Die vorarchivische Intervention zwischen Aufwand und Ertrag. Die kantonale Verwaltung Thurgau acht Jahre nach der flächendeckenden Einführung von Registraturplänen
Abstract
Während früher Verwaltungsschriftgut oft ungeordnet und unkoordiniert von den ablieferungspflichtigen Stellen in die Verwaltungsarchive gelangten, vollzog sich in den 1990er Jahren mit der gesteuerten Überlieferungsbildung als archivischer Kernprozess ein Kulturwandel, der mit der Einführung von ERMS noch virulenter wurde: Die Staatsarchive entwickelten ein aktiveres Rollenbewusstsein und trugen ihre Anliegen in ihren Archivsprengel hinaus und erschlossen sich somit den «vorarchivischen Raum». Das probate Steuerungsmittel für die Intervention in der aktiven Lebensphase der Dokumente stellte die Kommunikationsleistung von vorarchivischen BeraterInnen bspw. auf Grundlage von Registraturplänen dar. Deren Implementierung sollte die Ablagepraxis der kantonalen Angestellten in geordnete Bahnen lenken und insbesondere die darauf folgende Erschliessung im Verwaltungsarchiv wesentlich effizienter gestalten. Nach einem Exposé über die organisatorische Umsetzung von Records Management in der einschlägigen deutschen, französischen und englischsprachigen Literatur wurde als Fallstudie die kantonale Verwaltung Thurgau vor dem Hintergrund einer Abwägung zwischen vorarchivischer Beratung und Amortisation (Zustand der Ablieferungen beim Eintreffen im Staatsarchiv) eingehend betrachtet. 1997 wurde die Abteilung Bestandsbildung geschaffen und bis 2004 personell ausgebaut. Die grösste vorarchivische Intervention ging vom Staatsarchiv verwaltungsübergreifend in den Jahren 2004–2006 aus, indem im Vorfeld der Einführung eines ERMS für jede Dienststelle ein individueller Registraturplan erstellt wurde. Die Registraturpläne und deren Anpassungen bilden die Grundlage für eine konzise Überlieferungsbildung im Staatsarchiv. Um der Frage nachzugehen, inwiefern sich dieses konzernumfassende Projekt in archivischer Hinsicht ausbezahlt hat, wurden zwei Akzessionen auf Grundlage der seinerzeit eingeführten Registraturpläne evaluiert. Die erste Mikrostudie befasste sich mit einer konventionellen Papierablieferung und hob die Wichtigkeit der Umsetzung der Registraturpläne als Strukturmittel im Vorfeld von Ablieferungen hervor. Die zweite Mikrostudie nahm sich einer Hybridablieferung an, bei der der Registraturplan die Kongruenz zwischen physischer und elektronischer Ablage schuf. In einer Synthese wurde festgehalten, dass sich die bisher geleistete vorarchivische Intervention direkt in der Strukturierung der Amtsablagen und somit den Ablieferungen niederschlug und zu einer innerbetrieblichen erleichterten Abwicklung von Ablieferungen, insbesondere bei der Erschliessung, führte. Mit der Strukturierung der Ablagen über die laufend aktualisierten Registraturpläne kam zudem ein wesentlicher Informationsgewinn einher. Die Analyse der beiden Fallbeispiele zeigte ferner Wege auf, inwiefern technische und organisatorische Anpassungen die künftige Erschliessung noch effizienter gestalten könnten. Die Schlussbesprechung setzte sich kritisch mit den beiden Spannungsfeldern «Verhältnis zwischen strategischer Planung und Umsetzung» sowie «Verhältnis zwischen vorarchivischer Intervention und Amortisation» auseinander. Abgeschlossen wurde die Arbeit mit einer kurzen Standortbestimmung
Veröffentlicht
2016-05-12
Zitationsvorschlag
Guggisberg, E. (2016). Die vorarchivische Intervention zwischen Aufwand und Ertrag. Die kantonale Verwaltung Thurgau acht Jahre nach der flächendeckenden Einführung von Registraturplänen. Informationswissenschaft: Theorie, Methode Und Praxis, 4(1). https://doi.org/10.18755/iw.2016.12
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