Schwedisch als die zweite Nationalsprache Finnlands: Soziolinguistische Aspekte

Mirja Saari (Helsinki)



1 Enleitung

Wie die meisten europäischen Staaten, ist auch Finnland seit Jahrhunderten ein mehrsprachiges Territorium. Die Bevölkerung war seit eh und je finnisch und samisch, aber im 12. Jahrhundert, als das Land vom Westen missioniert wurde, fand auch eine schwedische Kolonisation statt. Diese Schweden liessen sich längs der ganzen Küste nieder, und immer noch spricht man Schwedisch in grossen Gebieten entlang der Küste als Muttersprache.

Die schwedische Kolonisation dauerte über 600 Jahre, und zur selben Zeit sind Handwerker und Kaufleute aus dem ganzen Ostseeraum nach Finnland gezogen. Auch diese Leute liessen sich meistens an der Küste nieder und nahmen Schwedisch als ihre Sprache an. Unter den Siedlern gab es bis ins 19. Jahrhundert, als die Industrialisierung in Finnland einsetzte viele Deutsche. In den grösseren Städten behielten viele von ihren Nachkommen die Deutsche Sprache bis zum ersten Weltkrieg bei. Im 18. und 19. Jahrhundert wanderten auch kleinere Gruppen von Siedlern vom Osten ein, die Tatarisch, Jiddisch und Romani sprachen. Während der letzten Jahrzehnte hat Finnland eine moderne Immigration erfahren, so dass es heute (im Jahre 2000) Einwanderer aus mehr als 150 verschiedenen Ländern gibt. Ihre Anzahl ist jedoch nicht so hoch wie in den grossen europäischen Industrieländern.


2 Die Sprachgesetzgebung

Nach dem Grundgesetz (2000, § 17) ist Finnland ein Land mit zwei Nationalsprachen, Finnisch und Schwedisch. Dazu hat das Land seit 1995 drei offizielle Minderheitssprachen, Samisch, Romani und Gebärdensprache. Im folgenden werde ich mich hauptsächlich auf die schwedische Sprache beschränken, aber ich werde zuerst kurz die Prinzipien unseres Sprachgesetzes (1922, 1935) behandeln (nach Herberts 1997).

Finnland hat drei verschiedene Modelle für seine Sprachgesetzgebung:

1. Das Individualprinzip

2. Das Territorialprinzip

3. Kollektive Rechte

1. Das erste Prinzip bedeutet, dass jedermann selbst seine sprachliche Identifikation wählen kann und muss. Die Wahl hängt weder mit der Herkunft noch mit den Sprachkenntnissen zusammen. Der Staat garantiert dieselben Rechte sowohl für die finnischsprachigen als auch für die schwedischsprachigen Staatsbürger. Auf staatlicher Ebene bedeutet dieses, dass jedermann das Recht hat, vor Gericht und bei anderen Behörden die eigene Sprache zu benutzen und in ihr bedient zu werden. In den Gemeinden wird auf Grund der Sprachwahl festgestellt, ob eine Gemeinde finnisch- oder schwedischsprachig ist, oder ob sie zweisprachig mit Finnisch oder Schwedisch als Hauptsprachen ist.

Die sprachlichen Rechte der Schwedischsprachigen setzen voraus, dass finnischsprachige Beamte Schwedisch beherrschen müssen (die Sprachgesetze 149/1922, 222/1935). Laut dem Gesetz muss ein staatlicher Beamter, von dem ein Staatsexamen vorausgesetzt wird, Kenntnisse im Schwedischen darlegen. In einsprachig finnischen Gemeinden muss er Schwedisch verstehen können, in zweisprachigen Gemeinden sowohl mündliche als schriftliche Kenntnisse darlegen.

Man meint, dass das Sprachgesetz heute sehr minderheitsfreundlich sei. Wenn 8 % oder mindestens 3000 Einwohner einer Gemeinde die eine Sprache als Muttersprache gewählt haben, ist die Gemeinde zweisprachig. Einsprachig wird die Gemeinde erst, wenn die Minderheit nur noch 6 % oder weniger ausmacht. Der kanadische Soziologe Kenneth McRae (1997:373) ist jedoch anderer Meinung. Er meint (mit einem Hinweis auf den finnischen Soziologen Erik Allardt), dass die Gesetzgebung zwar der sprachlichen Minderheit sprachliche Rechte garantiert, dass sie aber die Minderheit nicht davor schützt, an die Mehrheit assimiliert zu werden.

2. Das zweite Prinzip, das Territorialprinzip, wird auf den Åland-Inseln angewandt. Die Åland-Inseln sind schwedisch, unabhängig davon, wie viele sich als finnischsprachig registrieren. Åland hat auch in vielen anderen Hinsichten eigene Gesetze, z.B. sind die Inseln entmilitarisiert.

3. Die kollektiven Rechte, die im dritten Punkt aufgenommen sind, gelten für die Samen. Sie geniessen als Urbevölkerung Lapplands das Recht, in den nördlichsten Gemeinden Samisch im Umgang mit den Behörden zu benutzen. Es gibt auch samische Schulen, Rundfunksendungen usw. Problematisch ist jedoch, dass in Finnland mehrere samische Sprachen (Nordsamisch, Skoltsamisch und Enaresamisch) gesprochen werden. Aber es gibt nur noch 1 700 Personen, die Samisch als ihre Muttersprache angeben. Die samische Bevölkerung selbst meint, dass das Sprachgesetz vom 1993 drei Generationen zu spät gekommen ist.


3 Die Finnlandschweden

Etwa 6 % der finnischen Bevölkerung haben heute (2000) Schwedisch als ihre Muttersprache. In absoluten Zahlen sind es etwa 300 000 Personen. Ein Drittel von ihnen wohnt in Ostrobothnia (Pohjanmaa) an der Westküste des Landes, die anderen in Südfinnland und auf den Åland-Inseln. Obwohl das ganze Land offiziell zweisprachig ist, betrifft die Zweisprachigkeit nur 14 % der Gemeinden (63/452; 31.12.1998). Die Verteilung auf verschiedene Typen von Gemeinden ist die folgende (Folktinget 1999):

Der sprachliche Status der Gemeinden 31.12.1998

Sprachlicher Status

Anzahl

Anzahl schw.

Anteil schw.

 

Gemeinden

Bevölkerung

Bevölkerung

       

Schwedisch

21

40 920

14,0

Zweispr/Schw Mehrheit

22

106 341

36,3

Zweispr/Fi Mehrheit

20

133 498

45,5

Finnisch

389

12 510

4,3

       

Total

452

293 269

100 %

Die Daten zeigen, dass die meisten Finnlandschweden in zweisprachigen Gemeinden leben (239 839 Personen oder 81,8 %). Damit ist die finnische Sprache für die allermeisten von ihnen täglich aktuell. Ein kleiner Teil, 4,3 %, lebt sogar in einsprachig finnischen Gemeinden. Nur auf den Åland-Inseln, die in 16 Gemeinden eingeteilt sind, und in fünf Gemeinden in Ostrobothnia ist Schwedisch die einzige Sprache (insgesamt 21 Gemeinden). Der Sprachkontakt mit dem Finnischen hat natürlich vielerlei Konsequenzen für den Gebrauch des Schwedischen. Einerseits gilt in den verschiedenen Domänen Sprachwahl, andererseits die Struktur der schwedischen Sprache.

Soziologisch betrachtet bilden die Finnlandschweden eine sog. offene Minderheit (Allardt & Starck 1981), was bedeutet, dass die Gruppe sich nicht von der finnischen Mehrheit isoliert, sondern einen täglichen Umgang mit ihr hat. Dieses ist besonders in den grösseren Städten der Fall. Es ist auch üblich, dass man zu Hause sowohl Finnisch als Schwedisch redet, da Ehen oft über die Sprachgrenze hinweg geschlossen werden. In der Gegend von Helsinki ist dieses in mehr als 60 % der Ehen oder Lebensgemeinschaften der Fall (Finnäs 1998:31). Auch Diglossie lässt sich feststellen. Unter den Finnlandschweden ist Schwedisch zwar die Sprache innerhalb der Familie und im Umgang mit Freunden sowie die Schulsprache der Kinder, aber ausserhalb dieser Sphären wird sehr viel Finnisch gesprochen. Die Sprache an den meisten Arbeitsplätzen ist Finnisch, und in den Kaufhäusern und Läden fangen sehr wenige ihren Redebeitrag auf Schwedisch an. In den grösseren Städten sind die Finnlandschweden in hohem Grad zweisprachig, was zur Folge hat, dass Codewechsel üblich ist, dass finnische Lehnwörter im Gespräch aufgenommen werden, dass Lehnübersetzungen häufig vorkommen und dass finnische Interferenz ausser in der Morphologie fast auf allen Ebenen der Sprache bemerkbar ist.

Andererseits gibt es auch starke schwedische Umgebungen, vorzugsweise auf dem Lande, aber auch in einigen Städten. Besonders in Ostrobothnia sind die Kontakte mit Schweden rege, da viele Leute Verwandte und Freunde als Folge von Emigration in Schweden haben. Man sieht auch regelmässig schwedisches Fernsehen, teils weil das finnische Fernsehen nicht jeden Abend schwedischsprachige Programme sendet, teils weil die Kenntnisse des Finnischen traditionell in Ostrobothnia nicht sehr gut sind. Es gibt auch eine gewisse Polarisierung zwischen Südfinnland und Ostrobothnia, weshalb man seine Kontakte gern in Schweden sucht. Die Identität der schwedischen Minderheit ist jedoch eindeutig finnisch (Allardt 1997:110). Ihre Identität ist aber doppelt: sie sind sowohl Finnlandschweden als auch Finnen (Ivars 1987). Es kann aber festgestellt werden, dass die Finnlandschweden bei jeder grossen Emigrationswelle in höherem Grad als die finnischsprachigen Finnen nach den Vereinigten Staaten, nach Australien und in den 60er und 70er Jahren nach Schweden emigriert sind (Allardt & Starck 1981). Vielleicht ist das eine Folge der Minderheitenstellung, die trotz offizieller Rechte als etwas problematisch empfunden wird.

Was den Status der beiden Landessprachen betrifft, dauerte es lange, bis Finnisch die gleiche Stellung mit dem Schwedischen erreichte. Noch in den 50er und 60er Jahren wurde Schwedisch in einigen Kreisen als die "feinere" Sprache angesehen, was damit zusammenhing, dass viele Finnlandschweden hohe Stellungen in der Gesellschaft und insbesondere innerhalb der Industrie hatten. Heute entspricht ihre Repräsentation etwa ihrer Anzahl, und ein Unterschied in dem Status zwischen den Sprachen und Sprachgruppen ist nicht mehr vorhanden. Vielmehr sind die Rollen umgekehrt, so dass z. B. schwedischsprachige Schüler in Helsinki am liebsten Finnisch ausserhalb der Schule sprechen, um nicht gemobbt zu werden.


4 Zwei Nationalsprachen

Die absolute Mehrheit der finnischen Bevölkerung hat immer Finnisch gesprochen. Trotzdem dauerte es bis zum Jahre 1863, bis Finnisch einen offiziellen Status bekam. Das hängt mit der Tatsache zusammen, dass Finnland erst 1917 seine Selbständigkeit erlangte. Das Land gehörte 600 Jahre lang zum dem schwedischen Reich und wurde im Jahre 1809 ein autonomes Grossherzogtum unter dem russischen Zaren. Alle diese Zeit hindurch war Schwedisch die offizielle Sprache des Landes, und während der russischen Herrschaft bis 1863 sogar die einzige. Nach der Selbständigkeitserklärung Finnlands wurden im Jahre 1919 Finnisch und Schwedisch als gleichwertige Nationalsprachen festgelegt (Regierungsform 1919).

Die Frage der beiden Nationalsprachen ist für die finnische Bevölkerung so gut wie eine Selbstverständlichkeit, aber vor 150 Jahren war die Sprachfrage ein heikles Thema. Es hing mit dem Nationalitätsgedanken zusammen, obwohl Finnland damals zu Russland gehörte. Viele finnische Akademiker waren zu der Zeit von dem Philosophen Hegel beeinflusst und sahen die Zukunft des finnischen Volkes in einer starken nationalen Kulturidentität. Sie stellten fest, dass die Periode vorbei war, wo Finnland ein Teil Schwedens war und dass man in der neuen Lage nicht russifiziert werden wollte. Dabei war die einzige Lösung, finnisch zu sein. Wichtige nationale Symbole hatte man schon am Anfang des 19. Jahrhunderts bekommen: das Nationalepos Kalevala 1835 und eine nationalromantische Poesie von Johan Ludvig Runeberg, in der die Schönheit des Landes und die Tapferkeit der finnischen Bauern besungen wurden. Was man aber nicht hatte, war eine gemeinsame finnische Sprache. Finnisch war fast nur eine gesprochene Sprache, in verschiedene Dialekte geteilt; geschrieben wurde Finnisch neben einigen adminstrativen Dokumenten eigentlich nur in der Bibel von 1642 und in Postillen. In allen formalen Zusammenhängen, die Schulen einbegriffen, war Schwedisch die Sprache, die benutzt wurde. Man meinte, dass Finnisch zu einer Kultursprache erhoben werden müsse, damit alle Einwohner des Landes an Bildung teilhaftig werden könnten. Dieses ist tatsächlich gelungen, und viele von den Akademikern sind zur finnischen Sprache übergegangen. Gleichzeitig entstand aber eine Gegenbewegung, für das Bewahren der schwedischen Sprache in Finnland. Heftige Streite wurden in den 70er und 80er Jahren des 19. Jahrhunderts und auch später bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts ausgetragen - jedoch nur mit Worten. Es ist aber symptomatisch, dass alle Streitigkeiten sofort vergessen wurden, als eine gemeinsame Gefahr von Aussen drohte, d.h. Russifizierung in der Periode 1890-1917 und zwei Kriege in den Jahren 1939-1945. Nach 1945 war die Sprachfrage eigentlich nicht mehr aktuell. In diesem Licht ist es aber bemerkenswert, dass Finnland nach der Selbstständigkeitserklärung (1917) ein Sprachgesetz bekam, in dem die beiden Sprachen vollkommen gleich behandelt wurden.

Das Sprachgesetz garantiert den Einwohnern eine Ausbildung in beiden Sprachen, vom Kindergarten bis zum Universitätsstudium. Öffentliche Dokumente werden in beiden Sprachen publiziert, und Fernseh- und Rundfunkprogramme werden sowohl auf Finnisch als auf Schwedisch angeboten. Es gibt eine schwedische Presse und eine liberale schwedische politische Partei, und die evangelische Staatskirche, zu der 85 % der finnischen Bevölkerung gehören, hat ein schwedisches Bistum mit schwedischen Kirchengemeinden.


5 Die Einstellung der beiden Sprachgruppen zueinander

Wie akzeptiert nun die finnische Mehrheit die sprachlichen Rechte der Minderheit? Und wie stellt sich die schwedische Minderheit zu der finnischen Mehrheit? Wie schon erwähnt, sind die Zeiten der sprachlichen Streitigkeiten vorbei, aber das bedeutet nicht, dass die Einstellung zueinander ausschliesslich positiv wäre. Besonders die finnische Sprachgruppe steht der schwedischsprachigen Gruppe ziemlich negativ gegenüber. Diese Tatsache ist in vielen Untersuchungen festgestellt worden. McRae (1997:156) berichtet über eine Umfrage (durchgeführt 1983), wo die zwei Sprachgruppen insgesamt 13 Nationalitäten oder Sprachgruppen nach Sympathie in eine Reihenfolge stellen sollten. Die Gruppen waren Finnischsprechende in Finnland, Finnischsprechende in Schweden, Schwedischsprechende in Finnland (Finnlandschweden), Sámi (Lappen), Schweden, Norweger, Esten, Ungarn, Engländer, Franzosen, Japaner, Deutsche und Roma. Es zeigte sich, dass die Finnlandschweden die Finnischsprechenden in Finnland an dritte Stelle setzten, und dann gleichzeitig die finnischsprechenden Finnen die Finnlandschweden an zehnte Stelle setzten. Nach ihnen kamen nur noch Schweden, Deutsche und Roma. Die Finnlandschweden hatten die eigene Gruppe an erster Stelle, danach die Norweger. Die dritte Stelle teilten die Finnischsprechenden in Finnland mit den Sámi (Lappen). Die Ergebnisse zeigen, dass die schwedischsprechende Minderheit eine viel positivere Einstellung zu der finnischsprechende Mehrheit hatte als umgekehrt.

McRae (1997:177) berichtet weiter über die Einstellung der Sprachgruppen hinsichtlich der Wichtigkeit des Finnischen und Schwedischen. Wo die Finnlandschweden Finnisch in 83 % der Fälle als eine sehr wichtige Sprache betrachteten, empfanden die Finnischsprechenden Schwedisch nur in 22 % der Fälle als sehr wichtig. Andererseits hat Allardt (1997: 93) gefunden, dass 86 % der Bevölkerung (N= 967 Finnischsprechende) die Finnlandsschweden als "ganz gewöhnliche Leute" betrachteten. Es zeigt sich jedoch (ibid. 94), dass 26 % die Finnlandsschweden als "fremd und irritirend" fanden, dass 44 % sie als arrogant betrachteten und dass 55 % der Meinung waren, die Finnlandschweden wollen sich isolieren (ibid. 92). Die allermeisten, 75 %, meinten trotzdem, dass Schwedisch als die zweite Nationalsprache in gleicher Weise wie Finnisch behandelt werden solle (ibid. 90). Allardt (ibid. 34) ist auch der Meinung, dass die Finnlandschweden als Minderheit gut behandelt werden.

Das Interesse unter den Finnischsprechenden, Schwedisch zu lernen, ist ein anderer Massstab für ihre Einstellung der schwedischen Minderheit gegenüber. Es war schon immer obligatorisch, Schwedisch in den höheren finnischen Schulen zu lernen. Als Finnland in den 70er Jahren eine Schulreform durchführte und eine 9-jährige Grundschule eingerichtet wurde, wurde es obligatorisch, auch dort mindestens drei Jahre Schwedisch zu lernen. In den letzten 10-15 Jahren hat dieses eine starke Kritik erfahren. Man hat den Terminus "Zwangsschwedisch" eingeführt, was in vielen Kreisen mit Applaus empfangen worden ist. Innerhalb derselben Kreise meint man, dass Schwedisch auch in der staatlichen Abiturprüfung nicht obligatorisch sein sollte. Die Verteidiger des heutigen Sprachprogramms führen ihrerseits an, dass die schwedische Sprache tief in der finnischen Kultur verwurzelt ist und dass Schwedisch für die Finnen der Weg in die nordische Gemeinschaft ist.

In der oben erwähnten Umfrage von Allardt (1997) wurde auch gefragt, ob Schwedisch in der Schule obligatorisch sein sollte. Es zeigte sich, dass Personen mit akademischer Ausbildung es in geringerem Masse als wichtig empfanden als Personen, die nur in die Grundschule gegangen waren. Nur 38 % der akademisch Ausgebildeten waren der Meinung, Schwedisch sollte obligatorisch sein. In der anderen Gruppe war der Prozentanteil 52. Das Ergebnis stimmt mit einer ziemlich allgemein verbreiteten Auffassung überein, nämlich dass das Sprachprogramm der finnischen Schulen allzu schmal ist. In den meisten Schulen werden nur Schwedisch, Englisch, Deutsch und Französisch angeboten. Statt Schwedisch möchte man die anderen drei Sprachen in grösserem Umfang studieren und noch Spanisch und Russisch hinzufügen. Andererseits berichtet Nikki über eine Untersuchung (1992; zitiert nach Schulbehörde 1999: 38), nach dem fast die Hälfte der Jungen und fast ein Drittel der Mädchen nur eine Fremdsprache in der Grundschule lernen wollten.

Pehkonen (1998; unveröff., zitiert nach Schulbehörde 1999: 37) berichtet über die Motivation einer Gruppe von Schülern (geboren 1983), Schwedisch in der Schule zu lernen. 63 % von ihnen hätten lieber eine andere Sprache als Schwedisch gelernt, 10 % der Schüler antworteten, dass sie keine Verwendung für das Schwedische hätten. Auch aus einer früheren Untersuchung ist hervorgegangen (Kärkkäinen 1993; zitiert nach Schulbehörde 1999: 30), dass die Schüler in der Grundschule Schwedisch nicht gern mochten. Schwedisch war das zweitletzte Schulfach hinsichtlich der Popularität. In den beiden Untersuchungen waren die Mädchen dem Schwedischen gegenüber positiver eingestellt als die Jungen. Dieses Ergebnis hat man auch in anderen Umfragen feststellen können. In der Grundschule bekommen die Mädchen auch bessere Noten im Schwedischen als die Jungen (Karppinen & Sarkkinen 1995; zitiert durch Schulbehörde 1999: 30).


6 Die Kenntnisse der beiden Nationalsprachen in der Bevölkerung

Finnland ist zwar offiziell ein Land mit zwei Nationalsprachen, aber es bedeutet nicht, dass alle die beiden Sprachen beherrschten. In der oben erwähnten Untersuchung von Allardt (1997: 104) konnte festgestellt werden, dass 62 % der Finnischsprachigen angaben, dass sie Schwedisch gar nicht oder nur genügend beherrschten. Befriedigend beherrschten Schwedisch 16 %, gut 13 % und ausgezeichnet 8 %.

Am Ende der 80er Jahre wurde eine Untersuchung unter Gymnasiasten in Kuopio, in einer Stadt im östlichen Finnland durchgeführt (Blomberg & Sandlund 1991). Unter anderem wurde gefragt, wie die Schüler ihre mündlichen Kenntnisse im Schwedischen beurteilten. Das Ergebnis war, dass 46 % angaben, Schwedisch befriedigend zu sprechen, 16 % ausgezeichnet und 38 % schlecht oder ziemlich schlecht. Auch hier antworteten die Mädchen, dass sie besser als die Jungen Schwedisch beherrschten (ibid. 23). Dieses ist tatsächlich auch der Fall. Die Noten in der staatlichen Abiturprüfung zeigen, dass die Mädchen z.B. während der Jahre 1997-1999 8-16 % bessere Noten als die Jungen bekamen (Schulbehörde 1999: 32).

Über die Finnischkenntnisse bei den Finnlandschweden gibt es keine Daten, aber es ist allgemein bekannt, dass sie viel besser Finnisch beherrschen als die Finnischsprachigen Schwedisch beherrschen. Dieses gilt jedoch nicht für das ganze Land und auch nicht für alle Altersgruppen. Ältere Leute auf dem Lande sind nicht selten fast monolingual Schwedisch, was auch umgekehrt für die Finnischsprachigen gilt. Auf den Åland-Inseln hat Finnisch ja keinen offiziellen Status, weswegen dort auch sehr wenig Finnisch gebraucht wird. Finnisch ist dort auch nicht obligatorisch in der Grundschule. Viele lernen es jedoch freiwillig.

In den Städten, besonders wo die Mehrheit Finnisch spricht, sind die meisten Finnlandschweden bilingual. Sie sprechen zwar besser Schwedisch als Finnisch, aber ihr Finnisch ist fliessend. Dagegen sind viele nicht ebenso gut in der schriftlichen Produktion des Finnischen. In diesem Zusammenhang spielt die Sprache der Schulausbildung eine zentrale Rolle.


7 Die Praxis: die Anwendung des Schwedischen und die strukturellen Merkmale des Finnlandschwedischen

7.1 Die Anwendung des Schwedischen

Eine Frage, die nicht selten unter den Finnlandschweden auftaucht, gilt der Zukunft des Schwedischen in Finnland. Einerseits geht es darum, wie lange Schwedisch noch als Muttersprache in Finnland gesprochen wird, andererseits ist man darum besorgt, dass das Finnlandschwedische sich von dem Sprachgebrauch in Schweden allzu weit entfernt.

Dem Soziologen Allardt (1997: 42) nach ist die Gefahr gegenüber der schwedischen Sprache in vielen Hinsichten selbstverursacht. Er meint, dass die Finnlandschweden ihre Sprache nicht benutzen, d.h. dass sie nicht den Mut haben, Schwedisch zu sprechen. Das ist der Fall, obwohl sie das Recht dazu haben und die finnische Mehrheit in den meisten Fällen nichts dagegen hat. Allardt betont, dass die schwedische Sprache in den zweisprachigen Gegenden aus natürlichen Gründen allmählich ausstirbt, wenn die zweisprachigen Finnlandschweden es vorziehen, in ihren meisten Kontakten Finnisch zu reden.

In diese Hinsicht ist die Entwicklung am weitesten in der Hauptstadtregion verlaufen. Z.B. berichtet Tandefelt (1995: 39), dass man in Helsinki (mit 6,7 % Schwedischsprachigen; Folktinget 1999) die Gewohnheit hat, beim Verkehr mit Fremden zuerst mit Finnisch anzufangen. In Vaasa (mit 25,7 % Schwedischsprachigen; Folktinget 1999), in der regionalen Hauptstadt von Ostrobothnia an der Westküste Finnlands, fängt man dagegen mit Schwedisch an, wobei man kontrolliert, ob auch Schwedisch anwendbar wäre. Um die aktuelle Situation in der Hauptstadtregion zu beschreiben, liess Folktinget (Volksthing), ein Repräsentationsorgan der Finnlandschweden, eine Umfrage durchführen, die von Allardt kommentiert wurde (Allardt 2000).

Die Untersuchung wurde im Januar 2000 durchgeführt und umfasste einerseits 300 finnischsprachige Personen, die mindestens 20 Jahre alt waren und die im staatlichen oder kommunalen Kundendienst arbeiteten. Ausserdem wurden Personen innerhalb privater Firmen, z.B. in Geschäften, Restaurants, Bänken u.dgl. interviewt, d.h. ein grosser Teil der Erwachsenen in der Gegend von Helsinki. Andererseits wurden 302 Finnlandschweden interviewt, die mindestens 15 Jahre alt waren.

Das Ergebnis war, dass die Einstellung gegenüber dem Schwedischen sehr positiv war. Sogar 85 % der Finnischsprachigen fanden es gut, dass das Sprachgesetz den Mitbürgern das Recht garantiert, entweder Finnisch oder Schwedisch mit den Behörden zu benutzen. Allardt (2000: 8) meint, dass die Einstellung während der letzten Jahrzehten sich positiv entwickelt hat. Er erinnert jedoch daran, dass Einstellungen dieser Art nicht allzu stabil sind und dass kleine aggressive Gruppen viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen können.

Es geht auch hervor, dass die Reaktionen im Kundendienst nicht ganz so positiv sind, wenn die Finnlandschweden tatsächlich ein Gespräch auf Schwedisch einleiten. Nur 61 % waren damit einverstanden, dass sie Schwedisch sprechen. Nach Allardt (ibid. 8) hängt dieses damit zusammen, dass die Finnischsprachigen daran gewöhnt sind, mit den Finnlandschweden Finnisch zu sprechen. Es ist auch üblich, dass man im Kundendiensts besser Schwedisch versteht, als man es spricht. Deswegen fanden 71 % es positiv, wenn die Finnlandschweden den Vorschlag machten, selbst Schwedisch zu sprechen, aber auf Finnisch die Antwort zu bekommen.

Was die Einstellungen der Finnlandschweden betrifft, konnte festgestellt werden, dass sie — wie schon Tandefelt (1995) berichtet hat — in den meisten Fällen ein Gespräch auf Finnisch einleiten. In 81 % der Fälle fingen sie in der Stadt mit Finnisch an (18 % "immer", 63 % "in den meisten Situationen"). In den Kontakten mit Behörden ist der Prozentanteil etwas niedriger, 68. Das bedeutet, wie Allardt (ibid. 9) feststellt, dass das Verhalten der Finnlandschweden den Erwartungen der Finnischsprachigen nicht entspricht. Besonders niedrig ist der Anteil der Finnlandschweden, die mit den Behörden Schwedisch reden, nur 32 %. In dieser Situation setzt man aber voraus, dass jeder seine Muttersprache benutzen kann. Allardt (ibid. 10) berichtet auch über die Erwartungen in den beiden Sprachgruppen, wenn ein Gespräch auf Schwedisch eingeleitet wird. Es zeigte sich, dass die Finnischsprachigen viel positiver auf die schwedische Sprache reagierten, als die Finnlandschweden es erwarteten. Eine Erklärung für die negativen Erwartungen unter den Finnlandschweden ist nach Allardt, dass alle Finnlandschweden die Erfahrung gemacht haben, eine aggressive oder negative Reaktion hervorzurufen, wenn sie Schwedisch gesprochen haben. Eine solche Erfahrung wird aus natürlichen Gründen leicht verallgemeinert.

Soziale Faktoren wie Alter, Ausbildung, Beruf, Geschlecht und Gemeinde zeigen einige Unterschiede in den Antworten der Umfrage, aber sie sind kleiner als die Unterschiede zwischen den Erwartungen der Finnlandschweden und der tatsächlichen Einstellung der Finnischsprachigen. Die jüngste finnischsprachige Gruppe ist die toleranteste, Personen mit der höchsten Ausbildung haben die positivste Einstellung, und die Frauen sind ein bisschen öfter positiv eingestellt als die Männer. In einer der Gemeinden der Hauptstadtregion (Vantaa) ist die Einstellung dem Schwedischen gegenüber etwas negativer als in den drei anderen Gemeinden (Helsinki, Espoo, Kauniainen). Unter den Antworten der Finnlandschweden kann Allardt (ibid. 13) nur kleine und unsystematische Unterschiede beobachten. Die einzige klare Tendenz ist, dass die älteste Altersgruppe (50-) Finnisch sowohl in der Stadt als auch mit Behörden am wenigsten benutzt. Auch für sie gilt jedoch, dass sie Finnisch in mehr als 50 % der Fälle vorziehen.

Allardt (ibid. 14) stellt fest, dass die Finnlandschweden in der Hauptstadtregion sich scheuen, ihre sprachliche Identität zu zeigen. Man will sich wie die sprachliche Mehrheit benehmen. Er meint jedoch, dass dieses ein gefährlicher Weg ist, wenn man Schwedisch als eine Sprache mit allen sozialen Funktionen bewahren will. Schon jetzt sieht er die Gefahr, dass Schwedisch in Finnland eine Sprache wird, die nur zu Hause benutzt wird.

7.2 Strukturelle Merkmale des Finnlandschwedischen

Im Vergleich mit derjenigen schwedischen Sprachform, die als Standardsprache in Schweden gesprochen und geschrieben wird, scheint das Finnlandschwedische etwas altertümlich. Dieses kommt besonders im Wortschatz zum Vorschein, aber man merkt es auch daran, dass das Finnlandschwedische nicht an allen syntaktischen Innovationen teilnimmt, die in Schweden durchgeführt werden. Das gilt u.a. für den Gebrauch von Präpositionen, z.B. die Präposition ’auf’, die in den letzten Jahrzehnten in Schweden eine starke Expansion erlebt hat.

Ein anderes Merkmal des Finnlandschwedischen ist eine ziemlich starke Interferenz mit dem Finnischen. Dieses ist leicht zu verstehen, da die meisten Finnlandschweden täglich in Kontakt mit sowohl gesprochenem als geschriebenem Finnisch stehen. Auch das umfangsreiche Übersetzen vom Finnischen ins Schwedische übt einen wichtigen Einfluss aus.

Mit Finnlandschwedisch ist hier die schwedische Standardsprache in Finnland gemeint. Diese Sprachform war in Turku (Åbo), in dem ehemaligen Zentralort Finnlands entstanden, als Finnland noch zu Schweden gehörte (Ahlbäck 1971). Nach der Reformation und während der Zentralisierung der schwedischen Verwaltung im 16., 17. und 18. Jahrhundert entstand allmählich auch eine einheitliche schwedische Schriftsprache, von der sich die finnlandschwedische Standardform in Turku entwickelte. Schwedische Beamte und Kaufleute, die sich in Turku niederliessen, waren hierbei wichtige Überträger der Sprachform. Die Stadt hatte damals eine beträchtliche schwedischsprachige Minderheit, die sowohl aus Standespersonen als aus Handwerkern und Dienerschaft bestand. Die neue schwedische Standardform wurde von diesen Leuten aufgenommen, aber sie bekam wichtige Impulse von den schwedischen Dialekten in Finnland und von der Stadtsprache, die im Mittelalter in Turku gesprochen wurde.

Die exponierte Stellung des Finnlandschwedischen hat zu einer umfassenden Arbeit innerhalb der schwedischen Sprachpflege in Finnland geführt. Im Jahre 1917 erschien das bisher bedeutendste Handbuch auf diesem Gebiet, "Finlandssvenska. Handledning till undvikande av provinsialismer i tal och skrift" (Finnlandschwedisch. Handbuch zum Vermeiden der Provinzialismen in der gesprochenen und geschriebenen Sprache). Der Verfasser, Universitätslektor Hugo Bergroth (1866-1937), nannte selbst sein Buch einen "Antibarbarus". Sein Ziel war, den Einfluss der finnlandschwedischen Dialekte und der finnischen Sprache zu bekämpfen. In einer verkürzten Auflage gehörte das Buch von Bergroth über mehr als 50 Jahre zum Lehrstoff in allen schwedischen Schulen in Finnland. Die Sprachpflege ging so weit, dass auch Manuskripte von Verfassern nach den Instruktionen von Bergroth gereinigt wurden.

Die strenge Sprachpflege hat dazu geführt, dass viele Finnlandschweden sich in ihrem Sprachgebrauch unsicher fühlen. Was man zu Hause von den Eltern gelernt hat, taugt plötzlich in der Schule nicht. In diesem Zusammenhang gerät die Identität leicht in Gefahr. Für die finnlandschwedische Minderheit gilt nämlich, dass sie eigentlich durch nichts anderes als die Sprache gekennzeichnet ist. Kulturell ähnelt sie in vieler Hinsicht der finnischsprachigen Mehrheit. Wenn die schwedische Sprache beginnt fraglich zu erscheinen, kann dieses zu einem Minderwertigkeitsgefühl der ganzen Gruppe führen.

Wie kann man eine Sprachpflege schaffen, und was erreicht sie bei den Finnlandschweden? Hier muss zuerst ein Unterschied zwischen der gesprochenen und der geschriebenen Sprache gemacht werden. Im informalen Gespräch findet man heute fast alle diejeningen Besonderheiten des Finnlandschwedischen, die Bergroth (1917) vor mehr als 80 Jahren aufzählte. Man findet sie in höherem Grad in den Städten und im Südfinnland als in Ostrobothnia, wo die lokalen Mundarten eine starke Stellung haben (Melin-Köpilä 1996). In Ostrobothnia wird die standardfinnlandschwedische Sprachform in grossem Umfang schriftlich gelernt, und ausserdem ist der direkte Einfluss aus Schweden durch Fernsehen und durch persönliche Kontakte viel stärker als unter den übrigen Finnlandschweden. In dieser Gegend spielt auch das Finnische eine kleinere Rolle als in Südfinnland.

In formalen Zusammenhängen vermeidet man die typischen Merkmale des finnlandschwedischen Gesprächs. Im Vergleich mit gesprochenem Schwedisch in Schweden hat das Finnlandschwedische jedoch charakteristische Züge, die dem Zuhörer sofort offenbaren, woher der Sprecher kommt. Zu den wichtigsten gehören die Qualität der Vokale, die unaspirierten Klusive und das Fehlen des nebentonigen Akzents. Neben diesen Kennzeichen hört man jedoch in allen Stilarten Wörter und Konstruktionen, die in Schweden gar nicht oder nur selten gebraucht werden.

In der Schrift hat die Sprachpflege einen etwas besseren Erfolg als im Gespräch gehabt. In öffentlichen Dokumenten ist man z.B. darauf bedacht, dass die Termini dem Gebrauch in Schweden entsprechen, und man vermeidet auch typisch finnlandschwedische Wendungen. Trotzdem enthalten sowohl Sachtexte als auch die Belletristik sprachliche Züge, die den Schweden fremd vorkommen. Diese findet man im Lexikon, in der Syntax und nicht selten auf pragmatischer Ebene. Eine wichtige Erklärung der pragmatischen Besonderheiten scheint die relative Altertümlichkeit der Sprachform zu sein. Dieses kommt z.B. im Gebrauch von Abtönungspartikeln und anderen Dialogpartikeln zum Vorschein (Hakulinen & Saari 1995, Hakulinen 1998).

Ein Vergleich mit dem Sprachgebrauch in Schweden hat gezeigt, dass Partikeln wie ju ’ja’, nog ’doch’, nu ’nun’, väl ’wohl’ im Finnlandschwedischen teils mit abweichender Bedeutung, teils mit abweichender Frequenz vorkommen (Saari 1995, 1999). Ein Studium von Texten aus Schweden von der Zeit um 1900 ergibt jedoch, dass die aktuellen Abtönungspartikeln noch vor hundert Jahren in derselben Weise wie im heutigen Finnlandschwedischen benutzt wurden (Keinonen 1998). Was ebenfalls beobachtet werden kann, ist eine deutliche Parallellität im Gebrauch von Partikeln im Finnischen und im Finnlandschwedischen. In Helsinki, wo die beiden Sprachgruppen in täglichem Kontakt miteinander stehen, werden z.B. die Partikeln nog und nu und ihre finnischen Entsprechungen kyllä und nyt in parallellen Kontexten mit parallellen Funktionen gebraucht. Ähnliche Entsprechungen können bei vielen anderen pragmatischen Zügen gefunden werden, besonders hinsichtlich der Art und Weise wie die Gesprächspartner Rücksicht aufeinander nehmen (Saari 1995). Hier geht es um soziale Konventionen, weswegen es natürlich ist, dass zwei Sprachgruppen innerhalb einer Sprachgemeinschaft (speech community im Sinne von Gumperz [1968] 1972) ähnlichen Normen folgen.


8 Schluss

Der Gebrauch und die Zukunft einer Minderheitssprache hängen mit mehreren soziolinguistischen Variablen zusammen. Zu diesen gehören u.a. die Anzahl der Minderheit und die sprachlichen Rechte der Minderheit, die Massnahmen innerhalb der Sprachpflege und die Möglichkeiten, die Minderheitssprache in verschiedenen Domänen zu gebrauchen. Was aber ebenso ausschlaggebend ist, ist die Einstellung der Minderheit und der Mehrheit zu einander. Eine negative Einstellung innerhalb der Mehrheit kann verschiedene Konsequenzen haben. Unter diesen kann zuerst Domänenverlust genannt werden, was allmählich weitere Folgen aufweisen kann: eine Einschränkung des Wortschatzes, Codewechsel und Interferenz aus der Mehrheitssprache und ein Gebrauch der Sprache nur in mündlicher Kommunikation. Bei schriftlicher Kommunikation kann der Domänenverlust bedeuten, dass die Minderheitssprache nur in informalen Zusammenhängen (Briefe, Tagebücher, E-mail) benutzt wird.

In der Situation des Finnlandschwedischen kann man schon einige Kennzeichen beobachten, die darauf hinweisen, dass ein Domänenverlust im Gange ist. Das hat auch schon zu einem umfangreichen Codewechsel in der Jugendsprache in der Hauptstadtregion geführt. Eine starke Interferenz aus dem Finnischen ist ebenso spürbar. Die Nachbarschaft mit Schweden ist jedoch bis jetzt für die schwedische Sprache in Finnland eine Rettung gewesen. Eine generelle Verarmung der schwedischen Sprache ist nicht vorhanden, da acht Millionen Personen sie täglich in der Nachbarschaft gebrauchen. In Schweden ist man aber gleichzeitig unruhig darüber, was die Globalisierung der Kommunikation, d.h. die starke Stellung des Englischen in der Zukunft mit sich bringen kann. In einer grösseren Perspektive ist ja auch Schwedisch eine Minderheitssprache im heutigen Europa (siehe z.B. Teleman/Westman 1997). Das bedeutet, dass das Schwedische in Schweden eventuell in derselben Weise wie das Schwedische in Finnland einem Domänenverlust entgegen geht.


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