Schweizer Dokumentationslandschaft im Wandel: die Suche nach einem Berufsverständnis
Abstract
Das Dokumentationswesen in der Schweiz ist schwer fassbar, weil keine statistischen Daten dazu existieren. Diesen Mangel will diese Masterarbeit beheben: Sie liefert ein Bild der Schweizer Dokumentationslandschaft, wie sie sich im Jahr 2014 präsentiert. Zusätzlich geht sie den Ursachen und Auswirkungen der über die vergangenen Jahrzehnte beobachtbaren Veränderungen auf den Grund und beleuchtet das Berufsverständnis der im Dokumentationswesen tätigen Personen. Für diese Arbeit wurde ein Verzeichnis der Dokumentationsinstitutionen in der deutsch- und französischsprachigen Schweiz erstellt. Dafür wurde das Archiv der elektronischen Mailingliste Swiss-Lib seit ihrer Lancierung im Jahr 2000 durchsucht. Das Ergebnis dieser Ermittlung wurde mit dem Kollektivmitgliederverzeichnis des Berufsverbandes Bibliothek Information Schweiz (BIS) abgeglichen und ergänzt. Zusätzlich geben Einzelinterviews mit Fachleuten, die in Dokumentationsinstitutionen tätig sind, Aufschluss über das Berufsverständnis. Die quantitative Betrachtung der 239 Dokumentationsinstitutionen im Verzeichnis und der Vergleich mit Mitgliederlisten der mittlerweile aufgelösten Schweizerischen Vereinigung für Dokumentation (SVD) zeigen, dass die absolute Zahl an Dokumentationseinrichtungen nur geringfügig abgenommen hat. Die inhaltliche Analyse des Verzeichnisses belegt aber, dass sich die Dokumentationslandschaft grundlegend verändert hat. War sie vor 30 Jahren noch sehr industrienah, sind es heute vor allem staatliche, parastaatliche und suprastaatliche Organismen sowie Non-Profit-Organisationen, die Dokumentationsstellen unterhalten. Diese durch den Strukturwandel der Wirtschaft bedingte Verschiebung wird genauer untersucht. Das Verzeichnis offenbart zudem einen dokumentarischen Röstigraben: In der Romandie gibt es überproportional viele Dokumentationsinstitutionen, mit Genf als regelrechter Dokumentationshochburg. Die Gründe dafür sind vielfältig, doch ist die Begrifflichkeit zweifellos ein entscheidender Faktor. Denn während die schweizerdeutsche Berufsbezeichnung «Dokumentalist» ausgedient zu haben scheint, konnte sich «documentaliste» besser halten. Der Terminologie kommt in dieser Arbeit darum massgebende Bedeutung zu. Berücksichtigt wird dabei auch die Konvergenz von Archiv-, Bibliotheks- und Dokumentationswesen. Mit der Berufsausbildung «Fachfrau/Fachmann Information und Dokumentation» wurde diese von den Berufsverbänden teilweise bewusst vorangetrieben, in anderen – wie diese Arbeit zeigt: teilweise überraschenden – Punkten manifestiert sie sich nun eher unkontrolliert. Das Verzeichnis der Dokumentationsinstitutionen selbst wie auch die Auswertung der Interviews bezeugen, dass die klassische dokumentarische Dienstleistungsfunktion nach wie vor gefragt ist. Erweiterungen des Berufsfeldes sind aber angebracht, und teilweise bereits im Gange, zum Beispiel Richtung Wissensmanagement. Für die Zukunft des Dokumentationsberufes ist es nun wichtig, eine passende Bezeichnung zu finden oder zu entwickeln, welche sowohl die Berufsrealität abbildet, als auch gegen aussen einen adäquaten Auftritt erlaubt.
Veröffentlicht
2016-05-12
Zitationsvorschlag
Marty, S. (2016). Schweizer Dokumentationslandschaft im Wandel: die Suche nach einem Berufsverständnis. Informationswissenschaft: Theorie, Methode Und Praxis, 4(1). https://doi.org/10.18755/iw.2016.8
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