Von der linguistisch bezogenen Fremdsprachendidaktik
zur interkulturellen FremdsprachenpƤdagogik
Ein Essay

Waldemar Pfeiffer (Frankfurt/Oder)



Der folgende Beitrag ist eine Würdigung der sprachwissenschaftlichen und pädagogischen Leistungen von Harald Weydt, dem ich gleichzeitig für die10-jährige kollegiale Zusammenarbeit zwischen unseren Lehrstühlen in der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität in Frankfurt (Oder) danke und aus Anlass seines 65. Geburtstages viel Gesundheit und Glück sowie weiterhin viel Schaffenskraft wünsche.

1 Natürlicher Spracherwerb

Fremdsprachen lernt man am besten im frühen Kindesalter, im natürlichen Sprachmilieu, im Umgang mit muttersprachlichen Kindern. Das Bedürfnis, mit der Umgebung zu kommunizieren, die begrenzte Zahl von sich immer wiederholenden Situationen, die mit geringen Sprachmitteln gemeistert werden und die angeborenen biologischen Fähigkeiten des Spracherwerbs machen es möglich, jede beliebige Sprache - auch schwere (ja, aus didaktischer Sicht gibt es solche!) - mühelos zu erwerben. 'Zu erwerben' eben, auch wenn von Lehr- und Lernprozessen gesprochen werden kann. Denn die natürlichen Spracherwerbsprozesse verlaufen unbewusst und ungesteuert im Gegensatz zu einem systematischen, organisierten und institutionalisierten Fremdsprachenunterricht.

Die Möglichkeiten, eine Fremdsprache - oder besser: eine zweite Sprache - auf natürliche Art und Weise zu erlernen, sind nicht sehr groß, aber auch nicht ganz gering. Denn solche Möglichkeiten sind in Grenzgebieten gegeben und sie werden auch vielerorts genutzt. Hinzu kommen noch bilinguale Kindergärten (die hässliche Bezeichnung 'Kindertagesstätte' = Kita geht mir schwer über die Lippen) [1] in immer schneller und stärker wachsenden multikulturellen Gesellschaften. Wenn wir heutzutage Vielsprachigkeit und Vielkulturalität in Europa als eine Notwendigkeit ansehen, müssen wir die Möglichkeiten des frühzeitigen Fremdenspracherwerbs noch entschlossener nutzen und sie ideell und finanziell fördern. Mir scheint, dass sich diese Erkenntnis langsam durchsetzt, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil - ich möchte etwas salopp behaupten - es die Kindergärten sind - d. h. Kinder, nicht Politiker, wie man leider feststellen muss - die neue Arbeitsplätze schaffen (!)

2 Sprachunterricht

Der massenhafte Fremdsprachenunterricht war und bleibt Domäne des allgemeinen Schulsystems. Ich sehe dabei ab von den verschiedenen Formen und Angeboten der Weiterbildung und Vervollkommnung von Sprachkenntnissen, die die Europäische Union mit ihren mannigfaltigen Programmen des Schüler- und Studentenaustausches bietet. Für die Schulen müssen Lehrer ausgebildet werden. Sollen Lehrer Lehrer ausbilden oder soll es die Aufgabe der Hochschullehrer, d. h. von Wissenschaftlern sein, die sich mit didaktisch-methodischen Fragen des Fachunterrichts theoretisch und - in Hinsicht auf den praktischen Charakter der Disziplin - auch praktisch befassen? Dies ist keine banale Frage, da von Land zu Land die Fremdsprachenlehrerausbildungscurricula anders sind. Dementsprechend ist auch das Niveau der Ausbildung unterschiedlich und die Fachkompetenz, die Lehrer gut oder mangelhaft beherrschen.

2.1 Die Entwicklung der Sprachdidaktik als Disziplin

Wie wir wissen, wurde die Fremdsprachendidaktik - im Gegensatz zu der seit Jahrhunderten als Wissenschaft etablierten Linguistik - erst in den 60-er Jahren des 20. Jahrhunderts, also vor ca. 40 Jahren, als eine universitäre Disziplin begründet. Im Großen und Ganzen trifft das auf Polen und Deutschland zu sowie, zumindest zum Teil, auf die Länder des ehemaligen Ostblocks, wo recht viele Probleme uniform nach einem Modell geregelt wurden.

Das leitet über zum Thema des Perspektiven- und Paradigmenwechsels in der Fremdsprachendidaktik, das ich exemplarisch und ohne genaue Quellenangabe auf Polen und Deutschland beschränken will. 1965 gründete Ludwik Zabrocki, Nestor der polnischen Neuphilologie, an der Adam-Mickiewicz-Universität Poznań die in Polen erste Abteilung für angewandte Linguistik. [2] Ihre Aufgabe bestand darin, sich den wissenschaftlichen Grundlagen der Sprachvermittlung zu widmen und diese in angewandte Theorien umzusetzen. Mit seinem Interesse für kybernetische Grundlagen der sprachlichen Kommunikation und für die sog. konfrontative Linguistik und deren Beziehungen zu der Fremdsprachendidaktik schlug Zabrocki neue Wege in der Wissenschaft ein. Mit der zusätzlichen Gründung der ersten Abteilung für Methodik des Deutschen als Fremdsprache 1967 an seinem zweiten Lehrstuhl (er hatte damals zwei Lehrstühle inne) [3] für germanische Sprachen der Posener Universität wurden institutionelle Formen geschaffen, die neue Disziplin - Glottodidaktik - wissenschaftstheoretisch zu begründen und weiter zu entwickeln. Auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse sollten Deutschlehrer ausgebildet werden. Bis dahin wurden sie nämlich von erfahrenen Lehrern aus der Praxis in die methodischen Fragen und Probleme der Sprachunterweisung an der Universität eingeweiht. Diesem neuen Beispiel folgten Institute und Lehrstühle an anderen Neuphilologien polnischer Universitäten und Pädagogischen Hochschulen [4]

Die Last der Neugründungen und der wissenschaftlichen Fundierung der neuen Disziplin nahmen Sprachwissenschaftler auf sich. Zabrocki selbst und seine zahlreichen Mitarbeiter waren vorwiegend Linguisten. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass in dieser Zeit vor allem linguistische Grundlagen der Fremdsprachendidaktik erforscht wurden. Mit der Betonung der Spezifik des Fremdsprachenunterrichts - die Begründung lautete etwa: die Fremdsprache ist gleichzeitig Ziel, Gegenstand und Mittel des Unterrichts, und ihre Unterweisung unterscheidet sich deshalb wesentlich von den Methodiken der außersprachlichen Fächer - hat man die Relevanz der allgemeinen Didaktik negiert oder zumindest übersehen. Fremdsprachendidaktik und -methodik wurden in der Regel als angewandte Linguistik an sprachwissenschaftlichen Instituten verankert.

Mit den Beziehungen zwischen Linguistik und Fremdsprachendidaktik haben sich damals recht viele polnische Sprachwissenschaftler auseinandergesetzt. Genannt seien hier Aleksander Szulc, der zunächst in Poznań tätig war und Mitte der 60-er Jahre den Lehrstuhl für Germanistik [5] an der Jagiellonen-Universität in Krakau gründete oder Franciszek Grucza, ebenfalls Schüler von Zabrocki, der in dieser Zeit das in Polen größte und bedeutendste Institut für angewandte Linguistik an der Warschauer Universität gründen konnte.

2.2 Die Etablierung der Disziplin

Noch dynamischer verlief der Prozess der Disziplingründung in den beiden deutschen Staaten. Zwar folgte man zunächst fast unkritisch den Forschungsströmungen aus den USA bzw. aus der Sowjetunion. Erinnert sei in diesem Zusammenhang beispielsweise an die 1967 herausgegebene deutsche Übersetzung des klassischen Werks von Robert Lado Modern Language Teaching. A Scientifical Approach. Wohl zum ersten Mal wurde im Titel eines fremdsprachendidaktischen Buches der Begriff 'wissenschaftlich' verwendet. Trotz einiger Übersetzungen aus dem Russischen konnten sich die russischen Wissenschaftler nicht überall durchsetzen, obwohl besonders die Konzeptionen der Sprachtätigkeit oder der sog. Linguolandeskunde (in der Bundesrepublik: sprachbezogene Landeskunde) von Verescagin und Kostomarov recht interessant waren. Etwas bekannter wurden nur Vater und Sohn Leontjev.

Die Forschungsbasis war in den beiden deutschen Staaten recht breit. Zahlreiche Linguisten, in der Regel Anglisten und Romanisten, seltener Slawisten oder Pädagogen, gehörten zu den Begründern der neuen Disziplin. Beispielsweise und stellvertretend seien hier einige Wissenschaftler genannt, wie: Harald Weinrich, Herbert Christ, Albert Raasch, Werner Hüllen, Helmut Heuer, Wolfgang Kühlwein, Günter Zimmermann. Auch Harald Weydt übte sich in seinen frühen Jahren in der praktischen Vermittlung des Deutschen als Fremdsprache und verfasste später in Zusammenarbeit mit einigen Mitarbeitern ein Lehrbuch für die Lehre und Übung der deutschen Partikeln.

Aus der DDR ist hier vor allem Gerhard Helbig zu nennen. 1966 wurde er auf den ersten Lehrstuhl für Deutsch als Fremdsprache im gesamten deutschsprachigen Raum [6] an dem damaligen Herder-Institut der Karl-Marx-Universität in Leipzig berufen. Um ihn bildete sich eine starke Wissenschaftlergruppe, die Deutsch als Fremdsprache in erster Linie wissenschaftlich untersuchte. Zu nennen wären hier beispielsweise Ursula Förster, Günter Desselmann, Marianne und Martin Löschmann, Gerhard Wazel, Werner Reinecke, Harald Helmich und viele andere. Mit Joachim Buscha hat Helbig zahlreiche linguistisch orientierte Lehrwerke für Deutsch als Fremdsprache, vor allem aber die Deutsche Grammatik, ein Handbuch für den Ausländerunterricht in zahlreichen Auflagen herausgegeben. 1981 erschien sein Buch Sprachwissenschaft - Konfrontation - Fremdsprachenunterricht, das für diese Etappe sehr charakteristisch ist.

Die meisten Sprachwissenschaftler betrachteten ihre Disziplin als die Grundlagenwissenschaft der Fremdsprachendidaktik schlechthin. Es gab aber auch einige, die der Fremdsprachendidaktik jede Wissenschaftlichkeit absprachen. Dagegen wehrte sich natürlich die neu entstandene Generation (damals) junger Fremdsprachendidaktiker (u. a. Bausch, Königs, Krumm, Henrici, Neuner, Götze, Schwertfeger und in Polen Komorowska, Marton, Szczodrowski, Tomiczek, Woźniewicz, Zawadzka, Pfeiffer u.a.), die die Fremdsprachendidaktik als eine eigenständige Disziplin auffassten und nicht etwa als eine Disziplin, die nur Forschungserkenntnisse und -ergebnisse anderer Wissenschaften subsumiert.

Die neue universitäre Disziplin musste aber noch wissenschaftlich fundiert werden. Dafür war den bundesdeutschen Wissenschaftlern der Begriff Fremdsprachendidaktik allzu suspekt, weil er mit der Unterrichtspraxis sehr stark assoziiert wurde. Zur Begründung der Disziplin - und vielleicht auch, um die finanzierenden Institutionen, wie z. B. die DFG, zu überzeugen - wählte man den umständlichen Begriff 'Sprachlehr- und Sprachlernforschung'. 1983 erschien die Arbeit Sprachlehr- und Sprachlernforschung. Sie wurde vom Koordinierungsgremium im DFG-Schwerpunkt "Sprachlehrforschung" herausgegeben. Weitere Arbeiten auf dem Feld der Grundlagenforschung folgten. Stellvertretend wird an dieser Stelle nur noch das herausragende Handbuch Fremdsprachenunterricht genannt, dessen erste Auflage 1989 erschien und von ca. 100 Autoren unter Leitung von Bausch, Christ, Hüllen und Krumm bearbeitet worden war.

Übrigens: der Begriff Grundlagenwissenschaft (zur Erinnerung: gemeint war die Linguistik) wurde mit der Zeit durch Begriffe wie Nachbarwissenschaft, korrespondierende Wissenschaft, Bezugs- oder Referenzwissenschaft ersetzt. Immer häufiger wurde auf die Relevanz anderer Wissenschaften, z. B. die Psychologie und die allgemeine Didaktik, hingewiesen. Selbst die allgemein sprachwissenschaftlichen Grundlagen wurden um die kontrastive Linguistik und die sogenannten Bindestrich-Linguistiken - Psycho-, Sozio- und Pragma-Linguistik, die man heute als ein Wort schreibt - erweitert. Der erste Paradigmenwechsel konnte vollzogen werden: vom Behaviorismus in der Psychologie und vom Strukturalismus in der Linguistik zum Kognitivismus. Dieser dauerte nicht allzu lange, weil man mit der Bevorzugung der bewussten Aneignung einer Fremdsprache - die kognitive Methode verstand man als eine up-to-date grammar-translation method - nicht sehr weit kommen konnte.

2.3 Neue Methoden

Die Zeit war nicht stehen geblieben. Mit der wachsenden Migration erhielt die kommunikative Orientierung des praktischen Unterrichts neue Impulse. Koko - d. h. kommunikative Kompetenz - hieß nun das Zauberwort. Wie oft hat man das von Eberhard Piepho gehört! Die kommunikative Wende vollzog sich schnell, denn ihre Wurzeln lagen in der noch unlängst vorherrschenden behavioristischen Periode mit ihrer audio-lingualen Methode. Am Werk war nun aber die bereits selbstbewusst gewordene Generation von Fremdsprachenwissenschaftlern und Fremdsprachendidaktikern aus der Praxis. Einer der ältesten Fremdsprachenlehrerverbände in Europa, der Allgemeine Deutsche Neuphilologen-Verband, 1880 gegründet, wurde 1972 zum Fachverband Moderne Fremdsprachen umbenannt, um dem neuen Selbstbewusstsein der Fremdsprachendidaktiker Rechnung zu tragen. Auch andere Fremdsprachenlehrerverbände wurden aktiv wie nie zuvor, eine Fülle von Fachzeitschriften und neuen Lehrwerken beherrschte den Markt. Der Kapitalismus machte zwar soziale Fehler, aber das Kapital war noch da. Dem Kommunismus fehlte der Atem, da sich 'kapitale' Fehler häuften. Die Erweiterung der Europäischen Union und der Mauer- und Systemfall im Osten Europas brachten eine ganz neue politische Situation mit sich. Sprach- und Kulturkontakte vermehrten sich dramatisch. Die Wirtschaft wartete nicht auf Beschlüsse aus Brüssel, Berlin oder Warschau. Die Grenzen wurden durchlässig, Informations-, Waren- und Menschenaustausch erreichten ein nie da gewesenes Niveau. Mit den wachsenden Sprach- und Kulturkontakten erhöhte sich der praktische Bedarf an Sprachkenntnissen und Wissen über die Grundlagen der interkulturellen Kommunikation. Dem wandten sich zunächst Vertreter der interkulturellen Wirtschaftskommunikation zu. Fremdsprachenwissenschaftler folgten dem Ruf der Praxis. Ein neues Paradigma von dem reinen kommunikativen Interaktionismus (Konstruktivismus) zu der interkulturellen Kommunikation wurde etabliert. Der alte Begriff der Fremdsprachendidaktik mit seinen Varianten Fremdsprachenwissenschaft sowie Wissenschaft von den Prozessen des Lehrens und Lernens fremder Sprachen wurde wieder salonfähig. Es setzte sich auch die Meinung durch, dass die Fremdsprachendidaktik in der Tat eine selbständige Disziplin ist und ihren eigenen, spezifischen Forschungsgegenstand und spezifische Forschungsziele hat, die sie mit wissenschaftlichen Methoden anstrebt. Viel mehr noch, niemand zweifelt heute ernsthaft daran, dass die Fremdsprachendidaktik eine didaktische Disziplin ist. Denn wie in jeder Fachdidaktik und -methodik geht es auch in diesem Bereich in erster Linie um Lehren und Lernen. Dabei wird natürlich die Spezifik des Fremdsprachenunterrichts nicht in Frage gestellt. Mit diesem Sachverhalt haben aber einzelne Linguisten immer noch gewisse Schwierigkeiten. Davon wird allerdings nicht allzu laut gesprochen, zumal nicht wenige von ihnen nach wie vor der Versuchung selbst nachkommen, irgendetwas Fremdsprachendidaktisches in Angriff zu nehmen.

2.4 Interkulturelle Kommunikation

Seit einem guten Jahrzehnt dauert nun der interkulturelle Trend an. Nicht nur neue Themen, wie beispielsweise Vorurteile und Stereotype, Tabus und Körpersprache, sondern neue Ziele und Prinzipien werden diskutiert. Die rein sprachliche Kommunikation wird durch die interkulturelle Kommunikation, die Landeskunde durch integrierte, interkulturelle oder erlebte Landeskunde ersetzt oder zumindest ergänzt. Als Lehrziel und Lehrprinzip gilt nun die interkulturelle Spracherziehung. Die Fremdsprachendidaktik entwickelte sich zu einer interkulturellen Fremdsprachenpädagogik. Eine neue Generation von Fremdsprachenlehrern wird ausgebildet. Da geht es jetzt nicht mehr so sehr um die Beherrschung praktischer Techniken, wie man etwa die deutschen Präpositionen mit dem 3. oder 4. Fall unterrichtet, sondern vielmehr um die Erkennung und Behandlung von Vorurteilen und Stereotypen oder die Erkenntnis, was eigentlich unter Ambiguitätstoleranz und Konfliktfähigkeit zu verstehen ist u.v.a.m. Da stellt sich die Frage, inwieweit alle wichtigen Kenntnisse und Kompetenzen - neben der immer wichtigen didaktisch-methodischen Ausbildung natürlich - beherrscht werden können und müssen. Vielleicht genügt zunächst die Einsicht, dass das Eigene nicht zur "Leitkultur" erklärt, sondern der Ethnozentrismus durch Respekt und Akzeptanz des Fremden ersetzt wird. Das ist nun aber die Aufgabe des gesamten Schulsystems schlechthin, und nicht ausschließlich des Fremdsprachenunterrichts, auch wenn Fremdsprachenlehrer hierbei eine besondere Rolle spielen könnten. Wäre es nicht besser auch, mit der interkulturellen Spracherziehung bereits im Kindesalter zu beginnen? Damit wirft die Fremdsprachenpädagogik neue Fragen auf und der Kreis schließt sich. Vorurteile, Voreingenommenheit, Fremdenhass und egozentrische Interessen werden schließlich erst im 'politischen' Alter bewusst. Kleine Kinder haben keine kulturbezogenen egozentrischen Interessen, sie haben andere Bedürfnisse und ein anderes Weltbild.

3 Ausblick

Das Thema verlangt natürlich eine breitere und tiefere systematische Behandlung, bedarf genauer Namen-, Quellen- und Titelangaben. Dies war an dieser Stelle nicht möglich. Hier sollte nur ein Impuls für weiteres Nachdenken gegeben werden. Es ging mir dabei nicht so sehr um den Paradigmenwechsel in der Methodik, sondern um den wissenschaftlichen Werdegang und disziplinäre Emanzipation der Fremdsprachendidaktik und ihren gesellschaftlichen Bezug. Die erweiterten gesellschaftlichen Aufgaben kann die selbstbewusste interkulturelle Fremdsprachenpädagogik nur in einer engen Zusammenarbeit zwischen Theorie und Praxis erfüllen, ohne dass sie die Verfolgung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisziele vernachlässigt.

Mit der europäischen Sprachenpolitik, die auf Vielsprachigkeit und Vielkulturalität setzt, wächst die Hoffnung auf ein friedliches und kooperatives Miteinanderleben im vereinten Europa. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (man beachte: man spricht nicht von Fremdsprachen, sondern schlicht von Sprachen) und viele weitere bildungspolitische Maßnahmen der Europäischen Union bereiten den Weg für weitere, zeitangemessene Lösungen. Fremdsprachenpädagogen, aber natürlich auch Linguisten, können und sollen ihren Beitrag leisten. Als Wissenschaftler, Hochschullehrer und nicht zuletzt Studiendekan ist Harald Weydt dafür ein hervorragendes Beispiel.

Anmerkungen

1 Eine Randbemerkung: Es sind die Sprachbenutzer, die ihre Sprachen schwieriger machen als sie sind. Auf der Suche nach Präzision des Ausdrucks, eines 'klugen' Inhalts und 'aparten' Stils verkomplizieren sie ihre Sprachperformanz unnötig. [zurück]

2 Die von Zabrocki gegründete Disziplin, wie auch die Fachzeitschrift, die bis heute erscheint, wurde unter dem Namen Glottodidaktik bekannt. [zurück]

3 Zu beachten ist, dass ein Lehrstuhl in Polen einige habilitierte, selbstständige Wissenschaftler zählen kann. Das gleiche betrifft eine Abteilung, die in der Regel an einem größeren Institut mit mindestens sechs habilitierten und vielen weiteren Beschäftigen verankert ist. [zurück]

4 An die Stelle Pädagogischer Hochschulen traten seit den 90-er Jahren 3-jährige Kollegs, u. a. sehr zahlreiche Fremdsprachenlehrerkollegs, die mit einem Lizenziat (entspricht dem B.A.) enden. [zurück]

5 Später wurde der Lehrstuhl in ein Institut umgewandelt. [zurück]

6 Zum Vergleich: Das erste Institut für Deutsch als Fremdsprache in der Bundesrepublik gründete Harald Weinrich an der Universität München im Jahre 1978. In Österreich wurde Hans-Jürgen Krumm auf den ersten Lehrstuhl für Didaktik des Deutschen als Fremdsprache am Germanistischen Institut der Universität Wien erst vor 10 Jahren, 1993, berufen. [zurück]