Ein altes Problem: Partikeln in der Grammatik - ja, aber wie?[*]

Aino Kärnä (Helsinki)



1 Die lange Geschichte der Wortarten

Die Geschichte der Grammatik kann als Ideengeschichte, als Entwicklung von Gedankengängen, Theorien und Erkenntnissen und ihrem Zusammenhang mit der Zeitgeschichte gesehen werden. Sie kann aber auch als "Impactforschung" getrieben werden, in dem einzelnen Neuerungen, die manchmal ganz plötzlich auftauchen, nachgegangen, und ihr Weg zur allgemeinen Akzeptanz verfolgt wird. Im Folgenden wollen wir den Weg einer besonderen wissenschaftlichen Innovation in aktuelle grammatische Lehrwerke erkunden.

Grammatiken entstehen als Resultat wissenschaftlicher Tätigkeit - bzw. manchmal auch ungeachtet ihrer als Kompendien älterer Werke. Neue Erkenntnisse sind bisweilen in das ererbte Modell eingeflossen, das uns seit den Anfängen der Grammatikschreibung in der griechischen Antike zur Verfügung steht. Meist ist der Weg solcher Innovationen so lang und umständlich, dass im Laufe der Zeit nicht mehr erkennbar ist, wer sie initiiert hat, aber in seltenen Fällen gelingt es einem Forscher, eine Änderung bisheriger Anschauungen durchzusetzen und damit eine Spur in der Wissenschaftsgeschichte zu hinterlassen. Zu den wenigen, denen dies zu ihrer Lebzeit beschert ist, gehört Harald Weydt. Durch seine wissenschaftliche Tätigkeit konnte ein Standardwerk, die Duden-Grammatik, eine Korrektur ihrer Wortartenklassifikation vornehmen. Es handelt sich hierbei um eine besonders problematische Wortart: die Partikeln.

Die Darstellung der Wortarten und ihrer typischen Regelmäßigkeiten ist seit je her ein zentraler Inhalt sowohl wissenschaftlicher als auch praxisorientierter Grammatiken. So war es in den ersten fragmentarisch erhaltenen grammatischen Texten des hellenistischen Zeitalters bei Aristarch von Samothrake (ca. 216-144) in Alexandria, wo die Metasprache zur Beschreibung sprachlicher Begebenheiten entwickelt wurde, so war es in der Technē grammatikē des Dionysios Thrax (2. Jh. v. u. Z.)[1] und ebenso blieb es in den Grammatiken der Römer, wie wir in den lateinischen Grammatiken, artes grammaticae etwa von Asper, Sacerdos (3. Jh.) oder Aelius Donatus (ca. 350) bis Priscian (ca. 526) nachlesen können.[2]

Die christianisierten Grammatiken des frühen Mittelalters behielten dieses Modell bei, und sogar die theoriebeladenen spätmittelalterlichen Grammatiken der Modisten, die im 13. und 14. Jahrhundert entstanden, hatten - auch wenn das Hauptinteresse den Bedeutungsarten, den modi significandi der Wortklassen galt - ebenfalls das Gerüst der Wortklassen als Ausgangspunkt ihrer Sprachbetrachtung.

Als dann in den Ländern Europas die ersten Grammatiken in der Volkssprache entstanden, zunächst als Einzelphänomene wie die englische Grammatik von Aelfric um das Jahr 1000, und vermehrt etwa ab dem 14. Jahrhundert, wurde ebenfalls die Einteilung des sprachlichen Materials in Wortarten nach dem lateinischen Muster beibehalten.

Das bewährte Modell der Darstellung wurde auch in den Grammatiken folgender Jahrhunderte beibehalten, und auch in den heutigen Gegenwartsgrammatiken wird der Stoff sowohl für den Fremdsprachenunterricht als auch für den muttersprachlichen Unterricht meist in Wortklassen eingeteilt, und die Eigenschaften der Klassen werden der Reihe nach besprochen. Während dieser jahrtausendlangen Tradition hat es gewiss Änderungen gegeben, sowohl was die Anzahl der Wortklassen als auch ihre Anordnung betrifft, geschweige denn von ihrer Beschreibung, aber das Prinzip hat sich bewährt: Elemente mit gleicher oder ähnlicher Flexion werden in Klassen zusammengefasst und über sie werden grammatische Aussagen gemacht.

Es hat in der modernen Zeit Phasen gegeben, in denen die Wortarten nicht im Mittelpunkt des linguistischen Interesses standen oder ganz überholt angesehen wurden, - etwa in den 1970er Jahren, als die NP:s und die VP:s das grammatische Feld eroberten - aber es scheint doch, dass dieses Konzept ein handliches Gliederungsprinzip zur Beschreibung sprachlicher Begebenheiten darstellt.

Auch in den Jahrzehnten, als die Wortarten bzw. die Wortklassen fast ein Tabu darstellten, gab es interessanterweise eine Strömung in der europäischen und insbesondere in der deutschen Linguistik, die sich der Erforschung einer besonderen Wortart widmete: die Partikelforschung.

 

2 Der Partikelboom in Deutschland

In den 70er Jahren blühte in Deutschland - zwar gleichzeitig mit der "pragmatischen Wende", aber dennoch unabhängig von ihr - die Erkundung dieser kleinen Wörtchen auf. Harald Weydt hat in seinem Beitrag "Methoden und Fragestellungen der Partikelforschung" Gründe für das wachsende Interesse an den Partikeln aufgezählt, die zum Teil mit dem Aufschwung pragmatischer und kommunikativer Fragestellungen überhaupt zusammenhingen: Die Komplexität der Partikeln, die es erlaubt, sie aus verschiedenen Blickwinkeln und mit unterschiedlichen Methoden zu erforschen, die Entwicklung der Methoden, die es ermöglicht, adäquate Deskriptionen zu machen, der Zuwachs an empirischer Forschung, Erweiterung der Betrachtung auf transphrastische Aspekte und überhaupt die Verlagerung des Interesses auf kommunikative Aspekte (Weydt 1981: 45f.). Dies alles trifft zu und ist eine treffende Beschreibung der Faktoren, die damals ineinander griffen. Dennoch kann man die Frage stellen, wie kam es dazu, dass die Partikeln plötzlich geradezu einen Boom erlebten?

Zusätzlich zu seinem Schrifttum - schon 1969 hatte er Aufmerksamkeit mit seiner Abhandlung Abtönungspartikeln. Die deutschen Modalwörter und ihre französischen Entsprechungen geweckt - schuf Harald Weydt ein Forum für Partikelforscher: Ende 70er, Anfang 80er Jahre veranstaltete er mehrere äußerst stimulierende Partikelkongresse und trug dadurch entscheidend dazu bei, dass ein reges wissenschaftliches Gespräch um dieses faszinierende Phänomen entstand. Das animierende an diesen Kongressen war - und ich glaube, das kann jeder bestätigen, der an diesen Veranstaltungen teilgenommen hat - das offene Gesprächsklima und die Vielfalt der Ansätze, die dort zusammenkamen, denn es nahmen nicht nur Vertreter einer linguistischen Richtung teil, sondern Forscher mit ganz verschiedenen Fragestellungen und Blickwinkeln trafen sich auf Partikelkolloquien.

Auf mehreren dieser Tagungen wurde die Definition und Abgrenzung von Partikeln diskutiert, Partikeln verschiedener Sprachen vorgestellt und auch kontrastive Analysen vorgenommen. 1981 etwa stand im Mittelpunkt die Frage, wie das Lernproblem Partikel sowie ihre Didaktisierung zu bewältigen sei, und das Thema des 1982 veranstalteten Kolloquiums hieß "Partikeln und Interaktion". Insgesamt wurden auf den Partikelkolloquien Hunderte von Beiträgen zu diesem Problem geliefert. Dies alles war sicherlich nicht ohne Belang für den Partikelboom.[3]

Hatte diese emsige Forschungstätigkeit denn Konsequenzen? Erfreulicherweise kann diese Frage positiv beantwortet werden. Die Bemühungen haben in der Tat ihren Niederschlag in Grammatiken und Wörterbüchern nachfolgender Jahrzehnte gefunden. Das könnte man an vielen Beispielen zeigen, aber hier soll der Weg einer speziellen grammatischen Innovation in die Gebrauchsgrammatiken an Hand eines Standardwerkes, der Duden-Grammatik aufgeführt werden, denn ihre aufeinander folgenden Auflagen bieten sich geradezu als Paradebeispiel an, wenn man die Entwicklung der Darstellung der Partikeln verfolgen will.

 

3 Die Einteilung der Inflexibilia in der Duden-Grammatik

Noch in der Auflage aus dem Jahre 1966 wurde der Begriff "Partikel" in der Duden-Grammatik synonym mit "unflektierbar" gebraucht, wie das schon seit Jahrhunderten üblich war. Genau genommen muss man von Jahrtausenden sprechen, denn dieses Wort hat seinen Ursprung in der griechischen Diminutivform morion ('Teilchen' zu meros 'Teil'). Es ist schwer, den genauen Zeitpunkt festzulegen, wann dieses, ursprünglich alltagssprachliche Wort erstmals als Terminus verwendet wurde. Bei den Stoikern ist es mehrfach belegt.[4] D. M. Schenkeveld (1988: 82) setzt seine Geschichte bei dem Rhetoriker Dionysios Halikarnas (Ende 1. Jh. v. u. Z.) an.[5] Im sprachwissenschaftlichen Kontext tritt diese Bezeichnung u.a. bei Apollonios Dyscolos (2. Jahrhundert) auf. Er verwendete sie oft als Synonym für die Inflexibilia, und Diogenes Laertius (3. Jahrhundert) gebrauchte ebenfalls diese Bezeichnung für kleine Wörter überhaupt. Über die lateinische Entsprechung particula (ebenfalls 'Teilchen' zu pars 'Teil') ist diese Bezeichnung dann in die Grammatiken vieler europäischer Sprachen gekommen.

In der Duden-Grammatik 1966 wurden die Partikeln als eine "Restgruppe" bezeichnet, und ihnen wurde die allumfassende Funktion erteilt, "alle Aufgaben im Satz zu übernehmen, die von den anderen Wortarten nicht erfüllt werden können." (1966: 301f.) Diese Auffassung erinnert übrigens stark an den Begriff pandektes ('Sammelbehälter'), der bei einigen Stoikern gebraucht wurde.

Die Partikeln bildeten in der Duden-Grammatik 1966 also eine Großklasse, die in Adverbien, Präpositionen und Konjunktionen unterteilt wurde. Den Adverbien kam die Eigenschaft zu, dass sie "die näheren Umstände[6] eines Geschehens, eines Zustandes oder einer Eigenschaft" (S. 67) angeben. Allerdings wurde diese Charakterisierung nur auf "einige dieser Wörter" bezogen. Welche Wörter es waren und was für die restlichen Wörter galt, wurde nicht spezifiziert. Unter den Adverbien wurde im Kapitel "Die durch die Adverbien ausgedrückten Umstände" (S. 302ff.) neben Ort, Zeit und Grund die Bedeutungsgruppe "Umstände der Modalität" aufgeführt. Dort kam als eine Untergruppe eine Auflistung von Adverbien, die "die Redeweise, die Modalität der Aussage im engeren Sinne" angeben. Es waren folgende: vielleicht, schwerlich, vermutlich [ … ] etwa, nur, schon, ja doch, wahrlich, durchaus, nein […] i wo (ugs.), kaum, nur,[7] wenigstens [ … ] zwar, freilich, allerdings, fast, beinahe, meinesteils, noch, überdies, gleichfalls, sogar, eben, übrigens, auch, vielmehr.

Das war also eine recht bunte Mischung, die sowohl solche Wörter, die heute zu den Modalwörtern bzw. Satzadverbien gezählt werden, Negationswörter als auch Modal- bzw. Abtönungspartikeln (AP)[8] umfasste. Eigentlich stellte diese Mischung einen Rückschritt dar, denn mindestens schon seit der Technē grammatikē wurden die Adverbien in den Grammatiken viel differenzierter dargestellt.

Die Einteilung der undeklinierbaren Wortarten sah also in der Duden-Grammatik 1966 schematisch dargestellt folgendermaßen aus:

Unbefriedigend bei dieser Einteilung war erstens, dass die Adverbien eine allzu heterogene Gruppe bildeten, die weder den syntaktischen noch den semantischen Unterschieden der Elemente dieser Klasse Rechnung trug. Auch stimmte die anfangs gegebene Definition ("Umstände angeben") nicht für alle Wörter, die zu dieser Klasse gezählt wurden. Zweitens wurden kategoriale und funktionale Merkmale in einer undifferenzierten Weise gebraucht: es werden z.B. bei den Konjunktionen "echte Konjunktionen" von den "unechten Konjunktionen" unterschieden. Hierzu heißt es: "Da es [u.a. daher, deshalb, demnach, trotzdem] Adverbien in der Rolle einer Konjunktion sind, nennt man sie wohl zweckmäßig Konjunktionaladverbien." (1966: 334, Hervorh. A.K.) Darüber hinaus gibt es noch Wörter, die "auf der Schwelle des Übergangs von den unechten zu den echten Konjunktionen stehen" (a.a.O.) Beispiele: jedoch, auch, nur, […] also, vielmehr.

Ein Wort konnte also nach der 66er Duden-Grammatik zwar der Klasse der Adverbien angehören, aber trotzdem als Konjunktion fungieren, bzw., wie es dort heißt, "in der Rolle einer Konjunktion" vorkommen. Auch konnte sich ein Wort im Übergangsstadium von einer Kategorie in die andere befinden.

In der Auflage vom Jahr 1973 (S. 310) ist in der Duden-Grammatik bezüglich der Partikeln eine Innovation eingetreten. Die Bezeichnung "Partikel" wird zwar weiterhin synonym mit 'unflektierbar' verwendet - die Charakterisierung lautet, sie "können bis auf wenige Ausnahmen ihrer Form nach nicht verändert werden" - und ihre Aufgliederung folgt dem bewährten Schema in Adverbien, Konjunktionen und Präpositionen, aber in dieser Auflage kommen nun zum ersten Mal die Abtönungspartikeln namentlich in der Gruppe der Modaladverbien vor - ausdrücklich mit der in der Fußnote angegebenen Quelle: Harald Weydt (1969).

An der Klassifikation hat sich schematisch betrachtet gegenüber der vom Jahr 1966 nicht viel geändert, außer dass an Stelle der deutschen Benennungen "Umstände des Ortes, der Zeit, des Grundes" 1973 Bezeichnungen lateinischen Ursprungs "Lokal- Temporal-, und Kausaladverbien" getreten sind, und die Unterteilung der Adverbien präziser formuliert ist. Die Klassifikation sieht 1973 (und noch 1984) also folgendermaßen aus:

Die Abtönungspartikeln sind zwar als gesonderte Subklasse erkannt worden, aber sie werden immer noch den Adverbien zugezählt, obwohl die Definition, die anfangs für die Adverbien gegeben wird, für die neu hinzugefügte Gruppe der Abtönungspartikeln nicht zutrifft, denn sie lautet mit allen ihren Einschränkungen: "Die Adverbien werden als Umstandsangabe (Sie kommt bald, singt gern) oder als Attribut gebraucht (das Buch dort, ein besonders schönes Buch, fast dreißig Personen). Mit den Adverbien werden - ganz allgemein gesprochen - in der Regel nähere Umstände angegeben." Keines dieser Funktionen trifft für die neu hinzugefügte Gruppe AP zu, denn bekanntlich sind die AP weder Umstandsangaben noch Attribute und mit ihnen werden auch keine näheren Umstände angegeben. Trotzdem wurde diese Formulierung in der Duden-Grammatik 1984 beibehalten (1984: 90).

Obwohl der Impuls für diese Neuerung sicherlich von Harald Weydt stammt, sind diese wenig zufrieden stellenden Formulierungen keinesfalls auf ihn zurückzuführen, da er ja vor allem eine semantisch bzw. pragmatisch begründete Gruppe von Wörtern erforscht und an den Tag gelegt hatte. Das Problem entsteht erst bei der Eingliederung einer solchen Gruppe in das Wortartensystem, und hier speziell in die Wortklasse der Adverbien. Denn wenn einer Klasse neue Elemente zugeordnet werden, müsste gleichzeitig darauf geachtet werden, dass die anfangs gegebene Definition in der Weise umformuliert wird, dass sie auch für die neu eingegliederten Lexeme zutrifft.

Diese Revidierung hätte also von der Redaktion der Duden-Grammatik erfolgen sollen. Es ist aber lediglich bei der Nennung einer neuen Wortgruppe geblieben, ohne eine gründliche Überlegung darüber, wie die AP in ein bereits existierendes Modell einzuarbeiten wären.

Weder die syntaktischen Merkmale der AP noch ihre Satztypenabhängigkeit werden in den Auflagen aus den Jahren 1973 und 1984 besprochen. Allein ihre semantisch-pragmatischen bzw. illokutiven Eigenschaften werden charakterisiert: "Bestimmte Adverbien werden - vor allem in gesprochener Sprache - verwendet, um eine Aussage zu färben und abzutönen; der Sprecher/Schreiber drückt mit ihnen seine Verwunderung, seinen Zweifel, seine Resignation u. Ä. aus." (Duden 1984: 351). 1973 wurde noch hinzugefügt: "Sie werden als 'Füllwörter' oder 'Würzwörter' in die Rede eingestreut." 1984 wird von diesem Zusatz vorsichtig Abstand genommen, indem es nicht mehr im Text, sondern nur in der Fußnote heißt: "von der Sprachpflege oft auch 'Würzwörter' oder 'Füllwörter' genannte Partikeln".

Durch die Verlagerung dieser Behauptung in die Fußnote und durch die Benennung der Quelle "von der Sprachpflege" wird deutlich gemacht, dass sich die Redaktion mit dieser Ansicht nicht völlig identifiziert. Man kann diese Einsicht von der Dudengrammatik begrüßen. Aber ganz neu war sie nicht, denn sie hatte Vorgänger: Schon in der griechischen Antike wurde die Redundanz der Partikeln lebhaft diskutiert. Es hatte Meinungen gegeben, die paraplērōmatikoi (das sind im Griechischen Partikeln, die in etwa den deutschen AP entsprechen) seien überflüssig. Apollonios Dyscolos hingegen, der sich in seinen Schriften eingehend mit den griechischen Partikeln befasste, vertrat die Ansicht, dass sie nicht redundant sind, weil jede von ihnen eine eigene Bedeutung hat. Er war einer der ersten, der diesen Partikeln auch Sprechereinstellungsfunktionen zusprach, indem er z.B. erkannte, dass die Partikel γε Verwunderung ausdrückt.[9]

Eine größere Änderung der Wortarteneinteilung erfolgt in der Duden-Grammatik erst 1995. In dieser Auflage wird der Begriff "Partikel" nicht mehr als Bezeichnung für die Inflexibilia verwendet, sondern die Partikeln werden als eigene Wortart neben den Präpositionen, den Konjunktionen und den Adverbien postuliert (S. 369). Diese neue Klasse wird in Teilklassen eingeteilt, und zwar in:

1)  Gradpartikeln,
2) Fokuspartikeln,
3) Modalpartikeln (Partikeln der Abtönung),
4) Gesprächspartikeln, zu denen
a) Gliederungs- und Rückmeldesignale,
b) Antworten auf Entscheidungsfragen, Grüße, Gebote u.dgl.,
c) Ausrufe (Interjektionen) zählen und schließlich
5) Negationspartikeln.

Nun sieht die Einteilung der unflektierbaren Wortarten wie folgt aus:

Die Änderung, die 1995 erfolgte, ist wesentlich. Die Bezeichnung "Partikel" wird nunmehr nicht für die gesamte Klasse der Inflexibilia verwendet, wie es traditionell üblich war, sondern sie hat einen engeren Begriffsumfang erhalten und ist nur für eine besondere Subklasse vorgesehen. So ist es gelungen, sie von den Adverbien klar zu trennen.

Das scheint zunächst eine klare Darstellung zu sein. Das schöne Bild wird allerdings etwas getrübt, wenn man sich die Definition der Partikeln ansieht. Sie lautet nämlich: "Partikeln sind dadurch syntaktisch gekennzeichnet, dass sie keine Satzglieder bilden, sondern als Satzgliedteile auftreten (Sogar/nur/wenigstens Peter ist gekommen.)." (Duden-Grammatik 1995: 87)

Inwiefern trifft diese Definition bzw. Charakterisierung auf die unter der Überschrift "Partikeln" angegebenen Lexeme zu? Man kann ihr sehr wohl bei der Beschreibung der Gradpartikeln und Fokuspartikeln zustimmen. In dem oben aufgeführten Beispielsatz von Duden "Sogar Peter ist gekommen" ist die Partikel sogar eindeutig ein Teil des fokussierten Satzgliedes 'sogar Peter'. Bei den Modalpartikeln, Gesprächspartikeln und Negationspartikeln ergibt sich dagegen ein Problem. Man betrachte die in der 95er Duden-Grammatik angegebenen Beispielsätze für die Modalpartikeln: "Wie konnte denn das passieren? Das ist ja furchtbar. Diese Raser auf der Autobahn sind schon bekloppt, das sind vielleicht arme Irre. Da sollte aber die Polizei hart durchgreifen." (Duden-Grammatik 1995: 371)

Welchen Satzgliedern sollen diese Partikeln als Gliedteile zugehören? Noch fraglicher ist diese Definition bei den Gesprächspartikeln (ja, hm, genau, gut, bitte? wie? etc.). Von ihnen wird außerdem sogar im Duden (S. 372) eigens gesagt, dass sie nicht in den Satz integriert sind. Können sie dann Teile von Satzgliedern sein?

Erfreulicherweise wurde dieser Punkt zügig korrigiert, so dass es bereits in der 98er Auflage bei den Partikeln heißt, dass sie "dadurch syntaktisch gekennzeichnet [sind], dass sie keine Satzglieder bilden, sondern als Satzgliedteile auftreten (Sogar/nur/wenigstens Peter ist gekommen.) oder aber ganz außerhalb eines Satzverbandes stehen." (Duden-Grammatik 1998: 87, Hervorh. von A.K.)

Abgesehen davon, dass es problematisch ist, eine Klasse so zu definieren, dass dazu sowohl Elemente gehören, die durch ein Merkmal ('Teil eines Satzgliedes') als auch solche, die durch dessen Gegensatz ('außerhalb des Satzverbandes') gekennzeichnet sind, kann man zunächst feststellen, dass durch diesen Zusatz die Gesprächswörter bzw. Gliederungssignale und die Interjektionen "gerettet" sind.

Aber wie verhält es sich mit den Abtönungspartikeln? Trifft eine dieser Definitionen auf sie zu? Teile von Satzgliedern sind sie nicht, wie schon oben festgestellt wurde. Stehen sie außerhalb des Satzverbandes? Diese Frage muss meines Erachtens ebenfalls verneint werden, denn sie sind ja, wie Harald Weydt es bereits 1969 treffend formuliert hat, "nahtlos in den Satz integriert" (Weydt 1969: 66). Das kann man leicht erkennen, wenn man Beispiele vergleicht wie: Also, ich bin davon noch nicht restlos überzeugt (also ist nach der Duden-Grammatik ein Gliederungssignal) und Wie konnte denn das passieren? (denn ist hier Modalpartikel nach der Duden-Grammatik). Das Gliederungssignal steht eindeutig außerhalb des Satzverbandes, aber von der AP kann man nicht das Gleiche sagen.

Möchte man die AP in die Definition einbeziehen, müsste sie etwa folgendermaßen formuliert sein: "Die Partikeln sind dadurch syntaktisch gekennzeichnet, dass sie keine Satzglieder bilden, sondern als Satzgliedteile auftreten, ganz außerhalb eines Satzverbandes stehen, oder aber nahtlos in den Satz integriert sind". Kann das noch als Definition einer wohldefinierten Klasse gelten?

Es scheint also sehr schwierig zu sein, die Partikeln (etwa die Gradpartikeln, Fokuspartikeln, Modal- bzw. Abtönungspartikeln, Gesprächspartikeln und Negationspartikeln) unter einen Hut zu bringen. Sie haben gemeinsame Merkmale, werden mitunter von gleichen Lexemen vertreten, verhalten sich aber trotzdem syntaktisch idiosynkratisch.

Schon Apollonios Dyscolos hatte für das Griechische die Beobachtung gemacht, dass sich die Partikeln sehr unterschiedlich verhalten und Unterschiedliches bewirken.

 

4 Gibt es eine universale Kategorie 'Partikel'?

Oben war meistens von den Partikeln im Deutschen die Rede und gelegentlich wurde auf das Griechische Bezug genommen. Wir könnten auch andere, z. B. die skandinavischen Sprachen in die Betrachtung hinzuziehen, denn auch im Schwedischen, Norwegischen und Dänischen können wir einem ähnlichen Phänomen begegnen. Aber auch im Finnischen, das den germanischen Sprachen nicht verwandt ist, gibt es Lexeme, die analog zu den deutschen AP fungieren, d.h. sie werden - vereinfachend ausgedrückt - vor allem in gesprochener Sprache verwendet, um Sprechereinstellungen auszudrücken. Einige dieser Partikeln sind selbständige Lexeme, andere sind Enklitika, sog. "Anhängepartikel" (-han, -pa, -kin). Die selbständigen Lexeme haben oft gleichlautende Pendants in der Gruppe Temporaladverbien (jo, vielä, vasta) oder Konjunktionen (että, vaikka). Diese Wörter bilden auch in der finnischen Grammatik ein Beschreibungsproblem.

Es scheint also, dass die Partikeln in vielen Sprachen ein ähnliches Beschreibungsproblem darstellen. Sind sie also als Universale anzusehen?

In dem Handbuch der deutschen Grammatik von Elke Hentschel und Harald Weydt wird das Einteilungskriterium der Flektierbarkeit mit der Begründung verworfen, dass "man in Kauf nehmen muß, daß die erarbeiteten Definitionen jeweils nur für einzelne Sprachen Gültigkeit haben." Als Gegenbeispiel wird das Chinesische aufgeführt.

Weil das Chinesische ausschließlich aus ein- bis zweisilbigen Lexemen ohne Flexion besteht, ist dieses Gegenbeispiel meines Erachtens nicht ganz überzeugend. Was durch Sprachen wie das Chinesische in Frage gestellt wird, ist eher die Universalität der Flexion, nicht die Abwesenheit der Flexion.

Die Autoren haben sich auch ein sehr anspruchsvolles Ziel gesteckt, wenn sie nach Definitionen suchen, die für alle Sprachen gelten würden. Der Gedanke hinter einer solchen Bestrebung ist die im Laufe der Geschichte der Sprachwissenschaft mehrmals aufgetretene Vorstellung von der Existenz einer universalen Grammatik oder in gemäßigter Form, dass es sprachliche Universalien gibt, Regeln also, die allen Sprachen gemeinsam sind.

Die Wurzeln dieser Idee müssen wir wahrscheinlich bereits bei Aristoteles (384-322 v.u.Z.) ansetzen, denn schon dort kommt die Auffassung über die allen Menschen gemeinsamen Kategorien vor, also einer gemeinsamen Grundlage dessen, was sprachlich kodifiziert wird, bei aller einzelsprachlichen Verschiedenheit.

Und so wie nicht alle die gleichen Buchstaben haben, ebenso auch nicht die gleichen Lautäußerungen, wovon allerdings, als seelischen Erfahrungen, dies die Ausdrücke sind, die sind allen gleich, und die Tatsachen, deren Abbilder diese sind, die es auch. (Aristoteles 1998: 97)

Ganz besonders wurde dieses Konzept im Mittelalter von den Modisten entwickelt. Die universalen Grammatiken des Mittelalters folgen diesem Prinzip: Die Tatsachen sind allen Menschen gemeinsam, daher sollten auch in allen Sprachen dieselben Kategorien zu finden sein. Der englische Philosoph Roger Bacon (ca. 1214-1292) formuliert dieses Prinzip folgendermaßen:

Grammatica una et eadem est secundum substantiam in omnibus linguis, licet accidentaliter varietur (Zit. nach Bursill-Hall)
'Die Grammatik ist in der Substanz/ihrem Wesen nach in allen Sprachen ein und dieselbe, selbst wenn sie in Einzelfällen unterschiedlich ausfällt.'

Dieses Konzept bildete die Grundlage der modistischen Sprachbetrachtung und die Wortarten wurden in Hinblick auf ihre modi significandi untersucht, allerdings nur an Hand einer Sprache, nämlich des Lateins.

Eine Grammatica universalis schwebte auch dem Reformpädagogen Wolfgang Ratke vor, als er und seine Mitarbeiter ein Grammatikmodell zu entwerfen suchten, das für viele Sprachen anwendbar sein sollte und mit Hilfe derer die Erlernung von Sprachen vereinfacht und erleichtert werden sollte. Seine Allgemeine Sprachlehr kam 1619 in Köthen heraus.

Ebenso universale Ziele steckte sich auch z.B. die Grammaire Générale von Port-Royal, die 1660 von Antoine Arnauld und Claude Lancelot abgefasst wurde. Sie war zwar pädagogisch motiviert, behandelte aber die Grammatik aus der Sicht mehrerer Sprachen.

Auch wenn man sich mit dem bescheideneren Ziel begnügt, ein Modell zu entwerfen, nach dem die Wörter einer Sprache, in diesem Falle des Deutschen, so systematisiert werden können, dass nur die Wörter in eine Klasse kommen, für die gleiche Regeln gelten, hat man - wie wir oben schon gesehen haben - ein verzwicktes Problem zu lösen.

Die Wortarten sind ein Mittel, zusammengehörendes in eine Klasse zu vereinen, damit die Regeln, die für die Klasse gelten, ökonomisch dargestellt werden können. Es soll etwa über die Substantive festgestellt werden, dass sie verschiedene Genera und Kasus haben können, über die Verben, dass sie konjugiert werden usw.

Dann gibt es Wörter, die sich nicht ändern, die Inflexibilia oder traditionell, die Partikeln. Diese bilden in dieser Hinsicht eine Klasse für sich. Ein Merkmal dieser Wörter ist also, dass man sich über ihre Formveränderung nicht zu sorgen braucht. Dass es solche Wörter in vielen Sprachen gibt, dass die Unflektierbaren in verschiedenen Sprachen unterschiedliche Elemente umfassen, oder dass in manchen Sprachen das Lexikon sogar nur aus unflektierbaren Elementen besteht, soll uns zunächst bei der Einteilung der Wörter einer Einzelsprache nicht stören. Die Wortklassen und die Regeln, die über sie formuliert werden, lassen sich sprachenspezifisch betrachten und ihre Gültigkeit nur für eine Sprache ansetzen.

 

5 Gesichtspunkte zur Kategorisierung unflektierbarer Wörter

Ohne dass hier der Anspruch erhoben wird, ein zweitausendjähriges Problem im Handumdrehen lösen zu wollen, sollen in diesem letzten Abschnitt einige Gesichtpunkte zu der Wortartklassifikation und speziell zu den Partikeln aus der Sicht des Fremdsprachenunterrichts vorgebracht werden.

Was die Wortartklassifikation insgesamt betrifft, möchte ich den fundamentalen Unterschied zwischen den flektierbaren und unflektierbaren Wörtern betonen: Während die flektierbaren sich nach ihrer spezifischen Flexion in Klassen vereinen lassen, bilden die unflektierbaren Wörter gerade aus einem entgegengesetzten Grunde eine Gruppe: bei ihnen fehlt die Veränderlichkeit.[10]

Diese Einteilung in flektierbare und flexionslose Wörter soll hier nicht nur wegen ihrer langen Tradition verteidigt werden: sie kommt schon bei den Stoikern vor, und ist seitdem mit einer mehr oder weniger wichtigen Stellung bei der Einteilung der Wörter in so gut wie allen grammatischen Werken Europas vorhanden. Dieser Unterschied ist schon deswegen fundamental, weil sich darin in der Differenzierung nach Wortarten der Sinn einer Klassenbildung überhaupt manifestiert: in eine Klasse werden Elemente zusammengefasst, für die sich gemeinsame Merkmale finden.

Die gemeinsamen Merkmale der Substantive im Deutschen sind ihre Genera, ihr Numerus und die Flexion. Entsprechend ist das gemeinsame Merkmal der Verben ihre Konjugation. Die Erlernung der Flexionsformen ist ein zentraler Stoff des Fremdsprachenunterrichts. Und das Gemeinsame bei den Partikeln ist die fehlende Flexion. Zwar ist ein solches negatives Merkmal keine ausreichende Beschreibung, aber ein Einteilungsprinzip ist dieses Merkmal auf alle Fälle. Ob es deswegen aber als Benennung einer Klasse gebraucht werden soll, müsste gesondert entschieden werden, denn die Elemente dieser Gruppe haben außer der fehlenden Flexion nur wenig andere gemeinsame Eigenschaften.

Die unflektierbaren Wörter zerfallen nach ihrer Funktion im Satz in mehrere Klassen, welches dann auch ihre Semantik bestimmt. In dieser Weise kann man etwa die Lexeme des Deutschen in die Klassen der kasusregierenden "Präpositionen", syntaktisch und semantisch selbständigen "Adverbien", satz- und satzteilverknüpfende "Konjunktionen" (bzw. "Konjunktoren" und "Subjunktoren") einteilen. Darüber hinaus gibt es dann eben die schwer klassifizierbaren Partikeln, die Grad- bzw. Fokuspartikeln, die AP und andere, z.B. die Partikeln als und wie.

Die Unflektierbaren bieten für den Lerner andere Herausforderungen als die Flektierbaren. Sie werden nicht flektiert, aber ihr richtiger Gebrauch in ihren verschiedenen Funktionen - ihre Polyfunktionalität - bietet ein besonderes Problem. Da die Partikeln keine denotative Bedeutung haben, sondern synsemantisch sind, d.h. ihre Bedeutung erst im Satzzusammenhang festzulegen ist, sind sie schwer erlernbar. Meist werden die Partikeln erst in einer relativ späten Phase des Fremdsprachenunterrichts eingeführt. In der Regel werden sie in den Lehrbüchern nicht als polyseme Elemente dargestellt, sondern sie werden etwa als Konjunktionen, als Adverbien oder als Satzadverbien aufgeführt.

In einer Kursbefragung am Germanistischen Institut der Universität Helsinki haben sich die Studenten der Germanistik über die Behandlung der Partikeln im Unterricht ausgesprochen. Dabei kamen einige Standpunkte deutlich zum Vorschein. Die Studenten meinten,

  1. die Partikeln müssten im DaF-Unterricht von vorn herein eingeführt werden, nicht erst in einer relativ späten Phase des Spracherwerbs,
  2. sie sollten kontrastiv an Hand der Muttersprache erklärt werden,
  3. ihre Polyfunktionalität müsste schon am Anfang berücksichtigt werden und, falls nicht theoretisch, so doch mindestens an Hand von Beispielen verständlich gemacht werden.
  4. Ein Versuch, die Partikeln auf der Grundlage einer übergreifenden Bedeutung, die eventuell den unterschiedlichen Funktionen eines Lexems zu Grunde liegt, zu erklären, führe bei Lernenden nur zur Verunsicherung und wirke verwirrend.

Besonders Punkt 3 ist meines Erachtens auch didaktisch bedeutend. Es ist nicht selten der Fall, dass ein Lexem wie 'doch' bzw. 'aber' nur in seiner adverbiellen bzw. konjunktionalen Funktion vorgestellt wird. Wenn das Lexem 'aber' einmal als Konjunktion erlernt ist, erfordert es einer zusätzlichen Anstrengung, die Bedeutung, die mit dieser Funktion gegeben ist, wieder wegzudenken und stattdessen dem Lexem eine andere Bedeutung, etwa die einer Abtönungspartikel zuzuordnen. Diese polyfunktionalen lexikalischen Elemente sollten von vorn herein als semantische Variablen dargestellt werden, die je nach ihrer Funktion eine andere 'Bedeutung' haben können.

Auch meine ich, dass die Didaktisierung der Partikeln am besten sprachenspezifisch verläuft, denn es ist idiosynkratisch, welche semantischen Entsprechungen den polyfunktionalen Elementen zugeordnet werden. Sollte zwei Sprachen Entsprechungen für die konjunktionale, adverbiale und abtönende Funktion etwa von 'doch' haben, so fällt die lexikalische Füllung dieser Funktionen in jeder Sprache höchst wahrscheinlich unterschiedlich aus.

Wie steht es im Moment mit der Kategorie 'Abtönungspartikeln'? Nachdem 2003 das Handbuch der deutschen Konnektoren der Mannheimer Autorengruppe Renate Pasch, Ursula Brauße, Eva Breindl und Ulrich Hermann Waßner erschienen ist, muss vieles, was die Partikeln betrifft, wieder neu erwogen werden. Dort wird der Terminus Abtönungspartikel durchweg in Anführungszeichen gesetzt: es ist stets von den "Abtönungspartikeln" die Rede (2003: 501, 574f.). Der Grund dafür ist, dass diese Gruppe mit den Kriterien des Handbuches keine einheitliche Klasse bilden, sondern in mehrere Gruppen zerfallen. Die Autoren schlagen als Bezeichnung für diese Einheiten "nicht vorfeldfähige Adverbkonnektoren" auf Grund ihrer "rein topologischen syntaktischen Subklassifikation" (S. 493) vor.

Dieses Handbuch, das sein Thema erschöpfend darstellt, richtet sich nicht an Lerner des Deutschen als Fremdsprache, sondern an einen ausgesuchten Leserkreis. Es verwendet Merkmale, die eine muttersprachliche Kompetenz erfordern. Das hat zur Folge, dass es oder seine Einteilungen nicht ohne weiteres im DaF-Unterricht einsetzbar sind. Aus der DaF-Sicht sind nämlich alle Definitionen, die von dem Anwender erfordern, er solle imstande sein, zu entscheiden, ob z.B. ein Element im Vorfeld auftreten kann oder nicht, problematisch, denn es soll ja gerade eins der Lernziele sein, dem Lerner beizubringen, in welchen Positionen die Partikeln auftreten können.

 

6 Zusammenfassung und Ausblick

Es ging hier darum, zu zeigen, dass die Kategorisierungen der Grammatik nicht (nur) auf der Empirie beruhende Fakten, sondern auch Ermessensfragen sind. Es hat alternative Modelle zur Einteilung der Wortklassen gegeben. Wir haben hier einige Gesichtspunkte zu der Partikelproblematik zum Vorschein gebracht. Dabei wurde deutlich, dass die Eingliederung einer intuitiv so einleuchtenden Klasse, wie die Abtönungspartikeln sind, große Schwierigkeiten hervorrufen kann.

Es wurde auch gezeigt, dass einige Fragestellungen schon früher in der Geschichte der Sprachwissenschaft besprochen worden sind. Das soll aber nicht heißen, dass es nichts Neues in der Linguistik gäbe. Fragen, die schon früher gestellt wurden, können in einem anderen konzeptuellen Umkreis durchaus erneut betrachtet werden.

Wir haben gesehen, dass die Inflexibilia unterschiedlich kategorisiert worden sind. Auch die Frage, ob man eine Kategorie Abtönungspartikel im Deutschen aufstellen soll, ist unterschiedlich beantwortet worden. Eine endgültige Antwort gibt es m.E. nicht, denn die Entscheidung, ob man diese Klasse aufstellt, hängt von der Zielsetzung der grammatischen Beschreibung ab. Sollen semantische Merkmale aus der Sprachbeschreibung ausgeschaltet werden, kann diese Klasse kaum in ein Beschreibungsmodell einbezogen werden, da ihre Gemeinsamkeit in der pragmatisch-kommunikativen Bedeutung liegt. Eine andere Frage ist, ob man auf die Semantik verzichten sollte. Letztendlich hat doch die Sprache sehr wohl etwas mit Bedeutung zu tun. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass diese Klasse, die für das Deutsche maßgeblich von Harald Weydt beschreiben und erläutert worden ist, eine nützliche Kategorie ausmacht. Das wird schon aus der DaF-Sicht deutlich: wie sollte sonst der Umstand erklärt werden, dass manche Lexeme, die wie Konjunktionen, Adverbien oder Satzadverbien aussehen, manchmal ganz anders fungieren und der Äußerung eine ganz andere "Bedeutung" verleihen?

Wir sehen also, die Diskussion um die deutschen Partikeln, um die deutschen Konnektoren, geht weiter. Bei all den Problemen, die bei der Klassifikation der Inflexibilia auftreten, muss im Auge behalten werden, dass die Wortarten kein Selbstzweck sind, sondern ein Werkzeug bei der Sprachbeschreibung. Es sind Abstraktionen, die bestenfalls Gleiches zusammenfassen, aber wohl nie so wasserdicht definiert werden können, dass jedes Lexem einer Sprache in jeder seiner Funktionen einen unanfechtbaren Platz im Wortklassensystem bekäme.

 

Anmerkungen

* Da die Autorin zu ihrem Bedauern aus Zeitgründen an der Teilnahme an der Festschrift für Harald Weydt verhindert war, möchte sie diesen Aufsatz nunmehr dem Jubilar als nachträgliches Geburtstagsgeschenk zueignen. [zurück]

1 Diese Grammatik galt bis vor kurzem als die erste erhaltene Grammatik des Abendlandes. Vincenzo Di Benedetto hat aber die Authentizität in Frage gestellt und eine rege Diskussion darüber und über die Entstehungszeit hervorgerufen. [zurück]

2 Grammatici Latini, 8 Bde, herausgegeben von Heinrich Keil, Leipzig 1855-1880. [zurück]

3 Die mittlerweile beträchtliche Literatur, die es zu den Partikeln gibt, soll hier nicht aufgeführt werden, ich verweise z.B. auf die Bibliografie-Datenbank Konnektoren im Internet. [zurück]

4 Diog. Laertius VII: 64 und 70.; Sextus Empiricus Adv. Math. 8.96. [zurück]

5 Householder (1995: 96) sieht darin den Übergang zu einer neuen Klassifikation der Wörter in Begriffswörter und Formwörter. [zurück]

6 Die Definition der Adverbien als Wörter, die nähere Umstände angeben, stammt aus der Bezeichnung der Adverbien als "Umstandswort", ein Begriff, der von Ratke 1619 lanciert wurde, natürlich nach dem Vorbild des lateinischen "circumstantia". [zurück]

7 Das doppelte Vorkommen der Partikel nur widerspiegelt wahrscheinlich ihre zwei verschiedenen Funktionen, allerdings wird darauf nicht eigens Stellung genommen. [zurück]

8 Diese beiden Bezeichnungen werden für etwa die gleichen Elemente gebraucht. Der Duden verwendet abwechselnd beide Termini, 1995 die Bezeichnung "Modalpartikeln (Partikeln der Abtönung)". [zurück]

9 Hierzu mehr in Kärnä 2000 [zurück]

10 Dies trifft natürlich nur auf die Sprachen zu, in denen es überhaupt eine Flexion gibt, und dazu gehören etwa die europäischen Sprachen, von denen hier ausschließlich die Rede sein soll. Das Chinesische zum Beispiel, wie Harald Weydt oft festgestellt hat, macht diese Differenzierung nicht. [zurück]

 

Literaturangaben

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Aristoteles (1998): Kategorien. Hermeneutik oder vom sprachlichen Ausdruck. (De interpretatione): griechisch-deutsch. Hrsg., übers., mit Einl. und Anm. vers. von Hans Günter Zekl. Hamburg.

Bursill-Hall, Geoffrey L. (1971): Speculative Grammars of the Middle Ages. The Doctrine of partes orationis in the Middle Ages. Den Haag/Paris.

Di Benedetto, Vincenzo (1958/1959): "Dionisio Trace e la Techne a lui attribuita". Annali della Scuola Normale Superiore di Pisa, serie II, vol. xxvii, 1958: 169-210; xxviii, 1959: 87-118.

Der DUDEN 4: Grammatik. der deutschen Gegenwartssprache. Mannheim, 1966, 1973, 1984, 1995, 1998.

Householder, Fred (1995): "Aristotle and the Stoics on Language". In: Koerner, E.F.K./Asher, R.E. (eds.): Concise History of the Language Sciences from the Sumerians to the Cognitivists. Cambridge, UK: 93-98.

Keil, Heinrich (1855-1880): Grammatici Latini. 8 Bde. Leipzig.

Kärnä, Aino (2000): Die Kategorie "Partikel" gestern und heute. Ein Überblick über griechische, lateinische und deutsche Grammatiken. Prepublications and Internal Communications 4, Department of General Linguistics, Helsinki.

Law, Vivian (2003): The History of Linguistics in Europe. From Plato to 1600. Cambridge.

Pasch, Renate et al. (eds.) (2003): Handbuch der deutschen Konnektoren. Berlin, New York. (= Schriften des Instituts für deutsche Sprache 9).

Schenkeveld, D. M. (1981): "Linguistic Theories in the Rhetorical Works of Dionysius of Halicarnassus". Glotta 61: 67-94.

Weydt, Harald (1969): Abtönungspartikel. Die deutschen Modalwörter und ihre französischen Entsprechungen. Bad Homburg v. d. H. etc.

Weydt, Harald (1981): "Methoden und Fragestellungen der Partikelforschung". In: Weydt, Harald (ed.): Partikeln und Deutschunterricht. Abtönungspartikeln für Lerner des Deutschen. Heidelberg: 45-63.

Weydt, Harald (1983): Partikeln und Interaktion. Tübingen.