Die öffentliche Diskussion der Archivgesetze in der Schweiz

  • Stefan Frech

Abstract

Die Arbeit geht erstmals der Rezeption der seit 1995 in der Schweiz erlassenen Archivgesetze in den Parlamenten und der Tagespresse nach. Welche Bedeutung wurde den Gesetzen beigemessen und welche ihrer Teile wurde von Politikern und Journalisten besonders diskutiert? Die Arbeit geht von zwei Annahmen aus: Aufgrund der demokratierelevanten Funktionen der Archive und den Erfahrungen aus der Weltkriegsdebatte in den 1990er Jahren müsste den Gesetzen eine grosse Bedeutung beigemessen worden sein. Dabei dürften vor allem die "politischsten" Funktionen der Archive, die Sicherung von Unterlagen und der Zugang zu ihnen, zu Diskussionen geführt haben. Ziel der Arbeit ist es, die Parlamentsdebatten und die Presseberichte zu vergleichen und damit Aussagen über den politischen und gesellschaftlichen Stellenwert der Archive in der Schweiz zu ermöglichen. Der erste Teil der Arbeit geht auf die Geschichte der Archivgesetze ein und beleuchtet ihr Verhältnis zu den Grundrechten und verwandten Gesetzen. Im zweiten Teil wird die öffentliche Diskussion der Archivgesetze des Bundes und der Kantone Genf, Zug und St. Gallen untersucht. Sie wurden aufgrund ihrer Repräsentativität ausgewählt, und weil die parlamentarischen Kommissionsprotokolle greifbar waren. Nach einer Vorstellung der Gesetzesentwürfe werden das Vernehmlassungsergebnis und die allgemeine Aufnahme des Gesetzes im jeweiligen Parlament behandelt. Den Debatten in den vorberatenden Kommissionen schliesst sich die Diskussion im Ratsplenum an. Zum Schluss wird jeweils die Berichterstattung in der regionalen Presse analysiert. Im dritten Teil der Arbeit werden die Archivgesetze aller übrigen Kantone in analoger Art, jedoch ohne Vernehmlassungen und Kommissionssitzungen, dargestellt. Die Analyse der Parlamentsdebatten zeigt, dass die Archivgesetze gut bis sehr gut aufgenommen wurden. Nur in wenigen Kantonen stellten die Volksvertreter die Schaffung der neuen Gesetze grundsätzlich in Frage. Die bürgerlichen Parteien erachteten das Archivwesen als zu wenig bedeutend, um dafür ein Gesetz zu erlassen. Das sah allerdings eine Mehrheit der Volksvertreter anders. Sie wiesen der Aktenführung und Archivierung grundsätzlich eine hohe Bedeutung zu. Aber auch sie setzten sich nicht vertieft mit den Gesetzen auseinander. Die Debatten waren meist sehr kurz. Die Annahme, dass die Politiker den Archivgesetzen eine grosse Bedeutung zuwiesen, kann also nur bedingt bestätigt werden. Die zweite Hypothese erweist sich ebenfalls nur als teilweise richtig: Die Ausgestaltung der Schutzfristen gab beim Bund und in den Kantonen mit Abstand am meisten zu Diskussionen Anlass. Ausserhalb der Parlamente fanden die Archivgesetze nur wenig Widerhall. In den Kantonen Zürich und Glarus, wo Volksabstimmungen stattfanden, sagten die Stimmbürger immerhin sehr deutlich Ja. Dieses affirmative Desinteresse lässt sich auch bei der Schweizer Presse feststellen: In den meisten Fällen erschienen keine grösseren Zeitungsberichte vor und während der Parlamentsdebatten. Als Fazit lässt sich festhalten: Die Archivgesetze in der Schweiz stiessen bei den Politikern und Journalisten auf viel Wohlwollen, in ihren Augen waren sie aber von sekundärer Bedeutung.
Veröffentlicht
2014-05-15
Zitationsvorschlag
Frech, S. (2014). Die öffentliche Diskussion der Archivgesetze in der Schweiz. Informationswissenschaft: Theorie, Methode Und Praxis, 3(1). https://doi.org/10.18755/iw.2014.11
Rubrik
Artikel / Articles