Meinten Sie "Web-OPAC"? Aktuelle Entwicklungen bei Bibliothekskatalogen
Abstract
Mit dem Entstehen des Web und der Verbreitung der Websuchmaschinen haben Bibliotheken ihren Status als wichtigste Wissensspeicher und -vermittler eingebüsst. Untersuchungen aus Deutschland und den USA belegen, dass Studierende und selbst Dozierende an Universitäten ihren Informationsbedarf häufiger mit einer Websuche decken als mit einer Suche im elektronischen und gedruckten Angebot der Bibliotheken, obschon sie dieses als vertrauenswürdiger betrachten als das freie Web. Auch von bibliothekarischer Seite wird deshalb die Frage gestellt, ob sich der grosse Aufwand für die Pflege von Bibliothekskatalogen noch rechtfertigen lasse, wenn diese für die Informationssuche weniger genutzt würden als kostenlose Instrumente und wenn in absehbarer Zeit Millionen von digitalisierten Büchern frei zugänglich gemacht würden. Vor diesem Hintergrund befasst sich die vorliegende Arbeit mit der Frage, wie Bibliotheken sich angesichts der freien Verfügbarkeit praktisch jeglicher Information positionieren und weiterhin relevante Informationsdienstleistungen erbringen können. Sie konzentriert sich dabei auf den Katalog und die Katalogisierung. Auf der Ebene der Kataloge verfolgen Bibliotheken zwei Strategien, um ihren Rückstand gegenüber den Web-Suchmaschinen aufzuholen. Sie verbessern einerseits das Sucherlebnis der Katalognutzerinnen, indem sie es jenem der Web-Suchmaschinen angleichen. Andererseits versuchen sie, Nutzer aus dem Web auf ihre Sammlungen zu lenken, indem sie ihre Katalogdaten in die Indizes der grossen Suchmaschinen bringen oder sie über offene Schnittstellen für die Weiterverwendung in anderen Web-Anwendungen freigeben. Drei aktuelle Katalogsysteme werden zur Illustration dieser Entwicklung kurz beschrieben. Auf der Ebene der Katalogisierung stehen Bibliotheken unter erheblichem Druck, effizienter zu arbeiten, um Kosten zu sparen und die immer noch zunehmende Produktion von Verlagspublikationen zu verarbeiten, damit sie sich vermehrt der Erfassung von lokalen, einzigartigen Sammlungen widmen können. Hier werden verschiedene Massnahmen diskutiert, etwa die systematische Übernahme bibliographischer Daten von nichtbibliothekarischen Produzenten sowie die Entwicklung des neuen Regelwerks RDA (Resource Description and Access), dessen Tauglichkeit allerdings umstritten ist. Auch die Frage, ob das in Katalogen verbreitete Datenformat MARC den Anforderungen von elektronischen Bibliotheken und der Weiterverwendung durch Webdienste genügt, wird erörtert. Anhand zweier Projekte wird schliesslich die These aufgestellt, dass die Pflege von Normdateien über die primäre Anwendung in Bibliothekskatalogen hinaus grossen Nutzen erbringen und künftig als einer der wichtigsten Beiträge der Bibliotheken zur Erschliessung von Informationen im Web gelten kann.
Veröffentlicht
2010-03-28
Zitationsvorschlag
Gränicher, M. (2010). Meinten Sie "Web-OPAC"? Aktuelle Entwicklungen bei Bibliothekskatalogen. Informationswissenschaft: Theorie, Methode Und Praxis, 1(1). https://doi.org/10.18755/iw.2010.7
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