Möglichkeiten und Grenzen der Bewertungspraxis in Gemeindearchiven. Eine Fallstudie aus dem Saastal (VS)

  • Aurel Waeber

Abstract

Über Bewertung als eine, wenn nicht die archivische Kernkompetenz wurde bisher vor allem im Zusammenhang mit grösseren Archiven (Bundesarchiv, Staatsarchiv) reflektiert und gesprochen. Für die kleineren Archive - so in erster Linie für die Gemeindearchive - sind dazu bis heute kaum Anstrengungen unternommen worden. Die Arbeit nimmt dieses Desiderat auf und zeigt am Beispiel der vier Walliser Gemeindearchive des Saastals konkrete Möglichkeiten, aber auch Grenzen bzw. Hindernisse für eine professionelle Bewertungspraxis auf. Die Arbeit gliedert sich in zwei Teile: im Teil A werden allgemeine theoretische Überlegungen zur Bewertungsdiskussion im nationalen und internationalen Kontext referiert und durch eine Reihe von Kurzporträts verschiedener Bewertungsmodelle und -konzepte ergänzt. Der Teil B schildert zuerst allgemeiner die Situation der Archive in den zahlreichen kleinen und mittelgrossen Gemeinden mit ihren organisatorischen und ressourcenmässigen Defiziten, ehe mit einer kurzen Beschreibung der konkreten Bewertungsaktivitäten auf Gemeindeebene, welche bislang eher als Krisenmanagement denn als Alltagsaufgabe eingestuft werden müssen, fortgefahren wird. Zur Verbesserung dieser Situation werden anschliessend mit konkretem Bezug auf die Walliser Gemeinden im allgemeinen und auf die Saastal Gemeinden im speziellen die Bedeutung des sogenannten Musteraufbewahrungsplans (aus dem Handbuch für die Walliser Gemeindearchive, hrsg. vom Staatsarchiv Wallis) als Hauptbewertungsinstrument hervorgehoben und die Vor- und Nachteile bei dessen praktischer Handhabung aufgezeigt. So wird - obwohl die Gemeinden grösstenteils vom Handbuch bzw. vom Musteraufbewahrungsplan Kenntnis haben - letzterer bei der alltäglichen Arbeit auf der Gemeindeverwaltung dennoch nicht oder kaum als gezieltes Bewertungsinstrument eingesetzt. Dieses Defizit konnte so auch in der eigens durchgeführten Umfrage bei den vier Saastal Gemeinden nachgewiesen werden. Optimierungsmöglichkeiten hinsichtlich einer transparenten Bewertungspraxis werden deshalb mit dem konsequenten Einsatz des Musteraufbewahrungsplans (prospektiv und retrospektiv) unter gezieltem Einbezug der ins Feld geführten Bewertungsmodelle und -konzepte beispielhaft für die Gemeindearchive des Saastals entwickelt, obwohl die Modelle für den momentanen Arbeitsalltag auf den genannten Gemeindeverwaltungen realiter eher von sekundärer Bedeutung sind. Im Fazit der Arbeit wird schliesslich festgehalten, dass die sich stellenden Bewertungsprobleme und -herausforderungen im Gemeindearchiv in erster Linie mit einer konsequenten Anwendung des Muster-Aufbewahrungsplans - mit möglichem ergänzenden Einbezug von Bewertungsmodellen - gezielt angegangen werden können, wozu es vor allem ein archivisch professioneller geschultes Personal braucht. Diese Personalschulung ist mit einem durch entsprechende Kommunikationsmassnahmen einzuleitenden Kulturwandel auf der jeweiligen Gemeindeverwaltung verbunden, welcher die bisherigen Arbeitstechniken der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Teil hinterfragt und zu entsprechenden Verhaltensänderungen hinführt.
Veröffentlicht
2012-04-18
Zitationsvorschlag
Waeber, A. (2012). Möglichkeiten und Grenzen der Bewertungspraxis in Gemeindearchiven. Eine Fallstudie aus dem Saastal (VS). Informationswissenschaft: Theorie, Methode Und Praxis, 2(1). https://doi.org/10.18755/iw.2012.21
Rubrik
Artikel / Articles