Die Musiksammlung des Benediktinerklosters Mariastein. Bewertung als Schlüssel zur erfolgreichen Reorganisation

  • Gabriella Hanke Knaus

Abstract

Die Fallstudie setzt sich einleitend mit dem Sammlungsgut von öffentlichen und privaten Musiksammlungen der Schweiz auseinander. Sie kommt zur Erkenntnis, dass Musiksammlungen aufgrund ihres Sammlungsguts eine Zwitterstellung zwischen Archiv- und Bibliothek einnehmen. Diese Tatsache gilt auch für die Musiksammlung des Benediktinerklosters Mariastein und hat deren Reorganisation massgeblich geprägt. Die einzelnen Etappen der Reorganisation werden in der Masterarbeit sowohl aus archiv- wie auch aus bibliothekswissenschaftlicher Perspektive reflektiert und in den Kontext der schweizerischen und internationalen Archiv- und Bibliothekslandschaft gestellt. Sammeln, Erschliessen, Vermitteln sind in theoretischen Diskursen erarbeitet worden; aus ihnen leitet sich die für Mariastein gewählte Lösung her. Der Blick auf die Sammlungstektoniken von öffentlichen und privaten Musiksammlungen in der Schweiz zeigt auf, dass die klösterliche Musiksammlung in Mariastein weder einer definierten Sammlungspolitik unterliegt noch den Status eines thematisch umrissenen Auslesearchivs hat. Vielmehr ist sie ein Repertoire der eigenen musikalischen Praxis und der Rezeption neuer musikalischer Entwicklungen aus verschiedenen kulturellen Räumen. Die Mariasteiner Musiksammlung hat dadurch eine einzigartige Ausprägung erhalten, die massgeblich durch die wechselvolle jüngere Geschichte des Klosters gekennzeichnet ist: Die Plünderung von 1798 und die verschiedenen Exilorte des Konvents ab 1875 haben die Überlieferung der Musiksammlung nachhaltig beeinflusst und viel dazu beigetragen, dass eine umfassende Reorganisation notwendig wurde. In ihr nimmt die Frage der Überlieferungsbildung eine zentrale Rolle ein, weil sich das Sammlungsgut in Mariastein sowohl der archivarischen Bewertungsdiskussion entzieht als auch rein bibliothekswissenschaftliche Methoden des Sammlungsaufbaus der speziellen Überlieferung nicht gerecht werden. Die für Mariastein gewählte Bewertungsmatrix ist der Versuch eines "dritten Weges"; er hat zu einer Trennung des Sammlungsgutes in die Teilbestände "Musikarchiv" (Musikhandschriften und Musikdrucke mit den Kriterien Erscheinungsdatum vor 1800, Mariasteiner Klosterkomponist, Erstdrucke von Komponisten bis ca. 1850) und "Notenbibliothek" (Notendrucke ab ca. 1850 bis zur Gegenwart) geführt und dementsprechend auch die Neuordnung und die Erschliessung nachhaltig beeinflusst. Bei der Erschliessung wurden nicht nur verschiedene Erfassungstiefen für die beiden Teilbestände, sondern auch verschiedene Regelwerke gewählt. Diese Zweiteilung ist in Institutionen mit Archiv- und Bibliotheksgut durchaus üblich. Dabei ist festzustellen, dass die Diskussion um die Erschliessung von Archivalien in Bibliotheken (personenbezogene Nachlässe und Sammlungen) im schweizerischen Kontext nicht abgeschlossen und zuweilen zu sehr von der Wahl der "richtigen" Applikationssoftware und dem Katalogisierungsformat zur Erschliessung und zu wenig von der Frage nach dem adäquaten Regelwerk geprägt ist. In Mariastein hat der Entscheid zur Erschliessung des Teilbestands "Musikarchiv" nach den Regeln des RISM und der "Notenbibliothek" nach dem KIDS-Regelwerk aber auch mit der Vorgabe des Auftraggebers zu tun, die Daten der Erschliessung des historischen Quellenbestands mittelfristig in RISM zu publizieren. Diese Vorgabe ist zukunftsweisend; die Türe zu einer Übernahme der Mariasteiner Daten in Verbundsysteme oder in Meta-OPACs ist damit geöffnet. Die Umsetzung von Vorgaben des Auftraggebers steht unter dem Leitstern von "best practice" auf der Grundlage aktueller archiv- und bibliothekswissenschaftlicher Erkenntnisse.
Veröffentlicht
2014-05-15
Zitationsvorschlag
Hanke Knaus, G. (2014). Die Musiksammlung des Benediktinerklosters Mariastein. Bewertung als Schlüssel zur erfolgreichen Reorganisation. Informationswissenschaft: Theorie, Methode Und Praxis, 3(1). https://doi.org/10.18755/iw.2014.8
Rubrik
Artikel / Articles