Umgang mit Forschungsdaten in den Naturwissenschaften. Eine Fallstudie aus der Mikrobiologie

  • Sibylle Kaspar

Abstract

Daten, die durch Forschungsprojekte entstehen sind so vielfältig wie die Themengebiete selbst. Allen gemeinsam ist jedoch eine behördliche Forderung nach Integrität, Nachvollziehbarkeit und Verlässlichkeit der erhobenen Daten. Dazu benötigt es einen strukturierten und gesicherten Umgang mit den entsprechenden Forschungsdaten. Zielsetzung und Methode: In dieser Masterarbeit wurde durch eine konkrete Fallstudie der aktuelle Umgang mit Forschungsdaten in einem Labor im Fachbereich Mikrobiologie an einer deutschen Universität genauer betrachtet. Im Rahmen eines Interviews wurde die Forschungsumgebung, die Datengenerierung im Forschungsprozess und die Art und Weise der Aufzeichnung eruiert. Die Datenwege, die Nachvollziehbarkeit, die Wiederauffindbarkeit, die Bewertung der Datensätze, deren Integrität und Sicherung konnten auf diese Weise ermittelt werden. Es erfolgte eine Diskussion der Ergebnisse aus einem informationswissenschaftlichen Blickwinkel und ein Vergleich mit geltenden Richtlinien und Regularien zur "Guten Wissenschaftlichen Praxis", der ISO-Norm 15489 zur Schriftgutverwaltung und der "Guten Laborpraxis" (GLP). Ein Überblick über den aktuellen Umgang mit Forschungsdaten auf nationaler und internationaler Ebene, deren Erhaltung, den geltenden Richtlinien, technischen, organisatorischen und soziokulturellen Aspekten führte in den Themenbereich ein. Ergebnisse und Fazit: Die Aufzeichnung der Daten im untersuchten Labor erfolgt vorwiegend handschriftlich im Laborjournal. Es stellt den Haupteintragungsort für Planung, Durchführung und Ergebnisse der Experimente, Notizen und Ideen dar. Diese Information ist meist nur für den/die Ersteller/in verständlich und daher personengebunden. Andere Personen greifen auf ausformulierte Publikationen zurück, die jedoch meist nur aufbereitete Daten enthalten. Negativergebnisse und Fehlexperimente gehen so meist unter, werden nicht mehr verwertet und bleiben der Wissenschaft unzugänglich. Die Güte der in den Experimenten gewonnenen Daten wird durch Sorgfalt, Genauigkeit und Verlässlichkeit geprägt. Kontrollinstanzen für qualitativ hochwertige und integre Daten sind der Betreuer, Seminarvorträge, Abschlussarbeiten, Publikationen und die Peergroup. In der untersuchten Arbeitsgruppe wird unter Einbeziehung der DFG-Empfehlungen von 1998 zur "Guten Wissenschaftlichen Praxis" grundlegende Forschung betrieben. Es handelt sich um ein funktionierendes System, das innerhalb "seiner" Community "lege artis" handelt und ehrliche Forschung betreibt. Ein Vergleich mit dem Standard ISO 15489:2002 und den Grundsätzen zur "Guten Laborpraxis" zeigt, dass die dort verlangte Arbeitsweise starken Reglementierungen unterliegt und für ein universitäres Labor nicht geeignet wäre. Forschung ist von sorgfältigem Arbeiten geprägt, aber auch von einer Art künstlerischen Freiheit, die neue Ideen kreiert. Forscher müssen einen Spagat hinbekommen zwischen einer kontrollierbaren, strukturierten, nachvollziehbaren Welt und einer kreativen, intuitiven, ideenreichen schöpferischen Welt. Der Fokus der Wissenschaftler liegt auf der Forschung und dem Verifizieren ihrer Ideen und Hypothesen. Die Forderung nach dem Aufbau eines geregelten Datenmanagements wird ungern gehört, denn für die Forschenden bedeutet das einen zusätzlichen Zeit- und Arbeitsaufwand. Daher existiert derzeit noch kein allgemein definiertes System. Die Verantwortung darf weder auf einzelnen Wissenschaftlern lasten noch durch neue Bestimmungen und Handlungsweisen von Seiten der Universität aufoktroyiert werden. Für einen (zukünftigen) Aufbau eines adäquaten Datenmanagements in dieser Art von Universitätslaboren müssen verschiedene Akteure zusammen arbeiten, um eine umsetzbare, dauerhafte und anwendbare Lösung zu erreichen.
Veröffentlicht
2014-05-15
Zitationsvorschlag
Kaspar, S. (2014). Umgang mit Forschungsdaten in den Naturwissenschaften. Eine Fallstudie aus der Mikrobiologie. Informationswissenschaft: Theorie, Methode Und Praxis, 3(1). https://doi.org/10.18755/iw.2014.21
Rubrik
Artikel / Articles