Spontanschreibung im Chat[*]

Gabriela Burri (Bern)



1 Einleitung

Der eher jüngere Bereich der computervermittelten Kommunikation hat bereits vor ein paar Jahren das Interesse der Linguistik geweckt. Nach anfänglichem Beschreibungsnotstand wird heute der Chat nach der Terminologie von Koch/Oesterreicher (1994: 587) als medial schriftlich und konzeptionell mündlich beschrieben. Die sich aus dieser Konstellation ergebenden Besonderheiten betreffen verschiedenste Ebenen: in Bezug auf die mediale Schriftlichkeit z.B. Orthographie, Morpho-Syntax, Lexik sowie hinsichtlich der konzeptionellen Mündlichkeit die kommunikativen Bereiche. Chat als "moderne Form geschriebener Mündlichkeit" bzw. "geschriebene Umgangssprache" (Kilian 2001: 56/73f.) oder "gesprochene Sprache, die aus technischen Gründen in schriftlicher Form realisiert wird" (Naumann 1998: 252), wird als neues schriftsprachliches Register (Weingarten 1997: 8) bzw. neue Varietät, der die Funktion eines Registers zukommt (Kilian 2001: 73ff. und Hess-Lüttich/Wilde 2003: 167f.), verstanden.

Häufig wird thematisiert, ob sich die neue Form der computervermittelten Kommunikation auf das gesamte System der Sprache auswirken und dort Änderungen zur Folge haben wird. Weingarten (1997: 8) z.B. erachtet Sprachwandel als sehr wahrscheinlich und Haase et al. (1997: 53) sehen einen solchen als gesichert. Naumann (1998: 259) glaubt, dass sich die von der Dialoganalyse bereits vorher beobachteten Tendenzen (wie z.B. das Eindringen sprechsprachlicher Formen und Syntagmen in die geschriebene Sprache) durch computervermittelte Kommunikation verstärken.

Im Gegensatz zur Frage, welche Sprachwandeltendenzen durch Chat und allgemein durch computervermittelte Kommunikation ausgelöst oder verstärkt werden können, folge ich dem Ansatz von Hentschel (1998: Kap. 3.2), die annimmt, dass der IRC ("Internet Relay Chat") als Quelle für Erst-Hand-Informationen über die Einstellungen der Sprecher zu den phonetischen, phonologischen, morphologischen und syntaktischen Tatsachen ihrer Sprache dienen kann und dadurch Einblicke in den aktuellen Sprachveränderungsprozess ermöglicht. Erstes Ziel dieser Arbeit ist es, Spontanschreibungen im IRC im Hinblick auf diesen Aspekt zu untersuchen. Der Chat dient also als schriftliche Manifestation der Umgangssprache.

Als zweiten Aspekt möchte ich verfolgen, welchen Regeln diese Verschriftung[1] folgt. Dabei gehe ich von den folgenden Rechtschreibeprinzipien aus, nach denen sich die Schreibung richten kann (vgl. Bußmann 2002: 552 und Hentschel 2003: 484f.):

Der Untersuchung liegen die Log-Files von zwei deutschen IRC-Channels zugrunde. Der eine Channel nennt sich #HoC (Home of Computerworld), der andere #linux. Beide sind also an Themen im Bereich Computer orientiert. Aufgezeichnet wurden sie vom Montag, 06. Januar 2003, 20:30 (#linux) bzw. 20:49 (#HoC) Uhr bis am Dienstag, 07. Januar 2003, 23:27 Uhr. #HoC umfasst - nach dem Löschen aller Einträge, die nicht von Benutzern getippt wurden (login-/logout messages u.Ä.) - etwa 23 A4-Seiten, #linux etwa 44. Alle Einträge werden unverändert zitiert, also auch keine Tippfehler korrigiert.

Die Untersuchung ist grundsätzlich qualitativ ausgerichtet, quantitative Angaben dienen nur dazu, Grössen- und Mengenordnungen anzugeben.

Wer mit den technischen Aspekten und/oder den Verhaltensnormen im Chat nicht vertraut ist, kann sich beispielsweise bei Hess-Lüttich/Wilde (2003: 163-166) kundig machen.

 

2 Der indefinite Artikel

Häufig wird im Chat der indefinite Artikel gekürzt, indem die ersten zwei Laute bzw. Buchstaben ei weggelassen werden:[2] (ei)n, (ei)ne, (ei)nen, (ei)ner, (ei)nem. Es folgt eine Zusammenstellung gegliedert nach Genus und Kasus.[3] Untersucht wurde hierfür lediglich der Channel #HoC.

Der indefinite Artikel im Maskulinum:

  Standard Kurzform
Nominativ

ein

  1

n
son
so'n

1
1
1

Akkusativ
mit Präposition

einen
Präp. + einen

1

nen
so nen
was fürn

11
3
1

Dativ
mit Präposition

einem
Präp. + einem
mit ein

 
 
1

nem
mit nem
hinter nem
von sonem

 
1
4
1

Total

3

24

In der ersten Spalte finden sich die Vorkommen der standarddeutschen Form.

Als Nominativ realisiert steht ein indefiniter Artikel im Prädikativum:
<konny> weil er ein sack ist
Im Akkusativ findet sich in Objektfunktion:
<kim> hab noch net mal mehr einen nick change hinbekommen
Die Präposition mit verlangt zwar einen Dativ; dieser wird hier aber nicht realisiert. (Vermutlich handelt es sich um eine dialektale Form.)
<duzzel> mit ein klick *g*

In der zweiten Spalte sind die gekürzten Formen aufgelistet.

Als Subjekt verwendet wird die Kurzform in:
<blackdeath> muss n hacken rein
Zwei Mal als Prädikativum verwendet wird die Kurzform zusammen mit der Partikel so. Beide Male werden so + Artikel zusammengeschrieben. Die eine Person markiert die Zusammen-schreibung mit einem Apostroph:
<JMD> war so'n KH rechner, speziell für irgendwelche Medizinischen geräte
<Nike> war son kleiner widerlicher pole

Sehr häufig finden sich Akkusativ-Objekte. Ein Beispiel:
<konny> nike hast du nen scanner???
Bei drei davon steht die Partikel so davor:
<KitCat> technisches englisch und ich muss noch so nen 5-seiten text durchlesen...
Bei der Präposition für + Akkusativ wird hier die zu erwartende Kurzform nen sogar zu n verkürzt und enklitisch der Präposition angehängt:
<Schlummi> was hat denn der fürn job zu vergeben?

Im Dativ tritt der indefinite Artikel nur zusammen mit einer Präposition auf:
<KitCat> zur not mahlt sie nen bild mit nem pen-table ab *ggg*
Die vier Fälle hinter + Dativ treten innerhalb eines kleinen Dialogs auf und beziehen sich auf dasselbe Substantiv: hinter nem router, z.B.:
<kim> das wenn man hinter nem router sitzt
Auch beim Dativ findet sich eine mit so zusammengezogene Form:
<Nike> weil ich hatte mal sexuelle Übergriffe von sonem import-export-pfiffi, aber das war in list

Der indefinite Artikel im Neutrum:

  Standard Kurzform erweiterte
Kurzform
Nominativ

ein
so ein

  4
1

son
dasn

  1
1

nen

  3

Akkusativ

mit Präposition

ein
 
um ein
was für ein

3
 
1
1

n
son

5
1

nen

6

Dativ
mit Präposition

einem
Präp. + einem

 

 
von son

 
1

   
Monokasus

ein paar
ein wenig

1
3

   

nen paar

1

Total

13

9

10

bzw.

13

19

In der ersten Spalte finden sich die standarddeutschen Neutra, die im Nominativ und Akkusativ als ein realisiert werden. Dative gibt es hier keine.

Im Nominativ z.B. als Subjekt realisiert:
<kim> da ein bestimmtes protokoll geroutet werden muss
Oder als Prädikativum:
<Nike|bisi> ich geb nich an, ich mach konny nieder, das is ein unterschied :p
Im Akkusativ findet sich beispielsweise:
<konny> nike ich hab heut ein vorstellungsgespräch *freu*
Und mit Präposition:
<kim> da es sich um ein tunneling protokoll handelt
Ein paar und ein wenig stellen Sonderformen dar; der indefinite Artikel steht nicht vor einem Substantiv und die Formen sind nicht deklinierbar. Deshalb werden diese hier als Monokasus bezeichnet.
<Krazy> hat ne beule und ein paar kratzer ..... schlimm????
<kim> der hat es leider ein wenig schwerer

In der zweiten Spalte finden sich die zu erwartenden Kurzformen der Neutra.

Im Nominativ als Subjekt realisiert findet sich die Kurzform zusammengezogen mit so > son:
<blackdeath> aber glaube son 7" 16:9 tft macht sich schon gut im auto :)
Der als Prädikativ realisierte Nominativ ist Besandteil der Kontraktion dasn < da(s) ist ein:
<konny> dasn türke hier glaub ich
Fünf Mal findet sich die n-Form als Akkusativ-Objekt realisiert, z.B.:
<Schlummi> ich hät n pdf zum anguggen
Zur Präposition von wäre als Kurzform (mit der Partikel so) der Dativ sonem zu erwarten. Es handelt sich bei von son wohl um eine dialektale Form:
<TheMatrix01> ich habe ne ne frage an die, die zufällig nen board zu leigen haben und ne Digi. ICh brächte man nen Bild von son Teil von vorne.

Von den insgesamt neun n-Kurzformen sind drei enklitisch an die Partikel so gebunden und eine weitere ist - wie oben erwähnt- mit das ist zu dasn verschmolzen. Im Channel #linux fanden sich weiter Formen wie isn, nurn, nochn.

Die Kurzformen für die Neutra im Nominativ und Akkusativ weisen aber ausser dem häufig enklitischen Auftreten weitere Besonderheiten auf. Wie in der dritten Spalte ersichtlich wird, werden viele der zu erwartenden n-Kurzformen durch die 'erweiterte' Kurzform nen ersetzt.

Im Nominativ als Subjekt:
<ciro> Schlummi nen lesezeichen wär nicht schlecht gewesen *g*
Oder als Prädikativum beispielsweise:
<HermanDos> man ist das nen kack heut
Als Akkusativobjekt z.B.:
<KitCat> konny: wo hast du denn nen vorstellungsgespräch?
Und als Monokasus:
<kbl> sind glaube ich nicht unendlich drauf aber nen paar

Insgesamt finden sich zehn nen anstelle von n, geäussert von fünf verschiedenen Personen: je drei von <KitCat> und <TheMatrix01>, zwei von <kbl> und je eines von <ciro> und <HermanDos>. Es handelt sich also keineswegs um eine Einzelbildung oder um eine idiolektische Form. Dagegen stehen nur fünf nicht mit einem anderen Wort zusammengezogene n-Formen.[4]

Es ist nicht sicher zu entscheiden, wodurch dieser Wechsel von n zu nen erzeugt wird. Einerseits kann es sich um eine Übergeneralisierung der Akkusativ-Kurzform des indefiniten Artikels der Maskulina handeln. Es fällt aber auf, dass bei allen fünf alleinstehenden n-Formen das vorangehende Wort auf Konsonant endet, während bei fünf der zehn ersetzten Formen das vorangehende Wort mit einem Vokal endet (Schlummi, sie, du, aber , war ), so dass der nachfolgende Artikel n einen Hiatus erzeugt, der durch den Ersatz mit nen getilgt wird.[5] Systematisch ersetzt wird n, wenn das vorangehende Wort auf Vokal + n(n) lautet (Belege aus beiden Channels):
<rantanplan> kannst ja nur einmal starten und dann nen jahr durchlaufen lassen :).
<KitCat> konny: wo hast du denn nen vorstellungsgespräch?
<Eimann> aber ich hab schon nen paar pornos in guter quali gezogen ;o
<foxi> ich hab shcon nen tollen them runtergeladen :p

Der indefinite Artikel im Femininum:

  Standard Kurzform
Nominativ

eine

 

ne
so ne

3
1

Akkusativ
mit Präposition

eine
in eine
um eine

  2
1
1

ne
auf ne
für ne
was fürne

29
1
1
1

Dativ
mit Präposition

einer
auf einer
in einer
von einer
zu einer

 
1
1
1
1

ner
mit ner
in ner
voner

 
1
1
1

Total

8

39

In der ersten Spalte finden sich die standarddeutschen Feminina, die im Nominativ und Akkusativ als eine, im Dativ als einer realisiert werden.

Im Akkusativ als Objekt realisiert ist dies beispielsweise:
<kim> wenn man jetzt theoretisch in nero
<kim> eine bootable cd erstellen will

Und mit Präpositionen:
<HermanDos> kann mir jemand sagen was ich in eine index.html schreiben muss um eine weiterleitung zumachen?
<HermanDos> zu einer anderen seite so das das automatisch geht

In der zweiten Spalte finden sich die Kurzformen, die bei den Feminina entsprechend ne und ner lauten.

Im Nominativ findet sich ein Subjekt mit so:
<Schlummi> so ne sportliche atmosphäre passt hier ned so richtig
Und als Prädikativum beispielsweise:
<Nike|bisi> war kein marihuahna, war doch nur ne stechpalme
Fast alle Akkusative werden in der Kurzform realisisert, z.B.:
<duzzel> hm, ich glaub ich muss mir noch ne sicherheitskopie saugen
Bei den Präpositionen mit Akkusativ wie mit Dativ finden sich ebenfalls Kontraktionen:
<blackdeath> was muss ich den fürne ip angeben für die jeweiligen netze? mein lokale oder real ip? weil die wechselt ja immer
<kbl> willst du nen image voner CD mit Bewerbungen?

Auswertung und Interpretation:

Insgesamt werden 106 indefinite Artikel verwendet, 82 in verkürzter Form, 24 in der Standardform. Bemerkenswert ist zudem, dass fast ein Drittel der Standardformen, nämlich sieben, von derselben Person (<kim>) stammen. Weitere drei Standardformen gehören zu einer auf zwei Turns ausgedehnten Aussage von <HermanDos> (vgl. Feminina, erste Spalte, Akkusativ und Dativ mit Präpositionen).

Die in der mündlichen Umgangssprache gängigen Kurzformen für den indefiniten Artikel werden also in hohem Masse nach dem phonetischen Prinzip auch im Chat realisiert.

Auffallend ist dabei die häufig zu beobachtende Enklise oder Verschmelzung mit vorangehenden Präpositionen. Dies erfolgt wahrscheinlich in Analogie zu entsprechenden Formen beim definiten Artikel, die sich zum Teil auch in der Standardsprache durchgesetzt haben (im, zur usw., vgl. das nächste Kapitel).

So ein in all seinen Ausprägungen (inklusive der häufig anzutreffenden Verschmelzung) ersetzt das stilhöhere solch (ein).

Was für ein, was fürne, was fürn ersetzen das stilhöhere welch. Zwar fragen Bildungen mit was für eher nach einer Eigenschaft, während welch nach einem bestimmten Objekt fragt, aber eine genauere Betrachtung des Kontexts der hier belegten was für zeigt, dass jedes durch welche/welchen/welches ersetzt werden könnte. Die Präzisierung der Frage bzw. die Antwort bezieht sich immer auf ein bestimmtes Objekt:
<blackdeath> was muss ich den fürne ip angeben für die jeweiligen netze? mein lokale oder real ip? weil die wechselt ja immer
<Schlummi> was hat denn der fürn job zu vergeben?
<konny> verkäuferin oder so glaub ich
<duzzel> was hat der da für ein programm?
<TheMatrix01> pruuust

Bemerkenswert sind die Tendenzen, die Kurzform n für Neutra durch die Kurzform der Maskulina nen zu ersetzen oder aber durch oben beschriebene Enklise oder Verschmelzung zu umgehen (son, dasn, isn, nurn, nochn).

 

3 Der definite Artikel

Häufig ist im Chat auch das Zusammenziehen von Präposition und definitem Artikel zu beobachten. Solche kontrahierten Formen sind zum Teil ja bereits in die Standardsprache eingedrungen. Im Chat lässt sich eine Tendenz zu weiteren analogen Bildungen beobachten.

Die folgende Tabelle ist Helbig/Buscha (2001: 348-350, 355) entlehnt und hier ergänzt worden. Die Felder mit heller Schrift bezeichnen die standardsprachlichen Formen nach Helbig/Buscha (2001: 348); nach diesen Formen wurde deshalb nicht gesucht. Die weissen und hellgrauen Felder werden von Helbig/Buscha (2001: ebenda) als umgangssprachliche Formen gewertet; hellgrau bedeutet, dass sie auch in diesem Chat-Korpus vorkommen.

Die dunkelgrauen Felder sind die interessantesten. Es handelt sich um Neubildungen, die in den beiden Channels #HoC und #linux zu finden sind.

  an auf bei durch für hinter in über um unter von vor zu

Mask./Neutr.
dem =>

 
am
auf'm
aufm
 
beim
     
hinterm
 
im
 
überm
   
unterm
 
vom
 
vorm
 
zum
Neutr.
das =>
 
ans
 
aufs
   
durchs
 
fürs
 
hinters
 
ins
 
übers
 
ums
 
unters
   
vors
 
Fem.
der =>
   
aufer
                     
zur
Mask.
den =>
   
aufn
       
hintern
   
übern
   
untern
     

Die Neubildungen:
<Raz> wenn ich hier alles ausstelle, fuehle ich mich wie auf'm Friedhof, rantanplan :)
<Bimbo> bei dir aufm bildschirm vieleicht
<Schlummi> es haben doch so viele typen ihre dokus als pdf aufm netz
<Schlummi> habs zuerst aufm word geschrieben und mich grün und blau geärgert
<blackdeath> wenn ich aufm ftp connecten will bekomm ich immer 425 Cannot open data connection (10060).
<TheMatrix01> also al wenn es aufm Tisch liegt und auch richtung Tischkante knipst (hocke)
<konny> ich hab da ja angerufen und der stand gerade aufer autobahn und hatte nen platten :) er meinte ich soll morgen nochmal anrufen
<foxi> aber das fluxbox diese scheiss warning incl 5 seks wartezeit ausspcukt geht mir echt aufn sack

Die Präposition auf zeigt sich also als besonders günstig für das Entstehen neuer enklitischer Formen: aufm, aufn, aufer.

Nicht angeführt werden von Helbig/Buscha (2001: 355) die Präpositionen aus und mit, die hier ebenfalls mit dem Artikel verschmolzen werden:
<mfn|still_vs|qt3> onkelchen: wenn das nu ne bin ich spring ich aus'm Fenster
<foxi> bin ma mim hund gassi der nervt mich

Für die nach Helbig/Buscha (2001: 348) umgangssprachlichen Formen fürs, übers, ums und vors findet sich je ein Beleg, für vorm gibt es sogar vier.

Standardsprachlich gebraucht werden folgende Formen, obwohl sie in der Tabelle als umgangssprachlich mögliche Zusammenziehungen aufgeführt sind: Zwei Mal auf der, zwei Mal auf den, einmal vor das, einmal für das und einmal von dem, das aber eventuell als betonte Form bewertet werden muss und folglich nicht zur Enklise fähig wäre.[6]

Es zeigt sich also, dass in der Umgangssprache das Verfahren der Verschmelzung von Präposition und definitem Artikel produktiv und infolge der Anwendung des phonetischen Prinzips im Chat belegt ist.

 

4 Ausfall und Enklise von Personalpronomina

Zum einen lässt sich häufig die Enklise des Personalpronomens an das vorangehende Finitum beobachten, zum anderen fällt das Personalpronomen zum Teil ganz weg, auch bei erwarteter "Normalstellung", d.h. Stellung des Personalpronomens vor dem Finitum. Zu beobachten sind in den beiden Channels Ausfälle des vorangestellten Personalpronomens in der 1. Person sg und 2. Person sg und pl, Enklise oder Ausfall des nachgestellten Personalpronomens in der 2. Person sg sowie enklitische Formen der nachgestellten Personalpronomina es und sie in der 3. Person sg und pl.

Ausfall des vorangestellten Personalpronomens in der 1. und 2. Person:

1. Person sg:

<Nike> ne, hab kein bong mehr, ham katzen kaputtgemacht - und ich hab gelb/grüne farbe an wand :p
<Schlummi> hab se ja schon lange abgegeben
<ciro> bin noch am angucken
<ciro> nö, aber kenn genug die haben
<KitCat> bin was essen

1. Person pl:

<Nike> ham ja keinen :D

2. Person sg:

<Krazy> ne duzzel hast recht funzt irgendwue nicht
<kim> kannst vpn joinen
<ciro> hast wohl haufen meta tags reingehaun, nike ?

Die Ausfälle der vorangestellten Personalpronomen der 1. und 2. Person liegen im Telegrammstil begründet.

Enklise oder Ausfall des nachgestellten Personalpronomens in der 2. Person:

Enklise:

<Schlummi> wie findeste das layout
<Schlummi> damit kannste auch grad das klo heizen
<kim> heut gehste aber früh ins bett

weitere Beispiele: willste, haste, tuste, fährste, weisste, sparste, kannste, meinste, brauchste, kommste, pennste, koennteste, bastelste, löschste usw.

Die enklitischen Formen sind häufig zu beobachten. Im Channel #HoC findet sich diese Form sechzehn Mal, während die standarddeutsche Form zwölf Mal vorkommt. Im Channel #linux finden sich dreizehn Enklisen, drei davon betreffen das Verb haben: haste. In diesem Channel ist die getrennte Form aber häufiger: insgesamt wird sie vierunddreissig Mal realisiert; davon betreffen mehr als die Hälfte, nämlich neunzehn Vorkommen, das Verb haben: hast du, wobei neun allein von der Person <Rantanplan> stammen.

Die bei der Klitisierung zugleich stattfindende Nebensilbenabschwächung von u zu weist darauf hin, dass dieses Phänomen nicht auf stilistischer Ebene greift. Vielmehr ist davon auszugehen, dass hier erste Tendenzen einer Grammatikalisierung in Richtung pro-drop zu beobachten sind. Nach Lehmann (1991: 493) ist der Grammatikalisierungsprozess dadurch definiert, dass ein lexikalisches (oder weniger grammatisches) Element zu einem grammatischen Element wird. Dabei treten folgende Teilprozesse auf:

1. Teilprozess: Verlust an phonologischer Substanz - Nebensilbenabschwächung und Klitisierung.

2. Teilprozess: Verlust an semantischer Substanz - das Pronomen verliert an referentieller Bedeutung. Diese Bedeutung trägt jetzt die Verbendung (siehe unten: nur die Endung der 2. Person ist eindeutig).

3. Teilprozess: Verlust an syntaktischer Freiheit - da das Pronomen klitisiert wird, kann es nicht mehr frei bewegt werden.

Es stellt sich die Frage, welche Faktoren pro-drop begünstigen und weshalb dieses Phänomen nur bei nachgestellten Personalpronomina auftritt. Dazu lassen sich folgende Überlegungen anstellen:

Die erste Überlegung betrifft die Formenbildung der Verben im Deutschen. Die am häufigsten verwendeten Tempora im Mündlichen und im Chat sind das Präsens und das Perfekt. Deshalb lohnt sich ein Blick auf die Präsensformen der regelmässigen Verben sowie auf die Verben sein und haben, die zur Bildung des Perfekts gebraucht werden:

  Präsens regel-
mässiger Verben:
haben sein
sg pl sg pl sg pl
1. Pers. -e -en habe haben bin sind
2. Pers. -st -t hast habt bist seid
3. Pers. -t -en hat haben ist sind

In allen drei Paradigmen ist zu sehen, dass sich die Formen der 1. und 3. Person pl nicht unterscheiden lassen. Erst durch das Personalpronomen (wir vs. sie) lässt sich die Person eindeutig bestimmen. Weiter ist zu sehen, dass bei den regelmässigen Verben die Formen der 3. Person sg und der 2. Person pl nicht zu unterscheiden sind ohne die entsprechenden Personalpronomen (er, sie, es vs. ihr). Die 1. Person sg ist bei den regelmässigen Verben gleichlautend mit dem Imperativ, sowohl in der standarddeutschen als auch in der mündlichen und im Chat häufig realisierten Form mit ausgelassenem Schluss-e:

Ich frage / frag ihn um Rat.
Frage / Frag ihn um Rat.

Folglich ist lediglich die 2. Person sg anhand ihrer Deklinationsendung eindeutig erkennbar und das Personalpronomen überhaupt erst ohne semantischen Verlust weglassbar und somit günstig für pro-drop.[7]

Eine zweite Überlegung betrifft die in der deutschen Sprache allgemein zu beobachtende Tendenz, das dem Verb folgende Wort mit diesem zu verschmelzen. In den beiden untersuchten Channels finden sich beispielsweise die Kontraktionen heißten für 'heisst denn', issen für 'ist denn' und sehr häufig enklitisches es (vgl. unten): ich habs, er tuts usw.

Eine dritte Überlegung betrifft den semantischen Bereich. Das nachgestellte Personalpronomen der 2. Person sg ist insofern günstig für pro-drop, als durch die vorangegangene eindeutige Verbform (siehe oben) die Person schon bekannt ist und das Personalpronomen lediglich redundante Information liefert:

du siehst .... Personalpronomen kündigt Person (du) an
siehst ..(du) ... durch die Verbform ist Person bereits bestimmt, keine neue Information durch Personalpronomen.

Es ist nicht abzusehen, ob oder wie weit sich dieser Grammatikalisierungsprozess durchsetzten wird. Interessant ist aber ein Blick ins Berndeutsche. Pro-drop-Phänomene der 2. Person sg sind auch dort zu beobachten. So schreibt Marti (1985: 92): "Je nach der Stellung im Satz und der dem Pronomen zugedachten Wichtigkeit erscheint besonders das nachgestellte Personalpronomen in verschiedener Lautgestalt, was bis zum völligen Verschwinden führen kann: Hesch du das gseh? Hesch de das gseh? Hesch das gseh?". Tatsächlich wird das nachgestellte Personalpronomen der 2. Person sg normalerweise ganz weggelassen. Aber auch das vorangestellte Personalpronomen zeigt Tendenzen eines Abbaus. In Nebensätzen wird nach Fragewort oder Konjunktion das Personalpronomen zu d, zu t oder sogar auf einen Glottissschlag reduziert (I weiss, was de meinsch/ was t meinsch/ was meinsch). Im Berndeutschen zeigt sich dieser Abbau also weiter ausgebaut als im Standarddeutschen.

Ausser der bisher besprochenen -ste Form finden sich weitere kontrahierte Formen bei nachgestelltem Personalpronomen:
<konny> hata ihn vergrault?
<rantanplan> hassu auch e17 mfn?

Ausfall:

Vereinzelt ist auch der Ausfall des nachgestellten Personalpronomens zu beobachten. Es lässt sich nicht entscheiden, ob es sich dabei um einen weiteren Abbau der kontrahierten -ste Form handelt oder ob der Ausfall als Telegrammstil gewertet werden muss.
<konny> warst schon schauen???
<blackdeath> was meisnt wieviele leute jetzt sterben werden wegen dir
<kbl[ZzZz]> ja was fragst dann?

Enklise des nachgestellten Personalpronomens in der 3. Person:

3. Person sg:

Es wird, wie in der Umgangssprache üblich, auch im Chat sehr häufig enklitisch verwendet,[8] und zwar sowohl im Nominativ wie auch im Akkusativ. Dabei verbindet es sich nicht nur mit vorangehenden Verben, sondern z.B. auch mit Personalpronomina, Fragepartikeln und Konjunktionen:

Verb + es:

es als nachgestelltes Subjekt:

gibts <kbl1> gibts doch nicht
<Schlummi> dann gibts kein Abendbrot heute
<konny> ganich nike da gibbes voll die probs *grml*
hats <TheMatrix01> wie lang hats bei dir gedauert?
<Area51> irgendjemand hats ihm eingerichtet^^
gings <master> das letzte mal gings daneben :D
wars <onkelchen> oder wars verrotet? *G*

es als Objekt:

habs <Schlummi> habs zuerst aufm word geschrieben und mich grün und blau geärgert
<foxi> aber ich habs installiert !
<Area51> ich habs doch gelesen
schreibs <Floh2k> schreibs doch in deine .bashrc
installiers <rantanplan|math> ich installiers nun auchmal.
wills <foxi> ich wills doch installieren !

Personalpronomen + es:

ichs/ich's <rantanplan> oh, da hab ichs noch besser :o).
<Floh2k> och, da behalt ichs lieber, geht ja noch ;)
<machtfuernacht> Ah nu hab ich's hehe kleines Drecksding
dus <foxi> machtfuernacht wie hast dus installiert ?
ers <foxi> dann startets ers

Fragepartikel + es:

wanns <rantanplan> hm, ich bin noch dabei fragt sich nur wanns fertig wird.

Konjunktion + es:

wenns <blackdeath> ich seh schon am freitag wenns zur prüfung ghet muss ich 3 std vorher losfahren
<JamesBlast> wenns einer lösen kann, wird er schon was zu sagen
weils <kbl[ZzZz]> Weils probleme mit der Datenbank gibt

3. Person pl:

<Nike> und seit ich da kiga-mama-bin, hamse sogar wen, der sich um rechner und page kümmert *G*
<Nike|bisi> das hamse

Sowohl ham für haben wie auch se für sie (in allen Kasus) findet sich häufiger im Chat, wobei es sich um dialektale Ausprägungen handelt. Zusammengeschrieben wird es beide Male von der gleichen Person und ist daher wohl als idiolektische Bildung zu werten.

Die durch den Telegrammstil begründeten Ausfälle des Personalpronomens sind sprachökonomischer Natur, bedingt durch die technischen Bedingungen des Chats. Enklitisches es und hamse der dritten Person sind umgangssprachlicher Natur und werden nach dem phonetischen Prinzip verschriftet.

Die Ausfälle der 2. Person sg sind Ausdrücke eines sich vollziehenden Grammatikalisierungsprozesses und finden ebenfalls infolge des phonetischen Prinzips Eingang in den Chat.

 

5 Zusammen- / Getrenntschreibung

Das Zusammenschreiben von Wörtern ist aber weit über die bisher festgestellten Erscheinungen hinaus häufig zu beobachten. Diese im Folgenden betrachteten Zusammenschreibungen geschehen keineswegs willkürlich. Zusammengeschrieben werden Wörter, die als semantische Einheit empfunden werden. Aufzeigen lässt sich diese Einheit oft durch Paraphrasierung mit einem Wort, welches aber meist einer anderen, häufig höheren Stilebene angehört. Teilweise lässt sich anhand der einzelnen semantischen Aspekte der Wortbildungselemente die Gesamtbedeutung erschliessen. Zu beobachten sind auch Analogiebildungen zu bereits bestehenden Wörtern. Während viele Wortbildungen nur einmal vorkommen, gibt es doch einige, die häufiger sind.

Zusammenschreibungen mit mal

Sehr produktiv sind Wortbildungen mit mal.

numal

Die Wortbildung nunmal (hier dialektal als numal) lässt sich durch die Abtönungspartikeln 'eben' oder 'halt' paraphrasieren.
<Nike> und die kriegen nicht eingeloggte numal

nochmal/nochma

Das umgangssprachliche nochmal[9] bzw. dialektale nochma für noch einmal stellt die stilniedrigere Variante zum Temporaladverb nochmals dar. Es kann auch mit 'wiederum' oder 'erneut' paraphrasiert werden. Auch die Gegenstücke nicht mehr und emphatisch nie wieder finden sich als Zusammenschreibungen (siehe unten).
<konny> ich hab da ja angerufen und der stand gerade aufer autobahn und hatte nen platten :) er meinte ich soll morgen nochmal anrufen
<JamesBlast> aber mach nochmal ein backup auf ne cd oder so ;)
<foxi> ich versuchs nochma
<Eimann> mal schaun, vielleicht setz ich mich da nochma dran

Interessant ist, dass nochmal auch abtönend bei Fragen gebraucht wird. Als Abtönungspartikel drückt nochmal aus, dass man die Antwort eigentlich kennen sollte, aber nochmals fragen muss.
<mfn|vs|qt3> was musste man nochmal dazu angeben damit ein Programm net die konsole blockiert?
<Area51> wie konnte man nochmal wo hin telneten
<spooky> wie war nochmal der befehl wie ipconfig unter win?
<rantanplan|helping> was fuer ld dateien gibts nochmal in /etc ?
<rantanplan|helping> was war nochmal in ld.so.conf drinn?

Fast durchgehend wird die zusammengeschriebene Form verwendet. In den beiden Channels findet sich diese vierundzwanzig Mal, während noch mal nur einmal gebraucht wird sowie noch einmal und nochmals gar nicht vorkommen.

nichtmal/netmal/nichma

Nicht einmal stellt als zweiteilige Fokuspartikel eine Einheit dar und bildet die Negation zu sogar. Hier findet sich nicht einmal fünf Mal und ausschliesslich zusammengeschrieben (in verschiedenen dialektalen Varianten).
<rantanplan|math> jemand ne idee wie man eine von XFree86 4 nicht unterstützte gfx karte unter XFree86 4 zum laufen bekommt? unter XFree86 3.x wurde sie noch supported, allerdings funzt unter XF 4 nichtmal die minimalistischste konfiguration....
* machtfuernacht hat ja Eterm 0.9.2 netmal gebacken bekommen
<machtfuernacht> ich komm nichma an die Menüs ran
<foxi> make macht nichma 2 seks
<Area51> bis ich zu ihm gekommen bin wusste er noch nichtmal wie man accs erstellt :_D [10]

aufeinmal

Die Wortbildung aufeinmal kann durch das Adjektivadverb 'plötzlich' paraphrasiert werden.
<master> weil wenne von 20 verschiedenen clients aufeinmal ne anfrage an verschiedene programme gibst über einen port, dann gibt das nur nen durcheinander und der rechner kann die pakete nicht lesen

schonmal

Da die Bedeutung von schonmal variiert - abhängig davon, ob eine der Komponenten abtönend gebraucht wird - , scheint hier ein weiterführender Exkurs angebracht.

Bei mal ist teilweise nicht leicht zu entscheiden, ob es sich im jeweiligen Fall um die umgangssprachliche Form mal für einmal und somit um ein Temporaladverb oder um eine Abtönungspartikel handelt.

Eindeutig als Temporaladverb deuten lässt sich (ein)mal, wenn es als Numerale gebraucht wird (vgl. einmal, zweimal, usw.). Ebenfalls als Temporaladverb begegnet (ein)mal im Sinne von 'irgendwann einmal', vgl. Es war einmal ... Auch wenn sich die Gebrauchsweise von mal = 'irgendwann einmal' nicht auf 'ein einziges Mal' beschränkt, wird es hier als Temporaladverb verstanden, vgl. Hast du schon mal indisch gegessen? - Ja, ich war schon mehrmals im Maharadscha Palace/Nein, das habe ich noch nie probiert.[11] Dass auch in diesem Fall wie bei den anderen adverbialen Gebrauchsweisen die entsprechende Negation nie = 'zu jedem beliebigen Zeitpunkt nicht' lautet, verweist deutlich auf den temporalen Aspekt.

Als Abtönungspartikel gebraucht verleiht mal (insbesondere bei Aufforderungen) Beiläufigkeit, Abgeschwächtheit und meist auch Höflichkeit. Die temporale Bedeutung fällt grösstenteils weg. Abstrakt kann sie noch erfasst werden, wenn sie in Imperativsätzen und Entscheidungsfragen gebraucht wird (Komm mal her; Gehst du mal ans Telefon?). Weydt/Hentschel (1983: 14) zeigen, dass mit mal eine perfektivierende Wirkung erzeugt wird, indem z.B. bei Aufforderungen nicht eine Forderung nach einer dauernden Handlung, sondern nach einer einmaligen, zeitlich begrenzten erhoben wird und die Bitte dadurch kleiner und leichter zu erfüllen scheint. Die Kontrastierung mit Aspektsprachen verdeutlicht, dass die Wirkung durch Perfektivierung erzeugt wird. Der Gebrauch von mal bei Aufforderungen im Deutschen entspricht auf pragmatischer Ebene dem Gebrauch des perfektiven Aspekts z.B. im Serbischen und Russischen (vgl. Hentschel 1991: 139-145). Bei Assertionssätzen (Ich geh mal nach Hause; Dann ist das mal erledigt; Ich weiss nicht mal, wie du heisst; Ich kann dir das nächste Woche mal zeigen) kann mal nur stehen, wenn diese in keiner Weise durativ markiert sind. Diese Einschränkung belegt ebenfalls die perfektivierende Wirkung der Abtönungspartikel (vgl. Hentschel 1991: 145-147). Zu erkennen ist also eine übergreifende Bedeutung zum Numerale einmal.[12]

Schon in nicht-abtöndendem Gebrauch ist - wie auch noch - je nach syntaktischem Kontext als Fokuspartikel oder (Temporal-)Adverb zu interpretieren (vgl. beispielsweise König 1991: 796f./800). Über die Bedeutungskomponente 'erreicht' hinaus stellen schon und noch meist einen Bezug zu einer Erwartungshaltung her, beispielsweise zwischen dem tatsächlichen und dem erwarteten Ereigniszeitpunkt. Bei schon liegt der tatsächliche vor dem erwarteten, bei noch verhält es sich gerade umgekehrt, vgl:

Er ist schon da. (Ich dachte, er käme erst später.)
Er schläft noch. (Ich dachte, er wollte früh aufstehen.)

Weydt/Hentschel (1983: 16) sehen die übergreifende Bedeutung von nicht-abtönendem Gebrauch und der Abtönungspartikel schon darin, dass "eine kleinere Einheit aus einer grösseren, umfassenderen ausgegliedert" und dabei "der mit schon gekennzeichnete Teil als der bereits erreichte (d.h. zutreffende) charakterisiert" wird. Aber auch der Aspekt der Erwartung ist in der abtönenden Gebrauchsweise meist festzustellen, wobei sich die Erwartung nicht nur auf den Zeitpunkt beziehen kann, sondern auch auf einen beliebigen anderen Sachverhalt. Insgesamt lassen sich aus den übergreifenden Aspekten 'erreicht' und 'Erwartung' zwei Modifikationsmuster herausarbeiten, wobei bei abtönendem Gebrauch entweder das eine, das andere oder beide zum Einsatz kommen.[13]

Zum einen kann sich die Bedeutung von schon bei abtönendem Gebrauch dahingehend modifizieren, dass die Erwartung nicht wie bei nicht-abtönendem Gebrauch im Sinne einer Annahme, dass ein Zustand, Vorgang oder eine Handlung eintreten wird, zu verstehen ist, sondern als Forderung oder Wunsch. Dabei wird gleichzeitig das Ereignis als '(noch) NICHT eingetreten/erreicht' markiert. Das Eintreffen kann möglicherweise noch erfolgen oder auch ausgeschlossen sein:

Imperativsätze: Komm schon, beeile dich! - Der Sprecher fordert, dass das Ereignis eintritt.

Assertionssätze ohne futurische Bedeutung: Du hast schon recht, aber ... - Weitere Forderungen/Wünsche sind nicht erfüllt/erreicht. (Andere aber schon; diese Verwendung impliziert gleichzeitig auch ein Einräumen.)

Das ist schon eine Crux mit uns. - Sprecher fordert/wünscht, dass Situation anders wäre, dies ist aber nicht der Fall/eingetroffen.

Elliptische Sätze: A: Er hat eine schöne Wohnung. B: (Das) schon. (Aber sie ist viel zu klein). - Weitere Forderungen/Wünsche sind nicht erfüllt/erreicht. (Ebenfalls einräumend.)

Assertionssätze mit futurische Bedeutung: Ich krieg dich schon. Er wird schon kommen. - Wunsch/Forderung, dass ein Ereignis eintreffen wird. (Oder auch: dass ein Ereignis nicht eintreffen soll, vgl: Er wird schon kommen, auch wenn er nicht eingeladen ist.) Auf jeden Fall wird das Eintreffen als ziemlich sicher erachtet.

Bestimmungsfragen (positiv-rhetorisch): A: Wer hat den "Zauberberg" geschrieben? B: Na, wer schon? - Es wird gefordert, dass die Proposition bekannt ist. In diesem Fall (wie auch bei der negativ-rhetorischen Bestimmungsfrage, siehe unten) bleibt aber unklar, ob die Erwartung erreicht ist oder nicht.

Zum anderen kann die Partikel ausdrücken, dass etwas nicht nur unerwartet früh (wie bei nicht-abtöndendem Gebrauch), sondern gänzlich unerwartet eingetreten ist. Wie beim nicht-abtöndenden Gebrauch ist dabei die Erwartung nicht speziell als Forderung oder Wunsch markiert, und das Ereignis ist bereits eingetreten. Ein solcher Gebrauch der Abtönungspartikel kann bei mit wenn eingeleiteten Nebensätzen vorkommen:

Wenn ich schon (wider Erwarten) mal da bin, ...

oder bei Bestimmungsfragen (negativ-rhetorisch): Wer will schon ohne Heizung wohnen? - Eine positive Antwort wäre unerwartet. Auch bei der negativ-rhetorischen Bestimmungsfrage bleibt (ohne Kontext) unklar, ob das Ereignis eingetreten ist oder nicht.

Bei wenn-Sätzen können aber auch beide Modifikationen (sowohl 'wider Erwarten' als auch 'gefordert/nicht eingetreten') gleichzeitig auftreten:

Wenn er schon (wider meine Erwartung/Forderung an ihn) nie kommt, soll er wenigstens mal einen Brief schreiben. ich erwarte/fordere, dass er kommt.

Wenn er schon (wider meine Erwartung/Forderung an ihn) kommt, obwohl ich ihn nicht eingeladen habe, soll er wenigstens etwas mitbringen. ich erwarte/fordere, dass er NICHT kommt.

1. Gebrauchsweise: nicht-abtönender Gebrauch der beiden Komponenten schon und mal

Die Negation von schonmal in seiner ersten Gebrauchsweise lautet noch nie. Während schon hier danach fragt, ob das Ereignis bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten ist, drückt noch in der Negation aus, dass das Ereignis bis zum Sprechzeitpunkt auf sich warten lässt. Durch mal wird ausgedrückt, dass das Ereignis zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb der Zeitspanne bis zum Sprechzeitpunkt eingetreten sein kann, nie bezeichnet, dass das Ereignis zu keinem der innerhalb der Zeitspanne beliebig möglichen Zeitpunkt eingetreten ist. Durch diese Kombination entsteht für schonmal die temporale Bedeutung 'irgendwann einmal zu einem beliebigen, früheren Zeitpunkt'.
<noXXen> irgendjemmand hier der schonmal linux auf einer xbox installiert hat
<noXXen> jemand hier der schonmal linux auf einer xbox installiert hat?
<cosmotic> foxi: schonmal was von themes gehört?

2. Gebrauchsweise: abtönender Gebrauch von mal

Hier bedeutet schon, dass der Zustand früher als erwartet, geplant oder vorauszusehen eintritt. Mal findet sich hier weder als Numerale noch als Temporaladverb in der Bedeutung 'irgendwann einmal'. Abtönend entwickelt es hier deutlich eine perfektivierende Wirkung, welche mit der schon innewohnenden Bedeutungskomponente 'erreicht' einhergeht.
<stderr> so wisst ihr schonmal die ver. vonner Imlib :)

3. Gebrauchsweise: abtönender Gebrauch von schon

In der dritten Gebrauchsweise steht mal als Numerale und meint deutlich 'ein einziges Mal'. Diese temporale Bedeutung zeigt sich auch deutlich in der Negation: wenn schon nie.... Dass schon nicht durch noch ersetzt werden kann, weist dieses ausserdem als Abtönungspartikel aus. Es zeigt sich aber, dass schon in der negierten Form nochmals eine andere Bedeutung erhält. Für wenn schonmal ... ergibt sich die Bedeutung von schon aus dem zweiten Modifikationsmuster 'wider Erwarten', während in der Negation wenn schon nie... beide Modifikationsmuster zum Tragen kommen: 'wider Erwarten' sowie 'gefordert/nicht eingetreten'.
<Area51> ne wenn schonmal einer offen ist muss der auch genutzt werden^^

Zusammenschreibungen mit so

Während die neue Rechtschreibung Formen mit so vermehrt getrennt schreibt, finden sich im Chat viele Zusammenschreibungen mit so.

solang

Dieser Gebrauch als Adverb entspricht der Standardschreibung (solange) und bedeutet 'währenddessen'.
<konny> ich warte hier solang auf dich

soweit

Da nach Duden (2000: 906) soweit nur als Konjunktion zusammengeschrieben wird,[14] wäre soweit in dieser modal-adverbialen Verwendung getrennt zu schreiben.
<Nike|bisi> hardware liegt doch schon soweit angeschlossen

soviele

Während der Duden (2000: 905) auch für die Konstruktionen so + viel ausser für die Konjunktion neu durchwegs Getrenntschreibung vorgibt, findet sich hier eine interessante Zusammenschreibung von so als Intensivpartikel und viele als Adjektiv.
<machtfuernacht> kaffeetrinken: ich weiß das das da sein musste, nur da gibts soviele Verzeichnisse

soschnell

Mit der Zusammenschreibung von so und schnell findet sich sogar eine Bildung, die nicht in Analogie steht zu einer existierenden Form, wie dies bei soviel der Fall ist. Ausschlaggebend ist also primär die syntaktische und semantische Nähe der Intensivpartikel zum Adverb sowie wohl die allgemeine Fähigkeit und Tendenz von so zur Proklise.
<kim> nur dann bin ich ja heute abend wieder soschnell müde

sowas

Ein neues Demonstrativpronomen sowas wird aus so und dem Indefinitpronomen etwas gebildet. Diese Wortbildung ersetzt die stilhöhere Entsprechung solch(es), ist aber nicht deklinierbar. In den beiden Channels findet sich sowas ausschliesslich zusammengeschrieben und wird neunzehn Mal verwendet.
<noXXen> die scheinen sowas nicht zu haben
<blackdeath> sowas hab ich ja noch nie gesehn
<Netgrabber|away> ich hasse es wenn sowas passiert!
<KitCat> davon will ich erst recht nen bild! nachdem ich nike ja nun kenne, will ich wissen, wie sie in sowas aussieht...

Das Syntagma sowas von ist der stilniederere Ausdruck für 'solchermassen' oder 'dermassen'. Der gemeinsame Gebrauch von sowas von zusammen mit seiner Entsprechung dermassen dient der Emphase.
<JMD> sowas von dermassen klein gedruckt

Wie in Kapitel 2 zu sehen war, findet sich auch eine starke Tendenz, so mit dem indefiniten Artikel zu verbinden: son, sonen, sone usw.

Weitere Zusammenschreibungen mit schon, noch, nur, immer, wieder

immernur

Das Adverb immer in der Bedeutung 'sich jeweils wiederholend' modifiziert die Bedeutung 'nicht mehr als' des Adverbs nur zur Gesamtbedeutung 'nie mehr als'.
<rantanplan> und kann immernur ein netzwerk device aktiv haben, entweder BNC oder 10mbit ethernet :o).

immernoch

Die Wortbildung immernoch lässt sich mit 'anhaltend' paraphrasieren. Die dem Adverb noch hier zugrunde liegende Bedeutung 'anhaltender Zustand[15], Ende erwartet/erwünscht' wird durch das Adverb immer mit der Bedeutung 'gleichbleibend' oder 'sich jeweils wiederholend' intensiviert. Mit der Negation nicht bezieht sich das 'anhaltend' nicht auf den aktuellen Zustand, sondern auf das Nicht-Erreichen des erwünschten Zustands.
<rantanplan|vs|x> naja, dannn wartet der immernoch 5 sekunden, aber gibt keine message mehr aus.
<rantanplan|vs|x> *X immernoch kompilier*.
<mfn|vs|qt3> boa Qt kompiliert immernoch
<mfn|vs|qt3> immernoch am kompilieren
<mfn|still_vs|qt3> Qt3 is immernoch am backen grmpf
<Nike|bisi> 14 uhr und immernoch nich umgestellt
<mfn|vs|qt3> der is mit der rpm immernoch net fertig
<mfn|still_vs|qt3> is das net cool Qt backt immenroch

nurnoch

Die Wortbildung nurnoch lässt sich mit 'einzig' paraphrasieren. Bei beiden Adverbien schwingt die Bedeutung 'nichts weiter als' mit, die sich durch das Zusammenziehen als die zentrale herauskristallisiert und verstärkt wird.
<ciro> färhste nurnoch in die garage, hast wlan karte im auto und accesspoint in garage, und kannst ins internet
<ciro> brauchst nurnoch zum kaggen und futtern raus :)

netmehr/nichmehr

Die standarddeutsche Form nicht mehr ist als feste grammatikalische Form zu betrachten. So nennen sie Helbig/Buscha (2001: 559) 'mehrteiliges Negationswort'. Mehr steht beim Gebrauch mit einer Negation nicht als Komparativ zu viel, sondern es sagt aus, dass die negierte Aussage vorher nicht-negiert bestanden hat. In schweizerdeutschen Varietäten wird nicht mehr durch ein eigenes Wort ausgedrückt, z.B. Berndeutsch: nümm(e), Walliserdeutsch: nimmu.[16] So erstaunt es wenig, nichtmehr (hier in dialektalen Färbungen) als Wortbildung zu finden:
<ciro> schade das anti hier netmehr vorbeischaut :(
<Eimann> nen freund kann seinen nick nichmehr aendern

Zusammenschreibungen bei Negationen

garnet/garnich

Obwohl im Rechtschreibeduden[17] ausdrücklich untersagt, findet sich hier die Wortbildung garnicht (in dialektalen Ausprägungen) in der Funktion eines verstärkten nicht. Analog finden sich im Standarddeutschen Formen wie z.B. keineswegs oder keinesfalls für sicher nicht.
<blackdeath> ach das kbl is ja garnet mehr da
<blackdeath> nur 200 fährt meine kiste garnich :))

niewieder

Nie wieder ist die Emphase zu nicht mehr. Zusätzlich zur oben ausgeführten Bedeutung wird ausgedrückt, dass die Ausage zu keinem zukünftigen Zeitpunkt nicht-negiert bestehen bzw. sich wiederholen wird. Die berndeutsche Variante lautet nie me, der Aspekt der nicht möglichen Wiederholung wird also in dieser Varietät nur implizit ausgedrückt. Paraphrasieren lässt sich niewieder mit 'nimmer'.[18]
<kim> dann niewieder dieser umstand

schonwieder

Gesamthaft bedeuten die beiden Temporaladverbien, dass die Wiederholung (wieder) des Ereignisses unerwartet/unerwünscht schnell oder früh (schon) geschieht.
<ciro> oder klebst du schonwieder an gothic ?

Idiomatische Zusammenschreibungen, die Präpositionen enthalten

ausversehen

Die zusammengeschriebene Form der Präpositionalphrase aus Versehen lässt sich mit 'irrtümlicherweise' paraphrasieren.
<DEac-> ich weiß nicht... naja... vielleicht hatte ich es ausversehen <STERR> genannt... kann sein...

ambesten

Dieser zusammengeschriebene Superlativ lässt sich beispielsweise mit 'bestmöglichst' oder 'optimal' umschreiben.
<master> Area51: acc erstellt man ambesten mit nem eigenen bash-script ;D

zuende

Hier handelt es sich um eine Analogiebildung zu Formen wie zugrunde [gehen] (ebenfalls ein Funktionsverbgefüge) oder zuhause, zuhauf. Für zu Ende verbietet der Duden (2000: 47) ausdrücklich eine Zusammenschreibung, während er für zugrunde und zuhause Getrennt- oder Zusammenschreibung zur Wahl stellt.
<mfn|still_vs|qt3> cosmotic: ich warte immernoch das mein compile Versuch zuende geht

Zusammenschreibungen, die verbale Teile enthalten

zumachen

Die syntaktische Nähe von zu zum Infinitiv zeigt sich bei bei Verben mit trennbarem Präfix; bei solchen Infinitivkonstruktionen wird zu zwischen das Präfix und den Verbstamm gestellt: Ich springe ins Wasser, um mich abzukühlen. Analog wird hier zu zum Infinitiv gezogen, obwohl das Verb kein Präfix besitzt.
<HermanDos> kann mir jemand sagen was ich in eine index.html schreiben muss um eine weiterleitung zumachen?

losis

Das prädikative Adjektiv los bildet als lexikalischer Prädikatsteil mit dem Finitum zusammen das Prädikat des Objektsatzes. Durch die Nebensatzstellung stehen die beiden Prädikatsteile zusammen und die enge Bindung wird durch Zusammenschreibung verdeutlicht.
<foxi> ahh und keiner weiss was da losis

seinsollte

Hier bilden das Finitum und der Infinitiv zusammen das Prädikat des Nebensatzes. Die Zusammenschreibung zeigt, dass die enge Bindung durchaus wahrgenommen wird.
<foxi> es is alles so wie es seinsollte

Zusammenschreibungen von Interjektionen

Zu beobachten ist die Tendenz, mehrere dem Satz vorausgehende Interjektionen, die nicht integrierte Teile des Satzes darstellen, als Einheiten zu fassen.

achso
<blackdeath> achso, gibt das probleme wenn ich xp habe und er 2k?
<cosmotic> foxi: achso, das weißt du ohne es gesehen zu haben, einfach so

manscheisse
<kbl> manscheisse wird das wieder zeitlich eng

Kontraktion

dasn

Die zusammengezogene Form dasn für das ist ein stellt einen sprachlichen Zuweisungsoperator dar.
<konny> dasn inport export laden oder so
<konny> dasn türke hier glaub ich

Getrenntschreibungen

Während sich sehr viele meist spontane wie auch einige regelmässige Zusammenschreibungen finden, die allgemein und zum Teil auch im Einzelnen der grundsätzlichen Tendenz zur Getrenntschreibung in der neuen Rechtschreibung entgegenlaufen, finden sich nur spärlich Getrenntschreibungen, die der Norm widersprechen:

das selbe

Diese Form steht wohl in Analogie zu das Gleiche.[19]
<foxi> das selbe etwa
<foxi> bei blackbox das selbe
<rantanplan|vs|x> print "bla" ist das selbe wie print STOUT "bla"; oder ?

versions nummer

Die Ähnlichkeit zum englischen Terminus version number (ver)führt den Schreibenden wohl zur Getrenntschreibung.
<foxi> keine versions nummer ;)

sau lahm

Während sau gewöhnlich als Präfix zur Modifikation von Adjektiven gebraucht wird (vgl. saudumm, saublöd: Duden 2000: 839) und in Analogie die Form saulahm zu erwarten wäre, scheint sau hier als Intensivpartikel empfunden zu werden, analog zu irre schön u.Ä.
<rantanplan|wine> hehe kazza läuft.
<rantanplan|wine> aber sau lahm.

Normwidrige Zusammen- oder Getrenntschreibungen erfolgen nach dem grammatischen Prinzip. Was als syntaktische Einheit erfahren wird, bildet ein Wort und wird zusammengeschrieben. Getrenntschreibung erfolgt selten und jeweils in Analogie zu normgerechten Getrenntschreibungen.

 

6 Anglizismen

Im Rahmen dieser Arbeit soll keine umfassende Untersuchung zu Anglizismen präsentiert werden. Da sie aber gerade in diesem Korpus themenbedingt häufiger auftreten, wird kurz auf verschiedene Aspekte hingewiesen.

In beiden Channels finden sich Anglizismen satzintegriert beinahe ausschliesslich nur im Bereich Computer. Dieser Befund bestätigt Schlobinski (2001: 244/254), der aufzeigt, dass von den verwendeten Anglizismen der Anteil an fachsprachlichen (Werbung und Computer/Internet) relativ hoch ist und sich Anglizismen im Chat ansonsten auf rituelle Kommunikation (Begrüssungs- und Verabschiedungssequenzen), auf Akronyme für expressive Sprechakte (lol, g) und auf Pseudonyme beschränken.

Nomina:

Viele der nominalen Anglizismen gehören zum computerterminologischen Grundwortschatz und besitzen keine (gängige) deutsche Entsprechung. Sie zählen zu den Neologismen im heutigen Deutsch und füllen oft eine Lücke im deutschen Wortschatz (vgl. Yang 1990: 73). Zu diesen Begriffen zählen z.B.:
server, client, port, scanner, download, release, root, mail, change, board, router, thread, controller, hardware

Einige Nomina besitzen gleichwertige deutsche Entsprechungen. Trotzdem nur in der Anglizismen-Variante finden sich z.B.:
library (Bibliothek), file (Datei), account (Konto), desktop (Schreibtisch)

Parallel beide Begriffe zu finden sind z.B. bei:
source/Quelle, console/Konsole, user/Benutzer, path/Pfad

Viele auftretende Anglizismen sind Teile von Komposita, teilweise zusammen mit anderen Anglizismen, aber auch mit deutschen Wörtern, z.B.:
useradd, userlösch, usererror, username, rootserver, root-shell, rootacc.

Die Genuszuteilung erfolgt durch semantische oder morphologische Prinzipien, die zum Teil miteinander konkurrieren. Das semantische Prinzip ist bei der Genuszuteilung für Anglizismen das dominierende (Lee 1996: 133/186).[20] Zum Teil kann anhand der Logfiles nicht erschlossen werden, welches Genus zugewiesen wird (beispielsweise für source, download, board, thread). Unter semantischem Aspekt erfolgt die Zuteilung beispielsweise bei die mail die (elektronische) Post, der path der Pfad, die library die Bibliothek, der desktop der Schreibtisch. Das morphologische Prinzip kommt zum Tragen z.B. bei allen Wörtern auf -er, die dadurch zu Maskulina werden: server, scanner, router, controller. Root stellt insofern einen Spezialfall dar, als es in diesem Korpus unflektiert und ohne Artikel auftritt, beispielsweise:[21]
<Area51> er hat als root schon psybnc laufen
<Rotti> dazu muss man root sein
<master> und nen psybnc würd ich auch nicht auf root laufen lassen ;)
<smeagol> nen psybnc mit root??
<smeagol> wer braucht root gruppe wenn er root ist hehe
<Gastro> damit ich nen eggdrop laufn kann, unter root geht das ja nich

Viele Anglizismen des nominalen Bereichs weisen, soweit überhaupt erschliessbar, s-Flexion auf: alle Genera markieren den Plural mit -s, Maskulinum und Neutrum auch den Genitiv Singular (weiterführend vgl. Eisenberg 2001: 199 und Lee 1996: 246ff.): hier ist z.B. clients, ports, downloads, files, desktops belegt. Maskulina auf -er stimmen mit der deutschen Pluralbildung überein und weisen das Null-Pluralallomorph auf (vgl. Yang 1990: 160): belegt findet sich dieser Plural für server: der server - die server.

Verben:

Infinitive:

Die hier auftretenden verbalen Anglizismen bestehen aus dem englischen Stamm und der deutschen Verbendung -en, so dass sie alle formal den regelmässigen Verben angehören.

Bei log in wird der Verbteil in übersetzt (ein) und als gängiges deutsches Präfix dem Stamm vorangestellt. Ausserdem findet die beim englischen Partizip auftretende Konsonantengemination (logged in, splitted) Eingang in den Verbstamm.

joinen <kim> kannst vpn joinen
connecten <blackdeath> wenn ich aufm ftp connecten will bekomm ich immer 425 Cannot open data connection (10060).
pipen <DEac-> wie bekommt man es eigentlich hin, dass in perl eine ausgabe in der errorausgabe herauskommt, statt in der stdausgabe?
<Raz> pipen?
<Raz> wie bei sh
compilen <machtfuernacht> SO nochmal compilen
<MrMiller> ich habe ein problem beim compilen von airsnort
updaten <machtfuernacht> man kann die rpm DB irgendwie updaten, muss doch gehen
<Eimann> immer noch am updaten?
mounten <Michchem> hi, weiß jemand, wie ich mount aufrufen muss, um ein netzlaufwerk für einen best. nutzer zu mounten ?
browsen <Snukey> oder unterstützt mozilla tabbed browsen
splitten <master> wieso sollte man das dann nochmal splitten? <g<
routen <kim> einfach so port routen is leider nicht
coden <Area51> einfach c oeffnen coden und fuer linux compilieren?[22]
<Area51> und trotzdem coden wollen
requesten <kim> nur muss ich eben die fehlenden files requesten
einloggen <Gastro> also einloggen tu ich mich über ssh

Während sich Infinitive relativ einfach bilden lassen, können sich Probleme dadurch ergeben, dass nicht alle Formen des verbalen Paradigmas bildbar sind (vgl. Eisenberg 2001: 193f.). So zeigt sich, dass finite Formen und Partizipien weniger häufig gebraucht werden und auch verschiedene Grade der Integration aufweisen.

Finite Formen:

Von den wenigen finit auftretenden Verben stehen die meisten im Präsens und werden durchwegs mit der regelmässigen Personalendung gebildet. Diese schwache Konjugation bestätigt auch Yang (1990: 161f.) für sein Korpus.

rebuilde <machtfuernacht> ich rebuilde trotzdem mal db
bootet <foxi> un bootet dann erst
connectet <Area51> ka warum es nicht connectet
<Gastro> nu wenn der user connectet kommt access denied

Die bei der Bildung des Präteritums von konnekten entstehende Doppelung von te wird hier getilgt. Nicht nur der Gebrauch im Präteritum, sondern auch die Schreibung mit k deuten aber auf eine starke Integration.

konnekte <Area51> ein freund von mir hat einen confixx rootserver er gab mir einen shellaccount auf den ich per ssh konnekte dann kompilierte und konfigurierte ich ein eggdrop startete es aber es kommt irgendwie nicht ins irc

Partizipien:

Inhomogen zeigt sich die Bildung des Partizips Perfekt. Zum einen finden sich unverändert die englischen Partizipformen (supported, reged). Zum anderen gibt es vollständig integrierte Formen, die der deutschen Partizipbildung schwacher Verben gemäss auf -(e)t enden und bei betonter erster Silbe ge- präfigieren (geprintet, installt). Interessant ist aber, dass auch Mischformen auftreten. Dabei wird zwar das Präfix benutzt, die Endung bleibt aber nach englischer Schreibung erhalten (geadded, gesaved). Ausserdem bemerkenswert ist, dass die beiden Verben install und export ebenfalls nach dem oben beschriebenen Verfahren integriert werden, obwohl für beide bereits die integrierten Formen installieren installiert bzw. exportieren exportiert existieren.

supported <rantanplan|math> jemand ne idee wie man eine von XFree86 4 nicht unterstützte gfx karte unter XFree86 4 zum laufen bekommt? unter XFree86 3.x wurde sie noch supported, allerdings funzt unter XF 4 nichtmal die minimalistischste konfiguration....
reged <GeneralByte> auf dem board bin ich zwar noch reged benutze es aber kaum noch
geregt <TheMatrix01> mein Name ist doch aber noch geregt?[23]
gevotet <Nike|bisi> habt ihr auch alle heute schon fein gevotet?
geprintet <stderr> hier wird nix geprintet :P
gemountet <Rotti> leg die cd rein, geh in der console is das dir, wo sie gemountet is und gib find . -name *gcc*rpm ein
geroutet <kim> da ein bestimmtes protokoll geroutet werden muss
installt <Area51> deswegen hat er gleich alles mit rootacc installt^^
exportet <foxi> habs auch exportet
gesaved <Bimbo> gut ich hab deine weise worte jetzt in nem txt file gesaved
geadded <Gastro> hab nen user geadded (per console)

Adjektive:

Während zum einen bootable als Fremdwort im Satz erscheint, wird an anderer Stelle dieses Adjektiv mit dem Stamm boot und dem deutschen Akjektivsuffix -bar gebildet. Zum anderen finden sich adjektivierte Partizipien, die das integrierte Partizip zugrunde legen. Der Produzent von exportet (vgl. oben) benutzt diese Partizipform auch als Ableitungsbasis für das Adjektiv.

bootable <Bunta> weiss einer wie mans die partition magic disketten auf cd kreigt un se noch bootable is ?
bootbar <kim> und diese auf die cd packen und die bootbar machen
includeten <Area51> warum funzt eigentlich pico nicht der editor?
<Lim|burn> weil der nicht installiert ist?
<Area51> gibts keinen includeten?
exportetem <foxi> auch nach exportetem path

Weitere Anglizismen:

Es finden sich auch einige Anglizismen, die nicht dem Bereich Computer angehören und jugendsprachliche Züge aufweisen, beispielsweise:
<kim> ich also straight ins bett
<blackdeath> heul, wo bekomm ich jetzt meinen energydrink her
<Nike|anno> morgen muss ich ja wieder work
<Nike> mal schaun ob ich atwork noch ienen "finde"

Interessant ist die Zusammenschreibung von atwork, die das Gegenstück zu 'zuhause' bildet (zum Phänomen der Zusammenschreibung vgl. Kapitel 5).

Die hier angeführten Anglizismen behalten alle ihre englische Schreibung bei und erhalten allenfalls in einer ersten Integrationsstufe deutsche Flexionsendungen. Primär erfolgt die Verschriftung also nach dem etymologischen Prinzip, wonach die Wörter nach ihrer (fremdsprachlichen) Herkunft geschrieben werden. Bei weitergehender Integration werden bestimmte Fremdgrapheme durch ein heimisches Graphem ersetzt (Graphemsubstitution, vgl. Lee 1996: 26). Hier findet sich die Substitution von c (connecte) zu k (konnekte), wobei beide Formen parallel erscheinen.[24] Diese weitere Entwicklung in der Verschriftung erfolgt nach dem phonologischen Prinzip, wonach nur jene Laute verschieden geschrieben werden, die auch bedeutungsunterscheidend sind.

 

7 Dialektwörter

Nicht weiter erstaunlich ist das häufige Vorkommen von Dialektwörtern und -phrasen in einer Textsorte, die konzeptionell mündlich angelegt ist (vgl. z.B. Naumann 1998: 255), beispielsweise: net/ned/nich, is, un, hald, audomatisch, glaubsch, sacht, gehen tut, moin, tach, nabend bzw.
<blah> [Wir sind allet Borg. Und Du ooch gleich. Dein Widastand kannste vajessen.]

Auch hier erfolgt die Verschriftung nach dem phonetischen Prinzip.

 

8 Abkürzungen

Schon Wichter (1991: 80f.) hat darauf hingewiesen, dass der höhere Zeitaufwand fürs Schreiben gegenüber dem Sprechen zu vielen Abkürzung führt, z.B. mom = 'Moment', re = '(bin) zurück', thx = 'thanks', die sich auch mehr als zehn Jahre später in diesem Korpus wiederfinden.[25] Weiter finden sich z.B. tasta = 'Tastatur', zumin = 'zumindest', ka = 'keine Ahnung', prob und im Plural probs = 'Problem/e', ebenfalls mit s-Plural seks = 'Sekunden', dokus für 'Dokumentationen' usw. Die Schreibung folgt also dem ökonomischen Prinzip im weiteren Sinne, insofern nicht nur einzelne Buchstaben eliminiert werden.

Man kann sich auch fragen, ob die Möglichkeit der Pluralbildung auf eine Tendenz zur Lexikalisierung hinweist.

Im weiteren Sinne als Abkürzungen gelten können Ziffern und Buchstaben, deren phonetischer Wert für ein ganzes Wort steht (vgl. Wichter 1991: 82) und die teilweise mit weiteren Abkürzungen zusammen auftreten:

n8, gn8, n8i, gn8i für 'Nacht', 'gute Nacht' usw., cya l8er! für 'see ya (you) later (l-eight-er)', 1000e, 1000ende für 'Tausende' usw.

 

9 Zusammenfassung

Keines der hier beschriebenen Phänomene ist nicht schon in anderen einschlägigen Texten erwähnt worden. Hier wurden sie in zweierlei Hinsicht genauer betrachtet, davon ausgehend, dass dem Chat konzeptionelle Mündlichkeit zugrunde liegt, die in medial schriftlicher Form ihren Ausdruck findet.

Zum einen wurden im aktuellen Spachgebrauch stattfindende Sprachwandelphänome herausgearbeitet. Es fällt auf, dass ungefähr achtzig Prozent aller indefiniten Artikel um die ersten beiden Buchstaben (ei)n/(ei)ne/(ei)nen usw. gekürzt werden. Zudem begegnet häufig das Zusammenziehen dieser Kurzformen mit dem vorangehenden Wort, insbesondere mit so und mit Präpositionen. Weitere Sprachwandeltendenzen im morphosyntaktischen Bereich finden sich bei der Kontraktion von Präpositionen mit dem definiten Artikel. Gewisse Formen sind bereits in hohem Grade grammatikalisiert und haben längst Eingang in die Standardsprache gefunden (am, im, vom usw.). Im Chat zeigt sich anhand von Neubildungen (aufm, aufn usw.), dass dieses Verfahren nach wie vor produktiv ist und sich der Grammatikalisierungsprozess fortsetzt. Erste Grammatikalisierungstendenzen mit unbestimmtem Fortgang finden sich bei der Klitisierung des nachgestellten Personalpronomens der 2. Person sg (kannste, willste usw.). Im Bereich der Lexik finden sich Sprachwandeltendenzen zum einen in Form neuer Zusammenschreibungen (schonmal, nochmal, nichtmal, immernoch, garnicht usw.), zum anderen in Form von Anglizismen insbesondere im Bereich der Computerterminologie.

Es bleibt abzuwarten, welche dieser Phänomene Eingang in die Standardsprache finden werden. Es könnte aber sein, dass die starke Präsenz dieses neuen Mediums einige Wandeltendenzen zu unterstützen und beschleunigen vermag. Die medial schriftliche Form ermöglicht eventuell eine schnellere Gewöhnung an das neue Schriftbild und provoziert Übertragungen auf andere schriftliche Medien, wie man sie in den Bereichen Mail, SMS, persönlichen und/oder informellen Briefen usw. bereits beobachten kann.

Zum anderen wurde gefragt, welchen Rechtschreibeprinzipien die Verschriftung folgt. Nicht überraschend orientiert sich die Schreibung im Chat grundsätzlich an der Standardschreibung. Ein grosser Teil der von der Norm abweichenden Schreibungen entsteht durch eine starke Gewichtung des phonetischen Prinzips, zum Beispiel die Kurzformen für den indefiniten Artikel, die Kontraktionen von Präposition und definitem Artikel, enklitische Formen des Personalpronomens und dessen Ausfall und natürlich auch die Dialektwörter. Die Zusammenschreibung erfolgt nach dem grammatischen Prinzip, wobei diese deutliche Tendenz insbesondere der neuen deutschen Rechtschreibung entgegenläuft. Die erste Stufe sprachlicher Integration von Anglizismen verläuft nach dem etymologischen, die weitere Stufe der Graphemsubstitution geschieht nach dem phonologischen Prinzip. Dem ökonomischen Prinzip folgen die Abkürzungen.

In der Regel handelt es sich nicht um individuelle Abweichungen von der orthographischen Norm. Vielmehr scheinen sich im Chat gewisse Verschriftungskonventionen herausgebildet zu haben bzw. herauszubilden.

 

Anmerkungen

* Herzlich danken möchte ich Elke Hentschel für die Anregung, das Referat zur Arbeit auszubauen sowie für die intensive Betreuung, Petra Vogel für die kritische Lektüre, Korakoch Attaviriyanupap für die vielen konstruktiven Diskussionen und Eva Wilde für die gute Zusammenarbeit beim Erarbeiten des gemeinsamen Referats sowie das Zurverfügungstellen ihres Materials. [zurück]

1 Verschriftung versteht sich hier als rein mediale Umsetzung vom phonischen ins graphische Medium. Ihr gegenüber steht die Verschriftlichung als rein konzeptionelle Verschiebung in Richtung Schriftlichkeit; vgl. Koch/Oesterreicher (1994: 587). [zurück]

2 Zwar bilden diese beiden Laute bzw. Buchstaben meist die erste Silbe ((ei)ne, (ei)nen, (ei)ner, (ei)nem), aber bei (ei)n ist dies nicht der Fall. [zurück]

3 Indefinite Artikel im Genitiv kommen weder in der Standard- noch in der Kurzform vor. Dies ist kaum erstaunlich angesichts des insbesondere im Mündlichen fortschreitenden Genitiv-Abbaus. [zurück]

4 Für eine angemessene Beurteilung dieser Ersetzungen habe ich auch einen Blick in den Chanel #linux geworfen. Dort zeigt sich, dass auch bei Maskulina, die im Nominativ ebenfalls die Kurzform n erwarten lassen, diese Ersetzung durchgeführt wird. Insgesamt finden sich in #linux vier n-Formen (zwei Maskulina, zwei Neutra) und doppelt so viele, nämlich acht nen-Formen als Ersatz für n (drei Maskulina, fünf Neutra). [zurück]

5 In #linux ist die Hiatustilgung nicht offensichtlich. Nur zwei Mal endet das dem Artikel vorangehende Wort mit Vokal, dabei steht einmal trotz Hiatus die n-Form, einmal die nen-Form. [zurück]

6 <ciro> von dem inhalt werd ich bestimmt 0 verstehen weil ich dafür zu blöde bin *g* [zurück]

7 Bemerkenswert ist, dass die Endung -st für die 2. Person sg (bis ins 9. Jh. lautete die Endung -s) auf enklitisches thu, du zurückgeht (vgl. Braune 1987: 258). [zurück]

8 Darüber hinaus findet sich eine Zusammenschreibung von sagt + er:
<foxi> und wenn cihs nochma installiere sagter blabla imlib already installed
<foxi> wenn cihs starte sagter in der console Warning, catalog not found . using default messages

Beide Belege stammen von derselben Person und in beiden bezieht sich das Pronomen auf den Computer. Diese Zusammenschreibung funktioniert also nur in einem sehr engen Rahmen und steht wahrscheinlich in Analogie zum enklitischen es, wie die Möglichkeit der Ersetzung durch heissts zeigt. [zurück]

9 Duden (2000: 694) führt nochmal seit der letzten Auflage als umgangssprachliche Form für noch mal an. [zurück]

10 Es ist zu beachten, dass noch nichtmal negiert sogar schon lautet. Zu diesem Wechsel von schon und noch vgl. unten die adverbiale Wortbildung schonmal (mit der entsprechenden Verneinung noch nie). [zurück]

11 Die mögliche Zeitspanne für den 'beliebigen Zeitpunkt' wird bleibt aber immer eingeschränkt. Die Zeitspanne wird entweder spätestens durch den Sprechzeitpunkt beendet und beginnt vorher, vgl. z.B.:
Warst du schon mal im Theater? in der Zeitspanne zwischen deiner Geburt und dem Sprechzeitpunkt
Hast du diesen Entscheid mal bereut? zwischen deiner Entscheidung und dem Sprechzeitpunkt
Hattest du es vorher schon mal versucht? zwischen deiner Geburt und dem in der Vergangenheit liegenden angesprochenen Versuch

oder sie beginnt frühestens mit dem Sprechzeitpunkt und endet später, vgl. z.B.:
Willst du mal auswandern? zwischen dem Sprechzeitpunkt und deinem Tod. [zurück]

12 Diese Argumente sprechen gegen Thurmair (1989: 185), die sich sich die Wirkung von mal mit einer übergreifenden Bedeutung zum Temporaladverb im Sinne von 'irgendwann einmal' erklärt: der Ausführungszeitpunkt der gewünschten Handlung werde 'verwischt' (im Gegensatz zu sofort) und so dem Angesprochenen formal mehr Spielraum eingeräumt. [zurück]

13 Innerhalb dieser groben Modifikationsmuster lassen sich die einzelnen Gebrauchsweisen weiter differenzieren; zum einen werden die einzelnen Aspekte des Musters unterschiedlich bewertet und gewichtet, zum anderen haben die Gebrauchsweisen auch weitere Bedeutungsaspekte (einräumend, zuversichtlich usw.), die sich nicht aus der übergreifenden Bedeutung erschliessen lassen. Eine Übersicht zu den Bedeutungsvarianten von schon findet sich z.B. bei Brauße (1994: 114-117). [zurück]

14 Nach neuer Rechtschreibung wird z.B. die diesem Gebrauch entsprechende Verwendung es geht ihm so weit gut explizit getrennt geschrieben. [zurück]

15 bzw. anhaltender Vorgang oder anhaltende Handlung. [zurück]

16 Es ist nicht klar, ob die schweizerdeutschen Formen aus nie me 'nie mehr', nit/nid me 'nicht mehr' oder nüt me 'nichts mehr' entstanden sind. Die berndeutsche Form nümm(e) steht z.B. für: Är list nümm. 'Er liest nicht mehr.' wie auch für: Äs het nümm übrig. 'Es hat nichts mehr übrig.' [zurück]

17 Eintrag gar im Duden (2000: 402): "2gar (überhaupt; stets getrennt geschrieben); [...] gar nicht, [...]". [zurück]

18 Nimmer entspricht genau der berndeutschen Form nie mehr: ahd. niomer 'nie mehr, nie fortan' > niemer > nimmer (vgl. Duden 2001: 560). [zurück]

19 Die Kleinschreibung ist irrelevant, da im Chat grundsätzlich auf korrekte Gross- und Kleinschreibung verzichtet bzw. nicht geachtet wird. [zurück]

20 Eine differenziertere Gliederung findet sich z.B. bei Yang (1990: 153-159). [zurück]

21 Ansonsten wird root normalerweise feminines Genus zugeteilt: die root die Wurzel. [zurück]

22 Zwar findet sich kompilieren meist vollständig integriert mit k geschrieben, doch zwei Mal bleibt das englische c erhalten. [zurück]

23 Diese integrierte Form von reged führt aber zu Verständigungsproblemen:
<Krazy> was heissten geregt???????
<duzzel> registriert
.
[zurück]

24 Zu dieser und weiteren Graphemsubstitutionen bei Anglizismen vgl. Yang (1990: 164). [zurück]

25 Bei Wichter (1991: 81) werden auch (ei)ne/nen/ner als Abkürzungen aufgeführt; diese Formen sind aber keinesfalls auf die technischen Aspekte des Chats zurückzuführen, vgl. Kapitel 2. [zurück]

 

Literaturangaben:

Braune, Wilhelm (1987): Althochdeutsche Grammatik. 14. Auflage, bearbeitet von Hans Egger. Tübingen.

Brauße, Ursula (1994): Lexikalische Funktionen der Synsemantika. Tübingen.

Bußmann, Hadumod (ed.) (2002): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart.

Duden (2000): Die deutsche Rechtschreibung. 22., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Herausgegeben von der Dudenredaktion. Mannheim u.a. (= Duden Band 1).

Duden (2001): Das Herkunftswörterbuch. 3., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Herausgegeben von der Dudenredaktion. Mannheim u.a. (= Duden Band 7).

Eisenberg, Peter (2001): "Die grammatische Integration von Fremdwörtern". In: Stickel, Gerhard (ed.): Neues und Fremdes im deutschen Wortschatz. Berlin/New York: 183-209. (= IDS Jahrbuch 2000).

Haase, Martin et al. (1997): "Internetkommunikation und Sprachwandel". In: Weingarten, Rüdiger (ed.): Sprachwandel durch Computer. Opladen/Wiesbaden: 51-85.

Helbig, Gerhard/Buscha, Joachim (2001): Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. Berlin/München.

Hentschel, Elke (1991): "Aspect versus particle: Contrasting German and Serbo-Croatian". Multilingua 10-1/2: 139-149.

Hentschel, Elke (1998): "Communication on IRC". Linguistik online 1/1998.

Hentschel, Elke (2003): Handbuch der deutschen Grammatik. 3. erweiterte Auflage. Berlin/New York.

Hess-Lüttich, Ernest W. B./Wilde, Eva (2003): "Der Chat als Textsorte und/oder als Dialog-sorte?". Linguistik online 14/2003: 161-179.

Kilian, Jörg (2001): "T@stentöne. Geschriebene Umgangssprache in computervermittelter Kommunikation. Historisch-kritische Ergänzungen zu einem neuen Feld der linguistischen Forschung". In: Beißwenger, Michael (ed.): Chat-Kommunikation. Stuttgart: 55-78.

Koch, Peter/ Oesterreicher, Wulf (1994): "Schriftlichkeit und Sprache". In: Günther, Hartmut/Ludwig, Otto (eds.): Schrift und Schriftlichkeit/Writing and Its Use. Berlin/New York, vol. 1: 587-604.

König, Ekkehard (1991): "Gradpartikeln". In: Stechow, A. von/Wunderlich, D. (eds.): Semantik/Semantics. Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung/An International Handbook of Contemporary Research. Berlin/New York: 786-803.

Lee, Jinhee (1996): Die graphematische und morphologische Integration von Fremdwörtern im Deutschen. Erlangen.

Lehmann, Christian (1991): "Grammaticalization and Related Changes in Contemporary German". In: Traugott, E. C./Heine, B. (eds.): Approaches to Grammaticalization. Vol. II. Amsterdam/Philadelphia: 493-535.

Marti, Werner (1985): Berndeutsch-Grammatik. Bern.

Naumann, Bernd (1998): "Stirbt die deutsche Sprache? Überlegungen zum Sprachwandel durch IRC (Internet Relay Chat)". In: Cmejrkova, Svetla et al. (eds.): Dialoganalyse VI. Referate der 6. Arbeitstagung Prag 1996. Tübingen: 249-262.

Schlobinski, Peter (2001): "Anglizismen im Internet". In: Stickel, Gerhard (ed.): Neues und Fremdes im deutschen Wortschatz. Berlin/New York: 239-257. (= IDS Jahrbuch 2000).

Thurmair, Maria (1989): Modalpartikeln und ihre Kombinationen. Tübingen.

Weingarten, Rüdiger (1997): "Sprachwandel durch Computer". Einleitung zum Themenband. In: ders. (ed.): Sprachwandel durch Computer. Opladen/Wiesbaden: 7-20.

Weydt, Harald/Hentschel, Elke (1983): "Kleines Abtönungswörterbuch". In: Weydt, Harald (ed.): Partikeln und Interaktion. Tübingen: 3-24.

Wichter, Sigurd (1991): Zur Computerwortschatz-Ausbreitung in die Gemeinsprache. Frankfurt/M u.a.

Yang, Wenliang (1990): Anglizismen im Deuschen. Tübingen.