Mittelalterliche Handschriften im Medienwandel.
Historische Sammlungen zwischen Beharrungswillen und Innovationsdruck
Abstract
Mit der Digitalisierung von Informationen und der beispiellosen Expansion des Internets in den vergangenen Jahrzehnten hat sich eine eigentliche Kulturrevolution abgespielt. In besonderem Masse sind Bibliotheken von den Konsequenzen der Digitalisierung betroffen. So haben sie ihr ursprünglich unbestrittenes Monopol der Informationsversorgung eingebüsst und stehen nun in einer zuweilen ungewohnten Konkurrenzsituation mit kommerziell agierenden Webdienstleistern.
Unter diesen Umständen gewinnen Sammlungen mit unikalem Materialien, wie dies mittelalterliche Handschriften darstellen, eine kaum zu unterschätzende Bedeutung für die Profilierung einer Bibliothek. Folgerichtig hat man in den letzten Jahren viel Zeit und Geld in die Digitalisierung von wertvollen und einzigartigen Handschriften investiert. Diese „Digitalfaksimile“ wurden anschliessend im eigenen Katalog oder über eine kollektiv verwaltetet, internetbasierte Plattform, sogenannte Portale, einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Man kann gar von einer „digitalen Renaissance mittelalterlicher Handschriften“ sprechen. Diese manifestiert sich in zahlreichen nationalen Grossprojekten wie dem Handschriftenportal in Deutschland und Biblissima in Frankreich. Über weite Strecken hat sich aber noch kein einheitlicher Standard herausgebildet, werden doch Angebote mangels Alternativen teilweise parallel in Spezialkatalogen und solchen Kulturportalen geführt. Zudem kommen immer neue Angebote hinzu, so dass es schwerfällt, den Überblick zu behalten.
Es stellt sich deshalb mit einiger Dringlichkeit die Frage, welche strategischen Überlegung Bibliotheken mit historischen Beständen machen müssen, um in Zeiten knapper finanzieller Ressourcen die eigenen Handschriften effektiv und effizient zu vermitteln? Welche Konzepte, Plattformen und Medienangebote sind nach heutigem Wissensstand zukunftsweisend, welche haben transitorischen Charakter? Welche Zielgruppen werden mit diesen digitalisierten, mittelalterlichen Handschriften anvisiert und welche Vermittlungsinstrumente werden dabei verwendet?
Die folgende Arbeit ist in vier Teile gegliedert und orientiert sich am traditionellen Medienumlauf einer Bibliothek. In einem ersten Teil soll die Vorstellung der historischen Sammlung und der Spezifika der mittelalterlichen Handschriften definiert werden. In einem kursorischen Überblick wird anschliessend der Umgang mit diesen Beständen in der Parker Library (Cambridge), der Universitätsbibliothek Heidelberg, der Bayrischen Staatsbibliothek München und der Französischen Nationalbibliothek überprüft. Der zweite Teil ist den Erschliessungskonzepten und den Regelwerken gewidmet. Dabei stehen die Lehren, welche aus einem deutschen Pilotprojekt zur Digitalisierung mittelalterlicher Handschriften gezogen wurden, im Zentrum der Ausführungen. Im dritten Teil werden die unterschiedlichen Vermittlungsangebote anhand verschiedener, auf mittelalterliche Handschriften spezialisierter, Metakataloge und Datenbanken verglichen. Dies ebenfalls in einem länderübergreifenden Vergleich zwischen der Schweiz, Deutschland und Frankreich. Der Schlussteil ist den Paradigmen der digitalen Wissensrepräsentation und den „Editing Libraries“ gewidmet.
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