Vorwort der HerausgeberInnen

Harald Weydt & Svetlana Poljakova


In den Sammelband Partikeln als Sonderausgabe der Zeitschrift "Linguistik online" wurden Artikel aufgenommen, die im Arbeitskreis "Partikeln und verwandte Kategorien" im März 1999 auf der Tagung der Gesellschaft für Sprache und Sprachen (GESUS, die 8. Münchner Linguistik-Tage) in München vorgetragen worden sind. Es sind Beiträge von LinguistInnen verschiedener Forschungsrichtungen und Generationen, die Funktionswörter unterschiedlicher Kategorien aus mehreren europäischen Sprachen behandeln.

So werden hier Forschungsberichte zu Konjunktionen (Adamíková), Konnektoren (Pasch), Adverbien (Pittner, Pili, Mendoza), klitischen Pronomina (Janewa) und eigentlichen Partikeln (Brauße, Graefen, Mendoza, Poljakova) vorgestellt. Da Partikellexeme oft unterschiedliche Funktionen haben, sind Unterscheidungsprobleme (Partikel vs. Adjektiv, Partikel vs. Adverb) unumgänglich (vgl. hierzu Brauße, Mendoza, Pittner). Klitische Pronomina sind genauso stark, aber auf eine andere Weise, wie Partikeln (Abtönungspartikeln oder Fokuspartikeln) von der Informationsstruktur eines Satzes abhängig (Janewa). Bekannterweise sind Partikeln Indikatoren für diskursive Zusammenhänge. So geht Adamíková auf die Rolle der Partikeln bei der Bestimmung der Interpretationsart - Kontrast oder Korrektur - ein. Eine genauere Kategorisierung eines Funktionswortausdrucks hängt von seinen syntaktischen Eigenschaften ab. So wird 'geschweige (denn)' aufgrund seiner syntaktischen Merkmale als Konnektor eingestuft (Pasch). Die sprachgeschichtlichen Prozesse, die einer neuen Verwendungsweise und folglich der Herausbildung eines neuen Konzepts vorausgehen, sind in der letzten Zeit verstärkt thematisiert (Mendoza). Der Theoriestand der Partikelforschung leidet nach wie vor unter mangelndem Bezug zu Didaktik und Lexikographie (Graefen am Beispiel von doch). Andererseits sind neue Theoriekonzepte in Sicht, die einen Fortschritt im grammatischen Wissen über Adverbien (Pittner, Pili), Partikeln (Brauße, Poljakova) anstreben. Beim Vergleich von Daten aus verschiedenen Sprachen ist der Rückgriff auf sprachspezifische Charakteristika unumgänglich (Pittner, Poljakova).

Der Beitrag von Marcela Adamíková beschäftigt sich mit den lexikalischen, syntaktischen und prosodischen Mitteln zum Ausdruck von Kontrast im Slowakischen. Es handelt sich um den mehrdeutigen slowakischen Konnektor ale, der für verschiedene adversative Interpretationstypen verwendbar ist. Es wird gezeigt, daß die Unterscheidung zwischen dem aber-Typ und dem sondern-Typ in Beispielen mit ale prosodisch, syntaktisch sowie mit Hilfe weiterer lexikalischer Indikatoren erfolgen kann. abstract  full text

Renate Pasch geht der Frage nach, ob die Verwendungen von dem Konnektor geschweige (denn) mit dem negativen ersten Konjunkt eine besondere Verknüpfung darstellen. Geschweige hat zwei Konnekte und steht normalerweise vor dem zweiten Konnekt. Das Ergebnis der Studie ist, daß es sich bei Verknüpfungen sowohl mit negativem als auch mit positivem ersten Konjunkt aussagenlogisch stets um ein und dieselbe Verknüpfung handelt. Die logische Verknüpfung geht mit einer Präsupposition bezüglich der Wahrscheinlichkeit der beiden Konnekte einher. abstract full text

In einem weiteren Beitrag zum Slawischen widmet sich Imke Mendoza der Geschichte der russischen Partikeln uzhe und uzh, deren Funktionen im Laufe der sprachhistorischen Entwicklung zwischen den beiden Lexemen aufgeteilt wurden. Sie argumentiert dafür, daß im heutigen Russischen uzh primär als Modalpartikel verwendet wird und uzheals Temporaladverb.abstract  full text

Die Untersuchung von Valja Janewa hat bulgarische klitische Pronomina zum Gegenstand. Sie schlägt (mittels einer Referenzphrase RP) einen neuen Ansatz zu ihren syntaktischen Positionen im generativen Syntaxmodell vor. Mit diesem Ansatz ist es möglich, alle Vorkommenstypen von Objektphrasen (als alleiniges Klitikon, als DP, als Klitikon und DP zugleich) zu erfassen.abstract  full text

Zwei Beiträge sind der Kategorien gewidmet, die einen engeren Bezug zu Satzsemantik hat, also den Adverbien der Art und Weise.

So diskutiert Diana Pili die syntaktischen Positionen der Adverbien der Art und Weise im Italienischen. Sie stellt fest, daß die Analyse ihrer Positionen besondere Annahmen über die Struktur der italienischen VP erfordert. Die Verfasserin plädiert dafür, die Positionen für Adverbien der Art und Weise unterhalb der VP, nämlich in den Spezifikatorpositionen von v anzunehmen.abstract full text

Karin Pittner zeigt, daß bei Adverbialen der Art und Weise drei Typen zu unterscheiden sind: prozeßbezogene, ereignisinterne und ereignisbezogene. Die Autoren gehen der Frage nach, inwiefern die verschiedenen Positionen von Adverbialen der drei Typen auf Besonderheiten der syntaktischen Struktur in der jeweiligen Sprache zurückzuführen sind. Es wird Material aus dem Deutschen, Englischen und Französischen behandelt. abstract full text

Die weiteren drei Artikel (Brauße, Graefen, Poljakova) sind den Partikeln im engeren Sinne gewidmet.

Ursula Brauße analysiert das Lexem allein in deren Verwendungen als Fokuspartikel und als Adjektiv auf der Grundlage des Bedeutungsmodells des in Vorbereitung befindlichen HandbuchsderKonnektoren (Pasch/Brauße/Breindl), in dem Relationen auf verschiedenen Ebenen unterschieden werden. Brauße zeigt auf, daß der restriktiven und evaluativen Interpretation der Fokuspartikel allein ein und dieselbe Bedeutung zugrunde liegt. Dies dient als Rechtfertigung der Annahme einer relationalen oder Konnektorbedeutung von Fokuspartikeln. abstract full text

Gabriele Graefen untersucht die Funktionen der Partikel doch. Sie plädiert aus didaktischer Perspektive dafür, daß die verschiedenen Vorkommen des Lexems nicht in verschiedene Wortklassen einsortiert werden sollen, sondern eine funktionsorientierte, mit klaren Beispielen illustrierte Darstellung der multiplen Verwendungsweisen der Partikel doch von Vorteil wäre. Für die Praxis des Fremdsprachenunterrichts sowie für Wörterbücher wäre eine situationsadäquate Darstellung sinnvoller als eine wortartorientierte, so das Fazit der Verfasserin. abstract  full text

Svetlana Poljakova analysiert Gradpartikeln (sogar/dazhe-Gruppen) im Deutschen und Russischen. Diese Partikeln werden im Hinblick auf ihren satzinternen Bezugsbereich als Fokusdomäne analysiert. Fokusdomäne läßt sich prosodisch-syntaktisch als Domäne des Hauptakzents im Satz auffassen und ist semantisch-pragmatisch nachprüfbar. Mit diesem Verfahren lassen sich einige wichtige Unterschiede in der Gradpartikelsyntax zwischen dem Deutschen und dem Russischen feststellen. abstract full text

Die HerausgeberInnen

Harald Weydt, Frankfurt/Oder
Svetlana Poljakova, Frankfurt am Main