Konkurrenz, Komplementarität und Kooperation im Bereich der Präpositionen und Verbalpartikeln

oder

Wie lange noch müssen Präpositionen und Verbalpartikeln in Grammatiken ein Schattendasein führen?

Maxi Krause (Caen)


  Für Harald Weydt
 

zu einer besonderen Art von Partikeln

 

aus Lust am Argumentieren

 

nach Art der Autorin

 

in der Hoffnung auf Verstandenwerden

 

und Überzeugenkönnen durch Beispiele

 

gegen hartnäckig sich haltende

 

(Vor)Urteile


1 Vorbemerkung

Wer ohnehin der Ansicht ist, dass Präpositionen jeglichen Gebrauchs semantisch nicht leer sind, kann sich die Lektüre der folgenden Seiten sparen, es sei denn, er interessiere sich für ein Projekt, dass zu etwa drei Fünfteln abgeschlossen ist und das zum Ziel hat, die Semantik und Syntax invariabler Signifikanten, die parallel als Präpositionen im weitesten Sinne, als Adverbien oder konstitutive Elemente von Adverbien sowie als Verbalpartikeln auftreten, im Zusammenhang darzustellen. Dieses Projekt gründet sich auf die Systematik von Philippe Marcq (1972 und 1988), in publizierter Form liegen dazu bisher zwei Bände Eléments pour une grammaire des prépositions, substituts et particules verbales de l'allemand (Krause 1994 und 1988) vor sowie vier Arbeitshefte des CRISCO [1] (Krause 2002a-d) und mehrere Einzelveröffentlichungen. Es ist dies meines Wissens bisher der einzig derart umfassende Versuch, alles (spatiale, temporale und abstrakte Präpositionen, die morphologisch entsprechenden Adverbien und Verbalpartikeln) nach einem einheitlichen Modell unter einen Hut zu bringen. Die Grundannahme ist, dass auf semantischer Ebene Gemeinsamkeiten bestehen und dass, wo diese nicht bestehen, die Differenzen benannt werden müssen. Bei einem unabgeschlossenen Projekt, von dem bisher nur Teile veröffentlicht sind, ist damit zu rechnen, dass sich am Ende die Notwendigkeit ergibt, nachträglich Korrekturen anzubringen, was dem Schlussband vorbehalten ist.

Nun gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder, man nimmt im Verlauf der Arbeit Bezug auf sämtliche bisher zu einem Signifikanten veröffentlichten Titel (Monographien und Artikel) oder man behält das Gesamtgebäude im Auge. Das erste Verfahren hätte notwendig zur Folge, dass jedem einzelnen Signifikanten eine eigene Monographie zu widmen wäre, da die Literatur zu Präpositionen und Verbalpartikeln mittlerweile einen riesigen Umfang angenommen hat. Zu Adverbien ist insgesamt etwas weniger veröffentlicht worden. Es liegt auf der Hand, dass ein solches Unternehmen von einer Einzelperson nicht zu leisten ist und dass das Ziel, dem Deutsch Lernenden und Lehrenden in absehbarer Zeit ein relativ kompaktes Hilfsmittel verfügbar zu machen, auf diese Weise nicht zu erreichen ist. Aus diesem Grund steht hier die Auseinandersetzung mit Grammatiken im Vordergrund - genauer: stellvertretend für andere: mit einer Grammatik - und aus diesem Grund auch wird der Leser hier um Nachsicht gebeten für eine etwas 'krauselastige' Bibliographie...

Was auf den folgenden Seiten in Form von Beispielen besprochen wird, sind sozusagen einige Spitzen eines ganzen Eisgebirges. Es liegt in der Natur der Sache, d.h. der Relationsträger und ihrer Mitspieler selbst, dass klare Grenzen oft nicht existieren, es fließende Übergänge gibt zwischen den Bereichen rein spatialer und abstrakter (inclusive temporaler) Relationen: zum Beispiel für die Präpositionen in und aus. Dies lässt sich hier im einzelnen nicht aufgreifen. Wer die Überlegungen und Argumente, die zu einzelnen Feststellungen geführt haben, genauer nachvollziehen möchte, kann dies anhand der Verweise tun.

Wer sich zustimmend äußert, kann auf eine detaillierte Begründung häufig verzichten; anders derjenige, der kritisiert: Er schuldet dem kritisierten Gegenstand und dessen Urheber(n) eine genaue Begründung und eine möglichst detaillierte Beweisführung, die es auch dem Außenstehenden ermöglicht, die Kritik nachzuvollziehen. Schließlich ist der Wunsch wohl jedweden Kritikers der, überzeugen zu können. Aus diesem Grund schien es mir unumgänglich, den Leser auf den folgenden Seiten mit teils kürzeren, teils längeren Listen zu konfrontieren und zwar genau da, wo ich den Nutzen bestehender Listen in Frage stelle.

 

2 ...und nun zur Sache!

Komplementarität ist ein Begriff, der ausgehend von der Phonologie als sprachwissenschaftlicher Fachterminus Eingang gefunden hat in andere Bereiche der Linguistik und infolgedessen auch in sprachwissenschaftliche Fachwörterbücher (z.B. Bußmann, Glück), sei es auch nur in abgewandelter Form (als Adjektiv). Der Begriff der Konkurrenz ist seltener anzutreffen, als Fachterminus nicht in den einschlägigen Lexika verzeichnet, seine verbale Entsprechung konkurrieren taucht allerdings hie und da auf (z.B. bei Helbig/Buscha 1989: 418). Zum Teil wird das Faktum der Konkurrenz behandelt unter dem Etikett der Kommutierbarkeit (z.B. von der IdS-Grammatik; Zifonun et a. 1997: 2077, im Abschnitt zu AKK. + lang, AKK. + hindurch, AKK. + über).[2]

Noch immer ist es so, dass bei der Behandlung der Präpositionen - und vor allem nicht räumlich gebrauchter Präpositionen - vorrangig auf Rektion und Valenz verwiesen wird, sei es nun Rektion/Valenz des Nomens, des Verbs oder des Adjektivs,[3] oder aber auch auf die phraseologische Fixierung bestimmter Kombinationen (Funktionsverbgefüge, 'formelhafte' (so Götze/Hess-Lüttich 1999: 307) Fügungen) - und dies trotz einer mittlerweile eindrucksvollen Menge an Arbeiten zu den Präpositionen.[4] Teilweise müssen sogar beide Begründungen gleichzeitig herhalten: Die Wahl der links stehenden Präposition in den folgenden Beispielen wäre der Phraseologie zuzuschreiben, die der rechts stehenden der Valenz:

Phraseolgie   Rektion/Valenz
im Hinblick auf + AKK.
mit Rücksicht auf+ AKK.
im Verhältnis zu

Und immer noch ist es so, dass die Semantik der Präpositionen und vor allem deren systemhafte Distribution nur unzureichend zur Kenntnis genommen werden. Hier sei zur Demonstration eine der jüngsten Grammatiken herangezogen, nämlich die bei Bertelsmann erschienene Grammatik der deutschen Ssprache von Lutz Götze und Ernest W.B.Hess-Lüttich (1999), die in diesem Bereich weit hinter bereits früher erschienene Grammatiken (wie z.B. Helbig/Buscha oder auch Duden 4 und vor allem die IdS-Grammatik) zurückfällt, aber eben aus diesem Grunde zur Demonstration meiner im Titel formulierten Frage ("Schattendasein") besonders geeignet ist.

Das Kapitel Präpositionen umfasst in der genannten Grammatik neuneinhalb Seiten, davon sind vier der semantischen Gliederung der Präpositionen gewidmet:

"Ein Teil der Präpositionen ist von der Valenz der Verben, Substantive und Adjektive bestimmt; die Präpositionen selbst haben keine Bedeutung mehr, sondern sind nur noch syntaktische Steuerungsmittel: verantwortlich sein für, die Sehnsucht nach, abhängen von usw. Solche, fest im Valenzplan der Verben, Substantive und Adjektive verankerte Präpositionen werden deshalb hier ausgeklammert." (Götze/Hess-Lüttich 1999: 310, im Kapitel 'Semantische Gliederung der Präpositionen').[5]

Daraus ließe sich - wenn man es nicht doch besser wüsste - ableiten, dass Rektion und Valenz sozusagen ein Produkt des Zufalls sind, bar jeder Regularität und allein auf einem sozusagen obskuren Sprachgebrauch beruhend. (Da stellt sich dann aber zumindest die Frage, wie es kommt, dass Neologismen mit Präpositionen nicht irgendwelche Präpositionen wählen, sondern eben ganz bestimmte, z.B. fokussieren auf, keinen Bock haben auf etc.)

Im Kapitel über das Substantiv finden sich, unter der Überschrift 'Die Valenz des Substantivs', ziemlich umfangreiche Listen von Substantiven mit präpositionalem Attribut, darunter allein 47 Nomina mit drei oder mehr Präpositionen zur Auswahl - allerdings ohne Hinweis auf den im Einzelfall zu wählenden Kasus -, so zum Beispiel

Abgabe + G[enitiv] + an / durch / von
Entscheidung + G + durch / über / für / gegen
Kampf + G + mit / gegen / für / um
Klage + G + über / gegen / auf
Maßnahme + G + für / gegen / zu
Meinung + G + zu / über / von
Steigerung + G + um / auf / durch
Verhältnis + G + zu/mit
etc.

ohne den geringsten Hinweis auf Kriterien, die einem Nicht-Muttersprachler die Auswahl der im Einzelfall passenden Präposition ermöglichen würde. Womit die Behauptung, ein Teil der Präpositionen habe keine Bedeutung mehr von den Autoren selbst ad absurdum geführt wird, denn

(1)   die Abgabe an Kunden
(2)   die Abgabe an den Hersteller
(3) ? die Abgabe an Produkte(n?)
(4)   die Abgabe durch die Kunden
(5)   die Abgabe durch den Hersteller
(6) * die Abgabe durch Produkte
(7)   die Abgabe von Kunden
(8)   die Abgabe vom Hersteller
(9)   die Abgabe von Produkten

sind Kombinationen, bei denen die Wahl der Präposition semantisch relevant ist, ebenso wie der semantische Gehalt des dazugehörenden Nomens und unter Umständen auch noch des begleitenden Verbs oder Adjektivs. (1), (5) und (9) sind diejenigen Kombinationen, auf die der Muttersprachler als erstes kommt. Was nicht heißt, dass alle anderen ausgeschlossen wären! So besteht ein Unterschied zwischen einem abstrakten VON, welches ein Teil-Ganzes-Verhältnis denotiert und einem zweiten abstrakten VON, welches das Agens einführt.

Auch ist es doch ein sehr großer Unterschied, ob der Chef ein (nettes) Verhältnis zu seiner Sekretärin hat oder ein (intimes) Verhältnis mit ihr, es dürfte nicht egal sein, ob ein Machthaber Maßnahmen gegen jemanden ergreift oder zur Rettung einer Person oder für arbeitslose Familienväter. Und ob mein Körpergewicht eine Steigerung auf 70 Kilo oder um 70 Prozent erfährt, ist ein wahrlich gravierender Unterschied!

ZU wie bei im + Verhältnis + ZU tritt regelhaft auf, wenn eine statische Relation ausgedrückt werden soll: parallel zu, senkrecht zu, (im) Gegensatz zu, (im) Widerspruch zu etc., ebenso tritt MIT wie in ein Verhältnis mit regelhaft auf, wenn ein Substantiv oder ein Verb oder ein Adjektiv die Beteiligung mindestens zweier entsprechender Größen impliziert: ein Verhältnis mit, der Vergleich mit, kämpfen mit, verwandt mit. AUF wie in Steigerung auf führt das angestrebte quantifizierbare Ziel ein, um die Quantität, die zur Erreichung des Ziels notwendig ist etc.

Mit anderen Worten: Was in den meisten Grammatiken noch heute etwas hilflos auf das Konto von Rektion und Valenz gebucht wird, lässt sich durchaus (a) systematisieren und (b) in den allermeisten Fällen auch ableiten aus der Grundbedeutung (meist spatialer Art) der entsprechenden Präposition.

Eine Grammatik, die diesen Weg zumindest für einige Präpositionen aufzeichnet, ist die Grammatik des Instituts für Deutsche Sprache (und gerechterweise muss man anmerken, dass ein Vergleich zwischen dieser und der Bertelsmann-Grammatik unangemessen ist, da sich beide sowohl vom Umfang als auch von den Adressaten als auch vom theoretischen Ansatz her unterscheiden). Seltsamerweise finden allerdings Arbeiten französischer und belgischer Germanisten, die genau diese Richtung seit Jahren, ja Jahrzehnten, einschlagen, in der IdS-Grammatik keinerlei Erwähnung (z.B. die Arbeiten von E. Benveniste, Ph. Marcq, Y. Bertrand, F.Schanen/J.J-P.Confais, H. Bouillon und M.Krause).

So benennt die IdS-Grammatik als Ziel:

"Eine Untersuchung der Bedeutungsstruktur von Präpositionen wird es erlauben, von der undifferenzierten grammatischen Einordnung der Präpositionen als Funktionswörter abzurücken. Insbesondere soll die strikte, unmotivierte Trennung zwischen Präpositionen in autonom kodierender Funktion, die als Köpfe von Adverbialia gebraucht werden, und Präpositionen in rein struktureller Form, die als Teile von präpositional kodierten Termen gebraucht werden, überwunden werden. Die Hypothese, von der dabei ausgegangen wird, ist folgende:
Wenn gezeigt werden kann, daß Präpositionen bereits als autonom kodierende Elemente innerhalb von Adverbialia häufig Prozesse der metaphorischen Umdeutung erfahren, so ist es naheliegend, in der Verwendung als Teile von Termen Grenzfälle solcher Übertragungen zu sehen. Im Termgebrauch ist die Übertragung grammatikalisiert, und das Übertragungsmotiv ist nur noch rekonstruktiv zugänglich." (Zifonun et al. 1997: 2113)

Die IdS-Grammatik beschränkt sich im Folgenden dann auf die Untersuchung von an, auf, für und mit und auf eine Kurzbeschreibung von in und über, die sich großenteils mit den Ergebnissen von Krause 1994 (betreffend an, in und über) decken. Auch die Bemerkungen zur kausalen Verwendung von vor entsprechen prinzipiell den Ergebnissen von Krause (1994).

Im Folgenden möchte ich nun an einigen Beispielen aufzeigen, in welcher Weise ursprünglich spatiale Präpositionen es übernehmen, abstrakte Relationen zu tragen und in welcher Weise sich dabei Verhältnisse der Konkurrenz, Kooperation und Komplementarität (im Sinne von 'komplementär distribuiert') ergeben.

Hier wäre es nun angebracht, die von Marcq entwickelte Systematik darzustellen, da sie die Grundlage bildet für alles infra Angeführte. Das würde allerdings den Rahmen dieses Beitrags sprengen und ich verweise dazu auf Marcq 1988 sowie Krause 1994 und 1998. Auch stünde es in krassem Widerspruch zu der hier vertretenen Ansicht, wenn es plötzlich möglich sein sollte, in ein paar Sätzen die unterschiedlichen Systeme und Subsysteme spatialer, temporaler und abstrakter Relationen darzustellen. Es ist eben nicht möglich! Deshalb seien hier nur einige Prinzipien umrissen, die zum Verständnis des Folgenden unabdingbar sind:

Im Bereich der spatialen Relationen unterscheidet Marcq zwei große Systeme und drei kleinere Systeme. Grundlegend ist das sog. System II, in dem die euklidischen Achsen keinerlei Rolle spielen. Dieses System hat vier Subsysteme. Das zweite große System ist das sog. System I, das auf der Raumeinteilung durch die euklidischen Achsen beruht. Alle Relationen dieses achsenabhängigen Systems leiten sich ab aus dem nicht achsengebundenen System II, sind sozusagen Sonderfälle bestimmter im System II vorhandener Relationen.

Es gibt prinzipiell vier Relationen: eine statische (lokative) und drei dynamische (ablative, perlative, direktive) Relatione(en), wobei jede dynamische Relation die beiden anderen dynamischen Relation impliziert. Allerdings ist das grundlegende System II dadurch gekennzeichnet, dass es dazuhin noch ganz eigene Relationen kennt wie die des Fliehens/Verfolgens u.a.

Fundamental ist die Unterscheidung zwischen Relation und Prozess: Ein Prozess kann dynamisch sein, ohne dass die Relation dynamisch ist:

Sie tanzten [dynamischer Prozess] auf die Bühne. [auf + AKK.: dynamische Relation]
Sie tanzten [dynamischer Prozess] auf der Bühne. [auf + DAT.: statische Relation]

Außerdem kann eine dynamische Relation quasi fixiert werden:

Er kommt morgen aus Köln zurück. [ablative Relation; dynamisch]
Er stammt/ist aus Köln. [ablative Relation; statische Variante]

Temporale Relationen sind prinzipiell abstrakter Natur, da sie sich jedoch sehr gut als eigene Gruppe abgrenzen lassen, werden sie als solche behandelt. Auch hierfür hat Marcq zwei große Systeme ausgemacht: ein System I mit punktueller Bezugsgröße und ein System II mit linearer Bezugsgröße. Ob eine Bezugsgröße punktuell oder linear ist, hängt allein vom Sprecher ab (cf. dazu auch Krause 2004 (im Druck)). Dazu kommen zwei kleinere Systeme. Auch hier gibt es die vier Grundrelationen: einer statischen Relation stehen drei dynamische gegenüber.

Abstrakte Relationen wurden von Marcq nicht systematisiert. Es ist dies auch erst dann möglich, wenn alle - zumindest alle primären - Präpositionen genau beschrieben sind. Somit verbietet sich vorerst jeglicher verallgemeinernde Systematisierungsversuch. Allerdings möchte ich hier einige Beobachtungen anschließen:

Die Wahl der passenden Präposition für eine bestimmte abstrakte Relation (z.B. 'zu einem Resultat führen') ist abhängig von der Natur des Prozesses (ob dieser nun durch ein Verb oder durch ein Nomen bezeichnet wird), aber auch von der Natur dessen, was durch die Präposition eingeführt wird. Beides hängt übrigens aufs Engste zusammen. So kann IN (+ AKK.) ein solches Resultat einführen, AUF + AKK. kann es ebenfalls, und auch ZU + DAT. ist dazu in der Lage. Es kann von Bedeutung sein, ob es sich um ein quantitatives oder um ein qualitatives Resultat handelt (d.h. um das Resultat einer quantitativen Veränderung, dann tritt AUF + AKK. ein) oder um ein qualitatives Resultat (IN + AKK. und ZU + AKK.)). Handelt es sich um ein qualitatives Resultat, kann es von Bedeutung sein, ob es sich um eine Transformation handelt oder nicht, um einen Zerfall (IN + AKK./ ZU + DAT.) oder nicht (AUF + AKK./ ZU + DAT.). Auch der 'Adressat' eines Prozesses wird unterschiedlich eingeführt: Handelt es sich um eine hörbare verbale Äußerung neutraler Art, kommt ZU in Frage (etw. zu jdm. sagen), ist die verbale Äußerung Kritik oder Hommage, steht AUF + AKK. (schimpfen auf; ein Hoch auf...), versucht man, den Adressaten nicht-verbal zu erreichen, kann AN + AKK. in Frage kommen (denken an, schicken an).[6]

Worum es hier auch gehen soll:

- Erstens um den Beweis dessen, dass abstrakt gebrauchte Präpositionen nicht bedeutungslos sind und nur rein syntaktische Funktion haben;
- zweitens darum, dass es hinsichtlich ihrer Bedeutung unwichtig ist, ob eine abstrakt gebrauchte Präposition 'valenzbedingt' auftaucht oder nicht;
- drittens darum, dass es hinsichtlich ihrer Bedeutung unwichtig ist, ob eine abstrakt gebrauchte Präposition phraseologisch fixiert ist oder nicht.


3 Beispiele

3.1 Beispiel 1: Die komplementäre Distribution von VOR, AUS und IN bei der Bezeichnung des dem Agens innewohnendenen Beweggrundes für menschliches (oder tierisches!) Handeln:

Vor Angst weinte sie.
Aus Angst vor Bestrafung rannte sie weg.
In ihrer Angst fiel ihr nichts besseres ein, als wegzulaufen.

Das zugrunde liegende Verhältnis bei VOR (cf. Krause 1994: 408) ist das des Verfolgtwerdens, wie es in

Er lief hinter ihr her / sie lief vor ihm her

vorliegt (cf. Marcq 1988: 17, Krause 1994: 402f. und 406f.), und nicht das einer 'Konfrontation'.[7]

Die Paraphrase (so bereits bei Benveniste 1972: 375) ist

Von Angst getrieben, weinte sie.

und nicht:

Angesichts der Angst weinte sie.

wie es zum Beispiel zutreffend wäre für

Vor dem gestrengen Herrn Professor / vor der Prüfung hatte sie Angst (aber es gelang ihr, diese zu verbergen.).

welches einem spatialen VOR entspricht, das auf die drei euklidischen Achsen anspielt (cf. Marcq 1988: 14f., Krause 1994: 19f., 27f.).

Spatiales IN determiniert grundsätzlich das Innere eines Bezugsgegenstandes, sei er zwei- oder dreidimensional. Welche Relation in Bezug auf das determinierte Innere thematisiert wird, hängt vom Kasus (Akkusativ oder Dativ) ab.[8] Aus dem spatialen Gebrauch leiten sich sowohl der temporale wie auch der abstrakte Gebrauch ab (wobei der Übergang von spatial zu abstrakt gerade bei IN fast unmerklich stattfindet; cf. dazu Krause 1994: 184f. und 198 f.).

Paraphrase für in ihrer Angst..:

Sie befand sich in einer Situation der Angst.
[Cf. in großer Sorge, in seiner Wut, im Zorn etc.]

Wie IN determiniert auch AUS [9] - allerdings implizit - das Innere. Von IN unterscheidet es sich dadurch, dass es gleichzeitig Relationsträger (einer ablativen Relation) ist.

Paraphrase für aus Angst...:

Sie befand sich in großer Angst und weil diese unerträglich war/um sich aus dieser Lage zu befreien, rannte sie weg.
Da sie in (großer) Angst war, lief sie weg.

Bei VOR einerseits und IN/AUS andererseits liegen also unterschiedliche spatiale Gegebenheiten vor.

Diese unterschiedlichen räumlichen Bilder erklären zum Teil den unterschiedlichen Gebrauch der drei Präpositionen im abstrakten Bereich.

Da das einem vor Angst zugrunde liegende Bild das des Getrieben- bzw. Verfolgtwerdens oder Fliehens ist, ist es nur logisch, dass VOR nur dann gebraucht wird, wenn die hervorgerufene Reaktion vom Betroffenen nicht kontrolliert werden kann, also sehr stark ist.

IN und AUS können zwar ebenfalls Gründe einführen, die zu nicht-kontrollierbaren Reaktionen führen, aber daneben auch Gründe für durchaus kontrollierbare bzw. beabsichtigte Handlungen:

Aus Barmherzigkeit beschäftigte er sie bis ins hohe Alter. Sie hätte sonst verhungern müssen.
In seiner Barmherzigkeit hatte er dafür gesorgt, dass sie im Alter nicht zu hungern brauchte.

Ferner grenzt sich AUS von VOR dadurch ab, dass es nicht nur kausalen, sondern auch finalen Wert haben kann (cf. dazu Krause 2002a: 25f. ).

Sie verzichtete darauf, ihn aus Rache ebenfalls zu betrügen.

Paraphrasen:

a) Da sie sich nicht rächen wollte, verzichtete sie darauf, ihn ebenfalls zu betrügen.
b) Sie verzichtete darauf, ihn - um sich zu rächen - ebenfalls zu betrügen,

IN hinwiederum unterscheidet sich von AUS und VOR dadurch, dass es auch auf das WIE anspielt:

Er hat sie im Affekt ermordet, nicht kaltblütig.

Zu diesen semantischen, in der Grundbedeutung der Präpositionen verankerten Unterschieden kommen dann Unterschiede in der Struktur der Präpositionalgruppen:

Tabellarisch (cf. Krause 2002a: 29) lässt sich dies folgendermaßen zusammenfassen:

AUS + DAT. VOR + DAT. IN + DAT.
     
Struktur der Präpositionalgruppe
(NG = Nominalgruppe, DET. = Determinativ, PräpG = Präpositionalgruppe)
     
komplexe GN möglich Prinzip: Prinzip:
  VOR + Ø + N entweder: IN+ komplexe NG
      (aber ohne DET.)
    oder: IN + DET. + N + Ø
     
Semantische Funktion der Präpositionalgruppe
  PräpG. nennt  
     
den Grund den Grund die Art und Weise
und/oder das Ziel aber nicht das Ziel (nur schwach den Grund).

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass VOR + DAT. der Regelfall ist, wenn es darum geht, den Beweggrund für eine starke, nicht kontrollierbare Reaktion auszudrücken, wogegen AUS relativ selten ist.(Einzelheiten bei Krause 2002a: 30).

3.2 Beispiel 2: Die Komplementarität von AUF + AKK., ZU und NACH und ihre Kooperation mit IN + DAT.:

im Verhältnis zu in Bezug auf
im Gegensatz zu im Hinblick auf
parellel/senkrecht zu mit Rücksicht auf
im Widerspruch zu  

3.2.1 Zu IN in diesen Kombinationen

Man kann sich damit begnügen, für IN hier einen 'formelhaften', 'phraseologisch fixierten', nicht weiter begründbaren Gebrauch anzunehmen. Man kann allerdings auch versuchen herauszukriegen, warum in derartigen Fügungen so häufig IN auftritt: Es liegt dies an der Fähigkeit der spatialen Präposition, ein Inneres zu determinieren (cf. supra). Ein Element, welches in der Lage ist, ein Inneres zu determinieren, ist auch in der Lage, rahmenbildend zu wirken, was wiederum den Gebrauch der temporalen Präposition (statische Relation) begründet (cf. dazu Krause 1994: 191f. und 1997):

in jenem Jahr
im Winter.

Ein Sonderfall einer solchen statischen Relation ist die Kombination von IN + DET. + DATIV (Infinitiv oder anderes, einen Prozess bezeichnendes Nomen):[10]

im Hinauslaufen
im Traum

im Einschlafen.

Derartige IN-Verwendungen sind paraphrasierbar durch temporale Nebensätze:

Als/während ich hinauslief,....
Als ich einschlief...

Als ich einmal träumte,...

Ein solcherart verwendetes IN + DAT. lokalisiert also ein Geschehen innerhalb eines gegebenen Zeit- oder Prozessrahmens.

Und nichts anderes liegt vor bei Fügungen wie:

im Hinblick auf
im Gegensatz zu

im Widerspruch zu

in Verbindung mit

im Verhältnis zu etc.

welche man samt und sonders paraphrasieren könnte mit

etwas oder jemand befindet sich [= Gleichzeitigkeit! ] in einem bestimmten Verhältnis [Rest des räumlichen Bildes]

oder mit

wenn man [temporale Komponente]....den Blick richtet auf, eine Verbindung herstellt zu...

Nicht zufällig sind viele der sog. festen IN + DAT. Fügungen solche mit deverbativen Nomina, d.h. mit Nomina, die einen Prozess bezeichnen. Diese nehmen dann (rechts stehend) entweder die Präposition zu sich, die dem Verb entsprechen würde (hinblicken auf) oder - dies eine Hypothese, die der Verifizierung bedarf -, wo das Verb ohne Präposition auftritt (jdm. widersprechen), eine Präposition, welche die statische Komponente der gesamten Fügung unterstreicht:

Etwas befindet sich in einer bestimmten Art von Verhältnis [IN] (wobei für Verhältnis einzusetzen wäre: Gegensatz, Widerspruch etc.) dieses Verhältnis (Gegensatz, Widerspruch etc.) ist ein statisches in Bezug auf ein zweites Etwas (ZU).

Das heißt, es handelt sich weder um eine Annäherung, noch um eine Entfernung, noch um eine Überschreitung.

Dass ausgerechnet ZU ein derart statisches Verhältnis denotiert, geht auf räumlich-statisches ZU zurück, welches sich noch in einigen fixierten Ausdrücken (zu Hause) und Verwendungen (zu Köln/Berlin/Hamburg) erhalten hat.[11]

Nun zu AUF, ZU und NACH (unabhängig von ihrer Einbindung oder Nichteinbindung in eine IN + DAT.-Fügung):

Nimmt man die Listen zur Valenz des Substantivs, des Verbs und des Adjektivs in der Bertelsmann-Grammatik, stellen sich ganz eindeutig Gruppen zusammen, für die der Gebrauch der jeweiligen Präposition durchaus analysierbar und damit auch begründbar ist.

Wenn im Folgenden von angepeiltem und/oder erreichtem Ziel oder Resultat gesprochen wird, so impliziert 'erreicht' nicht automatisch, dass das Resultat angepeilt wurde.

3.2.2 AUF

Vorauszuschicken ist, dass die Grundbedeutung von AUF nichts zu tun hat mit einer Achse oben - unten,[12] sondern allein 'Direktivität' denotiert.

Sie haben mit Steinen auf mich geworfen.
Er blickt gebannt auf das Bild/auf die Nase der Dame, die ihm gegenübersaß
auf den Vordermann auffahren

Wobei - so paradox es sich auch anhört - 'Direktivität' sich sowohl dynamisch (das nimmt man automatisch an), als auch statisch (das überrascht zunächst) manifestieren kann. Auch schließt die von AUF denotierte Direktivität die Möglichkeit des Kontakts mit ein und auch die Möglichkeit der Spezialisierung auf eine Achse oben/unten, was AUF abhebt von ZU.

Dynamisch: Er zielte auf den Apfel.
  Er wies auf ein Bild an der Wand.
  Er kam auf uns zu.
  jdn. auf die Wangen küssen
Statisch: Sein Blick/seine Augen ruhten auf ihrer lieblichen Gestalt.[13]
  der Fleck auf der Tapete
 

der Firmenname auf dem Anhänger

Aus dieser Grundbedeutung der Direktivität lassen sich sämtliche übrigen Verwendungen von AUF ableiten (cf. dazu im Detail Krause 1998: 77f.).

Alle von Götze/Hess-Lüttich in den entsprechenden Listen zur Valenz des Substantivs, Verbs oder Adjektivs aufgeführten AUF lassen sich in folgende Gruppen zusammenfassen (bei denen dann auch in diesen Listen nicht vorkommende Kombinationen eingeordnet werden können). Die von Götze/Hess-Lüttich genannten Signifikanten erscheinen kursiv, die von meiner Hand ergänzten kursiv fettgedruckt. Die Listen sind prinzipiell offen.

Spatiales AUF + Metapher:

(Hinweise auf 'System I' etc. entsprechen der Systematik von Marcq (1998) und in der Fortsetzung der von Krause (1994 und 1998), in Klammern stehende Ziffern verweisen auf die weiter unten angeführten abstrakten Relationen)

aufspringen auf System I, direktive Relation
bauen auf spatiale Metapher (System I, direktive Relation) und (10)
setzen auf spatiale Metapher und (10)
pfeifen auf [14]

 

reiten auf (Richtungserg.) System II, Phase 1, dynamisch
geben auf System II, Phase 2, dynamisch und System I (direktiv)
stehen auf System I,lokative Relation und Metapher
stellen auf System I, direktive Relation.
stoßen auf System II, Phase 2, dynamisch und System I+ metaphorisch
  gebrauchtes Verb] (cf. Krause 1998: 53)
treffen auf
"
" " " " "
umsteigen auf System I, direktive Relation + Metapher
sich werfen auf System II, Phase 2, dynamisch und System I (direktiv) + Metapher
sich verteilen auf spatiales 'marginales' AUF (cf. Krause 1998: 47 und 106)
aufteilen auf
"
" "      
zielen auf System II, Phase 1/dynamisch+ Metapher .
zugehen auf [Circumposition] System II, Phase 1, dynamisch + Metapher
  [hier fehlen alle sog. 'Partikel'-Verben mit ZU: AUF + AKK. + ZU steuern, fahren, laufen, rennen, kommen etc.]
Ankunft auf spatiales 'marginales' AUF (cf. Krause 1998:51), lokative Relation
Angriff auf System II, Phase I, dynamisch und abstrakt, Gruppe 5
Attacke auf
"
" "   " "
Attentat auf
"
" "   " "
Aufenthalt auf System I und 'marginales' AUF, lokative Relation
Landung auf
"
" AUF, lokative Relation
Schlag auf System II und I, dynamische/direktive Relation + Metapher

Temporales AUF:

System II: Statische, in die Zukunft versetzte Relation (AUF + AKK). (cf. Krause 1998: 66)
 

(= spatiale Metapher)

verschieben auf
verlegen auf
ansetzen auf

System des Aufeinanderfolgens und Erwartens (AUF + AKK.):
(Die Ziffern verweisen auf die semantischen Gruppen/abstrakte Relationen bei Krause 1998: 79f. und infra)

antworten auf Aufeinanderfolgen und (8)
brennen auf Erwarten  
sich freuen auf Erwarten  
hoffen auf Erwarten  
vertrauen auf Erwarten und (10)
sich vorbereiten auf Erwarten  
warten auf Erwarten  
zählen auf Erwarten und (10)
folgen auf Aufeinanderfolgen  
rechnen auf Erwarten  
spekulieren auf Erwarten  
erwidern auf etc. Aufeinanderfolgen  
     
Antwort auf Aufeinanderfolgen  
Freude auf Erwarten  
Groll auf Aufeinanderfolgen und (13)
Hass auf Aufeinanderfolgen und (13)
Hoffnung auf Erwarten  
Spekulation auf Erwarten und (8)
Stolz auf Aufeinanderfolgen und (13)
Vorbereitung auf/für Erwarten  
Zorn auf Aufeinanderfolgen und (13)
Reaktion auf Aufeinanderfolgen  
Erwiderung auf Aufeinanderfolgen  
Aussicht auf etc. Erwarten  
     
begierig auf Erwarten und (8)
böse auf Aufeinanderfolgen und (13)
gespannt auf Erwarten  
neugierig auf Erwarten  
stolz auf Aufeinanderfolgen und (13)
wütend auf Aufeinanderfolgen und (13)
zornig auf Aufeinanderfolgen und (13)
sauer auf Aufeinanderfolgen und (13)

Abstrakte Relationen (nicht spatial, nicht temporal):(Die Ziffern verweisen auf die semantischen Gruppen bei Krause 1998: 79f und infra)

Im Bereich der abstrakten Relationen tritt vorwiegend AUF + AKK. auf; mit Dativ kommt es nur in der Gruppe 10 vor, der einzigen Gruppe, die sich aus dem spatialem AUF des achsengebundenen Systems I herleitet. Alle übrigen Verwendungsweisen sind auf das System II zurückzuführen, in dem die Achsen keinerlei Rolle spielen. In den meisten Fällen führt AUF - ganz allgemein gesprochen - den Adressaten eines Prozesses ein oder das angepeilte oder erreichte Objekt oder Resultat. Auch die unter Gruppe 16 zusammengefassten Verwendungsweisen lassen sich als Resultativ zu den unter 15 beschriebenen auffassen.

Gruppe 1:

AUF führt den (belebten oder unbelebten) Adressaten ein. (Prozess: "Ein Übergehen oder Übertragen auf")[15]

 

(Sonderfall der Gruppe 7)

übergehen auf
überschreiben auf
etw. übertragen auf
überweisen auf
etc.

Gruppe 2: AUF führt das anvisierte Objekt (belebt oder unbelebt) ein. (Prozess: "Anpeilen, aber nicht durch Gesten")

anspielen auf
hinweisen auf
aufmerksam machen auf
aufs Korn nehmen
etc.

Gruppe 3: AUF führt den Adressaten (belebt oder unbelebt) einer Kritik, Würdigung etc. ein (Prozess: "Kritisieren/Würdigen")

trinken auf
schimpfen auf
auf dein Wohl!
ein Hoch auf...!
ein Loblied singen auf
etc.

Gruppe 4:

AUF führt den Adressaten eines Überzeugungsversuchs ein (Prozess: "Über-zeugenwollen")(Sonderfall der Gruppe 5)

eindringen auf
einflüstern auf
einreden auf
etc.

Gruppe 5: AUF führt das (belebte oder unbelebte) Objekt ein, auf das eine Wirkung ausgeübt wird oder werden soll
  (Modifikation des Objekts ist erwünscht und/oder möglich) (Prozess:"Einwirken")

Eindruck machen auf
Druck, Reiz
etc. ausüben auf
wirken auf
einprügeln auf
einschlagen auf
etc.

Druck auf  
Einfluss auf und (6)
Einwirkung auf und (6)
Wirkung auf und (6)

Gruppe 6:

AUF führt das (belebte oder unbelebte) Objekt ein, welches das Ziel einer Anwendung ist

 

(Modifikation des Objekts nicht angestrebt) (Prozess: "Anwenden")


sich verstehen auf  
anwenden auf  
verwenden auf  
wenden auf  
Eindruck auf und (5)

 

Gruppe 7: AUF führt das angepeilte oder erreichte Objekt oder Resultat abstrakter Art ein (Prozess: "Denken, Folgern, Finden" etc.)

durcharbeiten auf
durchdenken auf
durchsuchen auf
kommen auf
kontrollieren auf
prüfen auf
überprüfen auf
untersuchen auf
jdn./es bringen auf
erkennen auf
taxieren auf

Nachweis auf
Prüfung auf
Diagnose auf

Gruppe 8:

AUF führt das angepeilte Objekt ein (Prozess: "Verlangen", "Haben-Wollen")

 

(Steht temporalem AUF/Erwarten nahe.)

sparen auf
sinnen auf
(es) ankommen auf
es absehen/ abgesehen haben auf
aus sein auf
auf Beute losziehen
etc.

Durst auf
Anrecht auf
Anspruch auf
Antrag auf
Appetit auf
Jagd auf
Klage auf
Lust auf
Recht auf
Monopol auf
Bock auf
[16]

Hier besteht zum Teil Konkurrenz mit NACH.[17]

Gruppe 9: AUF führt das angepeilte Objekt ein (Prozess: "sich oder etw. auf ein Objekt konzentrieren")

achten auf  
sich beschränken auf  
sich spezialisieren auf (berührt sich mit Gruppe 12)
verzichten auf (cf. Krause 1998: 86)  
sich konzentrieren auf  
aufpassen auf etc.  
   
Aufmerksamkeit auf  
Beschränkung auf  
Konzentration auf  
Orientierung auf  
Verzicht auf etc.  

Gruppe 10:

AUF führt ein, was als Grundlage einer Argumentation, Haltung oder Handlung dient.

 

(Hier besteht z.T. Kasuswahl, ganz der spatialen Präposition des Systems I entsprechend.)


beharren auf + DAT (von Götze/Hess-Lüttich nicht spezifiziert)
beruhen auf + DAT. ( " " " )
bestehen auf + DAT.
basieren auf + DAT.
gründen auf + DAT. oder AKK.
schwören auf  
sich verlassen auf  
bauen auf  
sich einigen auf  
auf sich selbst gestellt sein
verpflichten auf  
auf dem Standpunkt stehen, dass etc.
   
Eid auf  
Schwur auf  

Gruppe 11:

AUF führt die Größe B ein. (Prozess: "Herstellen einer Beziehung zwischen A und B")

sich berufen auf
sich besinnen auf
beziehen auf
sich beziehen auf
angewiesen auf

zurückkommen auf
eingehen auf
sich einlassen auf
etc.

in Bezug auf [bei Götze/Hess-Lüttich unter Überdruss geführt]
im Hinblick auf etc.

Gruppe 12:

AUF nennt die Größe, auf die man etw./sich einstellt (Prozess: "Adaptation")

stehen auf (z.B.: Null)
passen auf
berechnen auf
programmieren auf
einstellen auf
umstellen auf
etc.

Umstellung auf etc.

Gruppe 13:

AUF führt ein, was eine (eher emotionale) Reaktion hervorruft. (Prozess: "Eine Reaktion zeigen")

 

(Steht temporalem AUF - 'Aufeinanderfolgen' - sehr nahe)

gut/nicht gut zu sprechen sein auf
einiges/viel
etc. halten auf
sich zugute tun auf
sich etw. einbilden auf
etc.

Eifersucht auf
Hass auf
Zorn auf
etc.

eifersüchtig auf
eingebildet auf
neidisch auf

Gruppe 14:

AUF führt das angestrebte oder erreichte Resultat einer quantitativen Modifikation ein

 

(Prozess: "Reduktion" oder "Augmentation" oder "Intensivierung"; Intensivierung steht der Gruppe 16 sehr nahe)

verlängern auf
herabsetzen auf
reduzieren auf
schmilzen auf
(zusammen)schrumpfen auf
erhöhen auf
ab/aufrunden auf
etw. aufs Äußerste treiben
etc.

Abrundung auf
Steigerung auf
etc.

Gruppe 15:

AUF führt das angestrebte oder erreichte Resultat einer qualitativen Modifikation ein (Prozess: "Anders machen")

 

(Steht der Gruppe 16 sehr nahe)

jdn. auf Trab bringen
etw./jdn. auf Touren bringen
auf Hochglanz polieren
auf alt/jung schminken
etc.

Das Resultat ist entweder ein Prozess (der nicht durch einen Infinitiv denotiert wird) oder ein Zustand (durch ein Substantiv oder Adjektiv bezeichnet). Komplementär dazu verhält sich ZU, welches mit Substantiven auftritt, die keinen Prozess bezeichnen oder aber einen durch einen Infinitiv denotierten Prozess ausdrücken (jdn. zum Lachen/Weinen/Arbeiten bringen; zum Verbrecher werden.)[18]

Gruppe 16: AUF führt die Art und Weise des Seins oder Tuns ein (Prozess: "Sein" oder "Tun")
 

(Es handelt sich hier um die statische Variante des unter 15 Genannten.)

auf diese Art (und Weise)
auf deutsch/englisch etc.
aufs übelste/beste/schnellste etc.
auf alle Fälle

Götze/Hess-Lüttich nennen noch "bringen auf S + A + auf", wobei allerdings völlig unklar ist, ob man sich darunter etwas vorstellen soll wie den Motor auf Touren bringen (gehört zu Gruppe 15) oder jdn. auf schlechte Gedanken bringen (entspricht Gruppe 7).

Unerklärt und unerklärlich bleibt die Nennung von "sich (DAT.) nehmen + Akk. + auf".

Bei "Berufung auf" ist nicht ersichtlich, dass das Nomen doppelsinnig gebraucht wird:

Berufung auf den Lehrstuhl Maier [spatiale Metapher, System I, direktive Relation]
unter Berufung auf Herrn Maier/den Praragraphen 218 [abstrakt, Gruppe 10]

Ebenso mehrdeutig sind die beiden folgenden Einträge:

Übertragung von-auf [spatial, System I, direktiv sowie abstrakt, Gruppe 1]
Verschiebung von - auf [spatial, System I direktiv sowie temporal / in die Zukunft verlegte statische Relation sowie
  abstrakt, Gruppe 1]

3.2.3 NACH (cf. Krause 1998: 243f., abstraktes NACH: 273f.)

Die Grundbedeutung von NACH ist die der Nähe, die sich vor allem als 'gesuchte Nähe' manifestiert,[19] und zwar entweder als '(Ver)Folgen' oder als 'Suche/Erlangen- oder Erreichenwollen'.

(Ver)Folgen: Er warf ihr Steine nach. [Ein NACH, welches von den meisten Autoren als Verbalpartikel identifiziert wird]
 

Er rief ihr etwas nach.

 
     
Suchen etc.

Er warf Steine nach ihr.

 
 

Er tastete nach ihrer Hand / seinem Revolver.

  Er sucht nach Kleingeld.  

Diese beiden Grundbedeutungen des (Ver)folgens und Suchens bleiben beim abstrakten Gebrauch der Präpositionen erhalten:

Folgen: Stellt euch mal der Größe nach auf!
  Nach Marx behaupte ich jetzt mal, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt.
  Etwas nach bestimmten Kriterien einordnen
   
Suche: Schau mal nach dem Papa und frag, ob er was braucht.
  Sie schickten nach dem Arzt.
  Sie suchen nach einem Wort.
  Er sehnt sich nach Ruhe.

'Folgen' im konkreten und abstrakten Sinne impliziert ein Verfolgtes. So kann NACH Unterschiedliches einführen: Den Prozess, der zu einer bestimmten Meinung/Einschätzung führt (nach Schätzungen/nach Berechnung), einen Namen, der eine bestimmte Meinung vertritt (nach Marx), einen Terminus, der selbst 'Meinung' bedeutet (nach Meinung/Ansicht) sowie das Gemeinte selbst (sich nach Schmeichelei anhören, nach Schweiß riechen). Unter 'Suche' lassen sich zusammenfassen das Ziel eines Bedürfnisses (also nicht dem Willen unterworfen) sowie das Ziel eines willensabhängigen Aktes.

Alle bei Götze/Hess-Lüttich unter Valenz/Rektion aufgeführten Kombinationen X + NACH lassen sich einer der beiden großen Gruppen zuordnen. In den Listen vorhandene Kombinationen mit NACH, die auf spatiale Relationen schließen lassen (z.B. Abmarsch nach), werden hier ausgespart.

FOLGEN (Modell, Kriterien etc.)

SUCHEN/ERREICHEN WOLLEN

   
sich anhören nach  
  jdn. ausfragen nach
ausschauen nach[= "aussehen wie"] ausschauen nach [z.B. mit dem Fernglas]
aussehen nach  
  jdn. befragen nach
duften nach  
  sich erkundigen nach
  fragen nach
  gucken nach
  hungern nach
kontrollieren nach [Gesichtspunkten]  
nennen nach  
sich orientieren nach  
sich richten nach  
riechen nach  
  rufen nach
  schicken nach
schlagen nach [= "werden wie"] schlagen nach [= "hauen"]

schmecken nach  
  sehen nach
  sich sehnen nach
stinken nach  
  streben nach
  suchen nach
tanzen nach  
  verlangen nach
  Durst nach [konkurriert mit AUF]
  Anfrage nach
  Frage nach
  Griff nach
  Hunger nach
  Jagd nach [konkurriert mit AUF]
  Nachfrage nach
  Schrei nach
  Sehnsucht nach
  Sinn nach
  Streben nach
  Suche nach
  Sucht nach
  Verlangen nach
  Wunsch nach
   
  Tasten nach
  Schnappen nach etc.
   
  ehrgeizig nach
  gierig nach

3.2.4 ZU (cf. Krause 1998: 320f, abstraktes ZU: 336f.)

Die Grundbedeutung von ZU ist heutzutage ebenfalls die der 'Direktivität' (ohne Präzisierung der Richtung, genau wie bei AUF; allerdings schließt ZU Kontakt aus). Im spatialen Gebrauch ist statisches ZU ein Relikt aus früheren Zeiten und selten, im abstrakten Bereich ist es häufig vertreten.

Dynamisch:

Er rannte zum Auto.

 

Er kommt zu mir.

  Er sagt zu mir...
  Er neigt zu voreiligen Schlüssen.
   
Statisch: Die Heinzelmännchen zu Köln
  Parallel/senkrecht zur Hauptstraße verläuft der Kapellenweg.
  Er stürzte zur Tür hinaus. [Die dynamische Relation des 'Verlassens' wird durch HINAUS getragen. ZU führt den Ort ein, wo dies geschieht]

Im temporalen Bereich ist ZU relativ selten:

Zuweilen [lexikalisiert] schaut er von seiner Zeitung auf.
Zu jener Zeit...

Zum Schluss noch eine kleine Anekdote...
[sowohl temporal wie final]

Sowohl dynamisches wie statisches ZU findet sich im abstrakten Bereich wieder:

Dynamisch: - ZU +DAT. führt das angepeilte oder erreichte Resultat eines Prozesses ein (Gruppe 1):
    Den Bock zum Gärtner machen
  - ZU + DAT. präzisiert die Richtung einer fleischlichen, seelischen, intellektuellen oder sonstwie gearteten Neigung (Gruppe 2):
    sein Hang zum Tragischen
    eine Tendenz zur Verallgemeinerung
  - ZU + DAT., in Kooperation mit UM, aber auch ohne UM, drückt Finalität aus (Gruppe 3):
    Er geht zum Arbeiten ins Büro.
    Er geht ins Büro, um zu arbeiten.
    Zu dem Zweck geht er ins Büro.
  - eng verbunden mit der Idee der Finalität und der des (erreichten oder angepeilten) Resultats ist die Relation: Prozess (oder Zustand) B, der die beabsichtigte Folge eines Prozesses oder Zustands A ist (Gruppe 4):
    Das Signal zum Aufbruch
    zum Tode verurteilen
  - ZU + DAT. präzisiert die Größe, der etwas hinzugefügt wird (Gruppe 5):
    Er trat zu ihnen.
    Er rechnet Anton zu seinen Freunden.

Das letzte Beispiel lässt offen, ob ein gewisser Anton neu zur Gruppe der Freunde hinzukommt oder bereits dazugehört.

Hier schließt sich nahtlos die statische Variante von ZU + DAT. an:

Statisch:   Er gehört zu seinen Freunden (gehört noch zu Gruppe 5) .
  - ZU + DAT. evoziert die Größe B, zu der eine Größe A sich verhält (statisch) (Gruppe 6):
    Sein Verhältnis zum Christentum war ambivalent.
    Im Gegensatz zu anderen Präpositionen hat ZU nur den Dativ bei sich.
  -

ZU führt einen Dativ ein, der den oder die an einem Prozess Beteiligten mengenmäßig präzisiert:

    Zu Tausenden flohen sie vor den Bomben
    zu dritt/fünft etc.
    zum Teil
    zum mindesten

Nur in Verbindung mit Substantiven, Verben oder Adjektiven, die selbst eine Gerichtetheit implizieren oder explizieren, hat abstraktes ZU dynamischen Charakter.

In allen anderen Fällen haben wir es mit der statischen Variante zu tun.

Die folgende Liste entspricht (allerdings neu geordnet) den Listen in Götze/Hess-Lüttich; fettgedruckte Signifikanten oder Kommentare stammen von meiner Hand.

[A= Akkusativ]

Spatiale Metapher (direktive Relation)

bemerken + A + zu [falls der DAT. eine Person bezeichnet]
bringen + zu es bringen zu
einladen + A + zu
sich melden zu
sagen + A + zu
sprechen + zu
Einladung zu

Griff zu
Treue zu
Vertrauen zu
Zulassung zu
Zustimmung zu

Zugang zu

aufdringlich zu  
freundlich zu  
lieb zu  
niederträchtig zu } für alle Adjektive gilt: DAT. nach ZU ist belebt.
hässlich zu  
gütig zu  
höflich zu etc.  

Abstrakte Relationen

Gruppe 1: ZU führt das angepeilte oder erreichte Resultat ein.

aufbauen + A + zu
ausarbeiten + A + zu
ausbauen + A + zu
ausbilden + A + zu
ausrufen + A + zu
(sich) entwickeln zu
ernennen + A + zu
erziehen + A + zu
führen zu
gelangen zu
machen + A + zu
umarbeiten + A + zu
umbauen + A + zu
umschulen + A + zu
(sich) verändern (+ A) + zu
(sich) verbessern (+ A)+ zu
verfallen + zu
werden + zu
zerbrechen + A + zu
[konkurriert mit IN + AKK.]
zerdrücken + A + zu [konkurriert mit IN + AKK.]
zerschlagen + A + zu
auflaufen zu (z.B. Höchstform)

zur Verblüffung der Anwesenden
zu meinem großen Bedauern
etc.

Entwicklung zu
Ernennung zu
Verarbeitung zu
Ausbildung zu
Umbau zu
Umschulung zu
etc.

Gruppe 2: ZU + DAT. präzisiert die Richtung einer fleischlichen, seelischen, intellektuellen oder sonstwie gearteten Neigung oder Eignung

sich eignen zu
neigen zu
taugen + zu
sich (A) verstehen zu
tendieren zu
etc.

Fähigkeit zu
Geschicklichkeit zu
Hang zu
Leidenschaft zu
Talent zu
Tendenz zu
Trieb zu
Veranlagung zu
Neigung zu
Begabung zu
Unfähigkeit zu
etc.

fähig zu  
geeignet zu  
geschaffen zu und (3)
unfähig zu  
ungeeignet zu  
talentiert zu  
geneigt sein zu  
zumute sein zu [konkurriert mit NACH] [20] etc.

Gruppe 3: ZU - in Kooperation mit UM, aber auch ohne UM - drückt Finalität aus, d.h. es führt den Zweck ein:

benutzen + A + zu
brauchen + A + zu
dienen zu
nützen (± A + )zu
zum Arbeiten ins Büro/ zum Schlafen ins Bett gehen
etc.

Benutzung zu
Maßnahme zu
[+ Nomen, das einen Prozess bezeichnet]

Gruppe 4:   ZU + DAT. nennt die beabsichtigte Folge eines Prozesses oder Zustands
   

(dies ist eng verbunden mit der Idee der Finalität und der des (erreichten oder angepeilten) Resultats)

anregen + A + zu
aufrufen + A + zu
bestimmen + A + zu
bewegen + A + zu
drängen (+ A) + zu
ermahnen + A + zu
ermutigen + A + zu
raten zu
reizen + A + zu
überreden + A + zu
verführen + A + zu
verpflichten + A + zu
verurteilen + A + zu
wählen + A + zu
zwingen + A + zu

Aufforderung zu  
Ermächtigung zu  
Gelegenheit zu  
Möglichkeit zu/Inf.  
Plan zu und (5)
Probe zu und (5)
Pflicht zu  
Verurteilung zu  
Vorsatz zu  
Anweisung zu  
Bereitschaft zu  
Verpflichtung zu  
Wahl zu  
Zwang zu etc.  
   
bereit zu } + Prozess (DAT.)
entschlossen zu } + Prozess (DAT.)

Gruppe 5: ZU + DAT. präzisiert die Größe, der etwas hinzugefügt wird oder zu der etwas gehört:

gehören zu
kommen zu
rechnen (+ A ) + zu
zählen + A + zu

Kommentar zu  
Meinung zu  
Meldung zu  
Programm zu  
Voraussetzung zu [+ Finalität] und (2)
der richtige Schlüssel zum Schloss  

der Deckel zum Topf etc.

 

Die Relation des "Dazugehörens" ist nichts anderes als ein Sonderfall der unter 6 genannten Relation.

Gruppe 6: ZU denotiert ein statisches Verhältnis zwischen A und B

beglückwünschen + A + zu
gratulieren zu

passen zu
stehen + zu
tanzen + zu
[konkurriert mit AUF und scheinbar mit NACH]

Abstand zu
Beziehung zu
Einstellung zu
[falls dynamisch aufgefasst: zu Gruppe 3]
Freundschaft zu
Stellung zu
Verhältnis zu
im Vergleich zu
im Gegensatz zu
im Widerspruch zu
in Bezug setzen zu
etc.

parallel zu
senkrecht zu
im rechten Winkel zu
etc.

3.4 Beispiel 3: Die Komplementarität von BEI (Präp.) und MIT (oft nicht Präp.):

Ich beschränke mich hier auf den Ausdruck der Simultaneität (Gleichzeitigkeit) zweier Prozesse:

(a) Er singt beim Essen.
(b) Bei diesen Worten horchten alle auf. / Bei Föhn hat sie immer Kopfschmerzen.
   
(c ) Da alle ins Kino gingen, ging er eben mit, obwohl er keine große Lust hatte.
(d) Aus dem Radio kam Klaviermusik. Er sang leise mit.

BEI + DET. + Infinitiv (a) signalisiert, dass zwei unterschiedliche Prozesse von ein und demselben Agens gleichzeitig realisiert werden.

BEI + DAT. (nicht Infinitiv) (b) signalisiert Gleichzeitigkeit zweier Prozesse mit kausaler Komponente. Die beiden Prozesse haben nicht dasselbe Agens.

MIT (cf. Krause 2002d und Zifonun et al. 1997: 2146f.) - dessen Status schwankt zwischen Präposition mit Ellipse und Adverb und das von Wörterbüchern zumeist irrtümlich als Verbalpartikel präsentiert wird[21] - signalisiert die Gleichzeitigkeit zweier Prozesse, die von unterschiedlichen Beteiligten realisiert werden. Die Prozesse können identisch sein wie in (c ) (der Prozess ins Kino gehen wird von unterschiedlichen Agentien realisiert) , aber auch nur 'verwandter Art' wie in (d) (der Prozess Klaviermusik sowie der Prozess singen laufen simultan ab, sind nicht identisch, aber artverwandt.).

3.4 Beispiel 4: Die Kooperation und Komplementarität von AB- und VON (zu AB cf. Krause 1994, zu VON cf. Krause 2002b):

Beide Signifikanten gehen etymologisch auf denselben Ursprung zurück, beide sind reine Relationsträger und bezeichnen eine ablative Relation ('Aufhebung eines Kontakts bzw. einer Nähe'): AB- in Form einer Verbalpartikel, VON als Präposition. So ist es nur logisch, dass Verben mit AB-Partikel, die eine Trennung oder ein Entfernen bezeichnen, grundsätzlich mit VON kombiniert werden (sowohl wenn es sich um ganz konkrete Prozesse handelt als auch bei abstrakten Prozessen). Bei Götze/Hess-Lüttich erscheinen unter 'Valenz des Verbs' folgende Verben :

abgehen von
abgrenzen von
abhängen von
abkommen von
ableiten von
abraten von
sich absetzen von
sich abwenden von
abblättern von
abbuchen von
abhandeln von
ablesen von
ablösen von
etc.

Logisch, dass auch die entsprechenden Substantive mit VON auftreten (Liste nach Götze/Hess-Lüttich):

Abfall von
Abhängigkeit von
Abkehr von
Ableitung aus
[+ VON]
Abmarsch von
Abreise von
Abstammung von
Abwanderung aus
[+ VON]
Abzug von

Warum anstatt eines VON zweimal AUS - obwohl VON möglich wäre - auftaucht, lässt sich einerseits damit erklären, dass AUS ebenfalls ganz allgemein eine ablative Relation trägt und es nicht nur um die Aufgabe eines Kontakts geht, sondern um das Verlassen eines Inneren (Abwanderung aus ehemaligen Ostblockländern), andererseits auch durch die Besetzung der VON-Gruppe mit dem Agens (die Abwanderung von Tausenden von Polen, Ukrainern, Russen etc.).

3.5 Beispiel 5: Kooperation von EIN- und AUF:

Die Verbalpartikel EIN- signalisiert prinzipiell eine direktive Relation (auch dann, wenn das Verb mit Präpositionen, die eine lokative Relation tragen, auftritt, wie z.B. sich einmieten bei; cf. Krause 1994: 255f.). Ganz stark tritt diese Direktivität zum Vorschein bei EIN-Verben, die ein Einwirken auf ein Ziel bezeichnen:

eindrängen auf, eindringen auf, einflüstern auf, einstechen auf etc.

oder aber den einfachen Tatbestand, dass man sich oder etwas - in abstrakter Weise - in eine bestimmte Richtung bewegt:

eingehen auf, sich einlassen auf, sich/etw. einrichten auf, sich/etw. einstellen auf.

Hier tritt regelmäßig AUF + AKK. als begleitende Präposition auf.


3.6 Beispiel 6: Arbeitsteilung zwischen AUF(cf. Krause 1998) und ÜBER (cf. Krause 1994):

AUF + AKK. als Präposition, die den Grund (= das Vorhergegangene) einführt oder aber das Erwartete, wird von Marcq und in der Nachfolge von Krause als temporale Präposition betrachtet: reagieren auf (Folge/Reaktion) - warten auf (Erwartetes).

Verben und andere Einheiten, die eindeutig eine Erwartung zum Ausdruck bringen, haben AUF bei sich:

warten auf, rechnen auf, hoffen auf, neugierig auf, gespannt auf etc.

Ein Verb wie sich freuen kann sowohl eine Folge-Relation als auch ein Erwarten ausdrücken:

Da ÜBER ein Erwarten nicht ausdrücken kann, bleibt also AUF für diese Relation:

Ich freue mich auf den Osterhasen / Weihnachten / die Tante Anna.

Für die Folge-Relation bleibt somit nur ÜBER:

Ich freue mich über etwas bereits Vorhandenes. (zu ÜBER in dieser Verwendung cf. Krause 1994: 282f.)

Die Distribution von AUF und ÜBER im Bereich der Reaktion ist allerdings nicht immer vorhersehbar:

wütend auf jdn., sauer auf jdn., stolz auf jdn. oder etwas
t
raurig über etw., (un)glücklich über etw.

Auf diese Frage gibt auch die IdS-Grammatik bislang keine zufriedenstellende Antwort. Hier besteht also noch Klärungsbedarf.

 

4 Summa summarum:

Sog. formelhaft gewordene Verwendungsweisen von Präpositionen entspringen ihrem freien Gebrauch, sind begründbar und regelhaft. Was sich in lexikalisierten oder grammatikalisierten Verwendungsweisen zum Teil nicht immer begründen lässt (zum mindesten zum jetzigen Zeitpunkt), ist der Artikelgebrauch. Es ist anzunehmen, dass sich auch hier Regularitäten verbergen, die noch aufzudecken sind.

Der jeweilige Gebrauch einer bestimmten Präposition - sei es im spatialen, im temporalen oder im abstrakten Bereich - ist logischerweise abhängig vom Sinn der begleitenden Verben, Substantive oder Adjektive oder auch vom einbettenden Kontext und von der Intention des Sprechers (cf. Steigerung um präzisiert eine relative oder die hinzugefügte Größe - Steigerung auf präzisiert das Resultat). Andererseits hat auch die Wahl einer bestimmten Präposition Einfluss auf die Lesart eines Verbs, Substantivs (möglicherweise auch eines Adjektivs, obwohl ich dazu kein Beispiel zur Hand habe), ebenso wie die Wahl einer Präposition (anstelle einer Nominalgruppe in einem obliquen Kasus) die Lesart bestimmt:

etw. riechen riechen nach
[= einatmen] [= ausdünsten]
kommen auf kommen zu
[= finden] [spat. Metapher; Finalität; Schlussfolgerung]
  [= erreichen; beabsichtigen; schlussfolgern]
ein Verhältnis zu ein Verhältnis mit
[= nicht intim] [= intim]
vor Angst Angst vor
[= Angst ist Auslöser eines Prozesses] [= Angst ist nicht Auslöser eines Prozesses]
Auf den König! Auf den König!
[= Kampf, Angriff] [= Trinkspruch]
machen zu machen auf
[= Resultat] [= Art und Weise, wie jd. sich präsentiert]
klagen über klagen auf
[= Emotion] [= juristischer Akt]
etc.  

Komplementäre Distribution und damit auch mögliche Kooperation ist die Regel (und entspricht sprachlicher Ökonomie), Konkurrenz die Ausnahme.[22]

Vollständigkeit war hier in keiner Weise angestrebt. Sie ist erst dann möglich, wenn sämtliche primären Präpositionen in allen ihren Verwendungsweisen nach einem einheitlichen Beschreibungsmodell beschrieben sind. Wobei es immer noch Analysen zu verfeinern und Lücken zu füllen geben wird!

 

Anmerkungen

1 Centre de Recherches Interlangues sur la Signification en Contexte (Université de Caen). [zurück]

2 Hier handelt es sich nur zum Teil um Konkurrenz: AKK. + über und AKK. + durch sind Konkurrenten, AKK. + lang konkurriert rein semantisch, aber nicht strukturell: Es verlangt die Anwesenheit eines Quantors, was für AKK.+ über ausgeschlossen ist. (cf. Krause 1997: 240). [zurück]

3 Standardbeispiele: Abschied von, Anteil an, Zorn auf etc.; warten auf, sich bemühen um etc.; arm/reich an, wütend auf etc.. [zurück]

4 Man vergleiche dazu nur die vom IdS im Internet bereitgestellte Bibliographie! [zurück]

5 Als weiterführende Literatur wird dann einzig und allein verwiesen auf H.Brinkmann (1971), Die deutsche Sprache.Gestalt und Leistung. Als hätte in den letzten dreißig Jahren Funkstille geherrscht zum Thema Präpositionen... [zurück]

6 Der Titel Eléments pour une grammaire... ist mit Bedacht gewählt! [zurück]

7 Wie von IdS (Zifonun et al. 1997: 2151) angenommen. Diese gilt für VOR + DET. + DAT.: Vor dem hab ich Angst! [zurück]

8 Also von der Intention des Sprechers: Er kann feststellen, dass A einen B in eine unangenehme Lage bringt oder hervorheben, dass B sich in einer unangenehmen Lage befindet. [zurück]

9 Und ist m.E. damit eben doch 'regionenkonstituierend', was ihr von der IdS-Grammatik abgesprochen wird (Zifonun et al. 1997: 2107). [zurück]

10 Wobei IN + DAT. den punktuellen Prozess hinauslaufen linearisiert, cf. dazu Krause 2004 (im Druck). [zurück]

11 Bezüglich ZU stimme ich mit der IdS-Grammatik (Zifonun et al. 1997: 2306) nicht überein: Es ist nicht ersichtlich, welche Region ZU konstituieren könnte und die Feststellung 'ZU mit Dativ kommt nur beschränkt in veralteten bzw. verfestigten Verwendungen vor' ist schlichtweg falsch. Was allerdings stimmt, und wahrscheinlich ist das gemeint, ist, dass ZU im spatialen Bereich nur noch selten statische Relationen trägt; im abstrakten Bereich tut es das jedoch relativ häufig (im temporalen etwas weniger). [zurück]

12 Wie von Götz/Hess-Lüttich (1999:.461) behauptet:

"Die zweite Gruppe von Präpositionen (auf, über - unter, vor - hinter, diesseits - jenseits, neben, links - rechts) ist in ihrem Verhältnis zur Person des Betrachters/Sprechers zu erklären, also gewissermaßen relativ. (...) Auf heißt demnach immer, 'oberhalb dieser Fläche mit Berührung derselben': Ich lege das Buch auf den Tisch meint: mit Berührungskontakt auf dieser Fläche. Dagegen mein das Paar über - unter oberhalb bzw. unterhalb dieser jeweiligen Fläche ohne Berührungskontakt:
Ich hänge die Lampe über den Tisch.
Der Hund legt sich unter den Tisch."

Erstens haben über den Tisch sowie unter den Tisch in diesen Beispielen rein gar nichts mit der Position des Betrachters/Sprechers zu tun (der kann sich befinden, wo er will!). Zweitens sind durchaus gängige Verwendungen wie

Er zielte auf den Apfel (ohne Berührung; keinerlei Anspielung auf oberhalb dieser Fläche!)
Er legte/kuschelt sich unter die Decke (mit Berührungskontakt!)

damit überhaupt nicht berücksichtigt! [zurück]

13 Und zwar ist die Interpretation 'statisch' oder 'dynamisch' und damit auch die Kasuswahl abhängig vom begleitenden Verb (zu diesem Schluss gelangt auch die IdS-Grammatik (Zifonun et al. 1997: 2107) oder aber auch vom begleitenden Substantiv (cf. z.B. der Blick ins Glas). [zurück]

14 Rein spatial (System I, statische Relation): auf der Flöte - spatiale Metapher: auf dem letzten Loch; auf den ollen Kerl : gehört zu Gruppe 9. [zurück]

15 Hier zeigt sich, dass die Metasprache genau auf die Mittel zurückgreifen muss, die sie zu erklären sucht. Eine Schwierigkeit, die speziell bei der Beschreibung von Präpositionen, Pronominaladverbien mit entsprechendem Teil und Verbalpartikeln auftritt. Dies ist einer der Gründe, warum ich hauptsächlich auf Französisch publiziere: Die Trennung zwischen besprochener Sprache und Metasprache ist dann gewährleistet, ohne dass eine für Nicht-Spezialisten nicht nachvollziehbare Terminologie entwickelt werden muss. [zurück]

16 Schönes Beispiel für die Tatsache, dass für neue Ausdrücke die Wahl der Präposition kein Produkt des Zufalls ist! [zurück]

17 Und die Tabelle in Krause 1998:107 ist in diesem Bereich unvollständig! [zurück]

18 Hier ist die Tabelle in Krause 1998:107 unvollständig! [zurück]

19 Existierende Nähe (= lokative Relation im Sinne von Marcq) denotiert das etymologisch verwandte nahe, cf. Krause 1998: 318f. [zurück]

20 Die Konkurrenz besteht semantisch; was die Struktur der Präpositionalgruppe betrifft, so gibt es einen kleinen Unterschied: ZU + (DE)M + Infinitiv; NACH + Ø + Infinitiv: Mir ist nicht zum Lachen zumute/ nach Lachen zumute. [zurück]

21 Präposition mit Ellipse: Er ging mit ihnen wäre hier möglich; aber der Zusatz eines Dativs ist häufig ausgeschlossen, cf. Das ist mit einer der Gründe, die..... (Adverb); Wörterbücher verzeichnen z.B. mitgehen, mitlaufen, mitessen etc. [zurück]

22 z.B. Jagd auf - Jagd nach [zurück]

 

Literaturangaben

Benveniste, Emile (1972): "Pour une sémantique de la préposition VOR". Athenäum N.S.50: 372-375.

Bertrand, Yves (1975): "Les prépositions abstraites allemandes". Cahiers d'allemand 8, 102-128.

Bouillon, Henri (1984): Zur deutschen Präposition "auf". Tübingen (= Studien zur deutschen Grammatik 23).

Breindl, Eva (Stand 2003): Präpositionen-Bibliographie. Alphabetisch geordneter Ausdruck der abfragbaren und verschlagworteten Bibliografie-Datenbank Präpositionen, unter: http://www.ids-mannheim.de/gra/konnektoren/prp-zit.html.

Bußmann, Hadumod (ed.) (32002): Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart.

Duden (61998): Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. Mannheim etc. (= Duden Bd. 4).

Glück, Helmut (ed.) (2000): Metzler Lexikon Sprache. Stuttgart/Weimar.

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