Der gelebten Demokratie dienen. Öffentlichkeitsarbeit in Staatsarchiven

  • Marcel Müller

Abstract

Die deutschsprachige Diskussion zur archivischen Öffentlichkeitsarbeit ist für die Konzeption entsprechender Massnahmen in Staatsarchiven bislang kaum hilfreich: - Sie erschöpft sich oftmals im Abwägen einzelner Kommunikationskanäle (Ausstellungen, Führungen, Printmaterial etc.) und der Schilderung eigener Erfahrungen statt das Eigentliche einer Institution als Kommunikationsziel zu propagieren. - Sie ist den einzelnen Archivtypen gegenüber grösstenteils indifferent und fragt kaum je nach der Legitimation bzw. den notwendigen Ressourcen für die Implementierung entsprechender Aktivitäten. - Im Verbund mit den eng verzahnten Bereichen der Archivpädagogik und der historischen Bildungsarbeit fokussiert die Diskussion einseitig auf einen (ohnehin traditionell engen) Kultur- und Geschichtsbegriff: das in der Öffentlichkeit vermittelte Bild von Staatsarchiven wird ihrer Rolle und Funktion im demokratischen Staatswesen nicht gerecht. Die vorliegende Masterarbeit stellt deshalb den Archivtyp 'Staatsarchiv' ins Zentrum der Überlegungen. Staatsarchive haben in modernen demokratischen Staatswesen zwischen Volk und Regierung einen Interessensausgleich zu gewährleisten. Können Staatsarchive ordnungsgemässes und damit überprüfbares Regierungs- und Verwaltungshandeln nicht authentisch und dauernd verfügbar halten, de-legitimieren sie sich nicht bloss selbst, sondern untergraben letztlich auch das Vertrauen in den Rechtsstaat. Diese Doppelrolle als Dienerin von sowohl Verwaltung/Regierung als auch des Souveräns wurde jüngst durch den sich verändernden normativen Rahmen (Archivgesetze, Öffentlichkeitsgesetze, Datenschutzgesetze) noch akzentuiert. Mit den Citoyennes und Citoyens als staatspolitisch wichtigster Stakeholder-Gruppe muss die Öffentlichkeitsarbeit von Staatsarchiven daher primär auf den Archivzugang und die Benutzung zielen. Als Konsequenz hiervon müssen die Vermittlung und die Archivpädagogik unter der Prämisse stehen, die Citoyens und Citoyennes über ihr Recht des prinzipiellen Archivzugangs und die damit verbundenen Möglichkeiten zu informieren. Staatsarchive haben - so die These der Arbeit - aufgrund dieser Voraussetzungen ein gemeinsames, systemisch bedingtes Kommunikationsziel. Die Masterarbeit versucht aufzuzeigen, dass die (Rück-) Besinnung auf das Eigentliche die Öffentlichkeitsarbeit von Staatsarchiven jenseits der Eventkultur nicht nur fruchtbar profiliert, sondern den Institutionen selber zugleich auch Zukunftsmodell sein kann. Denn wie Museen, Bibliotheken oder z.B. Firmenarchive verfügen Staatsarchive nicht zuletzt auch wegen ihrer staatspolitischen Funktion über distinguierende Exklusiv- und Kompetenzbereiche, die aber von der szenetypischen Öffentlichkeitsarbeit bislang nicht als Kommunikationsinhalte genutzt wurden. Staatsarchive sind als Archivtyp staatsphilosophisch bzw. -politisch zwar klar verortbar, weisen darüber hinaus aber unterschiedliche institutionelle Ausgestaltungen und Umfelder auf. Die Implementierung des Kommunikationsziels muss daher individuell erfolgen, hier allerdings unter Rückgriff auf eine betriebswirtschaftliche Sichtweise. In enger Anlehnung an die angelsächsische Praxis wird archivische Öffentlichkeitsarbeit deshalb als eine gesamtbetriebliche Aufgabe verstanden. Eine nachhaltige Öffentlichkeitsarbeit benötigt nicht nur diverse betriebliche Ressourcen, sondern steht mit diesen auch in reger Wechselwirkung. Wie die Arbeit zu zeigen sucht, stehen die Ressourcen ihrerseits trotz ihrer individuell unterschiedlichen Ausprägung in einer logischen Abhängigkeit voneinander. Die oben skizzierte staatspolitische Argumentation und deren Konsequenzen lässt sich auf diese Weise verhältnismässig einfach, v.a. aber auch nachhaltig mit der eigenen betrieblichen Realität synchronisieren.
Veröffentlicht
2012-04-18
Zitationsvorschlag
Müller, M. (2012). Der gelebten Demokratie dienen. Öffentlichkeitsarbeit in Staatsarchiven. Informationswissenschaft: Theorie, Methode Und Praxis, 2(1). https://doi.org/10.18755/iw.2012.11
Rubrik
Artikel / Articles