Anfang des 20. Jahrhunderts steckte die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft in einer Art Sackgasse. Bis dahin hatte man sich fast ausschließlich am genetischen Prinzip orientiert, d.h. Ähnlichkeiten in verschiedenen Sprachen auf genealogische Verwandtschaft zurückgeführt; als hauptsächliche Aufgabe der Sprachwissenschaft galt es, den gemeinsamen Ursprung zu rekonstruieren und die Entwicklung der verwandten Sprachen nach der Auflösung der Ursprache zu beschreiben. Die Hoffnung, irgendwann einmal die diachronische Entwicklung aller indogermanischen Sprachen aus einer organisch zusammenhängenden Ursprache ableiten zu können, zerbrach jedoch endgültig nach der Entdeckung und Entzifferung des Tocharischen (1908) und Hethitischen (1917). Obwohl beide Sprachen eindeutig indogermanisch waren, zeigte das Tocharische trotz seiner extrem östlichen Lage doch westliche Merkmale (es war z.B. eine Kentum-Sprache und hatte mit dem Keltischen und Lateinischen das Medium/Passiv auf -r gemein), und das Hethitische wies trotz seines hohen Alters (1800 bis 1200 v. Chr.) nicht den formenreichen synthetischen Charakter auf, den man aufgrund der bisherigen Forschungen zum Indogermanischen hätte erwarten können: Es war nur mäßig flektierend und hatte viele Kategorien anscheinend bereits verloren - oder einfach nie besessen.
Weil er die genetisch orientierte Arbeitsweise als einseitig und unzulänglich empfand, setzte ihr der Prager Linguistenkreis in den zwanziger und dreißiger Jahren die Ansicht entgegen, daß die ererbten Merkmale einer Sprache und ihre Geschichte nur einen Gegenstand der Sprachforschung darstellten und daneben auch erworbene Merkmale und deren Verbreitung erforscht werden müßten. Rückblickend bemerkt R. Jakobson, daß dieser Schritt durchaus der gängigen Praxis in anderen Sozialwissenschaften entspreche (1938: 49):
car l'exploration des ressemblances héritées d'un état préhistorique commun n'est dans les sciences sociales comparées, par ex. dans l'étude de l'art, des murs ou des coutumes, qu'une des questions à traiter, et le problème du développement des tendances mutatives l'emporte ici sur celui des résidus.
Einer der bekanntesten Beiträge des Prager Linguistenkreises zu einer neuen Betrachtungsweise in der vergleichenden Sprachwissenschaft ist der von N.S. Trubetzkoy vorgeschlagene deutschsprachige Begriff "Sprachbund", der übrigens auch in der englischsprachigen Forschung benutzt wird. Zumindest hat die linguistische Nachwelt dieses Konzept als Modell für die Verbreitung erworbener Merkmale benutzt, jedoch zu Unrecht, wie unten nachzuweisen sein wird.
Der Grundgedanke des Sprachbundbegriffs, nämlich die Verbreitung gemeinsamer Merkmale in benachbarten Sprachen, hat natürlich eine Vorgeschichte in der Dialektologie (genauer: der sog. Dialektgeographie), die hier jedoch außer acht bleibt. Es kommt hier stattdessen auf die Verbreitung von Merkmalen über die Grenzen nicht- oder nicht unmittelbar verwandter Sprachen hinweg an, denn nur dies begründet die Eigenart des Sprachbundbegriffs (sowie des in der englischsprachigen Forschung mehr oder weniger synonym gebrauchten Begriffs "linguistic area") gegenüber den älteren Konzeptionen der Dialektgeographie.
Seit Trubetzkoy wurde der inzwischen fest etablierte Begriff "Sprachbund" oft auf die Balkansprachen angewandt, aber auch auf Sprachgruppen in anderen Teilen der Welt, wie z.B. in Südostasien (z.B. Masica 1975) und Mittelamerika (vgl. unlängst van der Auwera 1998c). In letzter Zeit ist er jedoch noch in einem anderen Zusammenhang aktuell geworden, und zwar im Rahmen des großangelegten Forschungsprojekts "Typology of Languages in Europe" (besser bekannt als EUROTYP-Projekt), dessen Ergebnisse zur Zeit in der von B. Comrie und G. Bossong herausgegebenen Reihe "Empirical Approaches to Language Typology" im Verlag Mouton de Gruyter erscheinen und inzwischen in sechs (von insgesamt neun) Bänden vorliegen. Dabei haben die Projektteilnehmer (u.a. E. König, M. Haspelmath, J. van der Auwera) mehrmals die weitreichende Hypothese eines europäischen Sprachbundes formuliert. Diese zwar nicht neue, aber nunmehr mit anspruchsvollen typologischen Datensammlungen begründete These macht eine Rückbesinnung auf die Voraussetzungen, Grenzen und bisherigen Leistungen des Sprachbundbegriffs erforderlich. Dabei zeigt sich, daß N. S. Trubetzkoy und R. Jakobson zumindest bei der Auswahl ihrer Beispiele von ideologischen Vorstellungen geführt wurden. Aber auch mehr als sechzig Jahre nach Trubetzkoy sind Sprachbünde aufgrund rein linguistischer Daten schwer zu erheben. Selbst die umfangreichen Datensammlungen des EUROTYP-Projekts können dieses Problem nicht lösen. Weil einige Projektteilnehmer trotzdem einen europäischen Sprachbund postulieren, entsteht zumindest der Eindruck, daß dabei außerlinguistische Vorannahmen eine Rolle spielen. Dieser Verdacht betrifft nicht die Erforschung der Tatbestände, sondern die voreiligen Schlußfolgerungen, die unkritisch klischeehafte Vorstellungen einer uralten europäischen Integration in die linguistische Daten projiziert. Es sei hervorgehoben, daß ich keinem der unten zitierten Forscher Manipulationen unterstelle, sie wohl aber auf Irrtümer hinweisen möchte sowie auf alternative Erklärungen, die bei den europäischen Sprachen den Rückgriff auf eine so schwer nachweisbare und immer hypostasierend angewandte Erscheinung wie einen "Sprachbund" überflüssig machen. Und nebulös ist die Anwendung des Sprachbundbegriffs tatsächlich, denn bisher hat kein einziger Forscher, der einen Sprachbund postuliert, nachgewiesen oder auch nur versucht nachzuweisen, daß die gemeinsamen Merkmale des von ihm definierten Sprachbundes auch wirklich durch Kontaktwirkung und Entlehnung erworben worden sind, obwohl gerade eine solche Kontaktwirkung heute als das hervorstechendste Merkmal eines Sprachbundes betrachtet wird.
Hinsichtlich des Sprachbundbegriffs ist grundsätzlich zwischen Trubetzkoys ursprünglichem Konzept, das rein klassifikatorisch gemeint war, und dem modernen Verständnis, das Sprachbundphänomene als Folge einer geographischen Kontaktlage betrachtet (s. 2.2), zu unterscheiden. Als Ausgangspunkt der Sprachbundforschung gilt in der heutigen Forschung gewöhnlich die von Trubetzkoy verfaßte "Proposition 16" des ersten Internationalen Linguistenkongresses in Den Haag 1928 (in den Kongreßakten veröffentlicht als Trubetzkoy 1930). Zwar hatte Trubetzkoy den Begriff "Sprachbund" schon 1923 in einem russischen Beitrag als "jazykovoj sojuz" geprägt, jedoch ist der Artikel von 1923 seinem Wesen nach ein theologischer, kein linguistischer Traktat (Toman 1995: 199). Ich komme weiter unten (2.3) auf ihn zurück, denn er erhellt den Hintergrund, vor dem Trubetzkoy sein Sprachbundkonzept entworfen hat.
Der Begriff "Sprachbund" war ursprünglich Teil einer Taxonomie, die auch "Sprachgruppe" und "Sprachfamilie" umfaßte. Der Oberbegriff ist "Sprachgruppe", d.h. eine "Gesamtheit von Sprachen, die miteinander durch eine erhebliche Zahl von systematischen Übereinstimmungen verbunden sind" (Trubetzkoy 1930: 18); "Sprachbund" und "Sprachfamilie" sind die Unterbegriffe. Zur Unterscheidung der letzteren benutzt Trubetzkoy ein dreifaches Kriterium: 1. "systematische Lautentsprechungen", 2. "Übereinstimmung in der lautlichen Gestalt der morphologischen Elemente" und 3. "gemeinsame Elementarwörter". Für den Fall, daß alle drei Übereinstimmungen zutreffen, schlägt Trubetzkoy den Begriff "Sprachfamilie" vor; für Fälle, wo nicht alle drei Kriterien zutreffen, die betreffenden Sprachen aber trotzdem "eine grosse Ähnlichkeit in syntaktischer Hinsicht, eine Ähnlichkeit in den Grundsätzen des morphologischen Baus", ferner "eine grosse Anzahl gemeinsamer Kulturwörter" und "manchmal auch äussere Ähnlichkeiten im Bestande der Lautsysteme" aufweisen, schlägt er den Begriff "Sprachbund" vor.
Man bemerke, daß Trubetzkoy sich bei seiner Definition mit keinem Wort über den Ursprung von Sprachfamilien und Sprachbünden äußert, und mögliche Faktoren wie Vererbung versus Entlehnung oder sonstige Kontaktwirkung bleiben (zumindest in der These von 1928) gänzlich unerwähnt. Allenfalls der zweite Teil des Kompositums ("Bund") könnte eine konvergente Entwicklung suggerieren, zumindest im Vergleich mit dem Ausdruck "Familie" (der ja stets eine genealogische Beziehung meint), aber selbst dafür gibt es keinerlei Beweise; wahrscheinlicher ist, daß Trubetzkoy überhaupt keine Erklärung für etwaige Sprachbundphänomene beabsichtigte. Trubetzkoy erwähnt auch nicht, daß die Sprachen eines Sprachbundes in einander benachbarten Gebieten gesprochen werden müßten. Im Gegensatz zu unserer heutigen Vorstellung sind "Sprachbund" und "Sprachfamilie" bei Trubetzkoy termini technici rein synchronischer Natur. Zwar definiert Trubetzkoy "Sprachfamilie" genau wie es die historisch-vergleichende Sprachforschung tat (nämlich aufgrund systematischer Lautentsprechungen, vor allem in der Morphologie und in Elementarwörtern), die Begriffe "Sprachfamilie" und "Sprachbund" fassen aber eine besondere Art von Ähnlichkeiten zusammen, die man in synchronischen Sprachzuständen ganz unabhängig von ihrem Ursprung beobachten kann. Trubetzkoy selbst bestätigt dies, wenn er einige Jahre später formuliert: "Der Begriff ªSprachfamilie´ setzt gar nicht die gemeinsame Abstammung einer Anzahl von Sprachen von einer einzigen Ursprache voraus." (Trubetzkoy 1939: 81) Auch in seinem Beitrag "Phonologie und Sprachgeographie" (1931/1971), auf den im Zusammenhang mit dem Sprachbundbegriff ebenfalls häufig verwiesen wird,(1) betont Trubetzkoy den Sinn sprachvergleichender Untersuchungen bei phonologischen Phänomenen und weist auf einige Beispiele mit einer kontinuierlichen geographischen Verbreitung in genealogisch nicht-verwandten Sprachen hin, ohne jedoch auf die Ursachen einzugehen (Trubetzkoy 1931/1971: 267). Zur Begründung verweist er warnend auf voreilige Interpretationen im Sinne älterer Substrattheorien und hebt die Notwendigkeit ausreichenden Materials hervor (ebd.: 268):
Man wird überhaupt besser tun, vorläufig von jeder Deutung abzusehen, bis das gesamte Material gesammelt ist. Aktuell ist heute eben die erschöpfende Materialsammlung, die Feststellung des Tatbestandes.
Laut Trubetzkoy erfordert eine solche vergleichende phonologische Untersuchung zunächst die Erforschung einer grundlegenderen Ebene, nämlich der phonologischen Dialektologie der betroffenen Einzelsprachen (ebd.).
Vor dem Hintergrund seiner Bedeutung bei Trubetzkoy stellt sich die Frage, wie sich der Begriff "Sprachbund" in die Bezeichnung für kontaktbedingte Ähnlichkeiten verwandeln konnte, als die er heute gewöhnlich gebraucht wird. Trubetzkoy selbst hat sich immer bemüht, Adhoc-Erklärungen für die geographische Verbreitung von Merkmalen zu vermeiden; man kann also die globale Annahme, Sprachbunderscheinungen beruhten auf gegenseitigem Einfluß, nicht auf ihn zurückführen, obwohl er selbst schon bald nach seiner Haager These von "benachbarten Sprachen" redete (z.B. 1931/1971: 267), was natürlich Kontaktwirkungen nahelegt. In anderen Beiträgen Trubetzkoys ist die Versuchung womöglich noch größer, zwischen den Zeilen irgendeine gegenseitige Beeinflussung als Ursache der gemeinsamen Merkmale zu vermuten. In einem Artikel zum slawischen Deklinationssystem erklärt Trubetzkoy die Tatsache, daß das Slowakische sein Deklinationssystem besser erhalten habe als das Tschechische, und zwar durch die geographische Lage des Slowakischen, das von Sprachen mit voll entwickelten Deklinationssystemen umgeben sei (Trubetzkoy 1937/1988: 44/312). Bemerkenswert ist jedoch, daß Trubetzkoy Begriffe wie "Kontakt", "Einfluß", "Entlehnung" usw. auch hier nicht benutzt. Ebensowenig bezeichnet er die benachbarten europäischen Sprachen, die ein produktives Deklinationssystem aufweisen (wie die finno-ugrischen, die baltischen, die meisten slawischen usw.) als einen Sprachbund, sondern wählt stattdessen das Bild eines "Kernlandes der Deklination" (ebd.: 41/309).(2)
Jakobson, Trubetzkoys Prager Kollege, stellt die ererbten Ähnlichkeiten der Sprachfamilien ("inherited communalities", sic) den "affinities acquired" gegenüber und identifiziert letztere mit Trubetzkoys Sprachbund (Jakobson 1963/1971: 525). Diese Ähnlichkeiten betrachtet er als das Ergebnis von Konvergenz (Jakobson 1938: 49), wobei auch er jedoch Begriffe wie "Einfluß", "Kontakt", "Übernahme" usw. vermeidet. Letzten Endes besteht auch Jakobson darauf, daß die betreffenden gemeinsamen Merkmale zunächst unvoreingenommen beschrieben werden müßten ("sans parti pris et sans généralisations prématurées, telles que l'explication du fait de l'affinité phonologique par la parenté, par le mélange ou par l'expansion des langues ou des collectivités parlantes", Jakobson 1938: 58), bevor Schlüsse auf ihre Herkunft gezogen werden könnten.
Daß gegenseitiger Einfluß und Konvergenz durch geographische Nachbarschaft dennoch von Anfang an als Teil des Sprachbundbegriffs verstanden worden sind, hat wohl mit dem (einzigen) Beispiel eines Sprachbundes zu tun, das Trubetzkoy zitiert: dem sog. Balkan-Sprachbund, d.h. Bulgarisch, Neugriechisch, Albanisch und Rumänisch (1930: 18; das Makedonische erwähnt er nicht). Diese Balkansprachen liefen bereits zu der Zeit, als die Sprachforschung noch in indogermanischen Stammbaummodellen dachte, einer streng genealogischen Klassifikation zuwider und bedurften insofern immer schon ergänzender Bemerkungen. Der Schwede E. Thunmann (1746-1778) scheint der erste gewesen zu sein, der die strukturellen Gemeinsamkeiten des Albanischen und Rumänischen bemerkte. Der Slowene B. Kopitar (1780-1844) und der Österreicher F. X. Miklosich (1813-1891) haben die starke Ähnlichkeit der Balkansprachen untereinander näher herausgearbeitet und werden deshalb als Begründer der vergleichenden Erforschung der Balkansprachen betrachtet. Charakteristisch für ihre Ansichten ist die Vorstellung, daß die gemeinsamen Merkmale einem thrakisch-illyrischen Substrat, also dem gemeinsamen Kontakt mit einer Fremdsprache, zuzuschreiben seien.(3)
Letztlich hat Trubetzkoy durchaus explizit die Rolle anerkannt, die Einfluß und Kontakt in der Geschichte von Sprachen spielen können; aber: das Beispiel, das er zitiert, betrifft jedoch nicht die Entwicklung irgendeines Sprachbundes, sondern im Gegenteil die Entstehung der bekanntesten Sprachfamilie, die es in der Sprachwissenschaft überhaupt gibt, nämlich des Indogermanischen! Seinem Vortrag "Gedanken über das Indogermanenproblem" (posthum erschienen als Trubetzkoy 1939) zufolge ist gerade die Hypothese einer indogermanischen Ursprache alles andere als zwingend (ebd.: 82):
Ebenso gut denkbar ist, dass die Vorfahren der indogermanischen Sprachzweige ursprünglich einander unähnlich waren, sich aber durch ständigen Kontakt, gegenseitige Beeinflussung und Lehnverkehr allmählich einander bedeutend genähert haben, ohne jedoch jemals mit einander ganz identisch zu werden.
Indogermanisch bezeichne im Grunde gar keinen gemeinsamen Ursprung, sondern nur eine bestimmte Konfiguration von sechs Merkmalen, die Sprachen im Laufe der Zeit nicht nur verlieren, sondern auch erwerben könnten (ebd.: 84-85). Mehr noch: Graduelle Übergänge, wie sie die sog. Wellentheorie von J. Schmidt (1872) postulierte, könnten nicht nur innerhalb ein und derselben Sprachfamilie, sondern auch zwischen genealogisch nicht verwandten, aber benachbarten Sprachen auftreten. So gebe es eine kontinuierliche geographische Abwandlung vom Finno-Ugrischen über das Indogermanische bis zu den Sprachfamilien am Mittelmeer wie dem Semitischen und dem Kaukasischen (Trubetzkoy 1939: 86f.).
Nun ist Trubetzkoys Beispiel für Kontaktwirkung aber nicht besonders plausibel. Sein Vortrag über das Indogermanenproblem muß eher als eine Herausforderung an die Adresse der historisch-vergleichenden Sprachforschung verstanden werden. Beispielsweise ersetzt er die Annahme, daß systematische Entsprechungen in der Phonologie, in der Morphologie und im Grundwortschatz nur durch einen gemeinsamen Ursprung erklärt werden könnten, durch die gegenteilige Annahme, daß solche systematischen indogermanischen Entsprechungen erworben werden könnten. Gewiß: Die indogermanische Ursprache bleibt hypothetisch, überliefert ist sie nicht. Aber für eine "indogermanisierende" Konvergenz gibt es bislang keine Indizien. Trubetzkoys These beruht zudem auf einigen problematischen Prämissen. Die überlieferte Geschichte der indogermanischen Sprachen zeigt eine klare, allgemeine Divergenz mit allenfalls einigen kleineren und räumlich beschränkten Konvergenzneigungen ohne systematischen Charakter, wie eben im Falle der Balkansprachen. Diese überlieferte strukturelle Divergenz ist bedeutend, denn sie muß auch dann stattgefunden haben, wenn (z.B. durch zahlreiche Lehnwörter) kultureller Austausch nachweisbar ist wie etwa zwischen Griechisch und Italisch oder auch seit dem 1. Jh. v. Chr. zwischen Latein, Keltisch und Germanisch. Trubetzkoy muß deshalb eine tiefgreifende Konvergenz voraussetzen, der eine ebenso tiefgreifende Divergenz folgte, und dies ist (gelinde gesagt) weit hergeholt. Daß des weiteren eine umfassende Abstufung der Sprachgruppen von Westasien über Europa bis in den Mittelmeerraum zu beobachten sei, ist zwar ein elegantes Bild, doch fehlen alle substantiellen Beweise. Trubetzkoys These sollte deshalb als eine Art Gedankenspiel gelesen werden, nicht aber als ernsthafte Alternative zu eher traditionellen Vorgehensweisen, die irgendeine Form gemeinsamen Ursprungs annehmen.
Trubetzkoys Sprachbundbegriff ist keineswegs aus einer unvoreingenommenen Untersuchung linguistischer Fakten hervorgegangen. Er ist zumindest teilweise auf Trubetzkoys Biographie und ideologische Auffassungen zurückzuführen, wie J. Toman in The Magic of a Common Language (1995), einer historiographischen Übersicht der wichtigsten Vertreter des Prager Linguistenkreises, nachgewiesen hat. Als russischer Adliger mußte Trubetzkoy 1917 vor der bolschewistischen Revolution fliehen und war später ein bekanntes Mitglied der eurasischen Bewegung in der russischen Emigration in West- und Mitteleuropa. Diese Bewegung betonte Rußlands Sonderstellung zwischen Asien und Europa und war bestrebt, die russische Kultur als eigenständige, östliche Entität mit zum Teil asiatischen Wurzeln auszuweisen, die keine Provinz des Westens sei. In ihren politischen Zielen lehnte diese Bewegung nicht nur den Kommunismus, sondern auch die liberale Demokratie ab, denn dieses westliche Modell laufe der russischen Eigenart und Geschichte zuwider. Trubetzkoys Engagement in der eurasischen Bewegung erklärt sich aus seiner traumatischen Begegnung mit dem westlichen Kosmopolitismus. Oberflächlich betrachtet scheine der "romanisch-germanische Westen" (wie ihn Trubetzkoy in seinen Eurasien-Schriften bezeichnet) weltoffen und an fremden Kulturen interessiert, aber dieser Kosmopolitismus gehe letzten Endes mit einem Überlegenheitsgefühl einher und verberge eine tief verwurzelte Verachtung für Kulturen, die man im Westen im Grunde als "zurückgeblieben" und "provinziell" betrachte, denen der große Überblick, wie ihn der Westen erworben habe, fehle.
Trubetzkoys Reaktion gegen den "romanisch-germanischen" Universalismus spiegelt sich in etlichen seiner linguistischen Ansichten wider. Wie erwähnt hat er den Begriff "Sprachbund" erstmals nicht in einem linguistischen, sondern in einem russischsprachigen theologischen Artikel eingeführt, der (in der englischen Übersetzung einiger Auszüge von J. Toman) "The Tower of Babel and the Confusion of Languages" hieß und 1923 in der Zeitschrift Evrazijskij vremennik ('Der eurasiatische Zeitgenosse') erschien. In diesem Artikel deutet Trubetzkoy die biblische Geschichte des Turmbaus zu Babel wie folgt: Die vorbabylonische Gesellschaft sei eine universale Kultur gewesen, die den Menschen den Turmbau ermöglicht habe; ein göttlicher Eingriff schuf jedoch die Vielfalt der Sprachen und setzte der universalen Kultur ein Ende. Da diese gottgewollte Ordnung nicht verletzt werden dürfe, sollten wir auch nicht versuchen, den vorbabylonischen Zustand wiederherzustellen. Genau das versucht Trubetzkoy zufolge jedoch der westliche Kosmopolitismus (Toman 1995: 204), dem er eine "spiritual depersonalization of all nations" vorwirft und dessen Ziel einer "Brotherhood of Nations" er deshalb als "disgusting hoax" bezeichnet (Trubetzkoy 1923: 114; zitiert nach der englischen Übersetzung in Toman 1995: 204).
Angesichts solcher Ansichten könnte man nun erwarten, daß Trubetzkoy die genealogische Methode bevorzugte, z.B. im Sinne des Schleicherschen Stammbaummodells, dem zufolge durch Trennungen dauernd neue Sprachen entstehen und eine immer größere Vielfalt zustande kommt. Das Gegenteil scheint aber der Fall gewesen zu sein. Wenn Trubetzkoy im Anschluß an seine theologischen Darlegungen den Sprachbundbegriff als eine nicht-genetische Klassifikation benachbarter Sprachen mit gemeinsamen Merkmalen einführt, scheint es ihm nämlich gerade nicht um die Existenz von Sprachbünden neben Sprachfamilien gegangen zu sein, sondern um den Gedanken, daß die Sprachen der Welt eine Art "uninterrupted network of members merging into one another" bildeten, ein "linguistic rainbownet" mit graduellen Übergängen (Trubetzkoy 1923: 117, alles zitiert aus Toman 1995: 205). Das Ganze sei ein (ebd.)
harmonious system in which each part, however tiny, preserves its genuinely unrepeatable individuality, and the unity of the whole is achieved not through de-individualization but through the non-discreteness of the rainbow network of languages itself.
Diese mystische Idee eines harmonischen Sprachennetzes liegt auch noch Trubetzkoys "Gedanken über das Indogermanenproblem" (1939) zu Grunde, aber auch vielen anderen Publikationen, in denen er die Ähnlichkeiten zwischen geographisch benachbarten Sprachen betont. Egal, welche Argumente Trubetzkoy dafür sah, man kann nicht umhin, daß das Sprachennetz gleichzeitig den indogermanischen Zusammenhang zwischen dem Russischen und den Sprachen des romanisch-germanischen Westens lockert. Die Vorstellung gradueller Übergänge innerhalb des Netzwerks war für ihn zugleich auch ein Argument gegen den westlichen Universalismus, der dazu neigte, Rußland als eine Art Provinz des Westens zu sehen, die mit einer gewissen Verzögerung der westlichen Entwicklung nachfolgen würde.(4)
Der Sprachbundgedanke spielt dabei lediglich die verhältnismäßig bescheidene Rolle eines Gegenentwurfs zum allmächtigen genealogischen Modell der Sprachfamilien, das bis dahin praktisch die einzige Methode war, um Ähnlichkeiten zwischen Sprachen zu beschreiben. Mehrmals behandelt Trubetzkoy in seinen Aufsätzen gemeinsame Merkmale benachbarter Sprachen, ohne den Sprachbundbegriff auch nur zu erwähnen, auch wenn ein solcher Hinweis unserer modernen Auffassung nach selbstverständlich oder sogar unerläßlich wäre (z.B. Trubetzkoy 1931/1971 und 1937/1988).(5)
Vor dem Hintergrund des Eurasianismus als politischer Bewegung ist es wohl kaum ein Zufall, daß sich R. Jakobson, ebenfalls ein russischer Emigrant, in mehreren Arbeiten der These eines phonologischen eurasischen Sprachbundes nachgegangen ist (z.B. Jakobson 1931a, 1931b/1971, 1938). In seiner Skizze dieses Sprachbundes setzt er das Russische in Beziehung zu anderen Sprachen, die "im Rumpf des alten Kontinents" (1931b/1971: 138) gesprochen würden, einem Gebiet, das Eurasien genannt werde. Der eurasische Sprachbund umfasse alle ostslawischen Sprachen, das Polnische (mit Ausnahme der nördlichen polnischen Dialekte), das Moldawische, die ostbulgarischen Mundarten, die Zigeunerdialekte Rußlands und Polens, das Mordvinische, Permische, das Samojedische, finnische Mundarten in Südkarelien und Ostfinnland, die östlichen Mundarten des Estnischen, viele Turksprachen usw. Auffälligerweise fallen ziemlich viele der Gebiete, in denen diese Sprachen (oder Mundarten) gesprochen wurden, mehr oder weniger mit umstrittenen Grenzregionen zusammen, die Rußland nach dem 1. Weltkrieg hatte abtreten müssen (z.B. Ost- und Zentralpolen, Moldawien, Finnland, Karelien, Estland). Damit sei nicht behauptet, daß Jakobson seinen eurasischen Sprachbund als linguistisches Argument für einen damals lebendigen russischen Revisionismus oder Expansionismus verstanden habe; die Übereinstimmung seiner Thesen mit den historisch-politischen Gegebenheiten läßt sich aber kaum übersehen und könnte leicht für politische Ziele mißbraucht werden. Da Jakobson zudem betont, daß weitere Zweige der "russischen Wissenschaft" wie Geographie, Archäologie, Geschichte und Anthropologie ebenfalls die Eigenständigkeit des eurasischen Raums nachgewiesen hätten (Jakobson 1931b/1971: 138), haftet seinem phonologischen Sprachbund doch ein gewisser nationalistischer Hauch an.(6)
Auch Trubetzkoy hat eine "linguistic area" mit dem Russischen als Kern untersucht, nämlich in einem Beitrag mit dem auf den ersten Blick unverdächtigen Titel "Gedanken über die slovakische Deklination" (1937/1988). Darin zeigt er, daß das voll entwickelte Deklinationssystem der baltischen und slawischen Sprachen keinen isolierten Fall darstellt, da andere, benachbarte Sprachen ebenfalls zahlreiche Deklinationen aufweisen, z.B. die finno-ugrischen Sprachen, Samojedisch, Tungusisch, Mongolisch, die Turksprachen, diejenigen Sprachen, die im Nordosten des Kaukasus gesprochen werden, usw. Diese Beobachtungen sind an sich rein linguistisch. Trotzdem ist es merkwürdig, daß Trubetzkoy unentwegt von politischen (statt von sprachlichen) Einheiten spricht, wenn er die Ergebnisse seiner Forschungen zusammenfaßt (ebd.: 41/309):
Es gibt also in der Alten Welt ein bestimmtes "Kernland der Deklination", das - schematisch ausgedrückt - die "Randstaaten" (Finnland, Estland, Lettland, Litauen), Polen, Tschechoslovakei [sic], Ungarn, Jugoslavien, die Türkei, die ganze Sovjetunion, die Mongolei und Japan umfasst. Westlich und südlich von diesem Kernlande ist die Deklination entweder ganz unbekannt oder im Schwinden begriffen.
Nur aus russozentrischer Sicht und unter Mißachtung der Gefühle ihrer Bewohner können Finnland, Estland, Lettland, Litauen als "Randstaaten" bezeichnet werden. Lapsus linguae oder verräterisches Indiz russischer Vormachtambitionen? Wie auch immer: Erneut wird hier eine Art Sprachbund skizziert (ohne daß der Begriff als solcher aufträte), in dem Rußland als das natürliche und etwas überdimensionierte Zentrum erscheint. (7)
Sowohl Jakobsons eurasischer Sprachbund wie auch Trubetzkoys "Kernland der Deklination" schwächen die Bedeutung der genetischen Beziehungen zwischen dem Russischen und den indogermanischen Sprachen Westeuropas ab, und gleichzeitig wird die indogermanische Verwandtschaft von einem neuen Gravitationszentrum, Rußland selbst, überschattet. Jakobson und Trubetzkoy mögen dieses Endergebnis nicht beabsichtigt haben, aber man kann doch nicht umhin zu erkennen, daß ihre sprachlichen Klassifikationen nahezu nahtlos in das Konzept des politischen Eurasianismus passen.
Die frühen Anwendungen des Sprachbundbegriffs bzw. ganz allgemein der Idee, daß Ähnlichkeiten zwischen unverwandten, benachbarten Sprachen forschungsrelevante linguistische Phänomene seien, sind also recht doppeldeutig. Weder Trubetzkoy noch Jakobson gehen auf die Frage ein, warum und in welchem Maße nicht-ererbte Ähnlichkeiten die Hypothese einer neuen und wesentlichen Einheit, z.B. einen Sprachbund, begründen könnten. Im Falle der Balkansprachen hatte die Annahme, daß sekundäre, erworbene Merkmale ältere genetische Beziehungen verwischt hätten, die Tradition auf ihrer Seite, und natürlich ist dieses vielzitierte Beispiel viel älter als der Sprachbundbegriff, den es illustrieren soll. In anderen Fällen spricht die Relevanz solcher erworbenen Ähnlichkeiten jedoch keineswegs für sich. Welche oder wieviele Merkmale müssen Sprachen eigentlich gemeinsam haben, damit von einem Sprachbund die Rede sein kann? Mehrmals haben Autoren versucht, Sprachbünde mittels einer Quantifizierung der Ähnlichkeiten (Afendras 1970) bzw. anhand von deren Frequenz in einem Textkorpus (Kristophson 1993) abzugrenzen. Letztlich wird eine solche Quantifizierung aber nicht ausreichen, denn die Zahl der gemeinsamen Merkmale in einem Sprachbund ist immer relativ und hängt von der Zahl der Merkmale ab, die die Mitglieder eines Sprachbundes mit anderen (verwandten oder benachbarten) Sprachen außerhalb des vermeintlichen Sprachbundes gemeinsam haben. Aus diesen Gründen ist die Annahme eines Sprachbundes immer mehr oder weniger willkürlich. Darauf hat bereits U. Weinreich in seiner Kritik des Sprachbundbegriffs hingewiesen (1958: 378f.):
Its fundamental fault is that it implies a unit, as if a language either were or were not a member of a given Sprachbund. But of course a grouping of this sort has no specific a priori criteria; a group of geographically continuous languages may be classified as a Sprachbund ad hoc, with respect to any structural isogloss.
In einem Teil der Welt, in dem Ähnlichkeiten zwischen Sprachen ansonsten fehlen, liegt es nahe, einen Sprachbund bereits dann zu postulieren, wenn eine Gruppe benachbarter Sprachen relativ wenige Ähnlichkeiten aufweist. Sind in einem Gebiet dagegen fast alle Sprachen verwandt bzw. haben sie fast alle einen gemeinsamen Ursprung in einer verhältnismäßig jungen Vergangenheit, dann wäre die Annahme eines Sprachbundes viel schwerer zu begründen, denn die betreffenden Sprachen strotzen vor Ähnlichkeiten, die auch der gemeinsamen Abstammung oder einer parallelen Entwicklung (s. unten 5.3 §1) zugeschrieben werden könnten. Man sieht also: Der Sprachbundbegriff setzt eine Einheit voraus, aber für deren Bestimmung fehlen jegliche festen Kriterien.
Eine genaue Betrachtung fördert weitere Probleme zutage. Bald nach Trubetzkoy setzte sich die Ansicht durch, Sprachbünde seien als Ergebnis konvergenter Entwicklungen zu betrachten. Pate stand dabei die Balkanphilologie: Wie erwähnt, wurden die Balkansprachen ja schon vor Trubetzkoy als Einheit behandelt; sie wurden dann auch von Anfang an als archetypisches Beispiel eines Sprachbundes zitiert. Dabei wurde nicht nur der Sprachbundbegriff zur Klassifizierung der Balkan-Spracheinheit verwendet, sondern umgekehrt auch die traditionelle Ansicht, die Ähnlichkeiten zwischen den Balkansprachen seien durch geographische Nachbarschaft und gegenseitigen Einfluß verursacht, auf den Sprachbundbegriff übertragen - mit der Folge, daß Sprachkontakt und Entlehnung heute ganz selbstverständlich als Ursache von Sprachbundphänomenen gelten (siehe z.B. Bußmann 1990: 698; Lewandowski 1994: 991; Glück 2000: 651-652). Auf diese Weise hat der Sprachbundbegriff von seinem archetypischen Beispiel ein definitorisches Problem geerbt, denn gerade daß die Ähnlichkeiten durch die Nachbarschaft der Sprachen und den Kontakt zwischen ihnen verursacht wurden, müßte von der linguistischen Forschung ja überhaupt erst nachgewiesen werden. Damit aber wird die Kontaktlinguistik genauso zu einer historischen Wissenschaft wie die genetische Linguistik. Denn daß Merkmale in geographisch benachbarten Sprachen vorkommen, beweist an sich ja noch nicht, daß sie diese Merkmale voneinander übernommen haben; eine bloße Katalogisierung der Ähnlichkeiten zwischen benachbarten Sprachen erbringt allenfalls "circumstantial evidence" (L. Campbell). Erst echte "historical evidence" kann entscheiden, ob tatsächlich Kontaktwirkung vorliegt oder nicht (zum Gegensatz zwischen "circumstanialists" und "historicists" in der Areallinguistik siehe Campbell 1985: 32-34).
Neuerdings ist der Sprachbundbegriff - genauer: die These eines gesamteuropäischen Sprachbunds - Gegenstand großangelegter sprachtypologischer Forschungen im EUROTYP-Projekt geworden. Vorbereitende Arbeiten zu diesem Forschungsprogramm der European Science Foundation wurden bereits 1990 in dem von J. Bechert et al. herausgegebenen Band Toward a Typology of European Languages veröffentlicht. Eines der Hauptziele des Projekts lautet - in der Formulierung des Projektleiters E. König - "to provide new insights into the specific properties of European languages and thus contribute to the characterization of Europe as a linguistic area (Sprachbund)" (König 1995: vi). Trotz dieser Absichtserklärung beschäftigen sich keineswegs alle der bisher erschienenen sechs Bände mit Kontaktlinguistik und dem vermeintlichen europäischen Sprachbund. Vor allem der von J. van der Auwera herausgegebene dritte Band über Adverbiale (1998) und in geringerem Maße auch der von Ö. Dahl herausgegebene sechste Band über Tempus und Aspekt (2000) widmen sich der geographischen Verbreitung sprachlicher Merkmale und der Charakterisierung eines europäischen Sprachbundes. Manche Bände, z.B. der von H. van Riemsdijk herausgegebene fünfte Band über Klitisierung (1999), berühren areale Fragen überhaupt nicht. Andererseits haben sich bestimmte Teilnehmer des Projekts auch in späteren Arbeiten auf europäische Sprachbundphänomene konzentriert (z.B. Haspelmath 1998, König / Haspelmath 1999).
Man kann dem EUROTYP-Projekt nicht gerecht werden, ohne seine riesige Forschungsleistung zu würdigen: Nie zuvor wurde eine solche Menge an Daten aus so vielen verschiedenen europäischen Sprachen zusammengetragen, und es kann gar nicht genug betont werden, welch ein begrüßenswertes Unternehmen ein Sprachvergleich auf der Grundlage eigener typologischer Forschungen ist. Es ist hier denn auch ausgeschlossen, die eigentlichen sprachlichen Gemeinsamkeiten, die für die Mitglieder des Sprachbundes behauptet werden, zu überprüfen, zumal die Autoren meist mehrere Dutzende Sprachen in ihre Diskussion einbeziehen. Eine solche Aufgabe muß den jeweiligen Experten für die behandelten Sprachen überlassen werden.(8) Stattdessen kommt es im gegenwärtigen Zusammenhang auf die Bewertung der zentralen Prämisse an, nämlich daß die vorgefundenen Gemeinsamkeiten das Ergebnis einer konvergenten Entwicklung seien, die durch gegenseitigen Kontakt in Gang gesetzt und/oder gefördert wurde.
Angesichts der ausführlichen eigenen Forschungsarbeiten der EUROTYP-Teilnehmer kommt es einigermaßen überraschend, wiederholt Figuren wie E. Lewy und B. L. Whorf als Vorläufer der Idee eines europäischen Sprachbundes zitiert zu sehen (z.B. in van der Auwera 1998b: 814-815). Horresco referens! Gewiß: Beide gingen tatsächlich von einer modernen europäischen Spracheinheit aus und setzten die Bedeutung unterschiedlicher Ursprünge nur gering an. Beide haben sich jedoch auch wilde Spekulationen über den Ursprung dieser Einheit geleistet und zweifelhafte kulturelle Korollare postuliert.
Lewy behauptet, daß der unterschiedliche Charakter der modernen europäischen Sprachen auf einen unterschiedlichen Anteil indogermanischer und vorindogermanischer Bestandteile zurückgehe (eine unbeweisbare Hyothese, denn bekanntlich sind jene vorindogermanischen Sprachen nicht überliefert). Außerdem sieht er einen Zusammenhang zwischen der "analysierenden Abstraktheit", wie sie in der "Isolierung der Flexion" zutage trete, und der Tendenz zur Mechanisierung und abstrakten Arbeitsteilung in Produktionsprozessen, die die moderne Industrie kennzeichne (Lewy 1942/1964, insbesondere 100-108).
Weit mehr Autoren zitieren B. L. Whorf als Vorläufer, und zwar weil er den Begriff "Standard Average European" (oft zu SAE abgekürzt) geprägt hat. Dieser Begriff wird häufig als Alternative zu "European Sprachbund" benutzt (z.B. van der Auwera 1998b, Haspelmath 1998; auch eine Kontamination der beiden, nämlich "SAE Sprachbund", kommt vor, z.B. bei Ramat 1998: 234). Selbstverständlich distanzieren sich die Autoren von den ideologischen Vorstellungen, die Whorf damit verknüpfte (z.B. Dahl 1990: 3; Ramat / Bernini 1990: 28), aber es bleibt doch merkwürdig, daß sie Whorfs Terminus überhaupt aufgreifen. Whorf hat "Standard Average European" nicht als sprachtypologischen Begriff gemeint und ist zu ihm schon gar nicht auf der Grundlage sprachtypologischer Beobachtungen an europäischen Sprachen gelangt. Die Idee, daß es etwas wie Standard Average European gebe, ist einzig und allein kulturell begründet, nicht linguistisch. Seinen Ausgangspunkt bildet zwar die Hopi-Sprache, wo Whorf grammatische Strukturen und Ausdrücke antrifft, die von denen, die ihm aufgrund seines amerikanisch-englischen Hintergrunds bekannt sind, völlig verschieden sind. Aus diesen Beobachtungen schließt er aber, daß auch die Kulturen und Denkweisen, die von der Sprache determiniert seien, völlig verschieden sein müßten. Whorf (1941/1956: 137) glaubt an eine
far-reaching compulsion from large scale patterning of grammatical categories, such as plurality, gender and similar classifications (animate, inanimate etc.), tenses, voices, and other verb forms, classifications of the type of "parts of speech", and the matter of whether a given experience is denoted by a unit morpheme, an inflected word, or a syntactical combination.
Dieser Gedanke ist bereits im Titel des Artikels, in dem er den Begriff "Standard Average European" einführt, ausgedrückt: "The Relation of Habitual Thought and Behavior to Language" (1941/1956). Trotzdem kann Whorf der Hopi-Kultur nicht einfach die amerikanisch-englische Kultur gegenüberstellen, um seine These eines sprachlichen Relativismus zu beweisen, denn soweit es sich um allgemeine Vorstellungen handelt ("those large subsummations of experiences by language, such as our 'time', 'space', 'substance', and 'matter'", ebd.: 138), sind keine klaren Unterschiede zwischen der englischen, französischen, deutschen oder sonstigen europäischen Kultur vorhanden. Heute steht sogar fest, daß es auf der Ebene von Raum, Zeit usw. nicht einmal zwischen den europäischen Kulturen einerseits und der Hopi-Kultur andererseits einen wesentlichen Unterschied gibt, denn diese Erfahrung ist - wie Gipper (1972) nachgewiesen hat - für alle Menschen gleich, ungeachtet ihrer Sprache. Aber auch zu Zeiten Whorfs konnte man nicht im Ernst z.B. eine unterschiedliche Zeiterfahrung in verschiedenen europäischen Kulturen unterstellen. Ausgehend von der Hypothese, daß gewohnheitsmäßiges Denken und Benehmen ("habitual thought and behavior") von der Sprache her determiniert seien (wofür er kein einziges Argument liefert), mußte Whorf aufgrund des in bezug auf Zeit, Raum usw. identischen gewohnheitsmäßigen Denkens in den europäischen Kulturen schließen, daß es zwischen den europäischen Sprachen, die dieser gemeinsamen europäischen Kultur (bzw. den ihr gemeinsamen "habitual thoughts") zugrunde liegen, keinen wesentlichen Unterschied geben könne. Deshalb hat er alle europäischen Sprachen zu einem einzigen Typ "Standard Average European" zusammengefaßt. Whorfs Terminus ist also nicht die erfolgreiche Verbalisierung einer vernünftigen Intuition, geprägt von einem Forscher, der sich vielleicht in ein paar anderen Angelegenheiten geirrt haben mag, sondern er fußt ganz im Gegenteil auf einer grundsätzlich falschen Auffassung der Beziehung zwischen Sprache und Kulter.(9) Whorfs Prinzipien zufolge müßte man schließen, daß alle Kulturen, die ähnliche Vorstellungen über Raum, Zeit usw. haben, zu letzteren aufgrund der Ähnlichkeit ihrer Sprachen gelangt seien, oder wie Whorf selbst es ausdrückt (1941/56: 153): "Newtonian space, time, and matter are no intuitions. They are recepts from culture and language. That is where Newton got them."
Es ist deshalb auch nicht ganz korrekt, Whorfs Gebrauch des Terminus Standard Average European "impressionistisch" zu nennen (wie Ramat 1998: 229 es tut), weil Whorf keine sprachlichen Merkmale dieser Kategorie angebe. Ein solcher Einwand trifft nur aus einer sprachtypologischen Perspektive zu, und gerade diese hat Whorf ja gar nicht beabsichtigt. Whorf wollte den Gegensatz zwischen einer nicht-europäischen Denkweise, nämlich derjenigen der Hopis, und der gemeineuropäischen beschreiben. Für diesen Zweck ist der Begriff "Standard Average European" präzise genug, konkrete linguistische Merkmale sind irrelevant. In den Schlußbetrachtungen seines oben erwähnten Artikels erklärt Whorf, Konzepte wie "Zeit" oder "Substanz" "do not so much depend upon any one system (e.g. tense, or nouns) within the grammar as upon the ways of analyzing and reporting experience which have become fixed in the language as integrated 'fashions of speaking'" (1941/56: 158). Was Whorf also wirklich interessiert, sind Metaphorisierungsprozesse, Ausdrücke und Redewendungen, wie sie gegenwärtig auch in der kognitiven Linguistik untersucht werden, z.B. in den Arbeiten von G. Lakoff und M. Johnson; Sprachtypologie gehört überhaupt nicht zu seinem Themenkreis. Das heißt aber gleichzeitig, daß Whorf die Relevanz des Begriffs "Standard Average European" gar nicht bewiesen hat. Weil die "habitual thoughts" in allen europäischen Kulturen dieselben sind, hat er einfach vorausgesetzt, daß ihnen auf sprachtypologischer Ebene so etwas wie SAE entsprechen müsse, obwohl er gerade dies überhaupt erst hätte nachweisen, zumindest aber konkretisieren müssen.
Daß spätere typologische Arbeiten und insbesondere das EUROTYP-Programm trotzdem jenen Terminus übernommen haben, ist wohl folgenden zwei Gründen zu verdanken. Erstens ist klar und unbestritten, daß viele europäische Sprachen wie Englisch, Deutsch, Französisch usw. im Vergleich mit außereuropäischen Sprachen wie z.B. dem Hopi bestimmte Ähnlichkeiten aufweisen (und um dies festzustellen, hätte es nicht einmal der Beobachtungen von Whorf bedurft). Zweitens hat der Begriff des Standard Average European die praktische Eigenschaft, daß er im Gegensatz zum Sprachbundbegriff keine genaue Abgrenzung, keine Festlegung auf bestimmte Einzelsprachen erfordert. Er ist vielmehr Teil einer abstrakt-idealisierenden Metasprache auf der Grundlage mehr oder weniger weit verbreiteter "europäischer" Merkmale - auf der Grundlage dessen also, was Ö. Dahl unseren "subconcious view of the default language" in Europa genannt hat (Dahl 1990: 3). Standard Average European bezeichnet keine Gruppe benachbarter Sprachen, sondern eine Reihe von Merkmalen, die mehrere europäische Sprachen gemeinsam haben (und die keine Universalien sind). Dies hat M. Haspelmath auch expliziert, indem er 11 SAE-Merkmale aufzählt (Haspelmath 1998). Eine Sprache kann in höherem oder geringerem Maße Standard Average European sein; scharfe Grenzen gibt es nicht.
Da sich der Begriff Standard Average European also eher auf Merkmale als auf konkrete Sprachen bezieht, scheint er gut zu den sogenannten Namenkarten ("name maps", van der Auwera 1998a: 15) zu passen, die in vielen EUROTYP-Beiträgen auftauchen. Auf den Namenkarten ist nichts anderes wiedergegeben als die Abkürzungen der untersuchten Sprachen, und zwar so, daß die relative geographische Lage der Sprachen erkennbar ist. Die Karten zeigen also keine Staats- oder Sprachgrenzen, Küstenlinien, Gebirge usw.; die einzigen Linien sind diejenigen, die Sprachen mit einem gemeinsamen Merkmal gruppieren. Obwohl G. Bernini und P. Ramat ein solches Verfahren offenbar schon früher angewandt haben (siehe z.B. Bernini / Ramat 1996: 70), ist es erst seit dem dritten Band der EUROTYP-Reihe, der von solchen Namenkarten geradezu wimmelt, eine Methode sui generis geworden. Diese abstrakten und schematischen Namenkarten erinnern an dialektologische Karten, die die Verbreitung von Merkmalen in verschiedenen Mundarten wiedergeben (hier allerdings meist mit zusätzlichen geographischen Daten wie früheren oder modernen Grenzen, Flüssen, Städten, Dörfern usw.). Diese Ähnlichkeit wird auch von J. van der Auwera eingeräumt (1998a, 20). Aber gerade sie macht die Namenkarten irreführend. Sie täuschen nicht nur den Leser, sondern offenbar auch den Autor. Obwohl van der Auwera betont, daß diese schematischen Karten keine Aussagen über den Ursprung der gemeinsamen Merkmale bezweckten (1998a: 15), erwecken die organisch um die Sprachen herumfließenden Linien den Eindruck einer natürlichen und kontinuierlichen geographischen Verbreitung des betreffenden Merkmals (bzw. der betreffenden Merkmalsreihe) und legen so eine "areale" Erklärung überhaupt erst nahe. Viel weniger überzeugend würde die kontinuierliche, organische Verbreitung in vielen Fällen wirken, wenn man die schematische Darstellung einer Namenkarte durch eine normale Karte ersetzte, die genau diejenigen Gebiete abgrenzt, in denen die Merkmale vorkommen; dies wäre jedoch nur dann in aussagekräftiger Weise möglich, wenn auch Regionalsprachen und Mundarten berücksichtigt würden, nicht nur Standardsprachen. In einer solchen präzisen geographischen Darstellung dürfte so manche "areale" Erklärung nicht länger zwingend oder auch nur plausibel erscheinen. Natürlich bezweckt das EUROTYP-Projekt keine dialektologischen Forschungen, und das ist auch verständlich; kritikwürdig ist es aber, daß die Projektteilnehmer aus solchen flüchtigen Namenkarten Schlußfolgerungen über Kontaktwirkung ziehen. Nach dem Beispiel der Dialektgeographie leiten sie aus der geographischen Verbreitung von Merkmalen Hinweise auf deren Ursprung ab, jedoch ohne sich um die methodologischen Anforderungen, die ein solches Verfahren stellt, zu kümmern.
Auch wenn die Namenkarten keine Aussagen über den Ursprung der Gemeinsamkeiten, deren Verbreitung sie darstellen, bezwecken, bleibt immer noch die Tatsache, daß van der Auwera in den Schlußbetrachtungen zum dritten EUROTYP-Band einen sehr spezifischen europäischen Sprachbund postuliert. Auf der Grundlage von insgesamt fünf Aspekten im Bereich der Adverbiale, die in den Beiträgen dieses Bandes behandelt wurden, umreißt er einen sog. "Karl-der-Große-Sprachbund" ("Charlemagne Sprachbund"), der Deutsch, Französisch und Niederländisch zum Kern hat und als nächsten äußeren Kreis Italienisch und Polnisch, in einem zweiten auch Englisch, Schwedisch, Dänisch, Norwegisch, Sardisch, Slowenisch und Bulgarisch umfaßt. Weil es keine ideale Bezeichnung gebe, habe er (van der Auwera) Karl den Großen als Namensgeber gewählt, denn dies sei "the name of the first ruler of an area where we now find French, Italian, German and Dutch" (van der Auwera 1998b: 824); an einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Karl dem Großen oder seiner Herrschaft und "the observed convergence" sei dabei keineswegs gedacht (ebd: 825). Die These eines europäischen Sprachbundes haben E. König und M. Haspelmath aufgegriffen, diesmal aber mit Französisch, Deutsch, Niederländisch und den norditalienischen Dialekten als Kern. Sie fügen außerdem hinzu, daß seit dem EUROTYP-Projekt die Existenz eines solchen Sprachbundes "nicht mehr bezweifelt werden kann" (König / Haspelmath 1999: 111; eine entsprechende "Namenkarte" findet sich ebd.: S. 113). Sie stützen ihre Behauptung nicht wie van der Auwera auf adverbiale Merkmale, sondern auf Gemeinsamkeiten in einer größeren Zahl anderer Bereiche.
Ungeachtet des unbezweifelbaren Reichtums an linguistischen Daten, die diese Beiträge bieten, springt doch ins Auge, daß ein von der European Science Foundation gefördertes Forschungsprojekt gerade zu dem Schluß gelangt, es gebe einen europäischen Sprachbund, dessen Kernbereich (Französisch, Deutsch, Niederländisch und Norditalienisch) weitgehend mit dem ursprünglichen Territorium der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (dem Vorgänger der heutigen Europäischen Union) zusammenfällt, nämlich Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland, den Beneluxstaaten und Italien. Der Sprachbund hat außerdem eine Wellenstruktur, die sich konzentrisch vom kontinentalen Westeuropa aus auf die Peripherie im Süden, Westen, Norden und Osten ausdehnt (s. van der Auwera 1998b: 818; König / Haspelmath 1999: 113). Diese Wellenbewegung fällt auffälligerweise mehr oder weniger mit der stufenweise Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft bzw. Union in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts und deren geplanter Erweiterung in der nahen Zukunft zusammen und präfiguriert so in nahezu perfekter Weise das Projekt der politischen Integration Europas. Damit sei natürlich keineswegs behauptet, diese Forscher hätten die Idee eines europäischen Sprachbunds von vornherein entwickelt, um zu beweisen, daß das festländische Westeuropa als das kulturelle Herzstück und natürliche Gravitationszentrum des Kontinents betrachtet werden müsse, das seine Randgebiete in unterschiedlichem Maße beeinflusse. Doch läßt sich gerade heute, da die europäische Integration in aller Munde ist, die Ähnlichkeit zwischen verbreiteten politischen und gesellschaftlichen Tendenzen und der Deutung linguistischer Daten im Rahmen des EUROTYP-Projekts nicht übersehen. Eine solche Parallele erinnert im übrigen an ältere Sprachbund-Hypothesen, wie z.B. Jakobsons eurasischen Sprachbund.
Es sei betont, daß ich den europäischen Sprachbund, wie ihn van der Auwera, König und Haspelmath postuliert haben, nicht aus politischen Gründen diskreditieren möchte (die europäische Integration ist ja auch etwas ganz anderes als der Eurasianismus der dreißiger Jahre), und schon gar nicht diese verdienstvollen Linguisten selbst. Was mir jedoch sehr wohl fragwürdig scheint, ist ihre Methode, aus Ähnlichkeiten in einigen ausgewählten Bereichen auf linguistische Entitäten zu schließen und ansonsten ohne genaue geographische und historische Untersuchungen Kontaktwirkung als die Ursache für diese Ähnlichkeiten zu unterstellen. Eine solche Methode scheint mir für soziale und politische Vorstellungen ganz besonders anfällig.
Deshalb glaube ich, daß es gute Gründe gibt, bei Schlußfolgerungen in bezug auf einen europäischen Sprachbund mehr Zurückhaltung an den Tag zu legen, und sie haben nichts mit politischer Korrektheit zu tun:
1. Vor dem Hintergrund allzu begeisterter Sprachbundhypothesen erübrigt es sich nicht, nochmals auf den gemeinsamen Ursprung nahezu sämtlicher westeuropäischer Sprachen hinzuweisen. Alle indogermanischen Sprachen stammen vom selben Typ ab und sind in einer Entwicklung begriffen, die im großen und ganzen von einer synthetischen, flektierenden Struktur zu einer analytischen, nicht-flektierenden Struktur führt und bereits Tausende von Jahren im Gange ist. Das heißt nicht, daß eine solche Entwicklung unumgänglich ist, aber sie stellt zumindest eine allgemeine Tendenz dar, die sich aus der Geschichte der indogermanischen Sprachen ablesen läßt. Auch wenn moderne indogermanische Sprachen bestimmte Merkmale gemeinsam haben, die nicht in ihrer Ursprache vorhanden waren, heißt dies nicht, daß diese Neuerungen notwendigerweise auf den Einfluß einer Sprache auf eine andere zurückzuführen sind. Parallele Entwicklungen aus einem gemeinsamen Ursprung sind alles andere als selten. Es braucht schließlich nicht zu erstaunen, wenn Sprecher bei einer ähnlichen Ausgangslage, d.h. einem vergleichbaren Sprachzustand, auch ähnliche Neuerungen entwickeln. Sprachliche Neuerungen sind immer eine kreative Anwendung derjenigen Möglichkeiten, die ein bestimmter Sprachzustand den Sprechern zur Verfügung stellt. Genauso wie die Sprache (langue) neben dem bereits Produzierten auch das "virtuell Realisierbare" enthält, ermöglicht auch der Sprachtyp neue systematische Strukturen, die zwar nicht im jeweiligen Sprachsystem vorhanden, innerhalb des jeweils gegebenen Sprachtyps aber trotzdem möglich sind, wie E. Coseriu in seinem Aufsatz "Synchronie, Diachronie und Typologie" (1975) gezeigt hat. Konvergenz ist häufig einfach "die Anwendung systematisch und typologisch analoger Muster in verschiedenen Sprachen" (ebd.: 144). Als Beispiel zitiert Coseriu einige Merkmale der romanischen Sprachen, die zwar im Hinblick auf das Latein als Neuerungen zu gelten haben, auf einer typologischen Ebene jedoch lediglich die Anwendung einer gemeinsamen "Sprachtechnik" darstellen (ebd.: 145). Wirklich erstaunlich wäre es dagegen, wenn Sprecher etwas aus dem Nichts erfänden, z.B. wenn sie aus dem heutigen Deutsch heraus plötzlich agglutinierende Strukturen entwickelten, denn dafür fehlen in der heutigen typologischen Struktur des Deutschen ganz einfach die Voraussetzungen.
Die Möglichkeit paralleler Entwicklungen wurde schon früher erkannt. K. Brugmann hat in der Debatte über die Verwandtschaftsverhältnisse der indogermanischen Sprachen Ende des 19. Jahrhunderts darauf hingewiesen, daß viele Übereinstimmungen, die als Argument in der damaligen Diskussion angeführt wurden, in den jeweiligen Sprachen unabhängig voneinander entstanden sein könnten, ausgehend vom gemeinsamen indogermanischen Typ (Brugmann 1884). Paradoxerweise betonen gerade funktional-typologisch arbeitende Linguisten wie König, Haspelmath und van der Auwera immer wieder, daß in den verschiedensten Sprachen universale Grammatikalisierungsprozesse wirksam seien, wobei z.B. bestimmte Worttypen in vielen Sprachen den Ausgangspunkt ähnlicher Grammatikalisierungsprozesse bildeten: Demonstrativpronomen, die zu Artikeln werden, Bewegungsverben, die sich zu Aspektmorphemen entwickeln, usw. Der Rekurs auf Sprachbundphänomene, um parallele Entwicklungen in Sprachen eines gemeinsamen Typs zu begründen, müßte sich nach dieser Auffassung im Grunde erübrigen. Zumindest ist heuristisch nicht geklärt, wie (statistisch-) universale Grammatikalisierungsphänomene einerseits von der Kontaktwirkung andererseits zu unterscheiden wären. Gewiß, Interferenz kann in Kontaktsituationen zu Reanalysen (und eventuell "metonymischen" oder "metaphorischen" Wandelvorgängen) und so zur Ausbreitung bestimmter Muster führen (Bisang 1996: 530; 1998: 17). Aber eine kontaktbedingte "Reanalyse", die schließlich einen Grammatikalisierungsprozeß bewirkt, ist doch wohl nur möglich, wenn in der beeinflußten Sprache schon Verwandtes vorhanden ist, das eine Reanalyse nach dem Muster der beeinflußenden Sprache überhaupt erst ermöglicht. Sonst entstünde nur Kauderwelsch. Wenn jedoch in zwei Sprachen schon ähnliche Voraussetzungen für einen "universalen" Grammatikalisierungsprozeß vorliegen, wie ist dann der Anteil der Kontaktwirkung zu bestimmen?
Eine Parallelentwicklung ist z.B. die Entstehung des Artikels in verschiedenen indogermanischen Sprachen. In der Ursprache fehlten Artikel. Sie erscheinen zuerst im Altgriechischen und viele Jahrhunderte später auch in den germanischen und romanischen Sprachen sowie im Armenischen (Campbell 1991: I.97). Das dabei eine Sprache die andere beeinflußt hätte, wäre erst nachzuweisen und dürfte nicht einfach vorausgesetzt werden, bloß weil alle diese Sprachen Artikel haben und in unterschiedlichen Phasen ihrer Geschichte tatsächlich miteinander in Kontakt standen. Und auch wenn Sprachkontakt eine Rolle gespielt hätte, würde er immer noch nicht die unterschiedlichen Artikelsysteme erklären: den unbestimmten Artikel der Mehrzahl im Französischen, der in den germanischen Sprachen fehlt, die Nachstellung des bestimmten Artikels in den skandinavischen Sprachen und im Armenischen usw. Ein weiteres Beispiel stammt aus der Phonologie und betrifft die Entwicklung des westgermanischen [u:], das im Spätmittelalter in mehreren westgermanischen Sprachen diphthongiert wurde: Deutsch [ao], Englisch [au], Niederländisch [y] (wobei wgerm. [u:] hier zuvor zu [y:] palatalisiert worden war), z.B. wgerm. hûs > Haus, house, huis. Die Diphthongierung ging von ganz verschiedenen, nicht-benachbarten Gebieten aus (Kärnten bzw. Brabant und London / südliche Midlands), und zwar zu einer Zeit, als sich die westgermanische Einheit längst aufgelöst hatte. Es gibt also keinen Grund, einen gemeinsamen Ursprung oder kontaktbedingte Interferenz anzunehmen, und trotzdem ist diese Neuerung den drei Sprachen gemeinsam und sogar zur selben Zeit entstanden.
2. Die wirkliche Probe aufs Exempel für den europäischen Sprachbund wären Sprachen wie das Baskische, Ungarische oder Finnische, also nicht-indogermanische Sprachen, die vor allem oder ausschließlich von indogermanischen Sprachen umgeben sind. Merkwürdigerweise widmet das EUROTYP-Projekt einer möglichen Indogermanisierung dieser Sprachen - oder umgekehrt: einem typologischen Einfluß dieser Sprachen auf ihre indogermanischen Nachbarn - keine besondere Aufmerksamkeit.
3. Entsprechend unserer modernen Auffassung (aber anders als Trubetzkoy) definieren die EUROTYP-Forscher einen Sprachbund als eine Gruppe geographisch benachbarter Sprachen, die eine auf Sprachkontakt zurückgehende strukturelle Konvergenz aufweisen (König / Haspelmath 1999; van der Auwera 1998b: 824). Sowohl für den Nachweis konvergenter Entwicklungen als auch die Bestimmung der Kontaktfaktoren, die jener Konvergenz zugrunde liegen, bedarf es sprachhistorischer Untersuchungen, denn wie könnte man sonst eine Entwicklung und ihre Ursachen nachweisen? Anders ausgedrückt: Um die Existenz eines Sprachbundes, wie ihn König, Haspelmath und van der Auwera definieren, zu beweisen, sind historische Daten entscheidend. Gerade tiefschürfende historische Untersuchungen bieten die EUROTYP-Forschungen, auf die sich die Sprachbundhypothesen stützen, aber überhaupt nicht. Den einzigen Versuch zu einer diachronischen Perspektive liefert M. Haspelmaths Beitrag "How Young is Standard Average European?" (1998), aber sogar er beschränkt sich auf einen skizzenhaften Vergleich der elf Merkmale des Standard Average European einerseits mit der Lage im Indogermanischen andererseits. Ohne jegliche konkrete Daten oder Indizien schließt Haspelmath, der "appropriate time frame" für viele dieser Merkmale sei "the time of the great migrations at the transition between antiquity and the Middle Ages" (Haspelmath 1998: 285). Zwar fügt er hinzu: "the correct picture is likely to be much more complicated than we can imagine at the moment" (ebd.). Aber wozu überhaupt solche weitreichenden Spekulationen anstellen, da die historische Entwicklung sowie der gegenseitige Kontakt, der angeblich zur Verbreitung dieser elf Merkmale geführt hat, nicht erforscht worden ist? Und das, obwohl historisches Material dafür vorhanden ist, z.B. das Latein und die romanischen Volkssprachen, das Gotische, die angelsächsische und karolingische Überlieferung?
Im übrigen kann die Entwicklung oder Entlehnung struktureller Merkmale niemals wirklich genau datiert werden. Strukturelle Merkmale wie Artikel, Tempussysteme usw. können weder plötzlich erfunden noch einfach an einem spezifischen Augenblick aus einer anderen Sprache übernommen werden wie etwa Wörter oder Laute. Die Art von Merkmalen, auf denen der europäische Sprachbund typischerweise fußt, entwickelt sich allmählich, und auch wenn Kontakt in irgendeiner Phase eine Rolle gespielt haben sollte, ist es immer noch möglich oder sogar wahrscheinlich, daß es sich um eine einzelsprachliche grammatische Erscheinung handelt, die nicht einfach auf eine andere Sprache zurückgeführt werden kann. Beispielsweise könnte in der Entwicklung des haben-Perfekts im Romanischen und im Germanischen Kontaktwirkung eine Rolle gespielt haben, aber dennoch kann man das moderne haben-Perfekt in einer dieser Sprachen nicht einfach auf das haben-Perfekt in einer anderen zurückführen.
4. Ohne Generalisierungen ist eine typologische Übersicht unmöglich. Den EUROTYP-Typologen vorzuwerfen, daß die Tatsachen, die sie in ihre Diskussion einbeziehen, komplexer seien als das, was ihre Analyse nahelegt, wäre ungerecht, denn auch sie selbst sind sich dessen bewußt. Trotzdem sind einige Generalisierungen dermaßen vereinfachend, daß die Schlußfolgerungen, zu denen sie Anlaß geben, in Zweifel gezogen werden müssen. König / Haspelmath (1998) z.B. behaupten, daß im europäischen Sprachbund bei unveräußerlichem Besitz (typischerweise Körperteile u.ä.) der Possessor in einer separaten Nominalphrase (extern) ausgedrückt werde (z.B. als Dativobjekt), z.B. mir zittern die Knie, während das Englische (das nicht zum Kern des europäischen Sprachbundes gehört) den Possessor in ein und derselben Nominalphrase kodiere (intern, typischerweise mit einem Possessivpronomen), z.B. my knees are shaking (ebd.: 118-121). Aber sie schweigen über die Tatsache, daß das Niederländische (das sie selbst als zum Kern des Sprachbunds zugehörig betrachten) Possessoren in der gleichen Nominalphrase ausdrückt, also intern wie das Englische (z.B. mijn knieën beven); solche internen Possessoren stellen in der Geschichte des Niederländischen eine Neuerung seit dem Mittelniederländischen dar, das Possessoren vor allem extern zum Ausdruck brachte. Nur in sehr archaischem Stil könnte man heute vielleicht noch - wie im Deutschen - etwas wie Ik was mij de haren sagen (wörtl.: 'Ich wasche mir die Haare'). Wenn König und Haspelmath an anderer Stelle (ebd.: 554) behaupten, externe Possessoren seien im Niederländischen produktiv, so stimmt das nicht; im übrigen belegt keines der von ihnen dort zitierten Beispiele ihre These. Das erste Beispiel Men heeft hem zijn arm gebroken weist tatsächlich einen externen Possessor auf (das Indirektobjekt hem), aber gleichzeitig einen internen Possessor (das Possessivpronomen zijn). Diese Konstruktion ist zwar nicht ganz so sonderbar wie Ik was mij de haren, aber sie wirkt doch immerhin ungewöhnlich und altmodisch. Wirklich irreführend ist ihr zweites Beispiel Ik tik hem op de fingers (das übrigens einen Rechtschreibfehler enthält, denn auf Niederländisch heißt es vingers). Diese Konstruktion kommt im Niederländischen tatsächlich vor, aber nur als Phraseologismus mit der Bedeutung 'ich rüge ihn', und nicht etwa im Sinne von 'ich tippe ihm auf die Finger', wie König und Haspelmath nahelegen; in letzterem Fall müßte man einen internen Possessor benutzen, also Ik tik op zijn vingers! Dasselbe gilt für Iemand de kleren van het lijf rukken (ebd.: 539), das ebenfalls ein Phraseologismus ist (wenn auch im Gegensatz zu iemand op de vingers tikken mit transparenter Bedeutung). Ihr letztes Beispiel De mantel gleed hem van de schouder ist nur in archaischem Stil möglich. Alle niederländischen Konstruktionen mit externen Possessoren sind also entweder Phraseologismen (und belegen als solche keine produktive Regel) oder veraltet, also Reste eines älteren Systems, das seine Produktivität verloren hat. Im Hinblick auf externe Possessoren hat das Niederländische somit eine divergente Entwicklung durchgemacht, weg vom vorherrschenden Muster des europäischen Sprachbunds, das es angeblich repräsentiert.
Ein weiteres Beispiel einer unangemessenen Vereinfachung ist die Wortfolgetypologie der europäischen Sprachen, die P. Ramat im Anschluß an J. Bechert entwickelt hat. Diese Autoren stellen einen Zusammenhang zwischen Wortfolge und den Parametern Präposition / Postposition, Genitiv + Nomen/Nomen + Genitiv und Adjektiv + Nomen/Nomen + Adjektiv her und glauben ein "gradual shifting in the possible combinations of these features from the Atlantic Ocean to the Ural" zu erkennen (Ramat 1998: 230): Die keltischen Sprachen im Westen hätten die Folge VSO, Präpositionen und die Struktur Nomen + Genitiv und Nomen + Adjektiv; Uralisch und Turksprachen im Osten hätten die Folge SOV, Postpositionen und die Struktur Genitiv + Nomen und Adjektiv + Nomen. Dazwischen lägen oft SVO-Sprachen mit variierenden Merkmalskombinationen (man bemerke nebenbei, wie sehr dieser großräumige graduelle Übergang an Trubetzkoys "linguistic rainbow net" erinnert). Eines von Ramats Beispielen für die breite Übergangszone ist das Niederländische, das er als SVO-Sprache einstuft. Diese populäre typologische Generalisierung ist jedoch nicht geeignet, die niederländische Wortfolge zu charakterisieren (und SOV ist es ebensowenig). Wesentlich an der niederländischen Wortfolge ist der Unterschied zwischen Haupt- und Nebensätzen. Nebensätze haben immer SOV. Was die Hauptsätze betrifft, muß man zwischen einfachen und analytischen Verbformen unterscheiden und bei letzteren wiederum zwischen dem finiten und dem infiniten Teil. Nur im Hinblick auf den finiten Teil analytischer oder einfacher Verbformen könnte man vielleicht behaupten, daß sich das Niederländische wie eine SVO-Sprache verhalte. Das würde aber bedeuten, das Niederländische nach Prinzipien zu beschreiben, die ihm vollkommen fremd sind. In Wirklichkeit nimmt das niederländische finite Verb in einem Hauptsatz immer die zweite Position ein, was bedeutet, daß die Wortfolge entweder SVO oder OVS ist, je nachdem, was der Sprecher betonen möchte. Der infinite Teil (der Träger der lexikalischen Bedeutung ist) folgt normalerweise direkt auf das Objekt. Eine globale Klassifikation des Niederländischen nach den typologischen Mustern SVO, VSO, SOV usw. ist sinnlos, denn sie sagt nichts über die niederländische Wortfolge aus. Damit ist auch der allmähliche Übergang von West- nach Osteuropa ziemlich zweifelhaft, zumindest was die vermeintliche Position des Niederländischen in einer solchen organischen Kette betrifft.
Abschließend möchte ich noch ein paar allgemeine Bemerkungen formulieren zur gegenwärtigen Tendenz in der europäischen Linguistik, auf die Suche nach Ähnlichkeiten zwischen europäischen Sprachen zu gehen, und gleichzeitig vor einem kapitalen Mißverständnis warnen. Die europäische Sprachtypologie und Kontaktlinguistik haben in der Frage nach gemeinsamen Merkmalen die ältere, genealogische Arbeitsweise durch eine "areale" Perspektive ersetzt, in der Kontakt und Einfluß eine große Rolle spielen. Dies hat zu der Auffassung geführt, daß Europa als Arealtyp zu betrachten sei, dessen Sprachen alle historisch miteinander verbunden seien. Als Gegenentwurf zu Forschungsansätzen, die sich auf isolierte Einzelphänomene konzentrierten, und zu hermetischen Diskussionen über linguistische Theoriemodelle ist das natürlich vollkommen legitim, sogar begrüßenswert. Aber kein Forschungsprogramm sollte sich selbst zu der richtigen politischen Antwort auf Engstirnigkeit oder zu einer endgültigen wissenschaftlichen Widerlegung alter und neuer Nationalismen hochstilisieren, nur weil es kontaktbedingte Ähnlichkeiten zwischen europäischen Sprachen untersucht.
Genau das geschieht nun aber mit jenem Forschungsprogramm, das N. Reiter "Eurolinguistik" getauft hat. Das sichtbarste Ergebnis dieses Programms sind zwei Symposien: das erste im Jagdschloß Glienicke bei Berlin 1997, dessen Vorträge in dem von Reiter herausgegebenen Band Eurolinguistik. Ein Schritt in die Zukunft (1999) erschienen sind (darunter auch der oben erwähnte Artikel von König und Haspelmath über den europäischen Sprachbund, 1999), und das zweite 1999 in Pushkin (Rußland), wo das sog. Pushkin-Manifest verfaßt wurde. Ausserdem wurde am 23.1.1999 der Eurolinguistische Arbeitskreis Mannheim (ELAMA) gegründet (unter dessen Webadresse http://www.elama.de sich u.a. das Pushkin-Manifest findet; siehe auch Ureland in diesem Heft, Anlage 1). Reiter definiert Eurolinguistik als "die Wissenschaft von den sprachlichen Gemeinsamkeiten in Europa" (1999a: 4), und daran ist nichts auszusetzen. Das Programm wird jedoch fragwürdig, wenn Reiter Eurolinguistik auch als "politische Wissenschaft" deklariert (Reiter 1997: 228). Laut Reiter betonten die Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts und die Nationalphilologien einseitig die unterscheidenden Merkmale der verschiedenen Nationalsprachen. Ihr Forschungsprogramm sei dadurch motiviert, daß die damals im Aufbau begriffene industrielle Gesellschaft einen größeren sozialen Verband brauchte, als ihn die alten regionalen Entitäten hätten bieten können. Diese moderne Nationsbildung habe eine landesweite Zusammenarbeit und Solidarität ermöglicht, und die Sprachwissenschaft habe seinerzeit dazu beigetragen. Heute aber sei die Betonung des individuellen Charakters jeder Nation durch die Nationalphilologien überholt, und zunehmend würden die nationalistischen Verirrungen erkennbar, von denen letztere geprägt seien. Demgegenüber solle die Eurolinguistik die Ähnlichkeiten zwischen den europäischen Sprachen betonen und so die europäische Einheit fördern (Reiter 1999a: 5; Reiters Kapitälchen und Kursivierung):
Genau wie die Sprachwissenschaft im 19. Jh. in höchstem Maße, aber für Nichtfachleute unauffällig, zur Formierung der neuen, "Nationen" genannten, Großverbände beigetragen hat, indem sie in deren Mitgliedern durch Darlegung ihrer Gemeinsamkeiten ein bis dahin nicht vorhandenes Zusammenhörigkeitsgefühl erzeugt und (bis heute) fleißig gestärkt hat, so soll auch die "Eurolinguistik" Zusammengehörigkeitsgefühl erzeugen und stärken, nicht aber mehr innerhalb nationalstaatlicher Grenzen, sondern über sie hinaus im Dienste der umfassenderen Einheit EUROPA.
Indem sie die frühere Tendenz zur gegenseitigen Abgrenzung nationaler Einheiten zurückdränge, könnten die Sprachwissenschaftler mit der Eurolinguistik "die Gemeinschaft 'Europa' konsolidieren" und "mithelfen, Hemmungen zur Solidarität unter den Menschen abzubauen" (1999a: 6f.; dieselben Gedanken findet sich in Reiter 1991, 1994, 1995, 1997 und 1999b). Die gleiche Absicht, mittels der Eurolinguistik ein europäisches Zusammengehörigkeitsgefühl herbeizuführen, findet sich auch im Pushkin-Manifest (These 7, 8 und 19).
Zunächst einmal: Die pauschale Darstellung der Sprachwissenschaft des 19. Jh.s und der "Nationalphilologien" als Dienerinnen nationalistischer Interessen mißachtet die Leistungen all jener Philologen (und anderer mit ihnen), die zur Erforschung einer fremden Sprache beigetragen haben und weiterhin beitragen. Um nur einige zu nennen: August Leskien war ein hervorragender Slawist, Philipp Diez gilt bis heute als Begründer der romanischen Philologie, und für viele heute Lebende gilt ähnliches, unabhängig von ihrem Herkunftsland. Daß man eine einzige Sprache oder eine Sprachfamilie zum Gegenstand seiner Forschungen macht, bedeutet heute doch wohl nicht automatisch, daß man ein voreingenommener "Nationalphilologe" des 19. Jahrhunderts ist oder europäische Gemeinsamkeiten zu vertuschen versucht? Gewiß, die Bewunderung für eine verabsolutierte fremde Kultur war im Rahmen der Nationalphilologien oft von einer Mystik des Unterschieds geprägt. Aber ersetzt Reiter die Mystik des Unterschieds nicht durch eine Mystik der Ähnlichkeit, indem er die Linguistik auffordert, in den Sprachen "den gemeinsamen Sprachsinn" aufzuspüren (1999a: 5)? Ebensowenig glaube ich, daß das Studium einer einzigen Sprache oder Sprachfamilie "eigentlich nur Party-Wissen hervorbrachte" (Reiter 1997: 229). Vielmehr scheinen mir großangelegte Spekulationen für Partys geeignet zu sein.
Zweitens verkennen Reiter und das Pushkin-Manifest in ihrer Absicht, mittels der Betonung von Gemeinsamkeiten zwischen europäischen Sprachen zu europaweiter Solidarität beizutragen, grundsätzlich sowohl die Aufgabe der Linguistik als auch den wahren Charakter von Solidarität. Was wäre, wenn die linguistische Forschung am Ende feststellt, daß es doch nicht so viele Ähnlichkeiten gibt wie erhofft: Wäre das ein Grund, weniger oder gar keine Solidarität mit anderen europäischen Völkern zu empfinden? Sollte man in diesem Fall gar den europäischen Integrationsprozeß anhalten? Und was wäre mit Leuten in anderen Teilen der Welt, die völlig andere Sprachen als die europäischen sprechen: Sollen wir mit ihnen deswegen weniger oder gar nicht solidarisch sein? Die Frage, ob wir Solidarität mit anderen Völkern empfinden oder mit ihnen zusammenarbeiten sollen, ist nicht aufgrund linguistischer Daten zu beantworten. Den Eindruck zu erwecken, daß sprachliche Gemeinsamkeiten überhaupt als Argumente in dieser Diskussion in Frage kämen, ist gefährlich und macht echte Solidarität (die ungeachtet von Unterschieden oder Gemeinsamkeiten geübt wird, also weder instrumentell noch pragmatisch bedingt ist) unmöglich. Für die Entscheidung zugunsten von Solidarität zählen allein ethische Argumente. Alles andere ist naturalistische Regression.
Ich teile das Ideal der "Eurolinguisten", Solidarität und Zusammenarbeit zu fördern. Aber die Art und Weise, die sie vorschlagen, um dies zu verwirklichen, ist verfehlt. Wenn die Linguistik überhaupt zur Solidarität und Zusammenarbeit beitragen kann, dann nur mittels einer sorgfältigen Erforschung aller Sprachen, und zwar nicht nur im Hinblick auf Gemeinsamkeiten (denn keine Sprache läßt sich nun einmal nur anhand ihrer Gemeinsamkeiten mit anderen Sprachen charakterisieren), sondern auch im Hinblick auf mögliche grundsätzliche Unterschiede. Erst eine derartige, umfassende Einsicht in eine Sprache liefert die Grundlage für ein wirkliches Verständnis des Anderen. Für eine dauerhafte Zusammenarbeit und aufrichtige Solidarität scheint mir ein solches Verständnis ein guter Ausgangspunkt.
Vergleichende typologische Sprachforschung öffnet uns zweifellos die Augen für die Möglichkeit, daß Einfluß und Entlehnung die Entwicklung struktureller Merkmale bestimmen. Aber die Anwendung des Sprachbundbegriffs bei Trubetzkoy, Jakobson und EUROTYP scheint mir mit denselben Fehlern behaftet zu sein: Anhand oberflächlich erkennbarer Ähnlichkeiten wird ohne gründliche Forschung auf eine höhere historische Entität geschlossen, und die vorgeschlagene Deutung des Ganzen (die sich bestimmt nicht zwingend aus den linguistischen Daten ableiten läßt) scheint ihre Inspiration zumindest teilweise aus gesellschaftlichen Idealen zu beziehen. Mit dieser Feststellung ist keine politische Diskreditierung areallinguistischer Forschungsprogramme beabsichtigt, sondern eine Aufforderung, die konkreten Daten in ihrem historischen Kontext sorgfältig zu untersuchen, bevor wir uns auf nach wie vor spekulative Schlußfolgerungen wie europäische Sprachbünde und allumfassende Kontaktwirkungen einlassen. Wie sonst könnten wir vermeiden, daß wir das jeweils aktuell Erwünschte in die Daten hineinlesen - oder daß andere uns dies unterstellen?
1 Der Begriff "Sprachbund" kommt in diesem Artikel allerdings nicht vor, obwohl einige spätere Autoren dies nahelegen. Siehe hierzu weiter unten Fußnote 5. [zurück]
2 Zwar erklärt Trubetzkoy in seinem Artikel von 1923, dauerhafte geographische Nachbarschaft führe zu struktureller Kongruenz (S. 116; auszugsweise in englischer Übersetzung zitiert in Toman 1995: 204); dieser Artikel bietet, wie erwähnt, jedoch kaum eine linguistische Darstellung (s. auch unten 2.3). [zurück]
3 Eine informative Zusammenfassung der Geschichte und Entwicklung der Balkanlinguistik findet sich in Schaller (1999). [zurück]
4 Siehe auch Toman (1995: 198-211). Trubetzkoys Antwort auf den westlichen Universalismus weist viele Parallelen zu den Reaktionen deutscher Intellektueller auf den aufgeklärten Universalismus französischer Prägung um 1800 auf. Wie die deutschen Intellektuellen war auch Trubetzkoy über das dem Universalismus zugrundeliegenden Überlegenheitsgefühl verärgert und fühlte sich als Mitglied der russischen Kultur mißachtet. Wie Trubetzkoy stellten erstere dem Universalismus einen Kulturpartikularismus gegenüber und betonten den spezifischen und einzigartigen Ursprung ihrer eigenen Kultur, die man mit universalistischen Thesen weder erklären noch verstehen könne. Im Gegenteil: Jener spezifische und einzigartige Ursprung erfordere sogar eine unterschiedliche Kultur. Im Anschluß an Herder wiesen auch sie der Sprache eine besondere Rolle zu, weil gerade die Sprache in ihrer Abstammung den unterschiedlichen Ursprung eines Volkes widerspiegele. [zurück]
5 Dies dürfte erklären, warum für weitere Informationen über den Sprachbund manchmal auf Trubetzkoy (1931/1971) verweisen wird, obwohl in diesem Artikel von einem "Sprachbund" gar keine Rede ist. U. Weinreich bringt in seiner Diskussion den Sprachbundbegriff nicht mit Trubetzkoy, sondern mit Jakobson in einen Zusammenhang (Weinreich 1958: 378). Dies ist insofern berechtigt, als Jakobson viel öfter auf den Sprachbundbegriff zurückgreift als Trubetzkoy. Im übrigen erwähnt Trubetzkoy sein Geisteskind kaum noch, nachdem er es 1923 bzw. 1928 vorgeschlagen hat, was wohl vermuten läßt, daß ihm dieser Begriff auch keineswegs besonders wichtig war. [zurück]
6 Eine gründliche Lektüre von Jakobsons älterem, russischsprachigen Buch (1931a), in dem er näher auf den eurasischen Sprachbund eingeht, sowie eine Überprüfung der phonologischen Gemeinsamkeiten, die Jakobson hervorhebt, dürften die Frage nach dem nationalistischen Gehalt der eurasischen Sprachbundthese klären helfen. [zurück]
7 Damit sei nicht behauptet, daß dieses "Deklinationsgebiet" nicht existiert. Wohl aber dürfte es kaum Zufall sein, daß Trubetzkoy als Kriterium gerade ein Merkmal auswählt, dessen Verbreitungsgebiet Rußland zum Kern hat. Im übrigen wird dieses "Deklinationsgebiet" über Vereinfachungen gewonnen, die nur pour le besoin de la cause gelten können: Trubetzkoy sieht über den Unterschied zwischen Flexion und Agglutination hinweg (dieser mag tatsächlich graduell sein, aber insignifikant ist er deswegen natürlich nicht), und er wirft Turksprachen und slawische Sprachen in typologisch höchst bedenklicher Weise in einen Topf, so als gäbe es zwischen dem slawischen und dem türkischen "Deklinationssystem" nicht bedeutende Differenzen. [zurück]
8 Obwohl die Projektteilnehmer häufig Fragebögen benutzen oder Muttersprachler zu Rate ziehen, würde ich den Lesern empfehlen, die Daten nicht ohne weitere Überprüfung zu übernehmen. Als Sprecher des Niederländischen muß ich auf einige Fehler und Ungenauigkeiten hinweisen. Einige haben keinerlei Bedeutung für die Argumentation (z.B. Genusfehler wie de boek anstatt het boek in König / Haspelmath 1998: 553); andere haben jedoch ernsthafte Konsequenzen für die Schlußfolgerungen. In ihrer Diskussion der Progressivkonstruktionen im Germanischen behauptet K. Ebert (2000: 622), die präpositionale Progressivkonstruktion mit dem Inhalt boil (kochen), z.B. Niederländisch het water is aan het koken, sei "odd" (sie versieht das Beispiel mit einem Fragezeichen). Dies ist nicht richtig: In einem angemessenen Kontext (wie so oft!) ist eine solche Konstruktion völlig normal, z.B.: Haast je om het vuur te doven want het water is al lang aan het koken. Sie nimmt auch an (ebd.), daß "verbs of low dynamicity" (wie z.B. mit dem Inhalt wait) in den germanischen Sprachen im allgemeinen ("generally") nur mit Positionsverbkonstruktionen kombiniert werden könnten (z.B. ze zit/staat te wachten), nicht aber mit einer präpositionalen Konstruktion (so daß z.B. ze is aan het wachten im allgemeinen nicht akzeptabel wäre). Das gilt nicht für das Niederländische, wo hij is aan het wachten ganz unproblematisch und, in einem angemessenen Kontext, bestimmt nicht weniger üblich als eine Positionsverbkonstruktion ist, z.B. in: Schiet op, ze zijn op jou aan het wachten. [zurück]
9 Um einen Eindruck von Whorfs befremdlichen Ideen zu gewinnen, sei besonders die Lektüre des Abschnitts "The name of the situation as affecting behavior" in dem besagten Artikel von 1941 empfohlen (1941/56: 135-136). Hier findet man absurde Behauptungen, wie z.B. die Analyse der Geschichte eines Mannes, der einen Kessel mit kochendem Firnis vom Herd nimmt, damit sich der Firnis nicht entzündet; eine vergebliche Maßnahme natürlich, weil der heiße Kessel den Firnis weiter erhitzt, so daß er trotzdem in Brand gerät. Whorf zufolge ist dieser Unfall auf sprachliche Determination zurückzuführen, "due to metaphorical objectifying of 'cause' as contact or spatial juxtaposition of 'things' - to analyzing the situation as on versus off the fire". Dies alles hält jedoch auch moderne Autoren nicht davon ab, weiter in Richtung einer sprachlichen Relativität zu forschen, siehe z.B. Niemeier / Dirven (eds.) (2000). [zurück]
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