach Comparationen und Negationen.
3. wie ist ebenfalls Partikel der Vergleichung, sowohl in Beziehung auf ein vorhergehendes so als auch ohne solches, nie aber nach einem Comparativ. Binz (1888: 66f.)
Binz hält in dieser Passage einige interessante Punkte fest. So sehen wir, dass in Basel ein as(s) sowohl die Bedeutung von dass als auch von als haben kann.[3] Die Variation von als und weder ergibt sich nicht aufgrund unterschiedlicher Konstruktionen, sondern findet ihren Ursprung in der Diachronie: Als (resp. as) wird heute dem ursprünglich baselstädtischen weder vorgezogen. Hingegen kommt es beim Vergleich zweier Sätze darauf an, ob Subjektsgleichheit vorliegt - bevorzugterweise steht in diesem Fall die einfache Vergleichspartikel - oder nicht - dann wird die Vergleichspartikel mit dass ergänzt. Wie steht beim Äquativvergleich, nie nach Komparativ.
Die Zürichdeutsche Grammatik (Weber 1948), die Luzerndeutsche Grammatik (Fischer 1960), das Zuger Mundartwörterbuch (Bossard 1962), die Berndeutsche Syntax (Hodler 1969) sowie die Baseldeutsch-Grammatik (Suter 1976) liefern in etwa dieselben Informationen: Neben einer diachronen Veränderung (weder weicht in Basel a(l)s, as in der Stadt Zürich als), dem Einfluss der Konstruktion (Vergleich zweier Sätze mit zusätzlichem dass eingeleitet) und einer diatopischen Verteilung (im ländlichen Zürich (d)as gegenüber sonstigem weder, in der Stadt Bern a(l)s, im Berner Unterland as und weder, im Berner Oberland wa(n)) stossen wir auf zwei weitere schweizerdeutsche Vergleichspartikeln: das und wa(n). Mit diesem Inventar und den Angaben zur diachronen Entwicklung (vgl. Kapitel 1) können wir nun unter den entsprechenden Lemmata im Idiotikon nachschauen, um eventuell weitere Informationen zu erhalten.
Im Schweizerischen Idiotikon (1881ff.) finden sich unter den Lemmata als (Bd. I, 198f.), dann (Bd. XIII, 28f.), dass (Bd. XIII, 1725 und 1741), wie (Bd. XV, 79), weder (Bd. XV, 479ff.) und wa(n) (Bd. XVI, 64f.) Einträge zur Komparativkonstruktion. Dabei wird speziell bei weder und wan darauf hingewiesen, dass diese Vergleichspartikeln sowohl Phrasen als auch Sätze verbinden.
Als scheint in der gesamten Deutschschweiz verbreitet zu sein, denn es werden nur Angaben dazu gemacht, wo man die phonetische Variante as(s) anstelle von als gebraucht (in den Kantonen Appenzell, Basel, Graubünden, Luzern, Solothurn und Zürich). Zu dann nach Komparativ finden sich praktisch ausschliesslich historische Belege (12. bis 16. Jahrhundert). Dass (ausdrücklich mit d-) als Vergleichspartikel kommt im Kanton Appenzell, im Emmental und selten im Kanton Aargau vor. In den Kantonen Baselland, Bern, Schwyz, im Zürcher Oberland, in Untervaz GR und Altstätten SG ist wie nachgewiesen. Weder ist dagegen wieder weiter verbreitet, so in den Kantonen Aargau, Basel, Luzern, Schaffhausen, Solothurn, Zürich, wie auch im Berner Mittelland und im Emmental. Wa(n) nach Komparativ finden wir im Berner Oberland, teilweise auch noch im Berner Mittelland und allgemein im Wallis. Zur Anknüpfung eines Vergleichssatzes können die Vergleichspartikeln a(l)s, weder und wan durch dass ergänzt werden: a(l)s dass im Kanton Appenzell, Zürich, im Berner Simmental und Berner Mittelland; weder dass im Kanton Aargau, Luzern, Zürich, und im Emmental; wan dass im Haslital und Lötschental. Im Zürcher Oberland, in Egnach TG und in der Stadt Zug steht auch weder als vor Satz, in Mönchaltdorf ZH sogar vor Phrase (Tümmer weder als der). Auch lediglich vor Phrase ist in Appenzell weder dass zu finden (Me hed grösser Löffel weder dass Brocke). Des Weiteren kommt im Kanton Schwyz und im Zürcher Oberland als wie und in Steg VS als weder vor.
Eine genauere räumliche Verteilung wird im folgenden Kapitel dargestellt. Ebenfalls wird dort der Einfluss der sozialen Faktoren untersucht.
Im Januar 2000 wurde an der Universität Zürich das Projekt 'Dialektsyntax des Schweizerdeutschen' (Leitung Prof. Dr. Elvira Glaser, Finanzierung Schweizerischer Nationalfonds, Nummern 1114-57121.99 (2000-2002) und 1113-68244.02 (2003-2005)) gestartet. Das primäre Ziel des Projekts ist, die dialektale Differenziertheit syntaktischer Strukturen im Schweizerdeutschen aufzuzeigen (Bucheli/Glaser 2002: 4). Am Ende des Projekts soll ein Atlas unter der Bezeichnung SADS (Syntaktischer Atlas der Deutschen Schweiz) publiziert werden, der den mittlerweile abgeschlossenen Sprachatlas der Deutschen Schweiz (SDS) ergänzen wird.[4]
Für die Datenerhebung wurde die indirekte Methode gewählt. Dazu wurden vier Fragebögen mit 54 verschiedenen syntaktischen Phänomenen entwickelt, die in ausgewählten Ortschaften des SDS-Ortsnetzes an ortsansässige Gewährspersonen geschickt wurden. Pro Ortspunkt liegen also mehrere Datensätze vor, was grobe Prozentualangaben zur Häufigkeit ermöglicht. Die ausgefüllten Fragebögen wurden in einer Filemaker Pro-Datenbank erfasst und die Daten können in das geographisches Informationssystem ESRI ArcView importiert und so kartographiert werden.
Von den Gewährspersonen wurden unter anderem Angaben zu Alter, Geschlecht, gelernter und ausgeübter Beruf erfragt, was in einem beschränkten Rahmen soziolinguistische Auswertungen ermöglicht.
Im dritten Fragebogen finden sich drei Fragen zum Komparativanschluss. Es wurden drei verschiedene Konstruktionen abgefragt:
Frage 22: | Si isch grösser als ich. prädikativ verwendete Konstruktion mit NP als Komparationsbasis |
Frage 25: | Si gönd halt lieber go schwimme als go lauffe. adverbiale Konstruktion mit InfP als Komparationsbasis |
Frage 28: | Denn isch er ja älter als ich gmeint han. prädikativ verwendete Konstruktion mit Satz als Komparationsbasis |
Dabei wurde immer dieselbe Frageart (multiple choice) gewählt, wobei als Einstieg eine kleine Szene präsentiert wurde, um einen Kontext herzustellen. In allen drei Fragen wurden jeweils die drei Vergleichspartikeln als, weder und wie in unterschiedlicher Reihenfolge suggeriert. Die Gewährspersonen konnten eine oder mehrere dieser Varianten ankreuzen, was als Akzeptanz ausgewertet wird. Zudem hatten sie die Möglichkeit, zusätzlich oder ausschliesslich eine eigene Variante zu notieren. Im Anschluss mussten die InformantInnen angeben, welche Vergleichspartikel sie als 'natürlichste Variante' bezeichnen. Damit wurde unter anderem darauf abgezielt, möglichst nur eine Antwort pro Person zu erhalten, welche als Präferenz ausgewertet wird. Untenstehend ist die Frage 22 abgebildet, die im Folgenden quantitativ und geographisch sowie nach den aussersprachlichen Faktoren 'Alter', 'Geschlecht' und 'soziale Schicht' ausgewertet wird. Erste Auswertungen der Fragen 25 und 28 finden sich in Friedli (2004).
III.22 Anneli sagt über ihre Schwester: Welche der folgenden Sätze
können Sie in Ihrem Dialekt sagen ("ja"),
Welche 'Ja'-Variante (1-4) ist für Sie die natürlichste? Nr. ___ |
Abb. 4: Frage III.22 des Projekts 'Dialektsyntax des Schweizerdeutschen'
Am Stichtag (1. März 2004) lagen 2404 Antworten an 376 Ortspunkten vor. Pro Ortspunkt hatten zwischen einer und 26 Gewährspersonen geantwortet.[5]
Unter 3.2 haben wir gesehen, dass die Gewährspersonen die Möglichkeit hatten, gleichzeitig mehrere Varianten zu akzeptieren. Bei Frage III.22 haben 1018 InformantInnen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, das sind rund 42% aller Gewährspersonen. 1318 InformantInnen haben folglich nur eine Variante akzeptiert. Insgesamt 3585mal wurden als, weder und wie angekreuzt oder eine eigene Variante hingeschrieben. Wir können also festhalten, dass diese 42% der Deutschschweizer im Durchschnitt zwei - genauer 2,16 - Vergleichspartikeln in ihrem Dialekt kennen.
In einem ersten Schritt interessiert mich nun, wie sich diese 3585 Nennungen auf die verschiedenen Vergleichspartikeln verteilen. 76 Gewährspersonen haben von der Möglichkeit der Nennung einer eigenen Variante Gebrauch gemacht. Wie aufgrund der gesichteten Sekundärliteratur zu erwarten gewesen war, haben die meisten Gewährspersonen die nicht suggerierte Variante wan hingeschrieben (73mal). Eine Person aus Andermatt UR schrieb die Vergleichspartikel denn hin, die, wie wir in Kapitel 2 gesehen haben, früher für die Schweiz typisch war. Eine andere Gewährsperson aus Grabs SG gab an, neben als und weder auch weder as + NP zu kennen. Eine dritte Person aus Lenk BE nannte wo. Es könnte sein, dass damit allenfalls die in dieser Region bekannte Vergleichspartikel wa(n) gemeint ist.
Ich kann mich also bei der folgenden Auswertung auf die vier meistgenannten Vergleichspartikeln als,[6] weder, wie und wan beschränken. Die Prozentzahlen ergeben folgendes Bild:
Abb. 5: Prozentuale Akzeptanz der Vergleichspartikeln
Als wurde am meisten akzeptiert. 92% der Gewährspersonen kennen diese Vergleichspartikel in ihrem Dialekt. 41% der InformantInnen geben an, weder zu kennen. 13% der Gewährspersonen akzeptieren wie. Es zeigt sich also, dass diese Vergleichspartikel ebenfalls in den schweizerdeutschen Dialekten vorkommt, obwohl - mit Ausnahme des Idiotikons - die zitierte Sekundärliteratur dies explizit verneint oder wie zumindest nicht erwähnt. Wan weist einen geringen Wert von 3% auf. Dabei müssen wir bedenken, dass es sich um eine nichtsuggerierte Variante, also eine Art von Spontanmaterial handelt.
Was die Präferenz betrifft, erwarten wir - wie im Idealfall unter 3.2 beschrieben - pro Fragebogen eine präferierte Vergleichspartikel. Es sollten also 2404 Nennungen vorliegen. Dem ist aber nicht so. Insgesamt wurden 2456 Vergleichspartikeln als natürlichste bezeichnet. Schaut man in der Datenbank nach, sieht man, dass sich 63 Gewährspersonen (2,6%) nicht für eine einzige Vergleichspartikel entschieden haben und mehrere Varianten nannten. Dieses Phänomen können wir allerdings bei allen Multiplechoicefragen beobachten. Es lohnt sich deshalb, einen Blick auf die Prozentwerte anderer Fragen des Projekts zu werfen, um unseren Wert einschätzen zu können. Bei neun Abfragen habe ich einen Mittelwert von 1,17% errechnet.[7] Die Spannbreite reicht von 0,07% (Frage I.8 'Ich habe gestern schon abwaschen geholfen') bis 2,34% (Frage II.15 'Damit will ich nichts zu tun haben'): Unser Wert von 2,6% InformantInnen, die mehrere Varianten präferiert haben, liegt also deutlich über dem ermittelten Durchschnitt und auch über dem höchsten der neun Werte. Im Unterschied zu den anderen Fragen fällt bei unserer Frage III.22 zudem auf, dass eine grosse Mehrheit - nämlich 56 der 63 InformantInnen - dieselben zwei Varianten präferiert haben: als und weder. Dies kann als Hinweis auf freie Variation der beiden Vergleichspartikeln angesehen werden (vgl. Seiler 2004: 382). Gestützt wird diese Vermutung m. E. zusätzlich durch die Tatsache, dass bereits bei der Akzeptanz 670 InformantInnen gleichzeitig als und weder angekreuzt haben (vgl. Abb. 10 weiter unten), was ein hoher Wert darstellt.
Es kommt 14mal vor, dass Gewährspersonen keine Präferenz angegeben haben. Wurde jeweils nur eine Antwort akzeptiert oder nur eine eigene Variante hingeschrieben, wertete man beim Erfassen in die FileMaker-Datenbank automatisch diese Antwort als natürlichste Variante. Wurden jedoch mehrere Varianten akzeptiert und/oder hingeschrieben, so konnte nicht auf die Präferenz geschlossen werden.
Wenden wir uns nun den Prozentwerten der einzelnen präferierten Vergleichspartikeln zu:
Abb. 6: Prozentuale Präferenz der Vergleichspartikeln
Wir sehen, dass wie zu erwarten die drei Präferenzwerte von als, weder und wie im Vergleich zum Akzeptanzwert der jeweiligen Vergleichspartikel geringer ausfallen. Als ist für rund 78% der Gewährspersonen die natürlichste Vergleichspartikel. Weder wird von 18% der Deutschschweizer als natürlichste Variante bezeichnet und wie noch von 4% der InformantInnen präferiert. Bei der Vergleichspartikel wan ist praktisch kein Unterschied zwischen Akzeptanz und Präferenz auszumachen. Das bedeutet: Hat eine Gewährsperson die Variante wan hingeschrieben, so gilt sie für sie zugleich auch als natürlichste.
Um den Unterschied zwischen Akzeptanz und Präferenz etwas klarer herauszuarbeiten, vergleiche ich die Akzeptanz- und Präferenzwerte von als, weder und wie prozentual. Dabei zeigt sich, dass 84% aller Gewährspersonen, die als akzeptieren, diese Vergleichspartikel auch präferieren. Bei weder sind dies noch 44% und bei wie nur noch 31%. Verhältnismässig ist der Unterschied zwischen Akzeptanz und Präferenz bei der Vergleichspartikel wie folglich am grössten. Wir können also festhalten, dass die Vergleichspartikel als sehr dominant ist.
Die geographische Auswertung erfolgt mithilfe des Programms ArcView 8. Da beim Projekt 'Dialektsyntax des Schweizerdeutschen' mehrere Antworten pro Ortspunkt vorliegen, ermöglicht dies Häufigkeitskarten mit entsprechenden Angaben zur absoluten oder zur prozentualen Nennung der Vergleichspartikeln. Ich habe mich im Folgenden für Karten mit prozentualen Angaben entschieden. Dabei wird an einem Ortspunkt jeweils die Zahl derjenigen, die eine Vergleichspartikel akzeptieren (oder präferieren) durch die Gesamtzahl der InformantInnen dieses Ortspunktes geteilt. Diese prozentualen Häufigkeitskarten geben uns also eine zusätzliche Information: Würde nämlich als an einem Ortspunkt mit vier, zehn und 25 Gewährspersonen beispielsweise zweimal genannt, so erhielten die Ortschaften auf einer Häufigkeitskarte mit absoluten Zahlen dasselbe Symbol. Interessant wäre jedoch zu wissen, dass dieses Symbol einmal für 50% der Gewährspersonen steht, einmal für 20% und einmal für lediglich 8%. Man könnte nun einwenden, dass bei diesem Beispiel dieser 50%-Wert nicht sehr aussagekräftig, ja eventuell sogar trügerisch wäre im Vergleich mit einem 50%-Wert, der durch beispielsweise 8 von 16 Gewährspersonen zustande gekommen ist. Obwohl die Aussage bei beiden Werten dieselbe ist - die Hälfte der Gewährspersonen nennen als -, ist das Problem der Interpretation der Aussage nicht wegzudiskutieren. Trotzdem schätze ich die zusätzliche Information der prozentualen Häufigkeitskarten hoch ein: Wie sich auch bei anderen Auswertungen des Projekts 'Dialektsyntax des Schweizerdeutschen' gezeigt hat, ergeben sich mit diesem Darstellungsverfahren deutlich areale Unterschiede.
Für die Abstufung der Prozentwerte wird eine Dreiteilung gewählt. Dabei ziehe ich den Schnitt arithmetisch bei einem Drittel und zwei Dritteln, um keine Kohorte speziell zu gewichten. Aus dem Ortsnetz ausgeschlossen werden Ortspunkte mit einer einzigen Gewährsperson. Damit kann einerseits vermieden werden, dass einer Ortschaft mit lediglich einer Nennung ein Symbol von 100% zugeordnet wird. Bei der Kartierung der einzelnen Vergleichspartikeln werden zudem Ortschaften mit momentan einer einzigen Nennung pro Vergleichspartikel nicht dargestellt, weil bei Akzeptanz oder Präferenz einer Vergleichspartikel durch eine einzelne Person immer die Gefahr besteht, dass es sich dabei um ein Versehen beim Ausfüllen des Fragebogens handelt, beispielsweise bedingt durch Unachtsamkeit oder Ermüdung.
Auf der Karte 1 sind diejenigen Verhältniszahlen von Gewährspersonen dargestellt, die den Satz Si isch grösser als ich akzeptiert haben. Ein Blick auf die Legende der Karte zeigt uns, dass als eine hohe Akzeptanz geniesst. Überall wo als akzeptiert wird, liegt die Akzeptanz bei mindestens 50%. Entsprechend fällt hier die erste Gruppe der Dreiteilung weg und die zweite umfasst nur die restlichen 16,67% bis zur dritten Kohorte.
Auf der Karte sind praktisch überall blaue Punkte verzeichnet. Nur zwei Ortspunkte (Boswil AG und Niederbipp BE) weisen kein Symbol auf, da nur eine von zwei Gewährspersonen als akzeptiert hat und ich diesen Wert als nichtaussagekräftig ausgeschlossen habe. Mit anderen Worten heisst das: In allen Ortschaften des Projekts 'Dialektsyntax des Schweizerdeutschen' ist als mindestens zu 50% akzeptiert. In einem Grossteil der Ortschaften liegt der Prozentwert in der Kohorte bis 100%. Bei einer so grossen Akzeptanz interessiert es mich nun, an welchen Ortspunkten als zu 100% akzeptiert wurde, also sämtliche InformantInnen diese Vergleichspartikel kennen. Die Ortschaften sind auf der Karte 2 verzeichnet. Es zeigt sich, dass über die ganze Deutschschweiz verteilt an 229 Ortspunkten die Vergleichspartikel als von allen Gewährspersonen akzeptiert wurde. Auffällig ist die areale Geschlossenheit in Glarus, Graubünden (mit Ausnahme von Arosa), im Rhonetal und in einem Gebiet entlang des Juras von Murten bis Matzendorf. Nur wenige 100%-Symbole finden sich in den Walliser Seitentälern, im Berner Oberland, im Sensebezirk, im Aargau, im Schaffhausischen und im Thurgau. Schauen wir deshalb nach, ob diese Gebiete schon auf der vorherigen Karte 1 durch Symbole der Kohorte bis 66% hervortreten: Es ist auszumachen, dass auf dieser Karte 1 allgemein nur wenige Ortspunkte durch solche Symbole repräsentiert werden. Von den soeben genannten Gebieten mit kaum hundertprozentig akzeptierter Vergleichspartikel als bleibt nur das Berner Oberland mit den angrenzenden Ortschaften des Sensebezirks übrig, wo wir vermehrt Symbole der zweiten Kohorte vorfinden. In diesem Gebiet scheint eine andere Vergleichspartikel (resp. andere Vergleichspartikeln) als zu konkurrenzieren. Um diese Aussage zu stützen und auszuschliessen, dass der Arealbildung eine niedrige Zahl an Gewährspersonen zu Grunde liegt, sehe ich mir das Zustandekommen der Prozentwerte dieser Ortschaften genauer an:
Ortspunkt | Anzahl Gewährs- personen |
als akzeptiert (absolut) |
als akzeptiert (prozentual) |
Adelboden | 8 | 4 | 50% |
Grindelwald | 6 | 3 | 50% |
Gsteig | 4 | 2 | 50% |
Guttannen | 8 | 4 | 50% |
Leissigen | 4 | 2 | 50% |
Schwarzsee | 4 | 2 | 50% |
Mürren | 7 | 4 | 57,1% |
Kandersteg | 5 | 3 | 60% |
Kiental | 5 | 3 | 60% |
Lauterbrunnen | 5 | 3 | 60% |
Meiringen | 10 | 6 | 60% |
Saanen | 10 | 6 | 60% |
Wengen | 5 | 3 | 60% |
Frutigen | 8 | 5 | 62,5% |
Gadmen | 3 | 2 | 66,7% |
Interlaken | 6 | 4 | 66,7% |
Lenk | 3 | 2 | 66,7% |
Plaffeien | 6 | 4 | 66,7% |
Zweisimmen | 3 | 2 | 66,7% |
Abb. 7: Details zu Ortspunkten der Kohorte bis 66% im Berner Oberland
Am meisten InformantInnen (zehn) haben wir in Saanen und Meiringen. In diesen beiden Orten beteiligen sich mehr als dreimal so viele Gewährspersonen an der Untersuchung wie in Gadmen, Lenk und Zweisimmen, wo momentan nur drei InformantInnen vorzufinden sind. Wir sehen also, dass die Prozentwerte der Kohorte bis 66% durch von Ortspunkt zu Ortspunkt unterschiedlich viele Gewährspersonen zustande gekommen sind. Dabei liegen geographisch gesehen Ortspunkte mit wenigen Gewährspersonen oft neben Ortspunkten mit vielen InformantInnen (z. B. Gsteig mit vier InformantInnen neben Saanen mit zehn Gewährspersonen), was darauf hindeutet, dass die Zahl der Gewährspersonen keinen Einfluss auf die Arealbildung hat und die Verhältniskarten also aussagekräftig sind.
Wir können abschliessend sagen, dass als eine in der Schweiz überall akzeptierte Vergleichspartikel ist. Im Berner Oberland konkurrenziert eine andere Vergleichspartikel (oder mehrere Vergleichspartikeln) als, denn dort finden sich vermehrt Symbole der Kohorte bis 66%. Ich vermute, dass es sich dabei um die Vergleichspartikel wa(n) handelt, die gemäss den bisherigen Quellen typisch für dieses Gebiet sein soll.
Von der quantitativen Auswertung her wissen wir, dass die Präferenz von als insgesamt geringer ist als die Akzeptanz. Folglich erscheint auf der Präferenzkarte ein Ortspunkt entweder mit demselben Symbol wie eben auf der Akzeptanzkarte, oder mit einem kleineren. Im Extremfall fällt er weg, wenn nämlich keine (resp. nur eine) Gewährsperson als als die natürlichste Vergleichspartikel taxiert hat. Um einen raschen Überblick zu erhalten, wo und wie Abweichung der Präferenz gegenüber der Akzeptanz vorliegt, werden auf der Karte 3 die Präferenzsymbole von als über diejenigen der Akzeptanz gelegt. In den auf der Karte mit einem roten Punkt versehenen Ortschaften wird als von den Gewährspersonen präferiert. Ortspunkte mit gleicher Akzeptanz und Präferenz erscheinen auf der Karte rot, solche mit kleinerer Präferenz als rote Punkte mit blauem Rand, Ortschaften ohne präferiertes als folglich nur als blaue Punkte. Der Legende können wir entnehmen, dass die niedrigste Prozentzahl jetzt neu bei 25% liegt, im Gegensatz zu 50% bei der Akzeptanz. Das beweist, dass je nach Ortspunkt die Präferenz von der Akzeptanz relativ stark abweicht. Erstaunlicherweise sind an zirka 80% der Ortspunkte die Kohorten der Präferenz und der Akzeptanz kongruent. Praktisch ohne Ausnahme liegt Kongruenz vor in einem grösseren Gebiet, das die Kantone Graubünden, Uri, Glarus, St. Gallen und beide Appenzell umfasst, in einem zweiten Gebiet im Nordwesten der Schweiz (Basel, Solothurn und Berner Unter- und Mittelland), zudem in Obwalden und im Wallis (mit Ausnahme von Blatten und Saas Grund). Im restlichen Untersuchungsgebiet kommen immer wieder Ortschaften mit geringerer Präferenz vor. An diesen Ortspunkten hat sich ein Teil der Gewährspersonen für eine andere Vergleichspartikel als natürlichste Variante entschieden. Etwas vermehrt ist dies in einem nordöstlichen Gebiet (Schaffhausen und nördlicher Teil des Kantons Zürich) der Fall, ebenso in einem Areal zwischen dem Vierwaldstätter- und dem Zürichsee. Auch im Berner Oberland ist die Präferenz häufig geringer als die Akzeptanz. In diesen drei Gebieten finden sich auch die meisten Ortspunkte, wo als akzeptiert, aber von keiner (resp. nur einer) Gewährsperson präferiert wurde. Dies ist an 14 Ortspunkten der Fall. An acht Ortspunkten ist der Unterschied zwischen Akzeptanz und Präferenz maximal, d. h. für die Akzeptanz von als stand das Symbol der Kohorte bis 100%, während die Präferenz nicht mehr verzeichnet ist. Es handelt sich dabei um die folgenden Ortschaften:
Ortschaft | Kanton | Anzahl Gewährs- personen |
Akzeptanz (absolut) |
Präferenz (absolut) |
Muotathal | SZ | 8 | 6 | 1 |
Blatten | VS | 8 | 6 | 1 |
Stein am Rhein | SH | 7 | 6 | 1 |
Teufenthal | AG | 5 | 4 | 1 |
Bibern | SH | 3 | 3 | 1 |
Wollerau | SZ | 3 | 3 | 1 |
Weggis | LU | 3 | 3 | 1 |
Rickenbach | SO | 2 | 2 | 1 |
Abb. 8: Ortspunkte mit maximalem Akzeptanz-, aber ohne Präferenzsymbol von als
Der grosse Unterschied auf der Karte relativiert sich etwas bei genauerem Betrachten der absoluten Zahlen. An allen Ortspunkten wurde als von einer Gewährsperson als natürlichste Variante angegeben. Zudem haben an vier Orten nur drei (resp. zwei) Personen an der Untersuchung teilgenommen. Nicht zu relativieren ist die Differenz in Stein am Rhein SH, Teufenthal AG, Muotathal SZ und Blatten VS, wo zwischen fünf und acht InformantInnen die Fragebögen ausgefüllt haben. Der Unterschied ergibt sich dort aus fünf (resp. in Teufenthal aus drei) Antworten. Das heisst, dass in diesen Ortschaften neben als eine oder mehrere Vergleichspartikeln auftreten, die ortstypischer sind.
Aus der Karte 3 können wir das Fazit ziehen, dass als nicht nur in hohem Grade überall akzeptiert, sondern vielerorts auch in demselben Grade präferiert wird. In einem nordöstlichen Gebiet und in einem Areal zwischen dem Vierwaldstätter- und dem Zürichsee finden sich vermehrt Präferenzsymbole der Kohorte bis 66%, was auf andere ortstypische Vergleichspartikeln hinweist. Im Berner Oberland, das bereits bei der Akzeptanzkarte (Karte 1) herausgestochen ist, liegt die Präferenz von als fast überall in der Kohorte bis 66% oder fehlt gar. Diejenigen Ortspunkte, die sich in Karte 1 noch durch eine grosse Akzeptanz ausgezeichnet haben, präferieren als nun in einem ähnlichen Masse wie die Ortspunkte mit geringerer Akzeptanz.
Als Letztes will ich untersuchen, wo als von allen Gewährspersonen präferiert wurde (Karte 4). Es zeigt sich, dass von den 229 Ortspunkten, an denen alle InformantInnen als akzeptiert hatten, immerhin noch an 108 Ortspunkten als zu 100% präferiert wurde. Von den oben genannten Arealen, wo alle Gewährspersonen als akzeptiert hatten (Glarus, Graubünden, Wallis und ein Gebiet entlang des Berner und Solothurner Juras) findet sich auf Karte 4 noch der Kanton Graubünden und etwas kleiner das Juragebiet. Diese Areale scheinen Kerngebiete der Vergleichspartikel als zu sein. Das hat sich auch bei einer letzten Abfrage bestätigt, bei der ich wissen wollte, wo ausschliesslich als angekreuzt wurde, also keine andere Vergleichspartikel akzeptiert und folglich auch nicht präferiert wurde (Karte 5). Auf dieser Karte 5 sticht der Kanton Graubünden heraus: Alle 100%-Werte sind ohne Akzeptanz von anderen Vergleichspartikeln zustande gekommen. Im Kanton Graubünden scheint dies also praktisch die einzige Art zu sein, den prädikativ verwendeten Komparativ mit NP als Komparationsbasis zu realisieren. Das wird sich im Folgenden auch dadurch bestätigen, dass bei den anderen Vergleichspartikeln im Graubündischen nur spärlich Symbole erscheinen werden.
Auf der Karte 6 habe ich zusätzlich bei den Ortspunkten mit hundertprozentiger Akzeptanz von weder einen Punkt in das Symbol eingefügt, damit man diese von den anderen Symbolen der Kohorte bis 100% unterscheiden kann. Es präsentiert sich auf den ersten Blick ein ähnliches Bild wie auf Karte 1: Auch weder scheint wie die Vergleichspartikel als praktisch überall akzeptiert zu sein. Was die Prozentwerte betrifft, so ist die Akzeptanz nicht so gross wie bei als. Es gibt einige Ortspunkte, die nur durch kleine Symbole vertreten sind, deren Werte sich also zwischen 13% und 33% bewegen. Wir erkennen im Nordwesten der Schweiz ein Gebiet, wo weder nicht akzeptiert wurde oder zumindest nur von wenigen Gewährspersonen. Das Gleiche gilt für ein Gebiet, das die Ortschaften des oberen Zürichseeufers, die Linth-Ebene und die Ortschaften des westlichen Walenseeufers umfasst. Ebenfalls gering ist die Akzeptanz im Wallis (in den Seitentälern fehlt sie gänzlich), im östlichen Teil des Berner Oberlandes und frappant natürlich in Graubünden. Im oberen Simmental scheint weder gar nicht vorzukommen. Ortspunkte, an denen weder über 66% akzeptiert wurde, finden sich über das ganze Untersuchungsgebiet verteilt. Von einem zusammenhängenden Gebiet, wo weder grossmehrheitlich akzeptiert wurde, können wir vielleicht im Engstligen- und Frutigtal (Berner Oberland) sprechen, ebenso im Emmental, wo die Akzeptanz in Sumiswald und Röthenbach gar 100% ausmacht.
Wenden wir uns nun der Präferenz von weder zu. Von der quantitativen Auswertung her wissen wir, dass der Präferenzwert nur noch 18% beträgt. Es ist anzunehmen, dass deshalb der Unterschied zur Akzeptanzkarte (Karte 6) gross sein wird und wir auf Anhieb Abweichungen und Kerngebiete erkennen werden. Aufgrund dieser schnelleren Vergleichbarkeit verzichte ich auf eine kombinierte Akzeptanz-Präferenz-Karte. Auf Karte 7 ist folglich nur die Präferenz von weder abgebildet. Wir sehen, dass deutlich weniger Symbole verzeichnet sind. Die Gebiete der Karte 6 mit minimer Akzeptanz treten auf der Karte 7 deutlicher hervor. Im Nordwesten finden sich nur noch zwei Orte nördlich der Aare, an denen weder präferiert wird. Im Kanton Graubünden und im Wallis (mit Ausnahme von Salgesch) liegt keine Präferenz mehr vor. Aber auch im östlichen Berner Oberland und in der Zürichsee-Walensee-Region wird weder kaum noch präferiert. Keine Präferenz tritt zudem im Kanton Obwalden und Uri (mit Ausnahme von Isenthal) auf. Erstaunlicherweise ist aber auch im Emmental die Präferenz der Vergleichspartikel weder im Gegensatz zur Akzeptanz nur noch relativ klein. Hier ist die Präferenz also in einem Areal massiv kleiner als die Akzeptanz. Dies bedarf einer eingehenden Überprüfung, um auszuschliessen, dass die Arealbildung mit einer niedrigen Zahl an Gewährspersonen korreliert:
Ortspunkt | Anzahl Gewährs- personen |
weder akzeptiert (absolut) |
weder akzeptiert (prozentual) |
weder präferiert (absolut) |
weder präferiert (prozentual)[8] |
Langnau | 13 | 10 | 76,9% | 4 | 30,8% |
Lützelflüh | 10 | 8 | 80% | 2 | 20% |
Trub | 9 | 5 | 55,6% | 4 | 44,4% |
Signau | 7 | 5 | 71,4% | 3 | 42,9% |
Konolfingen | 6 | 4 | 66,7% | 1 | (16,7%) 0% |
Fankhaus | 5 | 3 | 60% | 2 | 40% |
Schangnau | 5 | 2 | 40% | 0 | 0% |
Sumiswald | 4 | 4 | 100% | 1 | (25%) 0% |
Röthenbach | 4 | 4 | 100% | 2 | 50% |
Abb. 9: Details zu Akzeptanz und Präferenz von weder im Emmental
Auch hier sind an den genannten Ortspunkten unterschiedlich viele Gewährspersonen vorhanden. Die prozentuale Akzeptanz liegt bei fünf Orten in der Kohorte bis 100%, bei vier in der Kohorte bis 66%, die Präferenz hingegen drei Mal bei 0%, zwei Mal in der Kohorte bis 33% und vier Mal in der Kohorte bis 66%. All diese Unterschiede deuten darauf hin, dass die Zahl der InformantInnen nicht mit der Arealbildung korreliert. Die Emmentaler scheinen also die Vergleichspartikel weder sehr gut zu kennen, bezeichnen sie aber nur selten als ihre natürlichste Variante, da für sie die Vergleichspartikel als die präferierte Variante ist (vgl. Karte 3). Neben den Gebieten mit keiner oder minimaler Präferenz lassen sich auf der Karte 7 Ballungsgebiete erahnen, wo weder gut bis sehr gut verankert ist. So können wir ein erstes Gebiet ausmachen im westlichen Berner Oberland (ohne das obere Simmental) und im Kanton Freiburg, ein zweites im Berner Aargau, ein drittes in der Innerschweiz und ein viertes im Schaffhausischen mit angrenzendem Thurgau. In diesen Gebieten liegen auch die drei Ortspunkte, bei denen die Präferenz von weder in der obersten Kohorte liegt: Es sind dies Kiental BE (80%; vier von fünf Gewährspersonen), Teufenthal AG (80%; vier von fünf Gewährspersonen) und Muotathal SZ (87,5%; sieben von acht Gewährspersonen). Die beiden letzten Ortspunkte sind uns bereits auf der Karte 3 aufgefallen, da sie für die Akzeptanz von als ein Symbol der obersten Kohorte aufweisen, für die Präferenz aber überhaupt keines mehr. Jetzt haben wir also den Grund dafür gefunden: Obwohl an diesen Orten als und weder bekannt sind, wird weder als natürlicher, ortstypischer angesehen.
Zusammenfassend können wir festhalten, dass die Vergleichspartikel weder praktisch überall akzeptiert ist, in einem sehr geringen Rahmen allerdings im Wallis, im östlichen Teil des Berner Oberlandes, in Graubünden sowie im nordwestlichen Teil der Schweiz. Im oberen Simmental scheint diese Vergleichspartikel nicht vorzukommen. Die Präferenz fällt allgemein viel geringer aus: weder wird nur in vier Gebieten häufig präferiert: erstens im westlichen Berner Oberland und im Kanton Freiburg, zweitens im Berner Aargau, drittens in der Innerschweiz und viertens im Kanton Schaffhausen mit angrenzendem Thurgau.
Ein Blick in die Legende der Karte 8 zeigt uns, dass wie maximal zu 80% an einem Ortspunkt akzeptiert wurde, also nirgends von allen Gewährspersonen, wie dies bei als oder weder der Fall war. Auf der Karte ist klar zu erkennen, dass die Vergleichspartikel wie - abgesehen von verstreuten Einzelsymbolen - vor allem nördlich einer Linie Basel-Aargau-Zürich-Glarus akzeptiert wird. Ballungsgebiete zeigen sich entlang der Landesgrenze, im Kanton Zürich und in den Kantonen Appenzell mit angrenzendem St. Gallischen Gebiet. Die Häufigkeit der Symbole der beiden ersten Kohorten weisen darauf hin, dass wie vielerorts nur mässig akzeptiert ist. Vier Ortschaften im Grenzgebiet zu Deutschland weisen einen Wert über 66% auf: es sind dies Wegenstetten AG (80%; 4 von 5 Gewährspersonen), Kaisten AG (75%; 3 von 4 Gewährspersonen), Schaffhausen (75%; 3 von 4 Gewährspersonen) und Stein am Rhein SH (71,4%; 5 von 7 Gewährspersonen).
Die Karte 9 veranschaulicht die Präferenz der Vergleichspartikel wie. Es bleiben im Vergleich zur Akzeptanz nur noch 17 Ortspunkte übrig, in denen wie präferiert wird. Diese liegen mit Ausnahme von Arosa GR alle im oben erwähnten nördlichen Gebiet. Lediglich vier Ortschaften werden durch ein Symbol der Kohorte bis 66% dargestellt. Darunter Stein am Rhein SH, das für die Akzeptanz von als noch ein Symbol der obersten Kohorte aufgewiesen hat (Karte 3), für die Präferenz von als aber keines mehr (Karte 4). An diesem Ortspunkt scheint also wie stark verankert zu sein. In Schaffhausen liegt die Präferenz von wie in der obersten Kohorte: Die Präferenz beträgt dort ebenso wie die Akzeptanz 75%. Wir können also davon ausgehen, dass wie am ehesten in Schaffhausen die ortstypische Vergleichspartikel ist. Natürlich muss einschränkend bemerkt werden, dass nur vier InformantInnen der Stadt Schaffhausen an unserer Untersuchung teilgenommen haben und deren drei wie akzeptiert und präferiert haben. Allerdings zeigt eine weitere Abfrage, dass zwei dieser drei Personen ausschliesslich wie kennen, was bei gesamtschweizerisch 19 InformantInnen, die angeben, nur wie zu kennen, doch eine nicht zu vernachlässigende Tatsache ist.
Wir haben also gesehen, dass wie eine areale Verteilung aufweist. Dieses Areal befindet sich im Norden der Schweiz. Die Vergleichspartikel ist aber auch innerhalb dieses Gebiets nur beschränkt akzeptiert. Als natürlichste Variante tritt wie lediglich an 17 Orten im Norden auf. Es könnte deshalb - auch weil in der zitierten Sekundärliteratur (mit Ausnahme des Idiotikons) die Existenz von wie nach Komparativ verneint wurde - möglich sein, dass es sich hierbei um eine neuere Innovation handelt, die auf den Einfluss der überregionalen süddeutschen Umgangssprache zurückzuführen sein könnte. Das würde bedeuten, dass die von Thurmair (2001) aufgezeigte Systemverschiebung der Vergleichspartikeln (vgl. Kapitel 1) auch in den schweizerdeutschen Dialekten angefangen hätte.
Wenden wir uns als Letztes der Vergleichspartikel wan zu, die von 73 InformantInnen eigens hingeschrieben wurde. Zu den folgenden zwei Karten ist anzumerken, dass Einzelnennungen nicht mehr herausgefiltert wurden, da es sich bei dieser Antwort um eine spontane Angabe der Vergleichspartikel wan handelt. Versehentliches Ankreuzen etc. kann deshalb ausgeschlossen werden. Auf der Karte 10 ist verzeichnet, wo wan hingeschrieben wurde.[9] Es zeigt sich ein klar begrenztes Gebiet, welches das Berner Oberland und das Wallis umfasst. Hinzu kommt Jaun FR. Gut verankert scheint diese Vergleichspartikel vor allem im östlichen Teil des Berner Oberlandes zu sein sowie in Blatten VS. In Guttannen BE und Blatten VS liegen Symbole der obersten Kohorte vor: In der Berner Gemeinde haben sechs von acht InformantInnen wan hingeschrieben, in der Walliser Gemeinde sieben von acht.
Die Präferenz von wan unterscheidet sich nur minim von der Akzeptanz, wie schon aus der quantitativen Auswertung hervorgegangen ist (cf. Kapitel 3.3.1). Wenn eine Variante selbst hingeschrieben wird, wird sie meist auch als natürlichste genannt. Erwähnenswert zur Präferenzkarte (Karte 11) scheinen mir zwei Dinge: Zum einen ist der Ortspunkt Jaun von der Karte verschwunden. Wan scheint dort also bekannt und akzeptiert zu sein, präferiert wird diese Vergleichspartikel allerdings nicht. Zum anderen weist Blatten VS als einziger Ortspunkt ein Symbol der Kohorte bis 100% auf. Alle sieben InformantInnen, die wan hingeschrieben haben, haben diese Vergleichspartikel auch als die natürlichste betrachtet. Diese Tatsache ist auch der Grund für das Fehlen eines roten Symbols auf der Karte 3 zur Präferenz von als.
Obwohl als in der ganzen Schweiz akzeptiert und präferiert wird, haben wir in 3.3.2.1 gesehen, dass in drei Gebieten diese Vergleichspartikel tendenziell weniger als natürlichste Variante gewählt wurde: Es ist dies im Berner Oberland, in einem nordöstlichen Gebiet (Schaffhausen und nördlicher Teil des Kantons Zürich) und in einem Gebiet zwischen dem Vierwaldstätter- und dem Zürichsee. Es handelt sich bei diesen Gebieten um Kernareale anderer Vergleichspartikeln, denn nirgends sonst hat das Vorkommen anderer Vergleichspartikeln den Präferenzwert von als in einem ganzen Areal beeinflusst. Mit Blick auf die jeweiligen Präferenzkarten können wir nun ausmachen, um welche Vergleichspartikeln es sich handelt. Im nordöstlichen Gebiet wird weder (und in einem kleinen Rahmen auch wie) häufig präferiert. Im Gebiet zwischen dem Vierwaldstätter- und dem Zürichsee tritt ebenfalls vermehrt Präferenz von weder auf. Für das Berner Oberland gibt es nicht eine, sondern zwei Gründe für die geringere als-Präferenz: Im westlichen Teil (ohne oberes Simmental) werden zusätzlich weder und wan präferiert, im östlichen Teil dagegen tritt nur wan auf. Neben diesen Gebieten gibt es immer einzelne Ortschaften, die mit geringer als-Präferenz auffallen. Diese müsste man genauer untersuchen. Eventuell würde man Erklärungen unter Einbezug der aussersprachlichen Faktoren finden (vgl. die gesamtschweizerische Auswertung unter 3.3.3).
Auch wenn Löfflers 'Germanistische Soziolinguistik' (1985), aus dem dieses Zitat stammt, sich vornehmlich auf das bundesdeutsche Gebiet bezieht, wo das Verhältnis zwischen Dialekt und Standard ein anderes ist, trifft die Aussage doch auch auf die Deutschschweiz zu. Rash (1998: 225ff.) zeigt anhand einiger Arbeiten den Zusammenhang zwischen sozialer und linguistischer Variation in der deutschsprachigen Schweiz auf. Ich werde deshalb in diesem Kapitel überprüfen, ob die Wahl der Vergleichspartikel durch den Faktor 'Alter', 'Geschlecht' und 'soziale Schicht' beeinflusst wird.[10] Diese Daten wurden im Projekt erhoben, wobei die Zuteilung zu einer sozialen Schicht aus der erfragten Berufsbildung erfolgt. Die Gewährspersonen des Projekts wurden allerdings nicht primär aufgrund dieser Sozialdaten, sondern aufgrund ihrer Ortsfestigkeit ausgewählt, weshalb eine Auswertung nur mit dieser Beschränkung möglich ist. So nehme ich eine Kombination einer geographische Auswertung unter Berücksichtigung der aussersprachlichen Faktoren nicht vor, da an einigen Ortspunkten gar keine Aussagen gemacht werden könnten, weil es schlicht keine in Alter, Geschlecht und sozialer Schicht unterschiedlichen InformantInnen gibt (cf. Bucheli Berger 2005). Es werden also die Gesamtdaten ohne Rücksicht auf die geographische Verteilung betrachtet.
Im Unterschied zur vorherigen quantitativen und geographischen Analyse verfahre ich bei den folgenden statistischen Auswertungen mit Kreuztabellen wie folgt: Um zu vermeiden, dass InformantInnen, die mehrere Varianten angegeben haben, doppelt gezählt werden und so die Auswertung verfälschen, werden neben alleinigen als, weder, wie und wan die häufigsten Varianzkombinationen als separate Variablen kodiert. Wer also z. B. die beiden Vergleichspartikeln als und weder akzeptiert hat, wird nicht einmal bei als und einmal bei weder gezählt, sondern nur einmal bei der Varianzkombination 'als + weder'. Marginal aufgetretene Varianzkombinationen lassen sich in Kreuztabellen nicht auswerten. Eine Variable muss mindestens 19mal vorgekommen sein, um als eigenständige Variante zu zählen. Diesen Wert habe ich festgesetzt, um die Variante wie in die Auswertungen einbeziehen zu können. Bei der statistischen Auswertung der Präferenz wird aufgrund dieser Bedingung die Kombination 'als + weder',[11] bei der Akzeptanz zusätzlich 'als + wie', 'als + wan', 'als + weder + wie' miteinbezogen. Die restlichen marginal aufgetretenen Kombinationstypen werden in der Residualkategorie 'andere' zusammengefasst, unbrauchbare Antworten in einer Kategorie 'missing'. Das ergibt folgende Zahlen:
Variable | als | weder | wie | wan | als weder |
als wie |
als wan |
als weder wie |
andere | missing | Total |
Akzeptanz | 1189 | 151 | 19 | 26 | 670 | 153 | 27 | 145 | 23 | 7 | 2410 |
Präferenz | 1814 | 370 | 79 | 63 | 56 | - | - | - | 7 | 21 | 2410 |
Abb. 10: Nennungen der Vergleichspartikeln und Varianzkombinationen bei Frage 22
Was vor der Auswertung schon erstaunt, ist die Tatsache, dass weder und wie deutlich öfter in Kombination mit als akzeptiert werden als einzeln. Auch die gleichzeitige Akzeptanz der Vergleichspartikeln als, weder und wie von 145 InformantInnen (6%) ist erstaunlich und kann kaum als Folge davon gesehen werden, dass diese drei Varianten suggeriert worden waren. Aufgrund der quantitativen und geographischen Verbreitung der Vergleichspartikeln war anzunehmen gewesen, dass viele Kombinationen auftreten würden. Dass allerdings weder und wie im Gegensatz zu als alleine nur wenig vorkommen, finde ich doch bemerkenswert.
Bereits in den älteren dialektologischen Forschungen war man überzeugt, dass das Alter ein Faktor ist, der den Dialektgebrauch beeinflusst. Ältere Menschen gelten als typische Dialektsprecher. So haben auch die Exploratoren des SDS eher ältere Gewährspersonen befragt, um die sprachgeographische Struktur schärfer zur Darstellung zu bringen (Hotzenköcherle 1962: 120). Oglesby (1992) hat in seiner Untersuchung zu Mechanismen der Interferenz zwischen Standarddeutsch und Luzerndeutsch herausgefunden, dass vor allem jüngere Leute sich dem Standdarddeutschen anpassen und ältere Leute mehr ursprüngliche Formen gebrauchen. Allerdings gibt es auch gegenteilige Bewegungen, so verwenden die jüngeren Personen z. B. mehr velare Affrikaten als die älteren, was einer Bewegung weg vom Standarddeutschen gleichkommt.
Es gilt folglich abzuklären, ob das Alter auf die Wahl der Vergleichspartikel einen Einfluss ausübt. Ein allfälliger Zusammenhang soll statistisch nachgewiesen werden. Um eine sinnvolle Kreuztabelle herstellen zu können, müssen die Gewährspersonen in Alterskategorien eingeteilt werden. Der älteste Informant weist Jahrgang 1906 auf, der jüngste 1987. Ich wähle eine Einteilung in drei Altersgruppen. Dabei orientiere ich mich grob an der Gruppierung, die Mattheier in seinem Beitrag 'Alter, Generation' im Handbuch Soziolinguistik vorstellt:
Ich fasse bei meiner Gruppierung allerdings das mittlere und das spätere Erwachsenenalter zusammen, da mir eine solche Unterteilung für die Untersuchung nicht zwingend scheint, da ich nicht denke, dass grosse sprachliche Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen zu erwarten sind. Auch sollte eine Dreiteilung bei einem signifikanten Zusammenhang zwischen den Variablen 'Alter' und 'Vergleichspartikel' genügen, um Unterschiede zu erkennen.
In der folgenden Abbildung ist ersichtlich, wie ich die Einteilung nun genau vorgenommen habe und wie viele Gewährspersonen jede Kategorie umfasst:
Alters- kategorie |
Jahrgang | Alter | Anzahl Gewährs- personen |
1 | 1906 bis 1938 | 66 Jahre und älter | 1035 |
2 | 1939 bis 1973 | 31 bis 65 Jahre | 1206 |
3 | 1974 bis 1987 | 30 Jahre und jünger | 162 |
Abb. 11: Einteilung der InformantInnen in Alterskategorien
Ein scheinbarer Nachteil dieser Einteilung liegt darin, dass die drei Alterskategorien unterschiedlich gross sind. Die Alterskategorie 1 macht rund 43% der InformantInnen aus (1035 Personen), die Kategorie 2 50% (1206 Personen), während Kategorie 3 nur knapp 7% der Gewährspersonen (162 Personen) ausmacht. Dies liegt daran, dass bei der Suche nach InformantInnen wie bereits erwähnt nicht primär auf den Faktor 'Alter' geachtet wurde und dem Projekt vielfach nur ältere Personen vermittelt wurden. Dieser Umstand spielt allerdings bei meiner statistischen Auswertung keine Rolle, da ich den Einfluss der Variable 'Alter' über den ganzen Datensatz hin untersuche und bei den Kreuztabellen die Grösse der Kategorien automatisch berücksichtigt wird.
Als erstes soll die Abhängigkeit der beiden Variablen 'Alter' und 'Akzeptanz' einer bestimmten Variante mithilfe des Chi-Quadrat-Tests untersucht werden. Zwei Variablen einer Kreuztabelle gelten dann als voneinander unabhängig, wenn die beobachteten Häufigkeiten der einzelnen Zeilen mit den erwarteten Häufigkeiten übereinstimmen. Die Abfrage ergibt einen höchst signifikanten 2-Wert von 161,58 (p = 0,000). Wir können also festhalten, dass die Akzeptanz der Vergleichspartikeln vom Alter der Gewährspersonen abhängt. Als nächstes will ich herausfinden, bei welchen Partikeln oder Kombinationen sich eine genauere Untersuchung lohnt, d. h. bei welchen Partikeln oder Kombinationen sich ein signifikanter Zusammenhang zeigt. Bei dieser zweiten Abfrage werden folgende Werte ermittelt:
Vergleichspartikel/ Varianzkombination |
2-Wert | Signifikanz |
als | 28,400 | 0,000 |
weder | 63,551 | 0,000 |
wie | 1,522 | 0,467 |
wan | 1,900 | 0,387 |
'als + weder' | 15,471 | 0,000 |
'als + wie' | 50,024 | 0,000 |
'als + wan' | 1,067 | 0,587 |
'als + weder + wie' | 21,486 | 0,000 |
andere | 5,648 | 0,059 |
Abb. 12: Ergebnisse Chi-Quadrat-Test 'Alter' und 'Akzeptanz' bei Frage 22
Wir können der Abbildung entnehmen, dass es keinen Zusammenhang bei den Vergleichspartikeln wie, wan und der Kombination 'als + wan' gibt und auch die Residualkategorie 'andere' nicht weiter untersucht werden muss. Überall sonst liegt ein höchst signifikanter Wert von p = 0,000 vor. Schauen wir uns deshalb diese bedingten Häufigkeiten in tabellarischer und graphischer Form an:
Abb. 13: Auf die Variablen 'Akzeptanz 22' und 'Alter' bedingte Häufigkeiten mit signifikantem Zusammenhang
Es zeigt sich ein einheitliches Bild: Die einzelnen Vergleichspartikeln als und weder werden mit abnehmendem Alter weniger als einzige Vergleichspartikeln akzeptiert. Bei als sind es 55,46% der ältesten Gewährspersonen, die diese Vergleichspartikel alleine akzeptieren, 45,52% der mittleren Alterskategorie und nur noch 40,74% der jüngsten InformantInnen. Das ergibt insgesamt eine Abnahme um 14,72 Prozentpunkte. Bei weder sieht es ganz ähnlich aus: Haben 10,72% Personen der ältesten Informantengruppe ausschliesslich diese Vergleichspartikel akzeptiert, sind es noch 3,32% der 35 bis 65-Jährigen. Kein einziger Informant der jüngsten Alterskategorie akzeptiert nur die Vergleichspartikel weder.
Eine gegenteilige Kurve sehen wir bei den Varianzkombinationen: alle drei Kombinationen kommen mit abnehmendem Alter vermehrt vor. Die Varianzkombination 'als + weder' sticht dabei etwas hervor: Die Zunahme ist zwischen der ersten und der zweiten Alterskategorie deutlich, während zwischen der zweiten und dritten Kategorie eine minime Abnahme der Akzeptanz festzustellen ist. Stetig ansteigend ist hingegen die Akzeptanz der Kombinationen 'als + wie' (um insgesamt 13,48 Prozentpunkte) und 'als + weder + wie' (um 5,78 Prozentpunkte).
Wir können also eindeutige Tendenzen bei der Akzeptanz der Vergleichspartikeln festhalten: Ältere Personen akzeptieren als und weder um insgesamt 25,44 Prozentpunkte mehr als einzige Vergleichspartikeln als dies junge Personen tun. Diese akzeptieren dafür um 25,12 Prozentpunkte mehr Varianzkombinationen, so dass sich ein ausgewogenes Bild ergibt. Die Vergleichspartikel weder wird von den InformantInnen der jüngsten Alterskategorie nur noch in Kombination mit als (und mit als + wie) akzeptiert. Diametral dazu verhält sich die Akzeptanz von wie. Diese nimmt zu in Kombination mit der Vergleichspartikel als (und als + weder). Man könnte im Sinne einer apparent-time Analyse daraus den Schluss ziehen, dass die Vergleichspartikel weder langsam ihre Eigenständigkeit verliert und zu einem späteren Zeitpunkt durch wie (resp. als) ersetzt wird, denn geographisch gesehen dringt - wenn man die Zunahme von wie in Kombination mit anderen Vergleichspartikeln als Erneuerung deutet - die Vergleichspartikel wie in das weder-Gebiet ein.
Ob auch eine Abhängigkeit zwischen den beiden Variablen 'Alter' und 'Präferenz' einer bestimmten Vergleichspartikel besteht, prüfe ich als nächstes. Die Abfrage ergibt erneut einen höchst signifikanten 2-Wert von 41,591 (p = 0,000). Folglich hängt auch die Präferenz der Vergleichspartikeln vom Alter der Gewährspersonen ab. Mit Ausnahme von wan (p = 0,526) und der Residualgruppe (p = 0,456) lässt sich bei allen Partikeln oder Kombinationen ein höchst signifikanter Zusammenhang feststellen. Die bedingten Häufigkeiten werden im Folgenden wieder tabellarisch und graphisch abgebildet:
Abb. 14: Auf die Variablen 'Präferenz 22' und 'Alter' bedingte Häufigkeiten mit signifikantem Zusammenhang
Auch bei der Präferenz von weder können wir feststellen, dass die Prozentwerte von Alterskategorie zu Alterskategorie abnehmen. Haben die ältesten Gewährspersonen diese Vergleichspartikel zu 18,13% präferiert, sind es noch 14,49% der mittleren Kategorie und nur 6,17% der jüngsten InformantInnen. Das ergibt insgesamt eine Abnahme um 11,96 Prozentpunkte. Ebenfalls eine - allerdings nur leicht - fallende Kurve haben wir bei der Varianzkombination 'als + weder'. Bei der Abb. 13 konnten wir dagegen einen tendenziell steigende Kurve bei dieser Kombination feststellen. Das bedeutet, dass für die ältesten InformantInnen die beiden Vergleichspartikeln als und weder öfter als gleichwertige Varianten nebeneinander stehen als für die jüngeren Gewährspersonen. Die Jungen entscheiden sich für eine Vergleichspartikel und dabei eher für als (83,33% derjenigen, welche die Varianzkombination 'als + weder' akzeptiert haben).
Die Kurven von als und wie steigen von Alterskategorie zu Alterskategorie an. Dies eben aufgrund derjenigen Gewährspersonen, die eine Varianzkombination akzeptiert haben, sich dann bei der Frage nach der natürlichsten Variante für eine Vergleichspartikel entschieden haben. Allerdings nimmt die Kurve von wie nicht so stark zu wie diejenige der Vergleichspartikel als, denn wer die Kombinationen 'als + wie' und 'als + weder + wie' akzeptiert hat, hat sich vorwiegend für als als natürlichste Variante entschieden.
Die Präferenzauswertung hat gezeigt, dass die Vergleichspartikel weder von der ältesten zur jüngsten Alterskategorie immer weniger gebraucht wird. Dagegen ist eine Zunahme des Gebrauchs der Vergleichspartikel wie festzustellen. Es könnte bei anhaltender Tendenz so sein, dass weder schlussendlich aus dem Repertoire der schweizerdeutschen Vergleichspartikeln verschwindet. Diese Vermutung wird durch die Tatsache verstärkt, dass die Vergleichspartikel wie geographisch gesehen im Norden der Schweiz auftritt, der traditionell als Innovationsgebiet bekannt ist (vgl. Hotzenköcherle 1984: 95).
Erwiesen ist, dass es einen Unterschied im Dialektgebrauch zwischen Frauen und Männern gibt (cf. Mattheier 1980: 25ff.). Ob es jedoch systemische geschlechterrollenspezifische Unterschiede gibt, ist in der Forschung umstritten. Steiner (2005) hat in ihrer Untersuchung zur Verdoppelung des indefiniten Artikels in der adverbiell erweiterten Nominalphrase im Schweizerdeutschen herausgefunden, dass das Geschlecht einen Einfluss auf die drei möglichen Konstruktionsweisen (i) ganz e liebi Frau, (ii) e ganz e liebi Frau und (iii) e ganz liebi Frau hat. Männer sind insgesamt den verschiedenen Varianten gegenüber toleranter als Frauen. Die Letzteren bevorzugen die Konstruktion (i), während die Ersteren die Variante (ii) präferieren.
Die für meine Auswertung brauchbaren Fragebögen stammen von 1010 Frauen und 1394 Männern. Das heisst, dass ungefähr 40% der Gewährspersonen Frauen und 60% Männer sind, was einer relativ ausgeglichenen Verteilung gleichkommt. Als erstes überprüfe ich auch in diesem Fall, ob sich mittels Kreuztabellen ein Zusammenhang zwischen dem Geschlecht und der Wahl der Vergleichspartikel ergibt. Wir erhalten sowohl für die Akzeptanz als auch für die Präferenz nicht signifikante Werte. Der 2-Wert bezüglich Akzeptanz wird auf 11,470 (p = 0,176) berechnet, derjenige bezüglich Präferenz auf 8,874 (p = 0,114). Aus dieser statistischen Auswertung können wir also den Schluss ziehen, dass die Wahl der Vergleichspartikel im Falle von prädikativ verwendeten Konstruktionen mit NP als Komparationsbasis nicht vom Geschlecht der Person abhängt. Allfällige Unterschiede in den bedingten Häufigkeiten sind nicht aussagekräftig und müssen folglich nicht ermittelt werden.
Während es bis ins 20. Jahrhundert noch eine spezielle Oberschichtversion des Baseldeutschen ('Dalbe-Baseldytsch') existiert (Christ 1963), ist für die heutige Sprachsituation in der Deutschschweiz die Unterscheidung nach sozialer Schicht im traditionellen Sinn in Frage gestellt, wie Rash (1998) schreibt:
In dem Sinne ist eine Auswertung der Daten des Projekts 'Dialektsyntax des Schweizerdeutschen' möglich, da von allen Gewährspersonen der erlernte und ausgeübte Beruf erfragt wurde, was Rückschlüsse auf die Schulbildung zulässt. Aufgrund des ausgeübten Berufes versuche ich nun, die Gewährspersonen für meine Auswertung nach dem Kriterium der höchsten Schulbildung in drei Gruppen einzuteilen. Eine Dreiteilung sollte reichen, um allfällige Unterschiede in der Wahl der Vergleichspartikeln aufzuzeigen. Indem ich den ausgeübten Beruf wähle, trage ich dem Umstand Rechnung, dass ein Informant, der die Matura nachgeholt und ein Studium absolviert hat, eine viel höhere Schulbildung aufweist als dies sein ursprünglich gelernter Handwerksberuf vermuten lässt. In der folgenden Abbildung sind die drei Gruppen mit den entsprechenden Angaben dargestellt:
Code | Gruppe mit... | Anzahl Gewährs- personen (absolut) |
Anzahl Gewährs- personen (relativ) |
1 | hoher Schulbildung (Lehrer, Pfarrer, Anwälte...) |
648 | 27% |
2 | mittlerer Schulbildung (kaufmännische Berufe, Pflegeberufe...) |
777 | 32% |
3 | geringer Schulbildung (manuelle Berufe, Landwirtschaft...) |
979 | 41% |
Abb. 15: Gewährspersonen aufgeteilt auf drei Schulbildungsgruppen
Als erstes soll die Abhängigkeit der beiden Variablen 'soziale Schicht' und 'Akzeptanz' einer bestimmten Variante untersucht werden. Die Abfrage ergibt einen höchst signifikanten 2-Wert von 103,27 (p = 0,000). Das bedeutet, dass die Akzeptanz der Vergleichspartikeln von der Schulbildung der Gewährspersonen beeinflusst wird. Als nächstes will ich herausfinden, bei welchen Partikeln oder Kombinationen sich eine genauere Untersuchung lohnt, d. h. bei welchen Partikeln oder Kombinationen sich ein signifikanter Zusammenhang zeigt. Die relevanten Werte sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt:
Vergleichspartikel/ Varianzkombination |
2-Wert | Signifikanz |
als | 11,457 | 0,022 |
weder | 54,844 | 0,000 |
'als + weder' | 17,920 | 0,000 |
'als + wie' | 11,938 | 0,003 |
'als + wan' | 8,920 | 0,012 |
Abb. 16: Vergleichspartikeln/Varianzkombinationen mit signifikantem Zusammenhang
Bei diesen Vergleichspartikeln und Varianzkombinationen lohnt sich also eine Untersuchung. In der nächsten Abbildung sind die bedingten Häufigkeiten dargestellt:
Abb. 17: Auf die Variablen 'Akzeptanz 22' und 'soziale Schicht' bedingte Häufigkeiten mit signifikantem Zusammenhang
Der Abb. 17 können wir entnehmen: je höher die Schulbildung einer Person ist, desto kleiner ist die Akzeptanz von als. Akademiker bevorzugen zu 45,52% die Vergleichspartikel als, Personen mittlerer Schulbildung zu 48,39% und solche mit geringer Schulbildung zu 53,01%. Das gleiche Bild - allerdings mit kleineren Prozentwerten - zeigt sich bei weder: Personen mit hoher Schulbildung akzeptieren diese Vergleichspartikel zu 2,31%, solche mit mittlerer Schulbildung bereits zu 4,12% und Personen mit geringer Schulbildung zu 10,62%. Interessant ist die gegenläufige Tendenz bei den relevanten Varianzkombinationen: Die Kombination 'als + weder', die mit Abstand am meisten vorgekommen ist, wird von der 1. Gruppe zu 33,02% akzeptiert, von der Gruppe 2 zu 28, 96% und von der 3. Gruppe zu 23,60%. Bei der Kombination 'als + wie' ist der Unterschied bei den Personen mit hoher und mittlerer Schulbildung klein (Akzeptanzwert von 7,87%, resp. 7,72%), der Abstand zu den Personen der Gruppe 3 ist dann allerdings schon grösser (Akzeptanz von 4,29%). Ziemlich flach ist auch die Kurve der Kombination 'als + wan' (Gruppe 1: 2,16%, Gruppe 2: 0,9%, Gruppe 3: 0,61%).
Wir können also zur Akzeptanz der Vergleichspartikeln in Zusammenhang mit der sozialen Schicht Folgendes konstatieren: Personen mit geringer Schulbildung akzeptieren eher eine einzige Vergleichspartikel. Je gebildeter folglich eine Person ist, desto öfter werden zwei Vergleichspartikeln akzeptiert. Man kann dieses Ergebnis eventuell mit einem reflektierteren Sprachbewusstsein erklären: Gebildete Personen sind sich wahrscheinlich der Sprache bewusster und registrieren nebeneinander stehende Varianten eher als ungebildete. Auch eine höhere Mobilität könnte eine Erklärung bieten.
Als nächstes untersuche ich die Abhängigkeit der beiden Variablen 'soziale Schicht' und 'Präferenz' einer bestimmten Variante. Die Abfrage ergibt einen höchst signifikanten 2-Wert von 51,078 (p = 0,000). Das bedeutet, dass auch die Präferenz der Vergleichspartikeln von der Schulbildung der Gewährspersonen beeinflusst wird. Eine genauere Untersuchung lohnt sich bei drei der fünf statistisch ausgewerteten Präferenzangaben: als (2 = 9,972; p = 0,007), weder (2 = 23,837; p = 0,000) und wan (2 = 22,511; p = 0,000). Die bedingten Häufigkeiten stellen sich wie folgt dar:
Abb. 18: Auf die Variablen 'Präferenz 22' und 'soziale Schicht' bedingte Häufigkeiten mit signifikantem Zusammenhang
Der Abbildung können wir entnehmen, dass sich die Präferenz der einzelnen Vergleichspartikeln in Zusammenhang mit der sozialen Schicht unterschiedlich verhält. Mit geringerer Schulbildung zunehmende Präferenz liegt bei weder vor: Der Unterschied bei Berufsgruppe 1 und 2 ist minim (Präferenzwert von 12,09%, resp. 12,79%), allerdings präferieren Personen der 3. Gruppe weder mit 19,88% deutlich. Eine gegenläufige Bewegung sehen wir bei der Vergleichspartikel wan: Dort nimmt die Präferenz mit zunehmender Schulbildung zu (Gruppe 1: 5,12%, Gruppe 2: 1,94%, Gruppe 3: 1,54%). Als wird von den Personen mittlerer Berufsbildung am meisten als natürlichste Variante angegeben (79,20%). Rund 3% weniger Studierte präferieren diese Vergleichspartikel und 6% weniger Personen mit geringer Schulbildung. Diese Unterschiede mache bei so hohen Prozentzahlen allerdings nicht allzu viel aus.
Wir haben gesehen, dass die Teile einer Komparativkonstruktion im Deutschen (und auch im Schweizerdeutschen) sehr unterschiedlich ausgeformt sein können und die syntaktische Verwendung des Komparativs prädikativ, adverbial oder attributiv sein kann.
Die unterschiedlichen Vergleichspartikeln im Schweizerdeutschen sind aus der Sprachgeschichte des Deutschen bekannt. In der Sekundärliteratur finden wir grobe Angaben zu deren geographischer Verteilung und auch Hinweise auf eine diachrone Veränderung.
In der Auswertung einer Frage des Projekts 'Dialektsyntax des Schweizerdeutschen' hat sich gezeigt, dass der Komparativanschluss ein arealbildendes Phänomen ist und auch aussersprachliche Faktoren eine Rolle bei der Wahl der Vergleichspartikel spielen. In prädikativ verwendeten Komparativkonstruktionen mit NP als Komparationsbasis wird die Vergleichspartikel als in der ganzen Deutschschweiz akzeptiert und präferiert. Die Werte liegen dabei bei hohen 92% (Akzeptanz) resp. 78% (Präferenz) der InformantInnen. Weder ist ebenfalls praktisch überall akzeptiert, in einem teilweise sehr geringen Rahmen allerdings im Wallis, im östlichen Teil des Berner Oberlandes, in Graubünden sowie in einem nordwestlichen Teil der Schweiz. Insgesamt akzeptieren 41% der Gewährspersonen diese Vergleichspartikel. Was die Präferenz von weder betrifft, so ist diese meist klein (im Durchschnitt 18%). In vier Ballungsgebieten kann man von einer häufigen Präferenz sprechen, so erstens im westlichen Berner Oberland (ohne das obere Simmental) und im Kanton Freiburg, zweitens im Berner Aargau, drittens in der Innerschweiz und viertens im Schaffhausischen mit angrenzendem Thurgau. Die Vergleichspartikel wie ist areal im Norden akzeptiert - von insgesamt 13% aller InformantInnen -, wird allerdings nur von wenigen InformantInnen präferiert (4% Präferenz). Dabei handelt es sich wohl um eine Innovation. Im Süden areal begrenzt (Berner Oberland und Wallis) findet sich zudem als Relikt die Vergleichspartikel wan. Diese Vergleichspartikel wird von 3% der InformantInnen hingeschrieben und meist auch als die natürlichste Variante angegeben.
Wir haben zudem gesehen, dass sowohl das Alter als auch die soziale Schicht einen Einfluss auf die Wahl der Vergleichspartikeln ausüben. Der Faktor 'Geschlecht' steht dagegen in keinem Zusammenhang mit der Akzeptanz oder Präferenz. Je älter eine Person ist, desto mehr akzeptiert sie als und weder als einzige Vergleichspartikel. Je jünger eine Person ist, desto eher werden mehrere Vergleichspartikeln akzeptiert. Weder wird von den InformantInnen der jüngsten Alterskategorie nur noch gleichzeitig mit als (oder mit als + wie) akzeptiert. Auch bei der Präferenz zeigt sich, dass weder von der ältesten Alterskategorie zur jüngsten Alterskategorie immer weniger gebraucht wird. Die Akzeptanz von wie nimmt dafür in Kombination mit der Vergleichspartikel als (und als + weder) zu. Das spiegelt sich dann auch bei der Präferenz wider: Wie wird mit abnehmendem Alter immer mehr als natürlichste Variante angegeben. Man könnte daraus den Schluss ziehen, dass weder seine Eigenständigkeit verliert und bei anhaltender Tendenz verschwindet. Die Vergleichspartikel wie breitet sich aus. Interessant ist zu sehen, dass - geographisch gesehen - diese Vergleichspartikel im weder-Gebiet auftaucht und bei weiterer Verbreitung weder allenfalls verdrängt. Je gebildeter eine Person ist, desto öfter akzeptiert sie zwei Vergleichspartikeln. Personen mit geringer Schulbildung akzeptieren eher nur eine einzige Vergleichspartikel. Diese Tatsache kann eventuell mit einem ausgeprägteren Sprachbewusstsein der gebildeteren Personen für nebeneinander stehende Varianten erklärt werden. Auch eine höhere Mobilität könnte ein Grund dafür sein.
1 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts merkt Oskar Weise an, dass sich das System der Vergleichspartikeln vereinfacht hat und in manchen mitteldeutschen Mundarten der Prozess bereits soweit vorgeschritten ist, dass als nach Komparativ fast gänzlich aus dem Gebrauch verdrängt worden ist (cf. Weise 1909: 737). [zurück]
2 Cf. auch Bucheli Berger (2005). [zurück]
3 Ich nehme an, dass Binz eine rein künstliche Unterscheidung zwischen as = als und ass = dass gemacht hat und gesprochen beides dasselbe ist. Diese Vermutung wird gestützt durch die Tatsache, dass in der Baseldeutsch-Grammatik die Schreibung für as = als mit möglichem Doppel-ss angegeben wird (Suter 1976: 68). [zurück]
4 Cf. detailliert zu Methode, Ziel, Ortsnetz und Gewährspersonen des SADS Bucheli/Glaser 2002 sowie auch Glaser 2000; zum SDS cf. Hotzenköcherle 1962. [zurück]
5 Es handelt sich im Folgenden um vorläufige Auswertungen, da die Erhebungen am Stichtag nicht abgeschlossen waren. [zurück]
6 Bei Frage III.22 wurde der phonetische Unterschied als vs. as beim Erfassen in die Datenbank nicht berücksichtigt, zumal as-Nennungen aufgrund des Multiplechoiceverfahrens nur sporadisch auftreten. [zurück]
7 In die Untersuchung einbezogen wurden die Fragen I.7, I.8, I.10, I.11, I.14, I.16, I.20, II.7 und II.15. [zurück]
8 Es gilt zu bedenken, dass Einzelnennungen herausgefiltert werden, um Ausnahmen oder Versehen auszuschliessen (cf. oben). Deshalb steht bei einer einzelnen präferierten Vergleichspartikel der Prozentwert 0. [zurück]
9 Ich spreche im Folgenden der Einfachheit halber immer noch von Akzeptanz, obwohl es sich nicht mehr um das Ankreuzen einer Multiplechoiceantwort handelt. [zurück]
10 Die von Löffler ebenfalls erwähnte pragmatische Gebrauchsmarkierung entfällt aufgrund der Erhebungsmethode. [zurück]
11 Cf. bereits die quantitative Auswertung in Kapitel 3.3.1. [zurück]
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Karte 1: III.22 als akzeptiert
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Karte 2: III.22 als zu 100% akzeptiert
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Karte 3: III.22 als präferiert (rot) über als akzeptiert (blau)
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Karte 4: III.22 als zu 100% präferiert
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Karte 5: III.22 als alleinig akzeptiert (und präferiert)
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Karte 6: III.22 weder akzeptiert
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Karte 7: III.22 weder präferiert
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Karte 8: III.22 wie akzeptiert
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Karte 9: III.22 wie präferiert
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Karte 10: III.22 wan–Nennungen hingeschrieben
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Karte 11: III.22 wan präferiert
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